Stenographisches Protokoll

84. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 22. November 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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84. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 22. November 200


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Dauer der Sitzung

Donnerstag, 22. November 2001: 9.01 – 23.18 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1999

2. Punkt: Sonderbericht des Rechnungshofes über die Bankenaufsicht

3. Punkt: Bericht über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2000

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert wird (8. BFG-Novelle 2001)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem Überschreitungen von Ausgabenansätzen der Anlage I des Bundesfinanzgesetzes 2001 bewilligt werden (Budgetüberschreitungsgesetz 2001 – BÜG 2001)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert wird (BFG-Novelle 2002)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird

8. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über eine Verstärkung der stabilitätsorientierten Budgetpolitik (Österreichischer Stabilitätspakt 2001)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2001 geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses an das Land Burgenland aus Anlass der 80-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Kapitalverkehrsteuergesetz, das Straßenbenützungsabgabegesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, die Bundesabgabenordnung, die Abgabenexe-kutionsordnung, das Finanzstrafgesetz 1958 und der Artikel 34 des Budgetbegleitgesetzes 2001 geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2001, AbgÄG 2001)

13. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über Sonderregelungen zur Mittelstandsfinanzierung auf dem Gebiet der Gebühren sowie Verkehrsteuern geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Bundesgesetz über die Gründung einer Bundespensionskasse AG geändert werden

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Kraftfahrgesetz 1967 und das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer geändert werden

16. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 512/A (E) der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Einführung eines Prognoseverfahrens für den Übertritt von der Volksschule in die Sekundarstufe I

17. Punkt: Bundesgesetz über die Dokumentation im Bildungswesen (Bildungsdokumentationsgesetz)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 15. Dezember 1987, BGBl. Nr. 656, über die Abgeltung von bestimmten Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten im Bereich des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird

20. Punkt: Bericht über den Antrag 528/A der Abgeordneten Dr. Andrea Wolfmayr, Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz neu erlassen sowie das Forschungsorganisationsgesetz, das Bundesgesetz zur Errichtung einer Museumsquartier-Errichtungs- und Betriebsgesellschaft und das Bundesgesetz betreffend die Finanzierung des Erwerbs der "Sammlung Leopold" geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz über die Österreichische Bibliothekenverbund und Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung

22. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9aE Vr 5754/01, Hv 3146/01) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 12

Ordnungsrufe 167, 167

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 464/A (E) der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter und Genossen betreffend sofortige Abstellung der Privilegienwirtschaft in den Ministerbüros der blau-schwarzen Bundesre


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gierung gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 11. Dezember 2001 zu setzen 33

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 33

Redner:

Dr. Günther Kräuter 147

Karl Dobnigg 149

Mag. Dr. Josef Trinkl 151

Dr. Martin Graf 152

Mag. Werner Kogler 153

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 154

Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen, dem Umweltausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 400/A (E) betreffend Umstellung der Stromversorgung der Bundesgebäude auf Ökostrom gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 11. Dezember 2001 zu setzen – Ablehnung 33, 234

Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen, dem Umweltausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 446/A (E) betreffend Änderung der EU-Atompolitik gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 11. Dezember 2001 zu setzen – Ablehnung 33, 234

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 34

Verlangen des Abgeordneten Dr. Josef Cap auf Erteilung von Ordnungsrufen 146

Fragestunde (16.)

Bundeskanzleramt 12

Mag. Maria Kubitschek (116/M); Reinhart Gaugg, Werner Amon, MBA, Karl Öllinger

Dr. Michael Krüger (114/M); Mag. Dr. Josef Trinkl, MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Dr. Peter Wittmann

Karl Öllinger (118/M); Mag. Gisela Wurm, Dr. Gerhard Kurzmann, Karl Donabauer

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (112/M); Dr. Evelin Lichtenberger, Mag. Kurt Gaßner, Dr. Michael Krüger

Helmut Dietachmayr (120/M); Dr. Harald Ofner, Astrid Stadler, Karl Öllinger

Mag. Karl Schweitzer (115/M); Mag. Helmut Kukacka, Dr. Eva Glawischnig

Mag. Terezija Stoisits (119/M); Edith Haller, Mag. Walter Posch, Dr. Christof Zernatto

Dr. Michael Spindelegger (113/M); Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Helene Partik-Pablé, Peter Schieder

Dkfm. Dr. Hannes Bauer (117/M); Mag. Gilbert Trattner, Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Mag. Werner Kogler


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Ausschüsse

Zuweisungen 32

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Rüdiger Schender und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Orientierungslosigkeit der linken Bildungspolitik (3116/J) 106

Begründung: Werner Amon, MBA 109

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 112

Debatte:

Mag. Karl Schweitzer 115

Mag. Andrea Kuntzl 118

Dr. Gertrude Brinek 120

Dieter Brosz 123

Dr. Martin Graf 126

Dr. Dieter Antoni 128

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 129

Mag. Karin Hakl 131

Dr. Kurt Grünewald 132

Mag. Rüdiger Schender 135

Gabriele Heinisch-Hosek 137

Dr. Sylvia Papházy, MBA 139

Paul Kiss 140

Karl Öllinger 142

Dr. Martin Graf (tatsächliche Berichtigung) 143

Beate Schasching 143

Werner Miedl 145

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen betreffend Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen – Ablehnung 125, 147

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen betreffend Abschaffung der Studiengebühren – Ablehnung 135, 147

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel und Genossen betreffend Erhöhung der Stipendien – Ablehnung 138, 147

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Tätigkeitsbericht (III-73 d. B.) des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1999 (725 d. B.) 34

2. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Sonderbericht (III-92 d. B.) des Rechnungshofes über die Bankenaufsicht (758 d. B.) 34

Redner:

Dr. Günther Kräuter 34, 71

Wolfgang Großruck 36

Mag. Werner Kogler 38, 70

Mag. Beate Hartinger 40

Anton Leikam 41


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Edeltraud Lentsch 43

Dieter Brosz 44

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 46

Hans Müller 47

Mag. Kurt Gaßner 49

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (tatsächliche Berichtigung) 50

Reinhold Lexer 50

Gabriele Binder 51

Ilse Burket 53

Josef Edler 53

Mag. Martina Pecher 55

Gerhard Reheis 56

Roland Zellot 57

Christian Faul 58

Nikolaus Prinz 59

Mag. Christine Lapp 60

Jutta Wochesländer 61

Ing. Erwin Kaipel 62

Ing. Kurt Scheuch 63

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 65

Robert Wenitsch 66

Hermann Böhacker 67

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 68

Anton Wattaul 69

Helmut Haigermoser 73

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler 73

Kenntnisnahme der beiden Berichte III-73 und III-92 d. B. 75

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss (III-113 d. B.) für das Jahr 2000 (864 d. B.) 75

4. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (785 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert wird (8. BFG-Novelle 2001) (865 d. B.) 75

5. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (783 d. B.): Bundesgesetz, mit dem Überschreitungen von Ausgabenansätzen der Anlage I des Bundesfinanzgesetzes 2001 bewilligt werden (Budgetüberschreitungsgesetz 2001 – BÜG 2001) (866 d. B.) 75

6. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (784 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert wird (BFG-Novelle 2002) (867 d. B.) 75

7. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (780 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird (868 d. B.) 75

Redner:

Rudolf Edlinger 76

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 79

Dr. Alexander Van der Bellen 81

Mag. Gilbert Trattner 86

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 91, 99

Anton Leikam 97


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84. Sitzung / Seite 6

Heinz Gradwohl (tatsächliche Berichtigung) 100

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 101

Mag. Maria Kubitschek 102

Hans Müller 104

Josef Edler 105

Ernst Fink 154

Friedrich Verzetnitsch 155

Reinhart Gaugg 157

Anton Leikam (tatsächliche Berichtigung) 158

Rainer Wimmer 159

Jakob Auer 161

Ing. Kurt Gartlehner 162

Robert Egghart 163

Edeltraud Lentsch 164

Hermann Böhacker 165

Mag. Werner Kogler 165

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinz Gradwohl und Genossen betreffend sofortigen Stopp des Verkaufs beziehungsweise der Übertragung der Kärntner Seen – Ablehnung 98, 168

Entschließungsantrag der Abgeordneten Reinhart Gaugg, Dr. Christof Zernatto und Genossen betreffend "Kärntner Seen" – Annahme (E 108)  158, 168

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinz Gradwohl und Genossen betreffend Verhinderung weiteren Ausverkaufs von Wäldern, Seen und Trinkwasser im Besitz der Republik Österreich – Ablehnung 160, 168

Annahme der fünf Gesetzentwürfe in 864, 865, 866, 867 und 868 d. B. 167


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84. Sitzung / Seite 7

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (829 d. B.): Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über eine Verstärkung der stabilitätsorientierten Budgetpolitik (Österreichischer Stabilitätspakt 2001) (857 d. B.) 169

9. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (779 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2001 geändert wird (858 d. B.) 169

10. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (776 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses geändert wird (863 d. B.) 169

Redner:

Dr. Kurt Heindl 169

Jakob Auer 172

Mag. Werner Kogler 173

Hermann Böhacker 174

Dkfm. Dr. Hannes Bauer 175

lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher 176

Kurt Eder 177

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 179

Hans Müller 180

Genehmigung des Staatsvertrages in 829 d. B. 180

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 858 und 863 d. B. 181

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (778 d. B.): Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses an das Land Burgenland aus Anlass der 80-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich (856 d. B.) 181

12. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (827 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Kapitalverkehrsteuergesetz, das Straßenbenützungsabgabegesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, die Bundesabgabenordnung, die Abgabenexekutionsordnung, das Finanzstrafgesetz 1958 und der Artikel 34 des Budgetbegleitgesetzes 2001 geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2001, AbgÄG 2001) (859 d. B.) 181

13. Punkt: Bericht und Antrag des Finanzausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über Sonderregelungen zur Mittelstandsfinanzierung auf dem Gebiet der Gebühren sowie Verkehrsteuern geändert wird (860 d. B.) 181

14. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (775 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Bundesgesetz über die Gründung einer Bundespensionskasse AG geändert werden (861 d. B.) 181

15. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (782 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Kraftfahrgesetz 1967 und das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer geändert werden (862 d. B.) 182

Redner:

Ing. Erwin Kaipel 182

Mag. Cordula Frieser 183

Mag. Werner Kogler 184

Hermann Böhacker 185

Marianne Hagenhofer 185

Ernst Fink 187

Georg Oberhaidinger 187

Mag. Reinhard Firlinger 188

Edeltraud Lentsch 189

Andreas Sodian 190

Annahme der fünf Gesetzentwürfe in 856, 859, 860, 861 und 862 d. B. 190

16. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Entschließungsantrag 512/A (E) der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Einführung eines Prognoseverfahrens für den Übertritt von der Volksschule in die Sekundarstufe I (882 d. B.) 192

Redner:

Dr. Dieter Antoni 192

Werner Amon, MBA 193

Dieter Brosz 194

Mag. Karl Schweitzer 196

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 196


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84. Sitzung / Seite 8

Beate Schasching 198

Dr. Gertrude Brinek 199

Christian Faul 200

Mag. Dr. Udo Grollitsch 201

Dr. Robert Rada 202

Nikolaus Prinz 203

Mag. Christine Muttonen 203

Mag. Johanna Mikl-Leitner 204

Theresia Haidlmayr 206

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 882 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Einführung eines Prognoseverfahrens für den Übertritt von der Volksschule in die Sekundarstufe I (E 109) 207

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (832 d. B.): Bundesgesetz über die Dokumentation im Bildungswesen (Bildungsdokumentationsgesetz) (881 d. B.) 207

18. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (643 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 15. Dezember 1987, BGBl. Nr. 656, über die Abgeltung von bestimmten Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten im Bereich des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft geändert wird (883 d. B.) 207

19. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (644 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (884 d. B.) 207

Redner:

Dr. Dieter Antoni 208

Werner Amon, MBA 209

Dieter Brosz 210, 218

Hans Sevignani 211

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 212

Dr. Kurt Grünewald 212

Dr. Gertrude Brinek 214

Mag. Karin Hakl (tatsächliche Berichtigung) 214

Karl Öllinger 215

Jutta Wochesländer 217

Wolfgang Großruck 219

Mag. Andrea Kuntzl 220

Dr. Andrea Wolfmayr 221

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 222

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 881, 883 und 884 d. B. 223

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 528/A der Abgeordneten Dr. Andrea Wolfmayr, Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz neu erlassen sowie das Forschungsorganisationsgesetz, das Bundesgesetz zur Errichtung einer Museumsquartier-Errichtungs- und Betriebsgesellschaft und das Bundesge


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84. Sitzung / Seite 9

setz betreffend die Finanzierung des Erwerbs der "Sammlung Leopold" geändert wird (850 d. B.) 224

21. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (830 d. B.): Bundesgesetz über die Österreichische Bibliothekenverbund und Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung (851 d. B.) 224

Redner:

Mag. Christine Muttonen 224

Dr. Andrea Wolfmayr 226

Dr. Eva Glawischnig 227

Dr. Brigitte Povysil 228

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 229

Inge Jäger 229

Mag. Johanna Mikl-Leitner 230

Dr. Sylvia Papházy, MBA 230

Mag. Eduard Mainoni 231

Hans Sevignani 232

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen betreffend die Erhöhung des Ankaufsbudgets der Österreichischen Nationalbibliothek – Ablehnung 225, 233

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 850 und 851 d. B. 232

22. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9aE Vr 5754/01, Hv 3146/01) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler (841 d. B.) 233

Annahme des Ausschussantrages 233

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Vorlage eines Anti-Doping-Gesetzes (545/A) (E)

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend umgehende Übermittlung einer Regierungsvorlage betreffend ein Sportgesetz an den Nationalrat (546/A) (E)

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Bericht über die Situation der österreichischen SchiedsrichterInnen an den Nationalrat (547/A) (E)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen betreffend geschlossene Anbaugebiete für eine gentechnikfreie Produktion (548/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend Nachfolgeregelung zu Protokoll Nr. 9 des EU-Beitrittsvertrages (Transitabkommen Österreich–EU) (549/A) (E)

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz – KFG geändert wird (550/A)

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Vertriebsverordnung nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) (551/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Werner Amon, MBA, Mag. Rüdiger Schender und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Orientierungslosigkeit der linken Bildungspolitik (3116/J)


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84. Sitzung / Seite 10

Gerhard Reheis und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Auffangmaßnahmen für den zu erwartenden Umwegsverkehr auf der Brenner-Route durch die Sperre des Gotthard-Tunnel (3117/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "Abfertigung neu" (3118/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Trinkwasseruntersuchungen durch unbefugte Unternehmen (3119/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Trinkwasseruntersuchungen durch unbefugte Unternehmen (3120/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend "Zusammenlegung der Österreichischen Wetterdienste" (3121/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend "Zusammenlegung der Österreichischen Wetterdienste" (3122/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend "Zusammenlegung der Österreichischen Wetterdienste" (3123/J)

Dr. Josef Cap und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Vorruhestandsmodell (3124/J)

Dr. Josef Cap und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vorruhestandsmodell (3125/J)

Dr. Josef Cap und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Vorruhestandsmodell (3126/J)

Dr. Josef Cap und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Vorruhestandsmodell (3127/J)

Inge Jäger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Asylantragsverfahren und Asylanträge aus Entwicklungsländern (3128/J)

Mag. Christine Muttonen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Förderung und steuerliche Absetzbarkeit von Kunstsponsoring und Mäzenatentum (3129/J)

Mag. Christine Muttonen und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Prognoseverfahren (3130/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Missstände bei der "Rollenden Landstraße" (3131/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen (2809/AB zu 2844/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen (2810/AB zu 2893/J)


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84. Sitzung / Seite 11

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2811/AB zu 2827/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2812/AB zu 2843/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Edeltraud Lentsch und Genossen (2813/AB zu 2850/J)


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84. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne  – zur anberaumten Stunde – die 84. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Csörgits, Murauer, Dr. Niederwieser und Huber.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Ich beginne nun, um 9.01 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundeskanzleramt

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Mag. Kubitschek wird den Wortlaut der von ihr eingebrachten 1. Anfrage an den Herrn Bundeskanzler vortragen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Mag. Maria Kubitschek (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

116/M

Warum setzt die Bundesregierung angesichts der von ihr (mit)verursachten Konjunkturkrise keine Maßnahmen gegen die stark steigende Arbeitslosigkeit?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Der Ausdruck "der von ihr mitverursachten Konjunkturkrise" ist natürlich ein Scherz, denn Sie wissen ganz genau, dass es auf der ganzen Welt derzeit eher düstere Wirtschaftssaussichten gibt. Oder glauben Sie etwa, dass die rot-grüne Bundesregierung an der internationalen Konjunkturkrise keine Verantwortung trägt (Abg. Edlinger: Nicht gegenüber dem österreichischen Wähler!) oder dass die Amerikaner und die Japaner nichts damit zu tun haben? Ich würde also schon empfehlen – auch und gerade Ihnen als Wirtschaftsexpertin der Arbeiterkammer –, dass wir uns ein wenig mit den internationalen Prognosen auseinander setzen. Aus diesen ist ganz klar schon vor dem 11. September, aber vor allem seither verstärkt, der Trend zu einer deutlich schwächeren Wirtschaftsentwicklung ersichtlich.

Wir haben das kommen gesehen und mit Hilfe von einigen wesentlichen Fachleuten, den Wirtschaftsforschern, der Notenbank, dem Staatsschuldenausschuss, den Sozialpartnern mehrere Gespräche gehabt, um hier rechtzeitig gegenzusteuern. Das zeigt sich gerade am Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland: Wir sind unsere Budgetprobleme wesentlich mutiger angegangen und haben sie rascher in den Griff bekommen, liegen aber trotzdem beim Wachstum um 0,6 Prozent über unserem wichtigsten und größten Handelspartner! Das ist sicherlich ein Zeichen für eine gute Wirtschaftspolitik. Es sind heute in Österreich um 31 000 Menschen mehr in Beschäftigung als im Oktober 1999. Die Wirtschaftspolitik funktioniert also. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Das Arbeitsmarktservice ist reformiert, das zeigt sich an der durchschnittlichen Verweildauer in der Arbeitslosigkeit. Vor zwei Jahren war die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit 133 Tage, heute sind es 104 Tage – ein großer Erfolg für Martin Bartenstein und das Team des AMS! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben überdies – ich sage das auch deutlich dazu – die Integration vertieft. Durch den Integrationserlass können heute 14 000 Ausländer, die legal in Österreich leben, auch legal hier arbeiten, was zwar natürlich einen gewissen Druck auf den Arbeitsmarkt gebracht hat, aber ich glaube dennoch, dass es richtig ist, dass Menschen, die hier legal leben, auch arbeiten können.

Der 11. September hat drastische Verschärfungen etwa in der Luftfahrt gebracht. Wir haben mit einer Staatsgarantie geholfen. Wir haben jenen Mitarbeitern, die Schwierigkeiten haben und von Kündigung bedroht sind, durch spezielle Ausbildungs- und Schulungseinrichtungen im Bereich des Arbeitsmarktservice geholfen, und wir werden auf diesem erfolgreichen Weg auch weitergehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Mag. Maria Kubitschek (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Sie haben das AMS angesprochen. Ihre Regierung schöpft in den Jahren 2000 bis 2002 34,6 Milliarden Schilling aus der Arbeitslosenversicherung ab, um das Nulldefizit zu finanzieren, mit dem Ergebnis, dass jetzt, im Oktober 2001, in dem die Arbeitslosenrate um 14,5 Prozent gestiegen ist, kein Geld da ist. (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage! Frage!)

Es stellt sich also die dringende Frage an Sie, welche Maßnahmen die Regierung noch plant, um die arbeitslosen Menschen in Österreich weiter zu belasten – ich denke hiebei insbesondere an die Diskussion über die Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Im Gegensatz zu Ihrer Behauptung wollen wir die Arbeitslosen nicht belasten, sondern ihnen möglichst rasch helfen, Arbeit zu bekommen. Wir wollen nicht Arbeitslosigkeit verwalten, sondern Arbeit vermitteln. Das ist das Prinzip dieser Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu gehört, dass wir sehr darauf drängen werden, dass eine Einigung zwischen den Sozialpartnern umgesetzt wird, wonach man etwa die Saisonzeiten in den Saisonbranchen verlängert. Es ist sehr wichtig, dass mit dem Ende der Saison viele Menschen nicht einfach schlagartig in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Diesbezüglich sind uns die Sozialpartner im Wort, und darauf werden wir bestehen.

Und seien Sie dessen versichert, dass das Arbeitsmarktservice gut finanziert ist und auch weiterhin alles tun wird, um den Menschen zu helfen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Gaugg, bitte.

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wie schätzen Sie die Arbeitsmarktentwicklung für das Jahr 2002 ein? (Abg. Schieder: Das war aber sehr "kritisch"! Eine sehr "kritische" Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Das Jahr 2002 ist nicht leicht vorherzusagen, weil die Wirtschaftsforscher ursprünglich für den Anfang des nächsten Jahres einen Aufschwung vorausgesagt haben. Mittlerweile haben alle diese Erwartung hinausgeschoben, sie rechnen eher damit, dass die Verbesserung Mitte des Jahres 2002 eintritt.

Ich bin da sehr vorsichtig. Wir sind jedenfalls gerüstet, wir werden in den nächsten Tagen einen großen Konjunkturgipfel, zu dem ja schon nach dem 11. September 2001 von der Bundes


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regierung und den relevanten Ministern eingeladen wurde, abhalten, um dem vor allem durch spezifische Maßnahmen in Richtung Bildung, Forschung, Qualifikation, Arbeitsmarktakzente und Infrastruktur gegenzusteuern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Amon, bitte.

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Wie sieht es mit den Ar-beitslosenzahlen Österreichs im internationalen Vergleich aus? (Abg. Edlinger: Es wird immer schlechter!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.


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Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel:
Herr Abgeordneter! Es sieht gut aus, das wissen die Profis hier. Die Österreicher haben nach wie vor eine der niedrigsten Arbeitslosenraten innerhalb der gesamten Europäischen Union – etwa halb so hoch. (Abg. Mag. Prammer: Sie waren schon einmal besser, das ist das Problem!) Besonders gut liegen wir bei der Jugendbe-schäftigung, nämlich an zweitbester Stelle – wir sind damit hinter den Niederländern die Besten in Europa! Die anderen orientieren sich in dieser Hinsicht am erfolgreichen österreichischen Beispiel. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundeskanzler! Im Unterschied zu Ihnen sieht Finanzminister Grasser keine Rezession und will daher auch nicht die dringend benötigten Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik wie Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in der Höhe von 1,3 Milliarden Schilling, die als Rücklage beim AMS parken, freigeben.

Werden Sie, Herr Bundeskanzler, sich dafür einsetzen, dass diese Mittel in der Höhe von 1,3 Milliarden Schilling für Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen freigegeben werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Unterstellen Sie mir nicht, dass ich eine Rezession vorausgesagt oder bestätigt habe. Das wollen Sie mir jetzt in Ihrer Frage, die Sie geschickt so formuliert haben, unterstellen. Ich habe gesagt, dass wir in einer schwierigen Situation sind. (Abg. Dr. Jarolim: Realitätsverweigerer!) Und es braucht ja jeder nur die Augen aufzumachen, dann sieht er, was sich international abspielt!

Wir sind aber sehr erfolgreich im Gegensteuern. Diesen Kurs werden wir weiterverfolgen, und das Arbeitsmarktservice wird dazu ausreichend finanziert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Prammer: Das meinen Sie doch nicht ernst! – Abg. Dr. Jarolim: Realitätsverweigerung nennt man das!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 2. Anfrage. – Herr Abgeordneter Dr. Krüger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

114/M

Bis wann ist mit der Umstellung des derzeit überholten Systems der Presseförderung auf ein zeitgemäßes Modell der Presseförderung, das den neuen Anforderungen entspricht, zu rechnen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Dazu steht in der Regierungserklärung ein programmatischer Satz, nämlich dass wir transparente Förderungsbedingungen haben wollen, die den Wettbewerb und die Medienvielfalt unterstützen.

Ich gebe Ihnen Recht, dass Reformbedarf besteht. Der neben mir sitzende Medienstaatssekretär, der die Beantwortung dieser Frage einfach aus Gründen der Zeitökonomie an mich abgetreten hat, verhandelt mit den Klubs bereits intensiv über eine Neugestaltung. (Abg. Dr. Khol: Das war also eine Frage an den Westenthaler!) Wir werden das so vornehmen, dass wir Ihnen im Laufe des Jahres 2002 – die Finanzierung ist in ausreichendem Maße gesichert – dazu einen konkreten Vorschlag vorlegen werden, von dem ich hoffe, dass er auf allgemeine Zustimmung stößt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Wird auch eine Vertriebsförderung Bestandteil der Reform der Presseförderung sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Ich würde das für sinnvoll halten, wie übrigens auch die Journalistenausbildung einer der neuen Schwerpunkte sein sollte. Allerdings – und das ist ein Punkt, den man, glaube ich, ehrlich ausdiskutieren muss – sollte eine Vertriebsförderung nicht vor allem den Marktführern zugute kommen, denn mit der Gießkanne machen wir diejenigen, die ohnehin stark sind, noch stärker. Wenn wir Medienvielfalt leben wollen, dann sollte man ein ausgewogeneres System dafür finden!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Trinkl, bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Die Presseförderung ist nur ein Teil der Medienpolitik. Diese Bundesregierung hat auch auf diesem Gebiet viele Reformen in Angriff genommen und umgesetzt, ich denke dabei vor allem an das heuer beschlossene Privatfernsehgesetz. Vor kurzem endete die Bewerbungsfrist für Privatfernsehen in Österreich. Wie beurteilen Sie die Entwicklung auf diesem Gebiet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Wir haben bereits bundesweites Radio, wir haben jetzt die Möglichkeit für bundesweites Privatfernsehen – nicht nur über Kabel, sondern auch terrestrisch über Sender ausgestrahlt. Als sehr positiv vermerke ich, dass immerhin 26 Bewerbungen dafür eingelangt sind, was zeigt, dass Österreich ein interessanter Standort für Medienvielfalt und Medienproduktion ist und sein wird. All jene Unken, die gemeint haben, das werde sich nie rechnen, dafür werde sich niemand finden, sind, glaube ich, durch diese reiche Zahl an Bewerbungen ein wenig beschämt.

Jetzt wird die "KommAustria", die ja in dieser Angelegenheit völlig unabhängig agiert – das habe ich versprochen, und daran halte ich mich! –, in Hearings und intensiven Gesprächen mit den Bewerbern die besten Angebote herausfiltern. Ich hoffe sehr, dass wir sehr bald, vielleicht in einigen Monaten, neben einem starken und qualitätsvollen öffentlich-rechtlichen Fernsehen auch privates Fernsehen empfangen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundeskanzler! Zu den Kriterien der Presse- und Publizistikförderung: Sind Sie der Meinung, dass Medien, in denen rechtsextreme Gruppierungen beworben werden, die etwa Pickerl mit der Aufschrift: "Stoppt die Holocaust-Industrie! Schluss mit der Abzockerei!" vertreiben, von jeder Presse- und Publizistikförderung ausgeschlossen werden sollten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Ich gehöre nicht zum Bezieher- und Leserkreis von derartigen Zeitungen – das nehme ich für mich wohl in Anspruch. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber sie offenbar! Petrovic liest solche Zeitungen! – Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. )

Ich weise jedoch schon darauf hin, dass wir in Österreich erstens sehr klare und sehr scharfe rechtliche Bestimmungen gegen Antisemitismus beziehungsweise gegen neonazistische Tendenzen haben. Dies sind Offizialdelikte, jeder Staatsanwalt ist also verpflichtet, von sich aus tätig zu werden, wenn ihm Derartiges zu Ohren oder vor die Augen kommt!

Zweitens haben wir in Österreich ein Presseförderungsgesetz, das nicht von dieser Bundesregierung gemacht worden ist, sondern meines Wissens aus dem Jahr 1984 oder 1985 stammt und in dem die Richtlinien für die Presseförderung ganz klar definiert sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Wittmann, bitte.

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Wird im neuen System der Presseförderung ein ähnlich gelagertes Modell der so genannten kleinen Presseförderung für nicht so auflagenstarke Magazine vorgesehen sein? Wird in diesem Bereich eine teilweise Abgeltung der Erhöhung der Posttarife vorgesehen sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das sind zwei Fragen. Was die erste Frage betrifft, so ist das in den Reforminhalten, die der Medienstaatssekretär bespricht, nicht vorgesehen.

Zur zweiten Frage, jene betreffend die Posttarife, darf ich Sie darauf hinweisen, dass mit Hilfe eines von der Bundesregierung eingesetzten Mediators, der sehr gut gearbeitet und die Standpunkte der Post sowie jene des Verbandes Österreichischer Zeitungen quasi koordiniert hat, mittlerweile ein auf breite Basis gestellter Konsens zustande gekommen und sichtbar ist, den ich nachhaltig unterstütze. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 3. Anfrage. – Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundeskanzler!

118/M

Warum haben Sie beziehungsweise die Bundesregierung der rechtsextremen Zeitschrift "Zur Zeit", in der sich sogar ein Herr Istvan Csurka antisemitisch betätigen darf, eine Publizistikförderung in der Höhe von 800 000 S zuerkannt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Auch für Sie gilt, was ich gerade vorhin jemand anderem gesagt habe: Wenn Sie solche Vorwürfe erheben, dann darf ich Sie darauf hinweisen, dass es ein österreichisches Strafgesetz gibt, durch das Sie als Bürger sogar verpflichtet sind, tätig zu werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Ja, genau! Anzeigen!) Ich würde Sie daher bitten, nicht nur die Fragestunde dafür einzusetzen, sondern falls Sie der Meinung sind, dass darin der österreichischen Rechtslage widersprechende Thesen gebracht worden sind, auch die notwendigen rechtlichen Schritte zu setzen.

Zweiter Punkt: Wir haben, wie schon erwähnt, ein Presseförderungsgesetz aus dem Jahr 1985, in dem präzise definiert ist, wer von der Förderung ausgeschlossen ist. Das sind keine inhaltlichen Kriterien, vielmehr sind etwa Kundenzeitschriften, die Presseorgane von Interessenvertretungen oder reine Fachpresse ausgeschlossen. Ansonsten gibt es keine inhaltlichen Auflagen. (Abg. Ing. Westenthaler: Klestil gibt dieser Zeitung Interviews!)


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Letztendlich entscheidet darüber aber ein Fachbeirat, nämlich die Mitglieder der Presseförderungskommission, die ich Ihnen vorlesen darf – ich habe hier keinerlei Einfluss und auch keinen Einfluss genommen –: Vorsitzender ist Otto Oberhammer, Mitglieder dieser Kommission sind die Sektionschefin Maria Stoppacher (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen), Frau Mag. Zauner-Jelemensky aus dem Bundeskanzleramt, zwei Vertreter der Gewerkschaft, nämlich Gisela Vorrath und Gerhard Krause (neuerliche Oh-Rufe bei den Freiheitlichen), und von den Zeitungen der Generalsekretär des VÖZ, Dr. Walter Schaffelhofer, und Kommerzialrat Julius Kainz. Die Bundesregierung hat hier überhaupt nichts dazu beigetragen. Wir haben uns genau – 1 zu 1! – an die Empfehlungen dieser Kommission gehalten!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundeskanzler! Ich halte es für problematisch, wenn Sie in Bezug auf die Subvention einer rechtsextremen Zeitschrift den Ball an mich weitergeben. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich möchte schon festhalten, Herr Bundeskanzler: Es war laut Medien ganz offensichtlich Ihr Klubobmann Khol, der sich sehr für die Förderung der Zeitschrift "Zur Zeit" eingesetzt hat. (Abg. Dr. Khol: Stimmt nicht!)  – So wurde es in den Medien berichtet. Die Subventionierung dieser Zeitschrift ist, denke ich, noch immer Aufgabe ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Kollege: Alle können ein oder zwei Sätze zur Erläuterung sagen, aber dann stellen alle ihre Fragen! (Abg. Ing. Westenthaler: Der Öllinger kann das nicht! ... Missbrauch der Geschäftsordnung!)  – Bitte, Herr Abgeordneter, setzen Sie fort!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Haben Sie beziehungsweise das Bundeskanzleramt die Empfehlung des Beirates akzeptiert: ja oder nein? (Abg. Dr. Jarolim: Ein Kanzler ohne Verantwortung!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ja! (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Wurm. (Abg. Dr. Jarolim: Ein Kanzler ohne Verantwortung! – Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Es gibt keine Verpflichtung für die Bundesregierung, den Empfehlungen des Beirates nachzukommen! (Abg. Haigermoser: Der "Eurolim"!) In dieser Zeitschrift "Zur Zeit" wird immer wieder von der antisemitischen Ritualmord-Legende gesprochen, es wird gegen die Weltherrschaft des Judentums gewettert, und es konnte geschehen, dass in einem Artikel Adolf Hitler als Sozialrevolutionär bezeichnet wird. Auch der Holocaust wird als Mythos bezeichnet. (Anhaltende Zwischenrufe. – Abg. Ing. Westenthaler: Der Klestil hat dort große Interviews gegeben! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Dieser Artikel fand sogar in den aktuellen Rechtsextremismus-Bericht des Innenministeriums Eingang. (Abg. Dr. Kurzmann: Das ist eine Lesung, keine Frage!)

Nun frage ich Sie, Herr Bundeskanzler: Glauben Sie, dass es dem Ansehen Österreichs dient, wenn eine derartige Zeitschrift – die auch noch von ranghohen Vertretern der FPÖ herausgegeben wird – eine solch hohe Presseförderung erhält?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Ich kann Ihnen nicht ersparen, dass ich Sie wiederum auf die Rechtslage hinweisen muss. – Es gibt klare Ausschlussgründe von der Presseförderung – inhaltliche Kriterien gehören nicht dazu! –, und es urteilt eine unabhängige Kommission über die Vergabe. Auch ist es keine willkürliche Entscheidung, wie hoch die Förderung ist, sondern es gibt dafür einen ganz genauen Berechnungsschlüssel. Ich sage Ihnen das ganz offen.


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84. Sitzung / Seite 18

Diese Debatte ist schon ein wenig merkwürdig: Immer dann, wenn irgendeine der linken Szene angehörige Zeitschrift in Diskussion gerät, sind Sie der Meinung, dass alles in Ordnung und wunderbar ist. Wenn aber eine Zeitung der rechten Szene nahe steht – und für diese Zeitung habe ich null Sympathie und auch überhaupt keine Connections dorthin –, sind Sie der Meinung, da müsse eingegriffen werden.

Ich vertraue der Publizistikkommission, in der Persönlichkeiten von der Gewerkschaft, von der Zeitungslandschaft sowie unabhängige Persönlichkeiten an der Spitze vertreten sind, denen man eine differenzierte Bewertung, die Sie mit Recht einfordern, doch auch zutrauen darf. Daran haben wir uns gehalten, und an nichts anderes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann, bitte.

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Ist Ihnen bekannt, dass in der angesprochenen Zeitschrift "Zur Zeit" unter anderem Alexander Van der Bellen (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen), Herbert Fux, Alfred Gusenbauer, Alfred Hrdlicka, Helmut Zilk, Fritz Muliar und 150 andere Personen zwischen 1997 und 2001 interviewt worden sind, Interviews gegeben haben? Halten Sie diese Personen für rechtsextrem? (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Van der Bellen in der rechtsextremen Zeitschrift!) Oder sehen Sie darin wie ich eher ein Zeichen für Pluralismus und Meinungsfreiheit? (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: ... Das ist peinlich! Van der Bellen in der rechtsextremen Zeitschrift!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich danke Ihnen zunächst für die Information, denn als Nicht-Leser dieser Zeitung habe ich das nicht gewusst. Aber es ist sicher eine wichtige Information für die anfragenden Abgeordneten. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Donabauer, bitte. (Abg. Mag. Trattner  – in Richtung Grüne –: Da schaut ihr aber schön belämmert drein! Ihr seid eine peinliche Truppe! – Abg. Ing. Westenthaler: Kasperl! Öllinger ist ein Kasperl! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Die Bundesregierung fördert nicht nur Zeitschriften, sondern tritt auch für die Förderung der Digitalisierung der Medien ein. Sie haben am 31. Oktober heurigen Jahres eine Ausschreibung für die "Digitale Plattform Austria" gestartet. Welches Ziel verfolgen Sie damit und welchen Prozess erwarten Sie sich dadurch?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Das wird eine der spannendsten technologischen Entwicklungen in der gesamten Medienlandschaft sein. Die Arbeitsgemeinschaft "Digitale Plattform Austria" soll ein Gesamtkonzept für Österreich erarbeiten. Es wird darum gehen, ein Konzept für den Umstieg von der analogen Sendung des ORF – und den Umstieg der entsprechenden Fernsehverantwortlichen – zu einer digitalen aufzuzeigen und dies zu entwerfen – sowohl für das Radio also auch für das Fernsehen.

Es sind alle – alle betroffenen Medien, aber auch die Industrie – eingeladen, daran mitzuwirken. Wir hoffen sehr, dass damit auch ein Schritt gesetzt wird, der uns ein kostengünstiges, aber zugleich auch ein rechtzeitiges Einsteigen in diese neue, faszinierende Medienlandschaft ermöglicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nun zur 4. Anfrage. – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer.


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84. Sitzung / Seite 19

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer
(ÖVP): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

112/M

Welche Verbesserungen bringt die nach 30-jähriger Diskussion nunmehr zwischen dem Bund und den Ländern vereinbarte Verwaltungsreform für den Bürger?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Erstens wird der Bürger nach dieser Verwaltungsreform wissen, dass seine Anlaufstelle, sein Bürgerzentrum die Bezirkshauptmannschaft ist. Zweitens kann er sich jetzt schon darauf einstellen, dass er mit den neuen elektronischen Möglichkeiten ganz anders bedient werden wird und ganz andere Möglichkeiten in der Kommunikation mit seiner Behörde haben wird – ab 2003 gibt es etwa die elektronische Steuererklärung, wir werden im nächsten Jahr bereits das elektronische Gesetzgebungsverfahren einführen, sodass man sich über Begutachtungen und deren Zwischenstände dann über Internet informieren kann –, und die verpflichtende Verfahrenskonzentration bei der BH wird dazu führen, dass vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen nicht mehr gleichsam "hin- und herlaufen" müssen, sondern dass die Verfahren wirklich konzentriert werden.

Zusätzlich arbeiten wir auch an bestimmten anderen Erleichterungen: mehrjährige Förderungszusagen etwa im Kulturbereich – das hilft den Künstlern, gibt ihnen Rechtssicherheit –; die Verlängerung der Begutachtungsfristen, die Neuregelung der Begutachtung für neue Kraftfahrzeuge wird dem Fahrzeughalter, allen Österreichern miteinander, pro Jahr ungefähr 200 Millionen Schilling ersparen; das Verfahren vor den Agrarsenaten soll deutlich vereinfacht werden, was natürlich vor allem den Bauern helfen wird; die zahlreichen Bewilligungspflichten, die es heute im Gesundheitswesen gibt, sollen vereinfacht und zu einfachen Meldepflichten, zu Anzeigeverpflichtungen gemacht werden, und das hilft natürlich denjenigen, die einen solchen Beruf ausüben.

Die sehr heftig diskutierte Zusammenlegung von Bezirksgerichten etwa hat auch den ganz wesentlichen Vorteil, dass dadurch der Bürger nicht einen oder zwei Tage lang ein Service in einer Klein stelle, einem Bezirksgericht, bekommt, sondern ein volles Service bekommen kann. Ebenso werden durch die Reform der Gendarmerieposten einfach mehr Personen auf der Straße für die Sicherheit unterwegs sein und nicht für Verwaltungen eingesetzt.

Ähnliches gilt auch für die Schulverwaltung: Die Zahl der Lehrer, die in der Verwaltung tätig sind, wird um 10 Prozent reduziert, was bedeutet, dass mehr Lehrer für die Kinder, für die Jugendlichen pädagogisch tätig sein können.

Ich glaube, es wird jeder etwas davon haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Die Verwaltungsreform soll auch zu Einsparungen für den Bund führen. Wie hoch ungefähr können Sie diese beziffern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Insgesamt durch den Finanzausgleich 22 Milliarden Schilling und durch die Verwaltungsreformen noch einmal so viel – davon kommt ein Teil, etwa 3,5 oder 3,6 Milliarden Schilling, von den Ländern –, sodass wir mit diesen zwei großen Schritten das Budget in Summe mit an die 55 Milliarden Schilling ausgabenseitig entlastet haben werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger, bitte.


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84. Sitzung / Seite 20

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger
(Grüne): Herr Bundeskanzler! Sie haben mit dieser Verwaltungsreform medizinische Kompetenzen, nämlich jene in Bezug auf Ausbildungsstätten, der Ärztekammer in die Hand gegeben, Kompetenzen für die Apotheken haben Sie der Apothekerkammer gegeben. Ist von Ihrer Seite aus daran gedacht, die Kompetenzen für gewerberechtlichen Vollzug beziehungsweise gewerberechtliche Genehmigungen der Wirtschaftskammer zu geben – ja oder nein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Also ganz so, wie Sie mit Ihrer Frage jetzt suggerieren, ist es nicht, denn natürlich hat nach wie vor das Gesundheitsministerium eine zentrale Kontrollfunktion, quasi die in die ständischen ... (Abg. Dr. Lichtenberger: Nein! Bei Ausbildungsstätten nicht mehr!)  – Ja, sicher!

Die ständischen Bereiche sind ein Thema, über das man schon diskutieren kann. So ist etwa die Frage, ob nicht beispielsweise die Anmeldung oder die Führung der Jungunternehmer unter Umständen von der Wirtschaftskammer selbst gemacht werden kann, Teil der Diskussionen. Über solch ein Thema kann man jederzeit diskutieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger  – in Richtung ÖVP –: Ständestaat!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Gaßner, bitte.

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Die Menschen im ländlichen Raum sind wenig begeistert von den Auswirkungen der Verwaltungsreform: Die behördliche Infrastruktur in unseren Gemeinden und ländlichen Regionen wird nachhaltig zerstört, die Finanzämter, die Gendarmerieposten, die Postämter werden geschlossen (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage!) und auch die Bezirksgerichte (Ruf: Da lacht ...!)  – so lächerlich finde ich das nicht.

Wann, Herr Bundeskanzler, beenden Sie und die Bundesregierung diese Schließungsorgie, und welche Maßnahmen setzen Sie zur Entwicklung des ländlichen Raumes und für die Menschen, die dort wohnen? (Abg. Dr. Khol: Das sind zwei Fragen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Ich finde das irgendwie fast unangenehm, wenn man den ländlichen Raum generell als einen absterbenden Raum bezeichnet. (Widerspruch bei der SPÖ.) Schauen Sie sich doch einmal die Entwicklungsströme an! Der ländliche Raum hat noch nie so viele Impulse bekommen wie in dieser Zeit (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), sowohl von der Regierung als auch von der Europäischen Union! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Denken Sie einmal daran: Wer hat denn etwa für ein Grenzregionenprogramm in Europa gekämpft, für die österreichischen Grenzregionen? – Das waren wir! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Denken Sie doch daran, wer die Verantwortung in der Zeit gehabt hat, als viel radikalere Pläne zur Einsparung von Gendarmerieposten vorgelegt worden sind: Es war Karl Schlögl, der wesentlich mehr Gendarmerieposten eingespart hat, als es Ernst Strasser je vorgehabt hat! (Widerspruch bei der SPÖ.) Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Unser Ziel ist es, die Qualität der Dienstleistung zu verbessern: nicht irgendein Mini-Bezirksgericht, an dem eigentlich nie Amtsstunden sind, sondern ein volles Service für den Bürger, möglichst elektronisch, möglichst über Internet, damit er jederzeit, möglicherweise sogar von zu Hause aus, seine Amtswege verrichten kann. Das ist meiner Meinung nach bürgernahe Verwaltung, und darauf sollten wir uns konzentrieren!


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84. Sitzung / Seite 21

Was die Post betrifft: Seien Sie mir nicht böse, Herr Abgeordneter, es ist doch viel gescheiter, wenn zum Beispiel in einer Landregion der letzte Greißler, der letzte Kaufmann oder ein Gastwirt verschiedene Dinge im Sinne eines vollen Service mitübernehmen kann, statt dass man einzelne nicht lebensfähige Standorte hat, die dann insgesamt sehr teuer sind und die der Bürger letztlich mit seinem Steuergeld finanzieren muss – da ist unser Weg der modernere! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Kein Verantwortungsbewusstsein!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Krüger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wir haben gestern gehört, dass die Verwaltungsreform kumulierte Einsparungen für den Bürger in der Größenordnung von 21 Milliarden Schilling bringen wird. Dies wird zu einer deutlichen Entlastung der Bürger führen.

Welche sonstigen Vorteile wird der einzelne Bürger auf Grund der Verwaltungsreform schon in der nächsten Zeit unmittelbar verspüren können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wie schon erwähnt: schnellere Amtswege – ehrlich gesagt, das ist das Wichtigste, was der Bürger verlangt. Was ärgert ihn denn am meisten? – Es ärgert ihn, dass er ein relativ langes Service braucht – für Pass-Einreichungen in der Vergangenheit eine Woche, manchmal zwei Wochen, dazu noch die "Stempelmarken-Pickerei", und wenn man sie nicht gehabt hat, musste man zurückgehen, Dokumente suchen, sich noch einmal in der Reihe anstellen. – All das sind Dinge, die den Bürger wirklich ärgern und die nun ganz deutlich verändert werden.

Ich habe mir das selbst bei einem Lokalaugenschein angesehen und muss sagen: Es ist beeindruckend, was moderne Beamte leisten, die eben nicht nur daran denken, wie man die bewährten früheren Strukturen erhalten kann, sondern schauen, wie man mit modernen Technologien etwas Besseres bieten kann.

Dann etwa für die Autofahrer: echte Kostenersparnisse. Oder: für die Bauern die Verfahren, für die Unternehmer die Verfahren, für denjenigen, der bisher mehrere Steuerprüfungen durch verschiedene Instanzen gehabt hat, all das wird jetzt konzentriert. Und das sind meiner Meinung nach gewaltige Fortschritte, die auch Kosteneinsparungen bewirken, das ist schon richtig, noch viel wichtiger aber ist: Die Convenience der Verwaltung wird sich verändern, die Verwaltung rückt dem Bürger näher und wird damit, glaube ich, auch eine wesentlich bessere Akzeptanz in der Bevölkerung haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum nächsten Thema: Pensionserhöhung. – Herr Abgeordneter Dietachmayr, bitte.

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Meine Frage an Sie lautet:

120/M

Warum legt die Bundesregierung keinen Vorschlag vor, um die Pensionen zumindest im Ausmaß der Inflationsrate zu erhöhen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Sie wissen, wie der Gang der Verhandlungen jedes Jahr ist. Zum ersten Mal hat nun aber die Bundesregierung nicht nur das Beiratsgutachten abgewartet und dann mühsam überlegt, wie man die budgetäre Bedeckung vornimmt, sondern wir haben rechtzeitig für eine Abgeltung und für eine Erhöhung der Pensionen Sorge getragen, und zwar in einem Ausmaß von immerhin 5 Milliarden Schilling – das ist mehr, als im vorigen Jahr für die Erhöhung der Pensionen ausgegeben wurde. Und jetzt liegt es


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an den Verhandlungspartnern, gemeinsam einen Konsens zu finden, wie man dieses Geld verteilt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Sie kaufen um über 25 Milliarden Schilling Abfangjäger. Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie als Vizekanzler der Republik Österreich im Oktober 1999 den 2 Millionen Pensionistinnen und Pensionisten per Handschlag die zukünftige Wertsicherung der Pensionen versprochen haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Das war der Vranitzky!) Warum brechen Sie dieses Versprechen nun schon zum zweiten Mal? (Abg. Haigermoser: Herr Meister! Sie sind auf der falschen Hochzeit!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Ich finde es eigentlich empörend, dass Sie versuchen, jetzt wichtige Staatsaufgaben, die im Interesse des Landes und der Gesamtbevölkerung liegen und übrigens einmalige Investitionsaufwendungen sind, notwendigen laufenden Konsumausgaben gegenüberzustellen.

Ich habe die Mühe gehabt – ich stehe gerne dazu, und ich habe das mit großer Verantwortung auf mich genommen –, dafür zu sorgen, dass wir die Sicherheit der österreichischen Pensionen garantieren können. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Das hat nichts damit zu tun, dass man andere Investitionen in Frage stellt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Genauso gut könnten Sie ja die Frage stellen: Wieso investieren wir dann überhaupt noch in Schulen, in Universitäten, in die innere Sicherheit? (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Abgeordneter, Investitionen im Interesse des Landes können niemals gegen Sozialausgaben gegengerechnet werden! Es ist die Kunst der Politik, beides im Auge zu haben, und wir werden das tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Abkanzler! – Abg. Dr. Jarolim: Das Musterbeispiel an Inkompetenz!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Ofner, bitte.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Ich kann mich noch gut an den so genannten Vranitzky-Brief erinnern. Damals hat ein amtierender Kanzler jedem Pensionisten namentlich versprochen, dass er nach der Wahl genauso viel im Pensionssackerl haben wird wie vorher. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist beschämend!) Wir alle wissen, dass das nicht der Fall war.

Mich wundert auch das kurze Gedächtnis der Opposition, wenn es um den 11. September dieses Jahres geht. Damals hat man erkannt, dass Sicherheit einen hohen Stellenwert hat (Ruf bei der SPÖ: Ein respektloser Umgang mit der Wahrheit! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), und das habt ihr schon wieder vergessen! Jetzt wollt ihr schon wieder aufrechnen: Sicherheit gegen anderes.

Meine Frage, Herr Bundeskanzler: Wir alle wissen, dass es schwierig war, mit dem Schuldenmachen der vergangenen Jahrzehnte aufzuhören. Es ist uns gelungen, es ist der Regierung gelungen, es ist dem Finanzminister gelungen, das Nulldefizit zu erreichen. Wird das ermöglichen, dass man die Pensionistenproblematik im nächsten Jahr neu überdenkt (ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ) und eine etwas günstigere Regelung für die Pensionisten ins Auge fasst? (Abg. Dr. Jarolim: Beschämend ist das!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter, schauen Sie sich an, wie jetzt zum Beispiel die Sozialpartnerverhandlungen bei den Aktiven laufen: sehr schwierig. Ich sage auch, dass sich die Sozialpartner mit großem Verantwortungsbewusstsein dieser Fragen annehmen.


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Eines möchte ich schon dazusagen: Eine Regierung, die an das ganze Land denkt, muss sich um die Aktiven und um die Pensionisten kümmern (Abg. Sophie Bauer: Aber das tun Sie sicher nicht!), um die Gesunden und um die Kranken, um die Investitionen in die Zukunft und um die laufenden Ausgaben. Ich glaube, dass wir gerade in den beiden Jahren, in denen wir gemeinsam Verantwortung tragen, bewiesen haben, dass wir sowohl Zukunftsinvestitionen setzen, die wichtig und unverzichtbar sind, künftige Schulden vermeiden und dazu laufende Ausgaben etwa im Sozialbereich garantieren können – voriges Jahr 4,5 Milliarden Schilling mehr für die Pensionisten, heuer sind bereits für das nächste Jahr noch einmal 5 Milliarden Schilling budgetiert. Das war früher nie in den Budgets vorgesehen, wir haben das gemacht, und aus meiner Sicht ist das ein sehr wichtiger Schritt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wer wünscht von der ÖVP eine Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Stadler.

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Eine der zentralen Aufgaben der Zukunft wird es sein, eine langfristige Sicherung der Pensionen zu ermöglichen. Was hat unsere Bundesregierung bisher für die langfristige Sicherung der Pensionen unternommen? (Rufe bei der SPÖ: Nichts! – Weitere Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.


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Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel:
Herr Abgeordneter, machen Sie nicht solche Zwischenrufe, die einfach unpassend sind (Abg. Schieder: Führen Sie den Vorsitz?), denn die Frau Abgeordnete hat eine vollkommen richtige Frage gestellt. (Abg. Dr. Jarolim: Ich bitte um Benotung!)

Alle drei Säulen des österreichischen Vorsorgesystems müssen gemeinsam betrachtet werden. Wir haben die erste Säule, die staatliche Pension, besser abgesichert, weil wir das Frühpensionsalter schrittweise an das bestehende gesetzliche Pensionsalter herangeführt haben.

Wir sind zweitens dabei, jetzt mit den Sozialpartnern eine Art zweite Säule – "Abfertigung neu" und Betriebspension – so zu entwickeln, dass wir zum ersten Mal eine solche zweite Säule bekommen, die in anderen Ländern ganz selbstverständlich ist. Das werden noch schwierige Verhandlungen werden. Ich hoffe, Sie arbeiten gut mit uns daran mit, dass das ein großer Konsens wird.

Wir haben drittens für die Eigenvorsorge, also für die dritte Säule, mit dem 1 000-Euro-Modell einen Weg gefunden, dass auch diese sehr stark anspringt und gefördert wird, was sich auch bei den Zahlen der Eigenvorsorge deutlich niederschlägt.

Ich glaube, wir sind hier auf einem guten Weg. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundeskanzler! Wir haben keine Briefe an Pensionisten geschrieben, in denen wir Pensionsverschlechterungen als Pensionserhöhungen ausgegeben haben, wie Abgeordnete Partik-Pablé oder wie in früheren Jahren die SPÖ, aber wir halten angesichts der zu erwartenden Inflationsrate und angesichts der Maßnahmen im Pensionsbereich vom Vorjahr – Unfallrentenbesteuerung, Pensionistenabsetzbetrag – die geringe Erhöhung der Pensionen schlicht für unzureichend. (Abg. Böhacker: Wir haben vielleicht eine Frage auch?)

Herr Bundeskanzler! Gerade angesichts der Rezession: Halten Sie eine derart geringe Erhöhung der Pensionen für ein Mittel zur Belebung der Konjunktur?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Ich verstehe nicht, warum man jetzt, obwohl eigentlich 5 Milliarden Schilling schon budgetiert und schon finanziert sind, so tut, als sei das überhaupt nichts. Das bedeutet einen gewaltigen Konjunkturschub für die österreichischen Pensionisten (ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ – Abg. Öllinger: Das ist nicht einmal der Inflationsausgleich!), genauso wie etwa das Kindergeld von 9 Milliarden Schilling, das auch mit 1. Jänner kommen wird, ein gewaltiger Konjunkturschub für die jungen Familien ist. Sie sehen also: Wir kümmern uns wirklich um alle in diesem Land. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Verantwortungsloser geht es nicht mehr! – Weitere Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur 6. Anfrage. – Herr Abgeordneter Schweitzer, bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

115/M

Welche Maßnahmen werden Sie in Fortsetzung der bisherigen Anti-Atompolitik Österreichs und im Einklang mit der diesbezüglichen Festlegung im Regierungsprogramm "Zukunft im Herzen Europas – Österreich neu regieren" treffen, um europaweite beziehungsweise internationale Ausstiegsszenarien aus der Atomenergie durchzusetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Wir haben ja eine gemeinsame Regierungserklärung, in der unsere Ziele festgeschrieben sind. Und es ist heute so – das ist eigentlich eine sehr interessante Weichenstellung, die jetzt Platz gegriffen hat –, dass sechs Mitgliedstaaten, nämlich Griechenland, Irland, Dänemark, Portugal, Luxemburg und Österreich, nie in die zivile Produktion von Atomstrom eingestiegen sind und Italien bereits ausgestiegen ist. Acht Mitgliedstaaten der Union haben heute noch Kernkraftwerke, davon haben aber bereits fünf den Ausstieg beschlossen, nämlich Deutschland, Belgien, Schweden, Spanien und die Niederlande. Drei Länder halten daran fest: Großbritannien, Frankreich und Finnland.

Klar ist, dass ein solcher Ausstieg natürlich nur freiwillig möglich ist, weil es ein Prinzip ist – worauf wir auch großen Wert gelegt haben –, dass jedes Land seine Entscheidungen hier autonom trifft. Das Interessante ist aber: Der Trend geht in die richtige Richtung.

Deutschland hat etwa im Juni 2001 gemeinsam mit führenden Atomstromproduzenten beschlossen, die Nutzung der Atomkraft in Deutschland zu beenden; die Regellaufzeit der AKWs wird auf 32 Jahre limitiert. Belgien hat im Juli 1999 angekündigt, auszusteigen; die noch unbefristete Laufzeit soll auf 40 Jahre befristet werden.

Ich glaube, auf diesem Weg kann und soll man fortfahren. Gerade die österreichische Stimme, die immer nachdrücklich für einen Gesamtausstieg plädiert, wird nicht verstummen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Gestern wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien ein Entschließungsantrag angenommen, der auch Unterstützungsmaßnahmen für Tschechien vorsieht, wenn es um den Ausstieg aus der Nutzung der Kernkraft geht. Welche Maßnahmen denken Sie konkret anzusprechen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Interessant war, dass gestern EU-Kommissar Barnier, der für die Strukturfonds zuständig ist, zum ersten Mal angekündigt hat, dass die Europäische Union unter Umständen bereit wäre, mehr Geld für die Schließung von Kernkraftwerken aufzuwenden. Das ist deswegen sehr wichtig, weil die bisherigen freiwilligen "pledgings", das freiwillige Anbieten von Ausstiegshilfen bei den Mitgliedstaaten, ein ziemlich


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mickriges Ergebnis erbracht haben, nämlich insgesamt, glaube ich, 50 Millionen €. Es ist außerdem sehr wichtig, dass man jetzt das Geld aus dem Gemeinschaftsbudget für Bereiche wie Kosloduj, wo ja die Schließung feststeht, Bohunice und Ignalina stärker anbietet.

Ich halte das für sehr entscheidend, und es wäre eine interessante Weiterentwicklung, wenn die Kommission – das ist natürlich noch kein Gemeinschaftsstand – bereit wäre, auch für Stilllegungen im Rahmen der Ausstiegspläne der einzelnen Mitgliedstaaten Geld – etwa aus dem EURATOM-Programm – dazuzugeben. Das wäre eine Initiative, die wir durchaus im Rahmen des Umweltrates oder des Forschungsrates ansprechen könnten. Wir werden das jedenfalls versuchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kukacka, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Welche Initiativen hat die rot-grüne Bundesregierung in Deutschland unter Bundeskanzler Schröder, Außenminister Fischer und Umweltminister Trittin gegen das Kraftwerk Temelin ergriffen (Abg. Mag. Posch: Ist die Frage Gegenstand der Vollziehung?), und in welcher Weise hat uns diese rot-grüne Bundesregierung in unserem Kampf gegen Temelin unterstützt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das sind wieder zwei Fragen, aber wir haben das heute schon einmal zugelassen. – Bitte, Herr Bundeskanzler. (Abg. Dr. Jarolim: Sagen Sie auch etwas zur Kompetenz dieser Regierung!)

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich habe vor ziemlich genau einem Jahr, als das erste Treffen mit Gerhard Schröder stattgefunden hat – und das ist, glaube ich, sehr wohl eine Frage der Vollziehung –, am Rande des Arbeitgeber-Tages – organisiert und eingeladen von Dieter Hund, der ein großer Freund Österreichs ist –, genau über dieses Thema geredet. Gerhard Schröder hat uns damals zugesagt, dass er helfen wird, dass er auf die österreichische Position Rücksicht nehmen wird. Der deutsche Umweltminister Trittin hat das auch einmal öffentlich gesagt. Dann ist allerdings nichts mehr gekommen, wir sind mit unserer Position weitgehend allein geblieben. Große Unterstützung – und das möchte ich dankbar anerkennen – haben wir allerdings von den südlichen Bundesländern Deutschlands bekommen, die unsere Position sehr verstanden haben und auch immer wieder kraftvoll ihre Stimme erhoben haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig, bitte.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Bundeskanzler! Sie haben vom europaweiten Atomausstieg gesprochen. Mich würde sehr interessieren, warum die österreichische Bundesregierung hier gegen eine sehr wichtige Weichenstellung, nämlich 17 Milliarden Schilling für zukünftige neue Reaktorgenerationen, für neue Atomreaktoren bereitzustellen, kein Veto einlegt, sondern dazu bereit ist, eine halbe Milliarde an Steuergeldern aus der österreichischen Kassa dazuzulegen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Wir haben das ja bereits gestern ausführlich diskutiert. Beim EURATOM-Vertrag handelt es sich um geltendes Vertragsrecht, und es ist ein geltendes Forschungsprogramm, das nunmehr im Sechsten Forschungsrahmenprogramm für die nächsten Jahre verlängert wird. In diese Texte sind einige wesentliche österreichische Beiträge oder Vorbehalte mit eingeflossen, und ich glaube, dass dieser Weg der richtige ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 7. Anfrage: Frau Abgeordnete Stoisits formuliert ihre Frage. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:


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119/M

Wann werden Sie den seit März 2001 offiziell vorliegenden Entwurf für ein österreichisches Antidiskriminierungsgesetz im Bundeskanzleramt behandeln?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die eine Richtlinie ist bis Juli 2003 umzusetzen, die zweite bis spätestens 2. Dezember. Sie können sicher sein, dass wir durch den Ministerrat dem Nationalrat rechtzeitig eine Umsetzung vorschlagen werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundeskanzler! Das von mir angesprochene Antidiskriminierungsgesetz, das von den österreichischen NGOs gemeinsam erarbeitet wurde, wurde aus Mitteln des Bundeskanzleramtes finanziert. Die NGOs haben diesen Entwurf vorgelegt, hinsichtlich dessen ich gerne wissen würde, ob er Ihnen gefällt oder nicht. Wie wird mit Steuergeld – und es wurde mit Steuergeld gearbeitet – sozusagen dann verfahren, wenn Ihnen Resultate beziehungsweise Produkte präsentiert werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Unabhängig vom Gefallen oder Nicht-Gefallen bleibt uns der Weg nicht erspart, natürlich mit allen zuständigen Ressorts – und da geht es tatsächlich um eine Gesamtverantwortung, die alle Ressorts betrifft; so ist es ja auch gemeint, und so soll es dann auch wirklich umgesetzt werden –, mit allen Interessenten, mit allen Ländern, mit den Gemeinden das Gespräch zu suchen, um dann auch wirklich so rasch wie möglich dem Nationalrat einen konsensfähigen Entwurf vorzulegen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Haller, bitte.

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Diskriminierungen betreffen naturgemäß die schwachen Mitglieder unserer Gesellschaft: Frauen, Kinder, Behinderte, auch Familien. Es gibt nun die Forderung, nach den Frauen auch Kinder und Behinderte in die Verfassung aufzunehmen – auch Familien. Wie stehen Sie dazu?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Das ist ein Grundsatzproblem, das man ehrlicherweise einmal ausführlich im Parlament diskutieren sollte: Wir haben eine Verfassung, die einen Rahmen, einen sehr guten Rahmen, abgibt, und es gibt sehr präzise detaillierte Förderungsbestimmungen für einzelne Gruppen.

Ich bin der Meinung, dass, wenn man jetzt einzelne Gruppen zusätzlich herausnimmt, vollkommen klar ist, dass dann auch die Familien, die Kinder, die Senioren und viele andere Gruppierungen genauso genannt werden müssen, da man ja sonst durch die unterschiedlichen Stufen geradezu eine Hervorhebung oder eine Rückreihung verursachen würde. Ich denke aber nicht, dass das Sinn machen würde.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage?– Herr Abgeordneter Posch, bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Werden Sie sich im Zusammenhang mit dem Antidiskriminierungsgesetz für die unverzügliche Abschaffung des § 209, der diskriminierenden Bestimmungen für Homosexuelle, einsetzen – ja oder nein? (Abg. Haigermoser: Die Antworten geben wir schon selbst!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich erlaube mir, meine Antwort selbst zu formulieren, lieber Herr Abgeordneter! Sie würden das an meiner Stelle, glaube ich, genauso tun. (Beifall bei


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der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Das ist eine Fragestunde, keine Verhörstunde! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja kein Verhör!)

Schon Bruno Kreisky hat einmal gesagt: Auf Ja/Nein-Fragen gebe ich überhaupt keine Antwort!

Die Dinge sind einfach etwas differenzierter. Die österreichische Rechtsordnung – und das meine ich jetzt wieder sehr ernst – kennt durchaus den Begriff des "positiven Schutzes". Daher muss es in manchen Bereichen auch eine positive Diskriminierung nach oben geben. Ich sage Ihnen ganz offen: Die Schwächsten in unserer Gesellschaft sind die Kinder und die Jugendlichen. Und Sie werden in mir einen glühenden Verteidiger der Rechte der Kinder und Jugendlichen auch gegenüber Erwachsenen finden. – Das ist meine Antwort an Sie. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Zernatto, bitte.

Abgeordneter Dr. Christof Zernatto (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Sie persönlich und diese Bundesregierung haben sich von Anfang an zu einem aktiven Minderheitenschutz bekannt. Welche Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang in dieser Legislaturperiode bereits konkret getroffen worden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Die getroffenen Maßnahmen sind: Staatszielbestimmung im Verfassungsrang, Volksgruppenförderung von über 50 Millionen Schilling, alle 260 zweisprachigen kroatisch- beziehungsweise ungarisch-deutschen Ortstafeln wurden ohne irgendwelche Probleme aufgestellt. An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an alle burgenländischen Parteien (Zwischenruf des Abg. Kiss ), die hier wirklich gut mitgearbeitet haben. Das ist ein Zeichen des Friedens und des Miteinander-Lebens.

Weiters: die Amtssprachenverordnung Ungarisch für das Burgenland, die Ratifikation der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten, die Ratifikation der Sprachen-Charta des Europarates, die Unterzeichnung des österreichisch-slowenischen Kulturabkommens, die Abstimmung betreffend Spenden für Kärnten und das Burgenland für die Jahre 2000 und 2001, das ORF-Gesetz, in dem angemessene Anteile der Volksgruppensprachen im Gesetz festgelegt sind.

Wir waren vorgestern bei der Eröffnung der tschechischen Schule in Wien, der Komensky-Schule, wo ein ganz tolles zweisprachiges Projekt, deutsch-tschechisch beziehungsweise deutsch-slowakisch, mit einer Sonderförderung ausgebaut wurde. Früher waren es nur 150 Schüler, heute sind es bereits 320, und es soll auf 500 ausgebaut werden. Das ist aktive Volksgruppenpolitik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Bravo!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur nächsten Anfrage: Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

113/M

Wie beurteilen Sie die Rolle Österreichs in der internationalen Allianz gegen den Terror?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Dank einer wirklich breiten Zustimmung und Unterstützung hier im Hohen Haus, wofür ich mich ausdrücklich bedanken möchte, hat Österreich in dieser internationalen Koalition eine sehr aktive Rolle spielen können – nicht im militärischen Bereich, dies war nicht unsere Rolle. Wir haben zwar den Luftraum auch für militärische Überflüge geöffnet, aber sonst lag unser Beitrag vor allem im politischen Bereich: Reisen, Vermittlungen, Herstellen von Kontakten – sowohl im Nahen Osten als auch in Zentralasien; der Iran war ein wichtiges Thema.


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Ich möchte an dieser Stelle insbesondere der Frau Außenminister, aber auch allen anderen Ministern, wie Scheibner und Strasser, und der Frau Vizekanzler danken, die sich bei diesen Besuchen eingebunden haben. Der Bundespräsident und ich selbst haben Österreich ebenfalls sehr aktiv im Ausland vertreten. Ich denke, dass wir dabei auch insgesamt Beachtung gefunden haben. Das zeigt sich auch darin, dass wir im Rahmen der UNO-Generalversammlung bei einer Sondertagung über den Dialog der Zivilisationen von Kofi Annan als Eröffnungssprecher ausgewählt wurden: Der iranische Präsident Khatami und ich haben diese Sondersession eingeleitet, und das zeigt auch die Achtung, die Österreich in diesem Kontext entgegengebracht wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Sie haben dazu ja in den letzten Wochen viele Gespräche mit Staats- und Regierungschefs geführt. Besondere Aufmerksamkeit hat Ihr Besuch in Teheran ausgelöst. Ich möchte Sie fragen: Haben Sie in diesem Zusammenhang bereits konkrete Ergebnisse dieser Gespräche in Teheran und in New York?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Der Iran ist einer der wichtigsten strategischen Partner in der Region für eine friedliche Lösung, denn das Problem in Afghanistan war ja immer, dass die großen Nachbarn Russland, Pakistan und Iran über ihre Gruppen in Afghanistan praktisch den Bürgerkrieg unterstützt, gefördert und eine gemeinsame Lösung verhindert haben. Jetzt gibt es zum ersten Mal eine wirkliche Chance: Der Iran ist durch die Drogenexporte, die weitgehend durch das Land laufen, massiv betroffen. Der Iran hat bisher etwa 4 000, 5 000 Soldaten und Polizisten im Kampf gegen die Drogenbarone verloren. Die Iraner müssen an die 800 Millionen Dollar pro Jahr ausgeben, um die Grenze, 700 Kilometer, gegenüber Afghanistan zu bewachen. Sie haben einen sehr schwierigen und in der Terrorfinanzierung und -beheimatung durchaus verdächtigen Partner im Westen, nämlich den Irak mit Saddam Hussein, und im Norden haben sie mit manchen zentralasiatischen Ländern oder dem Kaukasus, Nagorno-Karabakh, Schwierigkeiten. – Daher das Interesse des Iran, eine gute Beziehung mit der Europäischen Union zu bekommen – wir werden in diesen Tagen ein Mandat für ein Trade- und Cooperation-Abkommen mit dem Iran freigeben – und mit den Amerikanern erstmals in Kontakt zu treten.

Diese Botschaften und auch verschiedene andere, auf die ich jetzt aus verschiedenen Gründen klarerweise nicht öffentlich eingehen möchte, waren sowohl für die Amerikaner als auch für die Briten sehr interessant. Ich glaube, dass Österreich damit gute Dienste im Dienst der Sache, des Friedens und der Stabilität erbringen konnte, und das scheint mir wichtig zu sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Bundeskanzler! Sie haben gerade erwähnt, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit ist, gerade die nicht-militärische internationale Zusammenarbeit, die ja genauso wie die Nichtbeteiligung an Militärblöcken einen Kern der österreichischen Neutralität ausmacht. Sie haben auch den Kontakt zum Iran sehr breit ausgeführt. Es ist gerade der Iran, der die Kontakte zu Österreich sucht, weil Österreich neutral ist. Warum, Herr Bundeskanzler, wollen Sie genau diese Neutralität abschaffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Da Sie ja im Gegensatz zu mir nicht bei den Gesprächen dabei waren, kann ich Ihnen versichern, dass für den Iran im Hinblick auf die Gespräche mit Österreich nicht das Thema Neutralität eine Rolle spielt, wie Sie glauben, sondern etwas viel Wichtigeres: Wir haben mit dem Iran in dieser Frage in den schwierigsten Zeiten Kontakt gehalten, und das zahlt sich eben aus.


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Ich möchte an dieser Stelle Alois Mock nennen, der als erster westlicher Außenminister den Iran besucht hat. Er hat den Dialog der Zivilisationen begonnen, ich habe ihn weitergeführt, und Benita Ferrero-Waldner pflegt ihn derzeit. Das sind die Zeichen, die wichtig sind, und das hat mit der innenpolitischen Frage, die Sie hier gerne stellen wollen, überhaupt nichts zu tun.

Ich weiß genau, wie die Verfassungslage ist, und ich weiß auch genau, dass wir im Rahmen der Vereinten Nationen und im Rahmen der Europäischen Union solidarisch sind. Und das ist wichtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Aber außer Mozartkugeln ist Ihnen trotzdem nichts eingefallen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé, bitte.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Bei der Beobachtung terroristischer, insbesondere islamischer Organisationen, die es auch in Österreich gibt, kommt es wesentlich auf die Beobachtung durch die Nachrichtendienste an. Die Zusammenarbeit ist sehr wichtig. Welche Rolle spielen Österreichs Nachrichtendienste im Zusammenhang mit den europäischen Ländern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.


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84. Sitzung / Seite 30

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel:
Frau Abgeordnete! Das ist ein Thema, über das man jetzt öffentlich nicht zu viel reden sollte. Ich kann nur eines sagen: dass die Zusammenarbeit der Europäer hier wirklich gut funktioniert, vor allem die Zusammenarbeit im Hinblick auf kriminalistische Erfolge. In Spanien, Belgien, Deutschland, Italien und anderen Ländern wurden bereits Nester gefunden und Netzwerke aufgedeckt. Aus dieser kriminalistischen Zusammenarbeit ergibt sich in Verbindung mit Nachrichtendiensten und Informationen ein Bedrohungsbild, das viel ernster gewesen ist, als manche bei uns angenommen haben. Und das ist eigentlich auch ein Garant dafür, dass wir in Zukunft ernst und echt gegen den Terror ankämpfen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schieder, bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist eine operettenhafte Antwort! – Gegenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Können Sie uns sagen, warum eine Konferenz, die in diesem Zusammenhang geplant war, nicht in unserem Land stattfindet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Die Wahrheit ist, dass die Staatengemeinschaft in dieser heiklen Situation, in der die Bundesrepublik Deutschland ist – ich darf nur an die diversen Parteitage in diesen Stunden erinnern; einer geht zu Ende, einer wird beginnen –, und nach der sehr schwierigen Situation im Zusammenhang mit der Abstimmung im Deutschen Bundestag ein Zeichen setzten wollte, um es den Deutschen zu erleichtern, in dieser Koalition solidarisch mitzuwirken. Ich unterstütze das vollinhaltlich, denn Deutschland hat auch für die Freunde Afghanistans sehr viel getan. Hier ist Kooperation gefordert und nicht reiner Wettbewerb um des Wettbewerbes willen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur letzten Frage. – Herr Abgeordneter Dr. Bauer, bitte.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

117/M

Weshalb hält die Bundesregierung angesichts des internationalen Konjunktureinbruchs an der restriktiven Budgetpolitik fest?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Sie müssen sich irgendwann einmal entscheiden: Werfen Sie uns vor, dass wir zu restriktiv sind, oder werfen Sie uns vor, dass die Einnahmen zu stark gestiegen sind? Beides zugleich wird nicht gehen.

Wir sind der Ansicht, dass wir einen sehr vernünftigen gemeinsamen Kurs gegangen sind und in manchen Bereichen restriktiv waren – dazu bekenne ich mich –, in anderen Bereichen aber investiert und Akzente gesetzt haben. (Rufe bei der SPÖ: Wo?) In der Bildung; in der Forschung: 7 Milliarden Schilling, die Sie nie zusammengebracht haben (Zwischenrufe bei der SPÖ), die haben wir für Forschung und Entwicklung eingesetzt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

8 Milliarden Schilling mehr für die Bildung, 9 Milliarden Schilling mehr für die Familien. Weiters: ein Infrastrukturgipfel, der in den nächsten Wochen beginnen wird und der wesentliche Weichenstellungen setzen wird, zu denen Sie in Ihrer Amtszeit nicht fähig gewesen sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir machen beides: Wir sparen, wo es der Bürger braucht und will, und wir investieren, wo es die Zukunft braucht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Bauer.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Weil Sie gerade die Investitionen ansprechen, möchte ich Sie fragen, warum Sie selbst die baureifen Projekte, zum Beispiel im Schienenausbau, nicht bauwirksam werden lassen. Sie wissen, dass von den rund 150 Milliarden Schilling erst 50 Milliarden beansprucht wurden und daher baureife Projekte durchaus sofort umgesetzt werden könnten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wenn frühere Verkehrsminister, die der SPÖ angehört haben, planungsreife Projekte hinterlassen hätten, die man wirklich bauen könnte, dann hätten Sie Recht, Herr Abgeordneter. Aber so ist es nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben zum Teil – ich habe mir in diesem Zusammenhang selbst die Arbeit gemacht – einen Fleckerlteppich von Planungen vorgefunden, die in dieser Form eben nicht umsetzungsreif waren. (Abg. Edler: Sie sagen die Unwahrheit!)

Daher versuchen wir jetzt mühsam – glauben Sie mir, das wird uns genauso gelingen wie das Nulldefizit, das Kindergeld und die Verwaltungsreform –, die Voraussetzungen für den Standort Österreich für die Zukunft zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Bravo! – Abg. Sophie Bauer:  ! Das ist die Wahrheit! – Abg. Edlinger: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Trattner, bitte.

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Es stellt sich folgende Frage: Gibt es jetzt mehr baureife Projekte und zu wenig Geld oder sind doch genug Mittel für Investitionen vorhanden, aber zu wenig baureife Projekte? (Abg. Edlinger: Der SCHIG-Direktor!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wir haben immerhin bis jetzt – und das sind Fakten; da brauchen Sie nur die Unterlagen anzuschauen, die das Wirtschaftsforschungsinstitut, der Rechnungshof und andere publizieren – das Volumen für Investitionen in Schiene und Straße von 32 auf 38 Milliarden Schilling gesteigert. Das ist ein Riesenerfolg. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Wir werden uns außerdem vornehmen, dass wir uns in einer Gesamtplanung – da möchte ich Monika Forstinger sehr unterstützen und ihr ebenso wie den neuen Experten und Managern bei Schiene und Straße auch danken – der Mühe unterziehen, dafür die Finanzierungsvoraussetzungen über das Road Pricing zu schaffen, denn ohne Geld keine Musik. (Abg. Eder: Das haben Sie ja aufgehalten!)  – Nein, wir haben es nicht aufgehalten. Wir haben es endlich verwirklicht, Herr Abgeordneter! Wir reden nicht, wir handeln. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Mühlbachler, bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Die Erregung ist groß! Läuft nicht gut für euch!)

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Es ist doch sehr belastend zu wissen, dass der Zinsendienst das Eineinhalbfache des Bildungsbudgets ausmacht. Lässt sich jetzt bereits abschätzen, welche Einsparungen bei der Zinsbelastung die verringerten Budgetdefizite beziehungsweise das Nulldefizit des Jahres 2001 gebracht haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Beide Jahre zusammen haben 1,5 Milliarden Schilling an Ersparnis bei den Zinsaufwendungen dauerhaft für Zeit und Ewigkeit gebracht. Im vorigen Jahr waren es 850 Millionen Schilling, heuer sind es 650 Millionen Schilling. Man sieht, Sparen schafft Freiraum für die Zukunft – und das ist wichtig und gut zu wissen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundeskanzler! Mit diesem Wissen ausgestattet und vor dem Hintergrund, dass selbst in "The Economist", der "Herald Tribune" und der "Neuen Zürcher Zeitung" von erhöhter Rezessionsgefahr zu lesen ist, folgende Frage: Könnten Sie eine Steuerreform für die Begünstigung der kleineren und mittleren Einkommen vorziehen, da wir die höchste Staatsquote haben, die es jemals gab?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Das müsste man tatsächlich überlegen, wenn wir nicht längst auf andere Art und Weise Vorsorge getroffen hätten. Wir haben zum Beispiel – ich wiederhole es – das Kindergeld gerade jetzt, zum richtigsten Zeitpunkt, als Konjunkturimpuls in der Höhe von 9 Milliarden Schilling eingeführt. Das ist echte, zusätzliche Kaufkraft für junge Familien. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben zweitens durch die Liberalisierung im Gas- und Strombereich quasi ein Volumen an zusätzlicher Kaufkraft für das Geldbörsel der Konsumenten ermöglicht. Da haben wir 10 bis 12 Milliarden Schilling für die österreichischen Konsumenten und für die österreichischen Betriebe zur Verfügung gestellt. In Summe sind wir damit ab Jänner 2002 mit einem Entlastungsvolumen von ungefähr 20 Milliarden Schilling auf dem Markt. Mehr bringt eine Steuerreform auch nicht. Wir haben gehandelt, wir haben nicht nur geredet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erkläre die Fragestunde für beendet. Wir haben alle neun Fragen erledigt. (Abg. Mag. Schweitzer: Ich gratuliere zur Belangsendung! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


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A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 2809/AB bis 2813/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 542/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend die Schaffung einer bundeseinheitlichen Rahmengesetzgebung für die Sozialhilfe;

Bautenausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz und das Akkreditierungsgesetz geändert werden (786 der Beilagen);

Budgetausschuss:

Antrag 543/A der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Mag. Gilbert Trattner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert wird (2. BFG-Novelle 2002);

Familienausschuss:

Antrag 541/A (E) der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen betreffend Erhebung des "Übereinkommens über die Rechte des Kindes" in den Rang eines Verfassungsgesetzes;

Finanzausschuss:

Bundesgesetz betreffend die Belastung öffentlichen Wassergutes mit Fischereirechten (879 der Beilagen),

Antrag 536/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen über ein Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von Bundesanteilen an Flughafenbetriebsgesellschaften und von unbeweglichem Bundesvermögen,

Antrag 537/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird;

Ausschuss für Menschenrechte:

Antrag 538/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch und Genossen betreffend Stärkung der Rechte des Kindes;

Umweltausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (843 der Beilagen);

Verfassungsausschuss:

Antrag 539/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird,

Antrag 540/A der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesimmobiliengesetz geändert wird;


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Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992 geändert wird (852 der Beilagen),

Antrag 544/A der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird.

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Amon und Mag. Schender haben das Verlangen gestellt, die heute vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 3116/J der Abgeordneten Amon, Mag. Schender an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Orientierungslosigkeit der linken Bildungspolitik dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf gelangen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sehr gut! Wichtiges Thema!)

Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich noch mit, dass die Abgeordneten Dr. Cap und Genossen beantragt haben, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 464/A (E) der Abgeordneten Dr. Kräuter und Genossen betreffend sofortige Abstellung der Privilegienwirtschaft in den Ministerbüros der blau-schwarzen Bundesregierung eine Frist bis zum 11. Dezember 2001 zu setzen.

Mir liegt das von fünf Abgeordneten nach § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Kurzdebatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Da in der heutigen Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage in Aussicht genommen ist, wird die Kurzdebatte im Anschluss an die Dringliche Anfrage und deren Debatte stattfinden.

*****

Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig beantragt hat, dem Umweltausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 400/A (E) der Abgeordneten Dr. Glawischnig und Genossen betreffend Umstellung der Stromversorgung der Bundesgebäude auf Ökostrom eine Frist bis zum 11. Dezember 2001 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung, also am Ende der Sitzung zur Abstimmung gebracht werden. Eine Debatte ist nicht vorgesehen.

*****

Weiters teile ich mit, dass Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig beantragt hat, dem Umweltausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 446/A (E) betreffend Änderung der EU-Atompolitik eine Frist bis zum 11. Dezember zu setzen.

Auch dieser Antrag wird nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gelangen. Ich bitte um Kenntnisnahme.


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Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 3 bis 7, 8 bis 10, 11 bis 15, 17 bis 19 sowie 20 und 21 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen eine Einwendung? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass wir einvernehmlich so vorgehen werden.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens darüber erzielt, dem Nationalrat eine Tagesblockzeit von 9 "Wiener Stunden" vorzuschlagen. Daraus ergeben sich folgende Redezeiten: SPÖ 176 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 131 Minuten, Grüne 104 Minuten.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.

Gibt es Gegenstimmen gegen diesen Vorschlag? – Das ist nicht der Fall. Somit ist das einstimmig so beschlossen.

1. Punk


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t

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Tätigkeitsbericht (III-73 der Beilagen) des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1999 (725 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Sonderbericht (III-92 der Beilagen) des Rechnungshofes über die Bankenaufsicht (758 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der heutigen Tagesordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung oder Druckfehlerberichtigung liegt nicht vor.

Wir können sogleich in die Debatte eingehen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

10.10

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Erlauben Sie mir eine Nachbemerkung zur Fragestunde: Die Polemik von der Regierungsbank seitens des Herrn Bundeskanzlers ist tatsächlich stark zunehmend. Das ist ein starkes Stück! (Beifall bei der SPÖ.  – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gab gestern schon ein Beispiel für diese unzumutbare Vorgangsweise, und heute ist gleich die gesamte Fragestunde ein Beispiel dafür. (Abg. Dr. Krüger: Ihr habt sie zu einer Belangsendung umfunktioniert!) Das ist eines Bundeskanzlers der Republik Österreich unwürdig. Im Interesse der politischen Hygiene in diesem Hohen Haus ist es wichtig, das auch festzustellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Dass sich die Bundesminister der Kontrolle entziehen wollen und die Aussage vor dem so genannten kleinen Untersuchungsausschuss, also vor dem Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses, verweigern, das ist bekannt. (Abg. Mag. Hartinger: Sie waren nicht anwesend!) Aber wie sieht es allgemein bei verschiedenen Sachthemen aus, die der Rechnungshof prüft?

Herr Bundesminister Bartenstein hätte schon einmal, am 1. Februar 2001, hier im Plenum zu Wirschaftsthemen Stellung nehmen sollen. Stattdessen hat er seine völlig uninformierte Staatssekretärin geschickt. Er selbst trank währenddessen mit Herrn Bundesminister Strasser in der Cafeteria ein Glas Bier. (Abg. Großruck: Das ist "sehr qualifiziert"!) Meine Damen und Herren! Selbst Herrn Klubobmann Khol ist der "Verfassungskragen" geplatzt. Er ist aufgesprungen und hinausgestürmt.

Dies blieb aber ohne Folgen, denn am 1. Juni debattierten wir im Rechnungshofausschuss über das Energiethema Kraftwerk Freudenau. Wieder war nur Frau Staatssekretärin Rossmann anwesend. Sie ist hilflos in der Materie "umhergestolpert" und hatte Probleme mit den Fachtermini – Beamte mussten ihr Zettel vorlegen. Dies ist unglaublich peinlich für die FPÖ, rücksichtslos gegenüber der ÖVP und eine Zumutung gegenüber der Opposition. So springt diese Bundesregierung mit dem Parlament um! (Beifall bei der SPÖ.)

Wo war der Herr Bundesminister, der uns auch heute nicht beehrt? – Er war nicht im Ausland. Vormittags war er bei einer Pressekonferenz, und in der "ZiB 2" gab er just zum selben Thema, Energie, ein Interview. Dies geschah am 1. Juni 2001.

Meine Damen und Herren! Es ist einfach unzumutbar, dass weder die Frau Staatssekretärin noch der Herr Wirtschaftsminister, noch der Herr Innenminister, noch die Frau Verkehrsministerin heute anwesend sind, denn die entscheidenden Themen der Rechnungshofberichte beziehen sich auf diese Mitglieder der Bundesregierung.

Warum die Frau Staatssekretärin nicht da ist, das kann ich allerdings nachvollziehen. Ich will ihre Kompetenz an sich nicht anzweifeln: Sie kennt sich im Gastgewerbe gut aus, und sie kennt auch die Abgründe dieses Gewerbes. Sie weiß zum Beispiel, dass im Szenelokal ihrer Schwester in Graz in großem Stil organisierte Schwarzarbeit betrieben wird. (Rufe bei der SPÖ: Ah!  – Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )

Ein Verzweifelter hat der Frau Staatssekretärin Anfang August schriftlich mitgeteilt, dass ihre Schwester als Wirtin im "Glockenspielkeller" massiv Schwarzarbeiter beschäftige. Sogar ein Fall von Kinderarbeit sei bekannt. Es werde ohne Papiere, ohne Aufenthalts- und ohne Arbeitsgenehmigung gearbeitet, und alle würden ständig um ihren Lohn geprellt.

Meine Damen und Herren! Was hat die Frau Staatssekretärin in ihrer Eigenschaft als Regierungsmitglied unternommen? Hat sie Anzeige erstattet oder sich an die Behörden gewandt? Hat sie irgendwie eingegriffen? – Sie hat am 24. August geantwortet und mitgeteilt, dass sie diese Information selbstverständlich sofort ihrer Schwester zukommen ließ.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Steiermark gibt es den Fall Pöltl – einige von Ihnen werden ihn kennen –, in dem es um illegales Mahnen und Warnen bei Machenschaften geht. (Abg. Schwarzenberger: Er ist freigesprochen worden!) Er sitzt gerade in zweiter Instanz auf der Gerichtsbank, Herr Kollege.

In einem Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit wird schließlich lapidar festgestellt, Frau Rossmann habe keinen geschäftlichen Kontakt zu ihrer Schwester. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein unglaublicher Skandal! Es werden die Fragen gestellt werden, seit wann die Frau Staatssekretärin darüber weiß, wann sie etwas unternommen hat, was sie unternommen hat und ob sie diesen Skandal zur Anzeige gebracht hat.

Wer sind eigentlich die Gäste in diesem Lokal? – Prominenz ist durchaus dabei. Für wen hat der junge Schwarzarbeiter Zeljko aus Crikvenica im Herbst 2000 Rindfleisch zubereitet und abgeschmeckt? – Es war jemand, der zuvor am Grazer Hauptplatz gegen illegale Ausländer,


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Schwarzarbeit und Dumpinglöhne gewettert hat. Jawohl, meine Damen und Herren, es war Jörg Haider, der sich in diesem Lokal das Rindfleisch schmecken ließ! (Abg. Ing. Scheuch: Entblöden Sie sich doch nicht!  – Abg. Dr. Partik-Pablé: Was haben Sie da für einen Spitzelring aufgebaut?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein FPÖ-Skandal der Sonderklasse, der natürlich auch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Bartenstein trifft. Das ist ein klarer Fall von Amtsmissbrauch. Die eigene Schwester vor einer Kontrolle zu warnen, ist ein klarer Fall für den Staatsanwalt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Unglaublich, aber symptomatisch!)

10.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Dr. Krüger! Sie wissen, dass Sie ein Wort gebraucht haben, das man nicht akzeptieren kann, auch wenn wir in einer hitzigen Phase der Debatte sind! (Unruhe im Saal.) Das Wort "entblöden" als Zwischenruf ist nicht zulässig. (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.  – Abg. Großruck: Ich werde jetzt zur Deeskalation beitragen!) Ich habe es genau gehört. (Abg. Dr. Krüger  – in Richtung des Präsidenten Dr. Fischer –: Herr Präsident! Das ist ein Unsinn, mit Verlaub! Ich habe das nicht gesagt! Da lassen Sie sich die Aufnahmen kommen!) Sondern, wer war das? (Abg. Ing. Westenthaler: Das war nicht der Krüger, das war der Scheuch!) Gut. Kollege Scheuch! Ich habe zwar das Wort gehört, mich aber in der Person geirrt. Ich bitte auch Sie, solche Ausdrücke nicht zu verwenden!

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. Die Redezeit beträgt 6 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Da wird es jetzt ruhiger werden!)

10.16

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte zur Information für die Zuseher festhalten, dass wir jetzt über den Rechnungshofbericht 1999 diskutieren. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das, was mein Vorredner Abgeordneter Kräuter gesagt hat, hatte mit diesem Bericht überhaupt nichts zu tun. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Art und Weise seiner Argumentation war allerdings vorauszusehen – dazu braucht man kein Verhaltensforscher zu sein –: Wenn mich jemand gefragt hätte, wie Herr Abgeordneter Kräuter heute argumentieren würde, hätte ich es genau so vorhergesagt, wie er sich heute tatsächlich wieder präsentiert hat, denn auch im Rechnungshofausschuss verhält er sich so. Man kann Debatten auf diese Weise führen, aber zu einem Ziel kommt man so nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich komme nun zum Rechnungshofbericht, zum Wahrnehmungsbericht 1999. Ich darf in Erinnerung bringen, dass das die Zeit war, zu der noch die SPÖ unter Bundeskanzler Klima regiert hat. (Abg. Edlinger: Sie sind auch einer, der an Gedächtnisverlust leidet!) Ich möchte eine generelle Übersicht geben, denn meine Kollegen werden im Detail auf die einzelnen Punkte eingehen.

Meine Damen und Herren! Angesichts des heutigen Bundesrechnungsabschlusses, den wir später behandeln werden und anlässlich dessen wir voll Freude zur Kenntnis nehmen, dass es der Regierung gelungen ist, die Neuverschuldung zu stoppen und ein Nulldefizit zu erreichen (Ruf bei der SPÖ: Höchstens Sozialabbau!), darf ich sagen, dass ich dabei auch einen wesentlichen Beitrag des Rechnungshofes erkenne, den er durch seine Kritik, seine positiven Äußerungen und seine Prüfungen geleistet hat.

Der Rechnungshof ist auch ein Motor für das Budgetziel, das wir jetzt erreicht haben und das unter dem Motto "Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit" stand. Bis zum Jahr 2000 waren Teile des Rechnungshofes eher einsame Rufer in der Wüste: Es wurden Vorschläge gemacht, die aber verhallt sind. Nun hat die neue Regierung begonnen, einen fruchtbaren Boden für diese Rufe zu bereiten, und die politischen Gärtner und Pfleger Österreichs, Schüssel und Grasser, haben die Saat gesät, die jetzt aufgeht. Sie geht trotz des oppositionellen Sperrfeuers, trotz der oppositionellen Klimaverschlechterung – das meine ich im wörtlichen wie im übertragenen Sinn – und trotz versuchter Störaktionen auf!


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Meine Damen und Herren! Die Saat geht auf. Ab heuer gibt es das Nulldefizit und keine Neuverschuldung im Budget. (Beifall bei der ÖVP.) Dies wird durch Privatisierung, Deregulierung, konsumentenfreundliche Politik, die Verwaltungsreform, die Bildungs- und Technologieoffensive und den Abbau der Staatsschulden erreicht. (Abg. Leikam: Steht das auch im Rechnungshofbericht?) Diese Regierung hat es geschafft, die Verschuldung allein im Bereich der verstaatlichten Industrie von 90 Milliarden Schilling auf zirka 30 Milliarden Schilling zu senken. Es zeichnet sich ab, was für eine Leistung das ist, und ich glaube, das ist der Gegenpol zu den Äußerungen des Herrn Abgeordneten Kräuter und auch der Opposition. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der Rechnungshof hat durch seine Berichte, seine Analysen, seine Vorschläge und seine notwendigen Expertisen wesentlich dazu beigetragen, dass wir dieses Ziel erreicht haben. Herr Präsident! Ich danke Ihnen und Ihren Mitarbeitern ganz herzlich für diese Tätigkeit und für diese konstruktive Zusammenarbeit.

Ich darf bei dieser Gelegenheit aber auch dem Vorsitzenden des Rechnungshofausschusses, Kollegem Kogler, für seine versuchte und meistens gelungene objektive Ausschussvorsitzführung danken. Er hat gesagt, ich solle ihn nicht zu viel loben, denn das könne ihm in seiner Partei schaden. Aber auch Lob, lieber Kollege Kogler, ist angebracht, wenn es gerechtfertigt ist. (Abg. Schwarzenberger: Vor allem, wenn es von dir kommt!) Daher sei diese Feststellung auch an dich gerichtet. (Beifall bei der ÖVP und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Inhaltlich setzt sich der Rechnungshofbericht mit dem Bundesdenkmalamt, mit der Ausgliederung der Patentanwaltschaft, mit der Bekämpfung der Suchtmittelkriminalität und mit anderen Punkten auseinander. Meine Kollegen werden darauf noch näher eingehen.

Ich komme nun zum Schluss meiner Ausführungen, da das rote Licht bereits blinkt. Bundeskanzler Klima hat bei seinem Abtritt – wir haben es noch vor Augen – zu seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesagt: Passt mir auf mein Österreich auf! – Dann ist er nach Argentinien gefahren. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Die Bundesregierung hat seine Äußerungen aber ernst genommen. Sie hat auf Österreich aufgepasst. Mit Reformen und ohne Neuverschuldung hat sie die Arbeit genau im Sinne dieses geistigen Testaments von Altbundeskanzler Klima fortgesetzt.

Meine Damen und Herren! Wir zahlen Jahr für Jahr 110 Milliarden Schilling an Zinsen. Wissen Sie, was wir mit 110 Milliarden Schilling anfangen könnten? (Abg. Sophie Bauer: Sie vergessen die letzten 14 Jahre!) Wenn wir diese Zinsenlast nicht hätten, könnten wir den Forderungen nach Pensionserhöhung nachkommen und jedem Pensionisten in Österreich ab sofort eine Pensionserhöhung von 60 000 S netto im Jahr, also 5 000 S netto im Monat geben. Davon würde auch Herr Blecha profitieren. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Man sollte sich vor Augen führen, was eine Summe von 110 Milliarden Schilling bedeutet, die wir Jahr für Jahr an Zinsen für unsere Schulden zahlen. Es ist angebracht, sie zu reduzieren und eine Nullverschuldung zu Stande zu bringen, damit wir uns auch in Zukunft das Sozialsystem, das Bildungssystem und das Pensionssystem leisten und diese auch finanzieren können. Es mögen sich alle Österreicher dessen bewusst sein, was diese 110 Milliarden Schilling bedeuten. (Abg. Dietachmayr: Du weißt aber auch ganz genau, dass das ein Unsinn ist, den du sagst!  – Abg. Sophie Bauer: 14 Jahre hat er eine Gedächtnislücke!)

Ich schließe mit einem Vierzeiler, um zu veranschaulichen, in welcher Situation wir sind:

Rot war’n dreißig Jahr’ die Zahlen,

aber seit den letzten Wahlen

können wir zum Wohl von allen

endlich wieder schwarze malen.


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Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung SPÖ –: Das kann man nur vergessen, das muss man vergessen, das ist so furchtbar!)

10.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

10.23

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich kann mit keinem Vierzeiler aufwarten, möchte aber an dieser Stelle zunächst auch meinen Dank aussprechen, und zwar zum einen dem Präsidenten des Rechnungshofes persönlich für die gelungene und nach wie vor gute Zusammenarbeit mit dem Ausschuss, zum anderen den vielen Mitarbeitern des Rechnungshofes selbst, die, wie ich glaube, sehr gewissenhaft und effizient arbeiten und damit vor allem ein gutes Ergebnis für die SteuerzahlerInnen erzielen. Das sollte man, da wir gerade bei der Defizitdebatte waren, nicht unerwähnt lassen. – So viel zum Einstieg.

Das Lob  (Abg. Dr. Khol: Für die Steuerzahler auch? Weil Sie nur von den Steuerzahlerinnen reden!  – Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Wissen Sie, Kollege Khol, das sagt man jetzt so. Damit müssen wir Männer zurechtkommen. Ich sage jetzt immer SteuerzahlerInnen, weil das schneller geht. Da ist aber der Steuerzahler schon mit gemeint. Ich glaube, so weit können Sie mir folgen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.  – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist nicht ganz korrekt!) Lassen wir das, meine Herren! Machen wir uns das ein anderes Mal aus!

Kommen wir zur Sache! Was zunächst die Frage der Budgetpolitik betrifft, so kann ich meinem Vorredner natürlich inhaltlich nicht ganz zustimmen. Ich halte es für richtig, dass wir dieses Thema anlässlich einer Generaldebatte zu einem Rechnungshofbericht streifen, kann aber darauf verweisen, dass in der letzten Legislaturperiode auch ein Rechnungshofbericht über die Konsolidierungspakete, die so genannten Sparpakete, vorgelegt wurde.

Damals schon hatte der Rechnungshof festgestellt – "kritisiert" kann man nicht unbedingt sagen, es war eine relativ wertfreie Analyse –, dass Teile dieser Maßnahmen, die damals gesetzt wurden, sehr wohl zu Lasten der niedrigeren Einkommensgruppen gehen und Bezieher von Transferleistungen betreffen, und zwar natürlich negativ im Sinne der Empfänger. Es wäre nun zu hinterfragen und zu überprüfen, wie sich die Pakete, die die neue Bundesregierung geschnürt hat, auswirken.

Über diesen Befund wird natürlich gestritten, für uns ist die Sache aber relativ klar: Die Pakete, die die schwarz-blaue Bundesregierung geschnürt hat, wirken sehr wohl beschäftigungsdämpfend und vor allem auch restriktiv auf die Einkommensverteilung, um einen Terminus technicus einzuführen. Es bestehen, wie wir meinen, sehr viele Ungerechtigkeiten. Das darf man nicht unerwähnt lassen, wenn sich mein Vorredner schon auf dieses Glatteis begeben hat.

Was die Kontrolle hier im Haus selbst betrifft: Ich glaube, dass es höchste Zeit wäre (Ruf bei den Freiheitlichen: ... dass wir zum Thema kommen!), dass sich das österreichische Parlament noch einmal einen Besinnungskurs verordnet und eine ausführliche Debatte darüber führt, wie es um die parlamentarischen Kontrollrechte bestellt ist.

Kollege Khol! Sie wissen, wir haben zu Beginn der Legislaturperiode über dieses Thema gesprochen, als noch nicht einmal klar war, welche Regierung kommen würde. Das war sozusagen ein "Fenster der Gelegenheit", damals bestand die Gelegenheit, darüber zu sinnieren, was es denn damit auf sich hätte, den Untersuchungsausschuss endlich als Minderheitenrecht zu installieren, zumindest was dessen Einsetzung betrifft.

Mittlerweile stellen wir fest, dass Ihr damaliger Gedankengang entweder nur aus der Perspektive der Wirren der Koalitionsbildungen hervorgegangen ist, oder dass alles immer nur eine rhe


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torische Vorgabe war. Es wäre längst an der Zeit, dass in Österreich, so wie in etlichen – um nicht zu sagen vielen – anderen westeuropäischen parlamentarischen Demokratien, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Minderheitenrecht gemacht wird. (Abg. Dr. Khol: Eine einzige von 42 Ländern des Europarates, und nur Deutschland!)

Ich möchte Sie herzlich einladen, doch ein bisschen konstruktiver zu sein und nicht jede Gelegenheit und jeden Vorschlag zu nützen, um die Sache auf die lange Bank zu schieben. Das ist unangenehm. Oder sagen Sie einmal in der Öffentlichkeit – das wäre ja auch eine Möglichkeit –, dass Sie das nicht wollen, dass Sie jetzt regieren und die schwarz-blaue Mehrheit prüft, was ihr passt.

Das ist ja ganz typisch. Wer die Vorarbeit für "Euroteam" geleistet hat, ist meiner Meinung nach klar. Wir wissen aber, dass das längst erledigt ist, auch wenn noch ein Bericht hier im Hause auf uns zukommt. Die Sache ist längst erledigt, das muss man akzeptieren. Eine moderne Kontrolle würde sich längst dem Treiben der schwarz-blauen Regierung widmen und dadurch der Sache viel näher sein.

Da gibt es einige Fragestellungen. Ich darf wieder auf einen meiner Vorredner eingehen und das leidige Thema des Unterausschusses des Rechnungshofausschusses strapazieren – das werden wir hier im Haus zwar nochmals tun, aber es passt zu diesem Generalthema –: Es ist und bleibt völlig unverständlich – ich glaube, nicht nur für die Opposition –, dass Minister und Ministerinnen über die Medien von sich aus bekannt geben, dass sie in diesem Untersuchungsausschuss (Abg. Dr. Khol: Unterausschuss!) eine Aussage machen möchten. – Kleiner Untersuchungsausschuss! (Abg. Dr. Khol: Unterausschuss!  – Abg. Ing. Westenthaler: Es gibt keinen "kleinen Untersuchungsausschuss"! Es gibt auch keinen "großen Untersuchungsausschuss"!)

Bitte schön, lesen Sie doch in den Stenographischen Protokollen nach! Sie wissen ganz genau, dass wir diesen Terminus hier eingeführt haben, aber sei’s drum. Untersuchungsausschuss, Unterausschuss, kleiner Untersuchungsausschuss – Faktum ist etwas ganz anderes: Wir können so viele Ausschüsse machen, wie wir wollen, die Mehrheitsfraktionen hindern Minister, die in solchen Ausschüssen aussagen wollen, geradezu an dieser Aussage! Das ist der Punkt. Das ist das Fatale! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Haupt (Abg. Ing. Westenthaler: Bundesminister Haupt heißt das immer noch!) hat natürlich einen großen Erklärungsbedarf, das ist klar. Aber vielleicht verspricht er sich einfach mehr davon – selbst an seiner Stelle –, endlich einmal Rede und Antwort stehen zu können und sich nicht ständig Vorhaltungen machen lassen zu müssen, bei denen er sich mit diesen Themen gar nicht adäquat auseinander setzen kann.

Wenn wir dann Anfragebeantwortungen zitieren, die er selbst mit seiner Unterschrift absegnet, müssen wir damit rechnen, dass wir – was ja passieren kann – in der Öffentlichkeit noch selbst an den Pranger gestellt werden, nur, weil wir mit seiner Anfragebeantwortung argumentieren. Wenn sich Medien auf diese Anfragebeantwortung berufen, werden sie auch noch mit Klagen behelligt. So ist der Zustand der Kontrolle in diesem Land – und er ist schlecht!

Ich glaube, es ist einerseits gut für die parlamentarische Demokratie, wenn wir diesbezüglich die Spielregeln genauer einhalten, und es wäre andererseits vor allem – weil das eine sehr große prophylaktische Wirkung hat – für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – an dieser Stelle an Sie gerichtet, Herr Kollege Khol – sehr gut, würden wir uns da auf klarere Regeln einigen. (Beifall bei den Grünen.)

Aber solange Sie mit Ihren Mehrheiten sozusagen alles im Kämmerlein einsperren wollen, wird das zwar kurzfristig und vielleicht für den Geschäftsablauf hier im Hause erfolgreich sein, aber langfristig schneiden Sie sich damit in den eigenen Finger. Das ist sicher, und das hat auch Kollege Haupt erkannt.


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Für Frau Forstinger gilt im Wesentlichen nichts anderes. Die hat sogar dieses Rede-und-Antwort-Stehen selbst als Zitat im "profil" deponiert. Man hat überhaupt den Eindruck, Frau Kollegin Forstinger darf bloß deshalb nicht im ... (Ruf bei der SPÖ: Die geht hier überhaupt ab!) Ja, sie geht hier ab – oder auch nicht; wer weiß.

Sie selbst hat im "profil" zu erkennen gegeben, Rede und Antwort stehen zu wollen. Man hat geradezu den Eindruck, dass sie mit Absicht und mit Gewalt von den Regierungsfraktionen an der Aussage dort gehindert wird – was auch immer dahinter stehen mag. Es ist ja ohnehin schon mehr als ein Gerücht, dass Frau Forstinger in ihrem Ressort längst nicht mehr die Zügel in der Hand hat. Vielleicht hätte man wirklich Herrn Miko zur Aussage vorladen sollen – den hätten Sie uns aber wahrscheinlich auch nicht durchgehen lassen – oder andere, die dort das Sagen haben.

Das Problem ist, dass hier eine ständige Kontrollverweigerung per Mehrheitsdekret verordnet wird. Aber ich sage Ihnen: Die Geschichte wird Sie einholen, und zwar spätestens dann – und ich komme damit vorläufig zum Ende; auf Details kann man noch in einer Replik eingehen –, wenn der Rechnungshof Berichte vorlegen wird, die auch diese Bundesregierung betreffen. Darauf sind wir schon sehr gespannt. Spätestens dann werden wir mehr Diskussionsstoff über diese Regierung auch in Geschäftsstücken hier haben, und dann wird es Ihnen nichts mehr helfen, wenn Sie ständig Minister in Schutzhaft nehmen und sie nicht aussagen lassen wollen. Dann werden sie nämlich aussagen müssen, und dann werden wir uns die Sache genau anschauen. Der Tag wird nicht allzu fern sein, Kollege Khol, und dann können wir weiterreden. (Beifall bei den Grünen.)

10.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. – Bitte.

10.32

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Kogler, ich bin ganz bei Ihnen, wenn Sie sagen, Kontrolle heißt, bei der Sache zu bleiben. Sie haben damit auch die Forderung nach Kontrolle von Schwarz-Blau verbunden. Unsere Regierung will natürlich Kontrolle, denn aus Kontrolle kann man lernen. Leider aber haben wir so viele Fehler der vorigen Regierung, vor allem seitens der sozialdemokratischen Minister, gefunden, die wir im Rechnungshofbereich erst alle aufarbeiten müssen.

Herr Kollege Kräuter, Sie sind für mich wirklich unverbesserlich. Sie kommen zu den Rechnungshofunterausschuss-Sitzungen nicht, verweigern das und behaupten, dass die Staatssekretärin verwirrt herumhuscht. Ich verwahre mich wirklich dagegen, dass ein Regierungsmitglied hier in dieser Art und Weise beleidigt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Zweite, was, wie Kollege Großruck schon gesagt hat, nichts mit diesem Bericht zu tun hat: Dass gesagt wird ... (Abg. Dr. Kräuter: Sagen Sie was zum FPÖ-Skandal in Graz!) – Sie machen daraus einen Skandal! – Und ihre Schwester betreffend: Wir haben in Österreich noch keine Sippenhaftung. Ich gehe ja auch nicht her und durchleuchte Ihre Familie! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Fekter: Die Sippenhaftung hat schon die Maria Theresia abgeschafft!)

Der Rechnungshof hat gemäß Art. 126d Abs. 1 B-VG uns, dem Nationalrat, über seine Tätigkeiten, und da jetzt speziell über das Verwaltungsjahr 1999, einen Bericht zu erstatten. Bevor ich auf einzelne Prüfungsbereiche eingehe, möchte ich mich im Namen meiner Fraktion stellvertretend bei Ihnen, Herr Präsident des Rechnungshofes, für die Arbeit Ihrer Prüfer recht herzlich bedanken. Hinter diesem Bericht steckt nämlich sehr viel Arbeit, sehr viel Konsequenz seitens der Prüfer und natürlich auch viel Kompetenz.

Meine Damen und Herren! Dieser Bericht betrifft, wie gesagt, das Verwaltungsjahr 1999 und wird leider erst jetzt, zwei Jahre später, im Plenum behandelt. Vom Ablauf her ist mir natürlich klar, dass die Prüfung und die Stellungnahmen eine gewisse Zeit benötigen, dass hier mehrere


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Ausschüsse getagt haben, um die Vielfalt der Prüfungsbereiche zu beraten. Trotzdem glaube ich, dass eine aktuellere Beratung sinnvoller wäre.

Was mich freut und natürlich auch beruhigt, ist, dass die Empfehlungen zur Verbesserung der Haushalts- und Unternehmensführung unserer Regierung – und ich bin überzeugt, der Herr Präsident wird mir das bestätigen – weitestgehend erfüllt werden können. Da sieht man einmal, wie ernst unsere Regierung die Kontrolle nimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es gibt auch aus meinen eigenen Erfahrungen keine bessere Motivation und Anerkennung für Prüfer, als wenn die Empfehlungen umgesetzt werden. Ich möchte mich auch bei der Regierung dafür bedanken, dass sie die Kontrolle des Rechnungshofes nicht nur als wichtig empfindet, sondern auch aus dem Hinweis auf eventuelle Schwachstellen lernt und diese umgehend verbessert. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte auf einen Bericht eingehen, der mir sehr bezeichnend erscheint – Sie werden gleich merken, warum –: Er betrifft die Ausgliederung der Datenverarbeitung aus dem Bundesrechnungsamt. Ich muss da auch ein bisschen geschichtlich ausholen.

Bereits 1993 hat Herr Minister Lacina versucht, ein Konzept zur Reorganisation des Bundesrechenzentrums zu erstellen. Im Jahre 1997 hat dann Herr Minister Klima versucht, das umzusetzen. Wegen der kurzen Vorbereitungsphase fehlten zum Teil die organisatorischen Voraussetzungen für ein reibungsloses Funktionieren, wie der Rechnungshof feststellte.

Die Ausgliederungsziele wurden dabei nur teilweise erreicht, und auch bei den Planungsrechnungen standen erwarteten Einsparungen von 128,5 Millionen Schilling Mehrausgaben bei den Aufwendungen im IT-Bereich von 249 Millionen Schilling gegenüber. Das heißt, es hat zwar im Bund eine Planstellenverminderung gegeben, aber auf der anderen Seite wurden in der Gesellschaft 180 Mitarbeiter mehr beschäftigt.

Der Nachteil dieser Form der Ausgliederung war, dass vor allem die Schnittstellen nicht gewährleistet wurden, und auch, dass die organisatorischen Ziele nicht erreicht werden konnten.

Das Bundesministerium für Finanzen verwies auf die damaligen politischen Vorgaben, dass eben unter Zeitdruck gearbeitet wurde und die sofortige Einrichtung einer entsprechenden Management-Infrastruktur nicht möglich gewesen ist.

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Dies ist wieder ein trauriges Beispiel dafür, dass Sie in der Regierung nicht in der Lage waren, eine Verwaltungsreform zu betreiben. Unsere Regierung hat gestern unter Beweis gestellt – und wird das auch laufend weiter unter Beweis stellen –, dass sie eine Reform kompetent, durchdacht und effizient durchführt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dieser Bericht beweist, dass Kontrolle wichtig ist und, Herr Kollege Kräuter, nichts mit Aufdecken zu tun hat, dass diese Kontrolle nicht zur politischen Agitation verwendet werden sollte, sondern die Chance bietet, zu lernen – vielleicht auch einmal für Ihre Fraktion. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte.

10.38

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen dem Herrn Präsidenten und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rechnungshof für dieses umfangreiche Werk danken. Ich glaube, der Herr Präsident und seine Mitarbeiter können am wenigsten dafür, dass wir diesen Rechnungshofbericht erst so spät hier im Plenum diskutieren können.


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Der Rechnungshofausschuss ist, so meine ich, wahrscheinlich der arbeitsintensivste Ausschuss in diesem Hause. Ich glaube, allein zu diesem Bericht haben wir insgesamt acht volle Tage getagt. Drei Mal wurde der Bericht von der Tagesordnung genommen, bevor er endlich hier dem Nationalrat vorgelegt wurde und heute hier diskutiert werden kann. (Abg. Böhacker: An prominenter Stelle!)  – Noch dazu an sehr prominenter Stelle. Das ist immerhin etwas, möchte ich sagen. Das ist lobenswert, und ich bedanke mich auch beim Herrn Präsidenten, dass wir heute Vormittag, zu guter Zeit, über diesen Bericht diskutieren können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aber, meine Damen und Herren, es ist in diesem Zusammenhang auch klar festzustellen, dass es die Bundesregierung mit diesem Bericht nicht besonders ernst nimmt. Es ist zwar löblich, dass der Herr Finanzminister und die Frau Bildungsministerin heute hier anwesend sind, aber wo sind die anderen Damen und Herren der Bundesregierung? Wir würden gerne die Diskussion über diese Themen, die wir im Rechnungshofausschuss mit den einzelnen Ministern begonnen haben, heute hier fortsetzen. Es ist ja Sinn und Zweck eines Rechnungshofberichtes, dass man im Ausschuss die Thematik zu diskutieren beginnt und dass diese Debatte dann hier im Plenum zu einem Abschluss gebracht wird. Dieser Debatte entzieht sich aber ein Großteil der Bundesregierung. Man ist nicht bereit, mit den Abgeordneten hier über diese Thematik zu diskutieren.

Herr Präsident! Es wäre vielleicht einmal eine Anmerkung im Rechnungshofbericht wert, dass Sie sich mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zwar große Mühe machen, dass aber die Regierung es dann mehr oder weniger als lästige Verpflichtung betrachtet und zur Debatte hier nicht erscheint. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Vorgangsweise können wir so nicht zur Kenntnis nehmen, und ich glaube, es können auch die ÖVP und die FPÖ mit einer solchen Vorgangsweise in Wirklichkeit nicht einverstanden sein.

Ich hätte heute sehr gerne die Diskussion über die Suchtgiftkriminalität fortgesetzt. Ich habe dem Herrn Bundesminister im Ausschuss eine Reihe von Fragen gestellt. Ich habe jedoch nicht die entsprechende Antwort bekommen und habe mir vorgenommen, heute diese Fragen erneut zu stellen und vielleicht ergänzend noch einige zusätzliche Fragen an ihn zu richten, weil diese Problematik erschreckenderweise zeitlos ist.

Was der Rechnungshof für das Jahr 1999 im Bereich der Suchtgriftkriminalität festgestellt hat, ist nicht nur damals aktuell gewesen, sondern diese Thematik ist auch heute sehr aktuell und sehr traurig. Es gibt da verschiedenste Entwicklungen, aber eines, glaube ich, ist in diesem Zusammenhang vor allem zu sehen – und das hat auch der Rechnungshof schon für das Jahr 1999 festgestellt –: dass es einen eklatanten Personalmangel bei der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität gibt.

Ich erlebe es immer wieder: Quer durch alle österreichischen Bundesländer gibt es Abgeordnete, gibt es Privatinitiativen quer durch alle Parteien, und immer wieder heißt es: Da muss etwas geschehen, da muss mehr geschehen, als derzeit geschieht! Parallel dazu müssen wir aber zur Kenntnis nehmen, dass der Herr Bundesminister für Inneres den Personalstand der Exekutive ständig verringert und damit auch immer weniger zur Aufklärung im Bereich der Suchtgiftkriminalität im Land beiträgt. Das steht auch in diesem Bericht, und gerade die Entwicklung der letzten Monate lässt noch Schlimmeres ahnen.

Wenn noch mehr Personal aus den einzelnen Bundesländern – aus der so genannten Fläche, wie es die Profis und Experten bezeichnen – abgezogen wird, dann wird eben der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität noch weniger Platz eingeräumt, als es derzeit schon der Fall ist. Das ist eine Vorgangsweise, die wir nicht zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber es soll hier diskutiert und kritisiert werden, auch wenn der Herr Minister nicht da ist.

Ich hätte an Herrn Bundesminister Strasser heute auch ganz gerne die Frage gestellt, wie er es im Umgang mit jenen Menschen hält, die Sorge um die Entwicklung der Kriminalität in ihrem


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umittelbaren Lebensbereich haben, wie er mit diesen Delegationen umspringt, die zu ihm kommen und die Sorgen der Bevölkerung ihm gegenüber zum Ausdruck bringen.

Es ist ein Skandal, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, wie Ihr Minister mit diesen Leuten umspringt! Das kann man so nicht zur Kenntnis nehmen, und ich wundere mich, dass Sie das zur Kenntnis nehmen, denn es sind in erster Linie Ihre Bürgermeister, die Bürgermeister der Österreichischen Volkspartei, die in diesem Zusammenhang den Herrn Bundesminister massiv kritisieren.

Ich werde sicherlich noch Gelegenheit haben, dann, wenn der Herr Minister hier auf der Regierungsbank sitzt, auf einige dieser Vorsprachen zu sprechen zu kommen. Nur so viel heute: In einem Protokoll, das ein ÖVP-Bürgermeister über die "freundliche" Behandlung, die er von Bundesminister Strasser erfahren hat, angelegt hat, heißt es abschließend als Resümee: Innenminister Strasser hat sich durch diese beleidigende und befremdende Gesprächsführung selbst disqualifiziert, und es wird zu hinterfragen sein, ob derartige Leute in der Regierung überhaupt noch tragbar sind. – Das ist ein Thema, das wir hier diskutieren sollten. Aber das ist nicht ein Resümee, das von uns kommt, sondern das stammt aus dem Protokoll über ein Gespräch, das ein ÖVP-Bürgermeister beim Herrn Innenminister geführt hat.

Das ist die Umgangsform, und über die sollten wir hier einmal reden, weil das auch dazu gehört, wie man mit jenen Menschen umgeht, die sich um die Sicherheit im Lande besonders sorgen und mit der derzeitgen Vorgangsweise des Herrn Innenministers, nämlich den Personalstand dramatisch und drastisch zu reduzieren und die bewährten Strukturen der österreichischen Exekutive zu zerschlagen, nicht einverstanden sind.

Auch wir sind damit nicht einverstanden, und wir werden noch ausreichend Gelegenheit haben, über diese Zerschlagung der Strukturen der österreichischen Exekutive mit dem Herrn Innenminister zu diskutieren, wenn er sich vielleicht wieder einmal dazu herablässt, im Parlament zu erscheinen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lentsch. – Bitte.

10.45

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Finanzminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Leikam, mir reichen zwei Minister und ein Präsident auf der Regierungsbank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Reichen tun Sie uns auch!)

Geschätzte Damen und Herren! Die Beamten des Rechnungshofes haben den Tätigkeitsbericht über das Verwaltungsjahr 1999 erstellt, wie wir heute schon des Öfteren gehört haben, und sie haben unter anderem das Zentrum für Schulentwicklung und die Mensen geprüft. Dabei haben sie festgestellt, wie es um die leibliche und geistige Versorgung unserer Schüler beziehungsweise unserer Studenten steht.

Bei den Mensen war das Ergebnis nicht wirklich überraschend. Entweder man wirtschaftet gewinnorientiert, dann sollte man aber die Mensen an Private übergeben, meint der Rechnungshof, oder aber man erfüllt hier einen sozialen Auftrag, indem Studenten dort billiger essen als anderswo.

Ich bin eigentlich sehr froh darüber, dass der Rechnungshof dies aufgezeigt hat, denn seit diesem Bericht hat sich bei den Mensen einiges geändert, und sie schreiben auch wieder schwarze Zahlen. Dass auch bei den Mensen das Gießkannenprinzip zerpflückt wurde, ist im Kleinen dasselbe wie bei den Studiengebühren im Großen. Auch hier hat man die Gratis-Uni verkündet und die immer größeren Nachteile, wie übervolle Lehrsäle, Scheinstudenten, unendlich lange Studienzeiten und derlei Dinge mehr, übersehen.


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Wir sollten daher nicht nur beim Studieren, sondern auch beim Essen klar sagen: Wir helfen denen, die es brauchen, aber ordentlich und direkt, damit sie sich dann auch wirklich leichter tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Ein besonderes Kapitel ist die Schulentwicklung beziehungsweise die Lehrerfortbildung. In dem Bestreben, allen alles recht zu machen, ist hier ein echter Dschungel entstanden. Wie kaum ein anderer Bereich spiegelt die Schule wider, wie notwendig eigentlich die Aufgabenreform des Staates ist. Die meisten dieser Institute wurden schon in den siebziger Jahren gegründet, um die sozialistischen Reformen an den Schulen voranzutreiben. Aber spätestens jetzt, wo man sehr deutlich sieht, dass diese Ideen gescheitert sind, sollte man die Situation bereinigen.

Wir brauchen ein sinnvolles Netzwerk von Bundes- und Landesstellen, die sich mit der Schulentwicklung beziehungsweise mit der Lehrerfortbildung befassen, und wir brauchen natürlich auch eine Qualitätskontrolle an den Schulen. Das ist eine Tatsache, die sicherlich allen bewusst ist. Wenn wir die Mittel entsprechend konzentriert einsetzen, wird auch die Finanzierung kein Problem sein.

Schüler brauchen zu ihrer Entfaltung ein konstruktives Klima, wozu auch die Verhaltensvereinbarungen beitragen werden. Aber auch diesbezüglich hat die SPÖ wieder einmal bewiesen, wie sehr sie an alten und starren Formen festhält. Deswegen müssen wir nun endlich einen Schlussstrich unter die SPÖ-Experimente der siebziger Jahre ziehen.

Abschließend möchte ich mich beim Herrn Präsidenten des Rechnungshofes und natürlich auch bei seinen Beamten für den umfassenden Bericht, den Tätigkeitsbericht 1999, recht herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

10.49

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Frau Bundesministerin! Herr Finanzminister! In die Lobeshymnen der Vorredner aus den Regierungsparteien hinsichtlich der Umsetzung dessen, was im Bericht des Rechnungshofes steht, kann man wohl nicht vorbehaltlos einstimmen. Es freut mich insofern besonders, dass Frau Bildungsministerin Gehrer anwesend ist, denn über den Bericht, den auch Frau Kollegin Lentsch zitiert hat, könnte man relativ lange diskutieren; allein schon darüber, was alles nicht beantwortet worden ist und was alles noch aussteht.

Da von einer Umsetzung dessen, was vorgeschlagen wird, zu reden, erscheint mir zumindest in diesem Bereich sehr übertrieben und nicht angebracht.

Auch ich möchte mich aber an dieser Stelle, und zwar explizit bei den Beamten, die gerade diese Kapitel betreut haben, bedanken, die wirklich sehr auskunftsfreudig waren und auch die Möglichkeit zu Nachfragen angeboten haben. Ich glaube, dass sich das Bildungsministerium hier einiges abschneiden könnte, was den Umgang des Rechnungshofes mit uns Abgeordneten betrifft. Im Bildungsministerium erleben wir leider das Gegenteil. Ich habe immer befürchtet, es könnte an persönlichen Verstimmungen liegen, dass die Beantwortung von Anfragen oft sehr dürftig ausfällt, aber der Rechnungshof bekommt auch nicht wirklich ausführliche Beantwortungen. Insoferne denke ich, das dürfte bis zu einem gewissen Grad ein Problem des Hauses sein.

Ich möchte auch kurz klarstellen, worum es geht. Der Rechnungshof hat in mehreren Punkten wirklich zentrale Dinge im Bereich der Schulentwicklung angesprochen, unter anderem die Forderung, die Angelegenheiten der Landeslehrer bei einer Gebietskörperschaft zu vereinigen.

Die Antwort des Bundesministeriums war ganz einfach: Es hat dazu nicht Stellung genommen. Auch zu den Pädagogischen Instituten im Hinblick auf die Schulentwicklung oder zu Instrumenten der Steuerung von Schulentwicklung wurde nicht Stellung genommen. Zu all dem – und das kann man ja im Bericht sehr gut nachlesen – gab es einfach keine Stellungnahme des Mi


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nisteriums. Ich denke, da ist wirklich eine andere Umgangsweise von Seiten des Ministeriums damit angebracht.

Wir haben uns dann die Mühe gemacht, bezüglich dieser Dinge nochmals in einer parlamentarischen Anfrage nachzufragen. Auch da kam nur sehr bedingt etwas heraus.

Was also diesen formalen Aspekt betrifft, so würde ich mir wirklich wünschen, dass das Bildungsministerium mit Anregungen von außen, mit Auskunftsfreudigkeit in Zukunft anders umgeht, als es das bisher getan hat.

Ich möchte nun auf ein paar inhaltliche Dinge zu sprechen kommen. Wir haben ja heute am Nachmittag noch eine etwas skurrile Dringliche Anfrage zum Thema linke Bildungspolitik, glaube ich. – Wer die macht, das wäre überhaupt interessant. Ob das die Bildungsministerin Gehrer ist, die damit gemeint ist, wird sie am Nachmittag beantworten können. Aber da steht so etwas drinnen wie "alter Hut".

Im Bildungs-Volksbegehren war davon die Rede, dass es zu einer stärkeren Kooperation der Schultypen kommen soll. Ich darf nur den Rechnungshofbericht zitieren, und zwar zur Frage des Schulverbundes Mittelstufe. Genau darum geht es nämlich bei der Frage der Kooperation von Schulen, und da hat der Rechnungshof empfohlen, gesetzliche Grundlagen dafür zu gestalten und vorzubereiten. Das ist das, was Sie offenbar in Ablehnung auch dieser Forderung als "alten Hut" und als unpassend bezeichnen. Offenbar gehört auch der Rechnungshof zum Teil zu dieser links-linken Bildungspolitik, die da heute am Nachmittag in einer Anfrage, auf die ich mich wirklich schon freue, thematisiert werden soll. Vielleicht gibt es dann auch eine Auskunft darüber, wie das zu verstehen ist.

Ein Bereich, der besonders zu beachten ist, ist das Zentrum für Schulentwicklung und das, was dort an Schulforschung stattfindet. Das ist ja selbst in der Beantwortung der nachfolgenden Anfrage in hohem Maße skurril gewesen. Im Rechnungshofbericht steht drinnen, es gab 100 Projekte, und der Rechnungshof urgiert, dass es vielleicht ganz sinnvoll wäre, wenn man da 100 Projekte macht, dass man diese auch zugänglich macht. Das ist ja irgendwie ein logischer Anspruch für eine Bildungspolitik. Diese Zugänglichmachung gibt es aber nicht, und zwar nicht in der Form, die bei jedem normalen Verein, der mit Publikationen, mit Forschung zu tun hat, üblich wäre, nämlich dass es eine Liste gibt, in der man nachschauen kann, wo man die Dinge bekommt. Das gibt es beim Zentrum für Schulentwicklung nicht! Stattdessen wurde darauf hingewiesen, dass es einige Publikationen gibt, und dann wurde in der Anfragebesprechung die interessante Auskunft erteilt, man solle bei den beantwortenden Stellen oder bei den Stellen, die das gemacht haben, nachfragen und schauen, was man bekommen kann und was nicht.

Wenn da jährlich wirklich Millionen Schilling investiert werden, dann erwarte ich mir schon einen anderen Umgang. Ich glaube auch nicht, dass es am Zentrum für Schulentwicklung liegt, weil es ja ganz typisch ist, dass genau die Dinge, die erforscht werden und nicht den Interessen des Ministeriums entsprechen, nicht publiziert werden. Ich denke da nur an die Evaluation des Schulversuches Mittelschule, der lange nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und erst sehr spät publiziert wurde.

Wenn man in Anfragen an das Ministerium nachfragt, woher eigentlich diese dubiose Theorie stammt, dass das Niveau an den österreichischen Schulen so sinken würde, weil es mehr Gymnasiasten gibt, bekommt man – das haben Sie in einer uns unlängst zugegangenen Anfragebeantwortung wieder gesagt – die Antwort, dass Sie das ohnehin nicht so sehen. Es wird dann auf einen Artikel eines deutschen Universitätsprofessors hingewiesen, aber ich bin der Meinung, dass es, wenn es in Österreich ein Zentrum für Schulentwicklung gibt, erforderlich wäre, dass solch zentrale Fragen dort auch behandelt werden.

Abschließend kann ich nur sagen: Dem Rechnungshof sei noch einmal gedankt für diese Kapitel im Bereich der Schulentwicklung. Für das Ministerium kann man nur hoffen, dass es das, was da drinnen steht, auch entsprechend ernst nimmt und dass es wirklich zu einer Um


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setzung der Vorschläge kommt, die ich in weiten Bereichen so teilen kann. (Beifall bei den Grünen.)

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte, Frau Minister.

10.55

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Zu den Ausführungen meines Vorredners möchte ich Folgendes feststellen: Erstens: Die Regierung nimmt den Rechnungshofbericht sehr ernst, und deshalb wird mit viel Zeit und mit viel Intensität im Rechnungshofausschuss jede einzelne Frage mit jedem Regierungsmitglied diskutiert.

Zweitens: Wir nehmen auch die Empfehlungen des Rechnungshofes und seines Präsidenten sehr ernst, und wir dürfen feststellen, dass wir von den Empfehlungen, die der Rechnungshof uns gegeben hat, die meisten umgesetzt haben. Beim Bundesdenkmalamt finden nun jährliche Planungsbesprechungen mit einer Abstimmung mit allen Landeskonservatoren statt. Es wird die zentrale Subventionsdatenbank geschaffen – sie wird derzeit getestet –, und die klare Trennung zwischen Bundesdenkmalamt und dem Verein zur Förderung der Baudenkmalpflege haben wir bereits vorgenommen.

Beim Zentrum für Schulentwicklung wurde vom Rechnungshof empfohlen, eine Vernetzung mit allen Institutionen, die sich ebenfalls mit Schulentwicklung beschäftigen, herbeizuführen. Diese Vernetzung mit Universitätsinstituten sowie mit anderen Instituten ist herbeigeführt worden. Wir haben gerade für die Sicherung der Qualität in Schulen ein breites Netzwerk aufgebaut.

Wir haben auch zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die Messung der Qualität in Schulen objektivieren zu können. Dazu gehören die Entwicklung von Leistungsstandards, die Teilnahme an internationalen Vergleichsstudien und auch das Prognoseverfahren, das den Eltern Hilfestellungen geben soll, damit sie einschätzen können, welche Schule für ihr Kind die richtige Schule ist.

Es wird von allen Fraktionen dieses Hauses immer wieder verlangt, dass man das Informationsangebot für die Eltern und für die Schüler verbessern soll. Wir machen dazu die Anstrengung, dass man den Eltern auch ein Prognoseverfahren anbieten kann.

Es ist vom Rechnungshof auch vorgeschlagen worden, dass man die vorhandenen Ressourcen verstärkt für Schulentwicklung verwenden möge. Wir haben zahlreiche Angebote gerade für schulinterne Lehrerfortbildung konzipiert, sodass diese Weiterbildungsmöglichkeiten für die gesamte Schule, für das gesamte Kollegium der Lehrer und Lehrerinnen angeboten werden können.

Ich möchte noch anmerken, dass mich die stark steigende Teilnahme der Lehrer und Lehrerinnen an den Fortbildungsveranstaltungen ganz besonders freut. Das ist auch auf das neue Dienstrecht zurückzuführen, in dem wir diese Fortbildung ja verankert haben. Ich halte das für eine ganz positive Entwicklung, denn das lebensbegleitende Lernen ist notweniger denn je, und damit entsprechen wir auch dieser Zielsetzung, mehr Wissen, mehr Kompetenz im lebensbegleitenden Lernen zu verwirklichen.

Die Beratung der Schulen bei Einführung neuer Unterrichtsmethoden und Änderungen der Organisation ist Bestandteil der Lehrerfortbildung, und wir haben die Erfahrungen und die Möglichkeiten mit unserem Projekt "Qualität in Schulen" und auf unserer Plattform "schule.at" zur Verfügung gestellt. Es kann jeder einsehen, welche Projekte gemacht werden, was welche Schule macht, welche Entwicklungsprogramme gemacht werden. Wie Sie selbst ja gesagt haben: Das Ergebnis der Untersuchung über den Schulversuch Mittelschule ist bereits publiziert worden.

Ich möchte Herrn Kollegem Brosz, der der Vorredner war, auch noch Folgendes sagen: Die "alten Hüte" sind leicht zu identifizieren. Die "alten Hüte" sind die Gesamtschule und die Ab


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schaffung der Lehre und Einführung einer Berufsfachschule. Das sind Uralt-Hüte, und diese Uralt-Hüte wollen wir nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir geben bei allen an uns gerichteten Fragen nach bestem Wissen Auskunft, nur: Wenn gefordert wird, dass der gesamte Pflichtschullehrerbereich dem Landesschulrat zur Verwaltung überantwortet wird, muss man sagen, dass das eine Kompetenz der Länder ist. Die Länder müssen dazu ihr Landesgesetz ändern. Wir übernehmen diese Sache, wir sind bereit, das mit den Ländern zu verhandeln. In sechs Bundesländern funktioniert es, in vier Bundesländern ist die Verwaltung noch getrennt. Wir sind in Gesprächen mit den Bundesländern, aber wir können niemanden dazu zwingen, das zu tun, denn ich meine, gerade der Föderalismus und die Eigenständigkeit der Länder ist schon etwas, was wir auch berücksichtigen müssen.

Ich möchte auch noch ein Wort zu dem sagen, was Sie gesagt haben, nämlich dass das Niveau der Schulen sinkt. Das stimmt ja gar nicht! Ich habe vor kurzem eine interessante Diskussion mit dem Leiter der Webster University in Österreich geführt, und der hat mir Folgendes gesagt: Wenn ein österreichischer Maturant kommt, dann bekommt er von vornherein 21 Credits gutgeschrieben, weil der Level der österreichischen Matura bedeutend über dem Level der Abschlussqualifikationen in anderen Staaten liegt.

Wir haben einen hohen Bildungsstand. Wir müssen schauen, dass wir diesen Bildungsstand erhalten, und wir müssen vor allem danach trachten, dass wir den jungen Menschen Chancen in jenen Schulen geben, für die sie bestens geeignet sind, damit wir die Lernfreude und die Motivation erhalten, damit wir junge Menschen nicht demotivieren durch Misserfolge, durch schlechte Noten, durch ständige Nachhilfestunden. Das ist unsere Aufgabe. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Der dritte Bereich, über den der Rechnungshof berichtet hat, ist der Bereich der Mensen. Ich bedanke mich beim Herrn Präsidenten für die wichtigen Anregungen, die er uns gegeben hat, und ich kann sagen, wir haben diese Anregungen umgesetzt. Die Übertragung der Einrichtung der Mensen von Universitäten an die Mensen-BetriebsgesmbH wurde durchgeführt. Wir haben auch die individuelle Förderung der Studierenden durch das "Mensen-Pickerl" umgesetzt; die übrigen Mensa-Besucher zahlen den normalen Preis.

Wie es mit der Gesellschaft weitergeht, werden wir im Zusammenhang mit der gesamten Universitätsreform diskutieren, denn es stellt sich ja auch die Frage, in welcher Form die Universität später organisiert wird und wie dann diese Mensen-BetriebsgesmbH hineinpasst.

Meine Damen und Herren! Der Rechnungshof gibt wichtige Anregungen. Er ist für alle Regierungsmitglieder ein wichtiges Feedback. Wir stehen in einem guten und konstruktiven Dialog, und ich bedanke mich beim Herrn Präsidenten des Rechnungshofes für diesen Dialog. Ich meine, es ist wichtig, dass wir die Umsetzung der Anregungen auch dokumentieren, und das ist mit meinem Bericht heute geschehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Müller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.02

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Finanzminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Haben Sie sich schon einmal von Ihrer Hausbank die Bankkonzessionsurkunde vorlegen lassen? Nein? – Dann sind Sie gutgläubig und vertrauen Ihrem Geldinstitut.

Vertraut haben auch Hunderte kleine Sparer und Anleger der Rieger Bank AG im Jahre 1998 und haben durch dieses Vertrauen Hunderte Millionen Schilling verloren, denn diese Rieger Bank AG besaß weder eine volle Bank- noch eine Wertpapierkonzession. Bedanken können sich diese Hunderten Geschädigten nicht nur bei der betrügerisch agierenden Geschäftsleitung dieser Bank, sondern auch bei den damals agierenden Finanzministern. Wie hießen sie denn nur? – Klima und Edlinger!


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Massive Anzeichen von unbankmäßigen Vorkommnissen gab es bereits im Jahre 1998. Meine Kollegen Trattner und Böhacker sahen bei der Rieger Bank einen Handlungsbedarf und forderten die Sonderprüfung durch den Rechnungshof. Was die kritisierte Bankenaufsicht betrifft, so kann man dem nun vorliegenden Rechnungshofbericht Folgendes entnehmen:

"Die mangelhafte Sorgfalt des Bankprüfers stellte im Falle der Rieger Bank AG die entscheidende Schwachstelle im gesamten aufsichtlichen Kontrollsystem dar."

Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass ich kurz auf die Chronologie der Rieger Bank eingehe. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Begonnen hat dieser traurige Akt der österreichischen Bankgeschichte schon im Jahre 1982 bei der Ausstellung der Konzession. Hier unterlief dem damaligen Finanzminister Salcher ein gravierender Fehler: Der Konzessionsbescheid lautete auf Betrieb von Devisen- und Wechselstubengeschäft, obwohl die Rieger Bank nur um die Wechselstubenermächtigung ansuchte. Ein Versuch, dies rückgängig zu machen, scheiterte.

Im Jahre 1994 übergab die Rieger Bank nach wiederholter Aufforderung der OeNB ihre Geschäftsunterlagen für die Jahre 1992 und 1993 zur Prüfung, aber der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil gefasst, dass eine Kontrolle nicht notwendig sei, und die Unterlagen wurden wieder zurückgezogen.

Das Einzige, was bei dieser Rieger Bank AG funktionierte, war die rechtliche Vertretung dieses Geldinstitutes. Aber wo blieben die innerbetriebliche Haftung und Aufsicht? Wer war in diesen Jahren – bis 1997 – der Vorsitzende des Aufsichtsrates? – Kein Geringerer als der derzeitige Salzbaron und Industrielle Dr. Hannes Androsch. (Abg. Jung: Aha! Wieder ein Finanzminister!)

Im Jahre 1998 gab es abermals eine Anzeige wegen des unerlaubten Betriebes von Bankgeschäften. Im März 1998 wurde ein Gutachten von einer Beratungsgesellschaft erstellt, das aber der eigenen Gesellschaft zu heiß geworden sein dürfte, und es wurde daher zurückgezogen.

Ungeachtet dieser Handlungsweisen legte die Rieger Bank im April 1998 eine Anleihe für den kleinen Anleger auf. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Bankenaufsicht beziehungsweise die Wertpapieraufsicht auf Grund der Vorkommnisse tätig werden müssen, um diese Auflage zu verhindern. – Es geschah nichts, und Hunderte Österreicherinnen und Österreicher konnten natürlich dem lockenden Angebot der 7,5-prozentigen Verzinsung nicht widerstehen. Leider kamen diese Anleger weder in den Genuss der Zinsen, noch kam es zum Rückfluss dieser Gelder.

Interessantes Detail am Rande: Den Vertrieb dieser Rieger Bank-Anleihe übernahm eine gewisse Diskont Bank. Sie kassierte für diese Tätigkeit 15 Prozent Provision. Auch bei dieser Bank gab es sehr große Unstimmigkeiten und diverse Anzeigen, und sie meldete im Jahre 1998 Konkurs an. – Auch dieser Fall ist kein Ruhmesblatt für die Bankenaufsicht!

Sehr geschätzte Damen und Herren! Wenn Sie glauben, das ist alles, dann muss ich Sie enttäuschen. Es gibt noch eine Besonderheit bei der Rieger Bank. Mit der Bestellung eines Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters zum Bankprüfer wird der Gipfel der Kuriositätensammlung dieser negativen Bankenstory erreicht. Man muss sich das einmal vorstellen: Ein Wirtschaftsprüfer überprüft die eigenen Papiere der Jahre 1996 und 1997, die sich als gefälscht herausstellen, und dieser Mann ist auch als Bankprüfer tätig und bestätigt diese Prüfungsberichte und stellt fest, dass keine Verstöße gegen das Bankwesengesetz vorliegen! Da drängt sich doch der Vergleich auf mit dem Polizisten, der mit einem Einbrecher gemeinsame Sache macht.

Interessant ist auch Seite 32 des Rechnungshofberichtes, denn da steht: "Laut Stellungnahme des BMF seien die Pflichtverletzungen des Bankprüfers der Kammer der Wirtschaftstreuhänder angezeigt worden; die involvierten Personen würden nicht mehr als Bankprüfer verwendet werden."


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Welch tolle Leistung des damaligen Finanzministers! Die unfähigen Bankprüfer werden nicht mehr verwendet!

Dank dieser untätigen Bankenaufsicht haben in der Causa Rieger Bank und Diskont Bank nicht nur Hunderte Österreicherinnen und Österreicher viel Geld verloren, sondern auch Vater Staat. Ich bin aber überzeugt davon, sehr geschätzte Damen und Herren, dass die von unserem Finanzminister Karl-Heinz Grasser konzipierte und bereits beschlossene Finanzmarktaufsicht in Zukunft solche Pleiten im Bankenbereich verhindern wird. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.08

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Kollege Müller, Sie haben offensichtlich den Prüfbericht zur Bankenaufsicht sehr genau gelesen. Nennen Sie mir auch nur eine Stelle, wo die von Ihnen genannten Finanzminister durch den Rechnungshof kritisiert worden wären. (Abg. Böhacker: Das ist keine Fragestunde!) Sie benützen diesen Bericht ganz einfach wieder einmal dazu, sozialdemokratische Politiker zu besudeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegt ein umfassender Bericht vor, der sehr viele Kritikpunkte in der Bankenaufsicht zu Tage gebracht hat und auch Änderungen vorschlägt, so zum Beispiel: die Stärkung der Effizienz, der Durchschlagsfähigkeit der Bankenaufsicht, höhere Anforderungen an die Eigentümer und an die Geschäftsführer der Banken, die Kleinbanken gehörten öfter und besser beaufsichtigt, vermehrte Prüfungen an Ort und Stelle durch die Oesterreichische Nationalbank.

Finanzminister Edlinger hat noch vor Vorliegen dieses Berichtes eine Expertenkommission eingesetzt und eine Studie erarbeiten lassen. Auf Basis dieser Studie wurde dann seitens der Sozialdemokratie der Vorschlag für eine neue Bankenaufsicht erarbeitet, ein Vorschlag, der vorsieht, dass in Zukunft die Oesterreichische Nationalbank in Form einer 100-prozentigen Tochter die Bankenaufsicht bewerkstelligt. Das würde eine optimale Nutzung der Ressourcen bedeuten, wäre kostengünstig, international anerkannt und üblich und wird auch vom Rechnungshof für gescheit erachtet. Die Regierung hat, um nur ja zu vermeiden, dass die Oesterreichische Nationalbank mitinvolviert wird, schnell eine neue Institution geschaffen, eine völlig neue Behörde, ohne auf die Kosten zu achten und überhaupt zu bedenken, dass es noch verfassungsrechtliche Anmerkungen gegeben hat.

Ein typisches Beispiel! Sie werfen uns immer vor, dass wir Fundamental- und Radikal-Opposition betreiben, aber hier ist ein Vorschlag vorgelegen, der von Ihnen einfach abgeschmettert wurde, und Ihr Vorschlag wurde kurzerhand beschlossen. (Abg. Dr. Stummvoll: Das entspricht nicht der Wahrheit, Herr Kollege!) Offensichtlich hat sich hier auch der Herr Altparteiobmann von der FPÖ eingeschaltet, denn wenn dieser "Nationalbank" hört, dann sieht er im wahrsten Sinne des Wortes rot. Er hat wahrscheinlich verboten, dass die Nationalbank mit der Prüfung beauftragt wird. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Da schafft man sich lieber eine eigene Institution, koste es, was es wolle. (Abg. Dr. Stummvoll: Fragen Sie den Kurt Heindl, ob das wirklich so war!)

Das Pikante daran ist: Im April 2002 tritt dieses Gesetz in Kraft, aber man hat es gar nicht erwarten können und sofort nach der Beschlussfassung die Vorstände besetzt, um regierungsfreundliche und politisch zuverlässige Leute in der Bankenaufsicht zu sichern. Das ist mit aller Konsequenz feststellbar.

Dieses Strickmuster, meine Damen und Herren, findet man in diesem Rechnungshofbericht des Öfteren, unter anderem auch dort, wo es um das Österreichische Institut für Familienförderung geht. Auch dieses war Gegenstand der Prüfung. An dieses Institut sind von 1994 bis 1999 völlig freihändig, ohne jede vergabegesetzliche Anwendung 50 Millionen Schilling vergeben worden,


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ohne dass sich jemand darüber aufgeregt hätte; Basissubvention 3 Millionen, ohne dass der Finanzminister gefragt worden wäre. Jetzt hat man die Rahmenverträge geändert, stellt der Rechnungshof fest, gleichzeitig aber hat man die Basisförderung für dieses Institut auf 5 Millionen Schilling erhöht. – Herr Finanzminister! Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren, ob das mit Ihrer Bewilligung geschehen ist, die ja für solche Basissubventionen absolut notwendig wäre. Vormals gab es keine finanzministerielle Bewilligung.

Das alles spielt sich in einem Netzwerk von Leuten ab, die ÖVP-politisch absolut zuverlässig sind. Es gibt einen Geschäftsführer in diesem ÖIF, nämlich Herrn Dr. Schattorits, ehemaliger Sekretär von Minister Mock, ÖVP-Vorzugsstimmenwahlkämpfer. Damit aber nicht genug. Es sitzt auch noch die Ministersekretärin von Minister Bartenstein im Präsidium, nämlich Frau Nemec, wobei ich mich frage, was die Ministersekretärin von Bartenstein dabei zu tun hat, denn jetzt ressortiert das ÖIF ja zu Minister Haupt.

Es geht eindeutig darum, Ihre Posten so zu besetzen, dass die Parteilinie gewahrt bleibt – ohne Kosten zu sparen, ohne Ansehen der inhaltlichen Komponente. Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sind nur Schlagworte, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

11.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort gemeldet. § 58 Abs. 2 GOG brauche ich Ihnen wohl nicht vorzulesen. – Bitte.

11.14

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner hat gerade vom Rednerpult aus erklärt, dass bei den Gesprächen über die neue Finanzmarktaufsicht die Regierungskoalition die Vorschläge seiner Partei einfach vom Tisch gewischt habe.

Wahr ist vielmehr – und ich rufe Kollegen Kurt Heindl in seiner Funktion als Obmann des Finanzausschusses als Zeugen auf –, dass sich diese Regierungskoalition, wie selten zuvor, in mehreren informellen Gesprächen unter Vorsitz von Kurt Heindl bemüht hat, zu einem Konsens zu kommen. Wir haben bis zum letzten Tag daran geglaubt, dass ein Konsens möglich ist, aber irgendwann mussten wir entscheiden.

Ihre Behauptung ist unwahr, Herr Kollege Gaßner! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lexer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.15

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Frau Minister! Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte, ohne auf den Inhalt seiner Aussagen einzugehen, Herrn Kollegen Gaßner wenigstens dafür danken, dass er jetzt auch tatsächlich zum Rechnungshofbericht gesprochen hat. Die Vorredner der SPÖ haben nämlich versucht, die Regierung mit aktuellen Themen zu konfrontieren, aber das ist nicht Sache des Rechnungshofes, nicht Sache dieser heutigen Debatte. (Abg. Leikam: Suchtgift! – Rechnungshofbericht oder nicht?!) Herr Kollege Leikam hat versucht, eine Sicherheitsdebatte vom Zaun zu brechen, und Herr Kollege Kräuter hat überhaupt einen Rundumschlag organisiert. Ich glaube, das ist nicht Sinn und Zweck dieser heutigen Debatte. (Beifall bei der ÖVP.)

Auslagerungen und Privatisierungen stehen auf der Tagesordnung von modernen Staaten. – Das trifft sich mit der grundsätzlichen Position der Volkspartei: Was Private können, sollte der Staat diesen überlassen. Dies bedeutet aber nicht, dass sich der Staat aus allen Bereichen zurückziehen soll und kann. Der Grundsatz: "Mehr privat, weniger Staat!", gibt lediglich die Richtung vor, in der wir unser Gemeinwesen entwickeln wollen. Bestimmte Bereiche sind und sollen dem Staat vorbehalten bleiben und sein; so zum Beispiel selbstverständlich auch die militärische Landesverteidigung.


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Der zur Diskussion stehende Rechnungshofbericht befasst sich unter anderem mit der Auslagerung von Aufgaben im Wirtschaftsdienst des Bundesheeres. Die Gebarungsüberprüfung bezog sich auf wesentliche Bereiche, auf insgesamt vier Teilbereiche.

Erstens: Transport und Lageraufgaben. Der Rechnungshof lobt die gute Zusammenarbeit des Bundesheeres mit den ÖBB, bemängelt aber gleichzeitig, dass keine Ausschreibung vorgenommen worden ist. Ich denke trotzdem, dass es wichtig ist, dass auch unabhängig von Ausschreibungen die Zusammenarbeit zwischen ÖBB und Bundesheer ständig erfolgt, damit auch im Einsatzfall diese beiden Organisationen gut miteinander arbeiten können.

Des Weiteren empfiehlt der Rechnungshof, die heereseigenen Fahrzeuge besser auszulasten und sie auch dafür zu verwenden, Wirtschaftsgerät zu transportieren. Damit kann der Fixkostenanteil gedrückt und auf mehrere Bereiche aufgeteilt werden. Zur Optimierung dieses Bereiches ist es aber notwendig, dass ein aktueller Überblick über die Einsatzfahrpläne des Fuhrparks aufliegt, und daher regt der Rechnungshof die Erstellung eines IT-unterstützten Fuhrparks an. Diese Vorgangsweise wurde bereits vom Bundesheer in Angriff genommen.

Zweitens: Im Zusammenhang mit der Verpflegung weist das Bundesministerium darauf hin, dass es eine hohe Personalintensität gibt, dass etwa auch hohe Sanierungskosten für heereseigene Kücheneinrichtungen aufgebracht werden müssen. Es wurde überlegt, ob diese Aufgabe nicht ausgelagert werden kann, ob sie nicht an ausgelagerte Gesellschaften übergeben werden kann. Die Problematik in diesem Bereich besteht darin, dass übungs- und einsatzspezifische Verpflegungsaufgaben natürlich nicht privatisiert werden können. Außerdem kann die anfallende Sanierung im Küchenbereich auch von Privaten nicht zum Nulltarif erledigt werden. Das heißt, auch Privatunternehmer müssen diese Sanierungskosten miteinrechnen und können sie nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Ich denke daher nicht, dass es in diesem Bereich durch Auslagerungen zu Einsparungen kommen kann.

Der dritte Bereich betrifft die Bevorratung, wo wirklich enorm viel eingespart werden kann, und zwar erstens durch eine geringe militärische Bedrohungsintensität und zweitens durch die Möglichkeit, alle Güter kurzfristig am Markt beschaffen zu können. Das bedeutet weniger Beschaffungskosten und geringere Lagerkosten. In diesem Bereich kann gespart werden, ohne dass die Versorgungssicherheit gefährdet wird.

Schließlich, viertens, lässt sich eine Einsparung bei der Bekleidung und Ausrüstung unserer Soldatinnen und Soldaten bewerkstelligen. Dies wird durch die direkte Anlieferung durch die Produzenten dorthin, wo die Geräte und die Ausrüstung gebraucht werden, möglich. Dadurch können Zwischenlager eingespart oder zumindest reduziert werden. Mit diesem Schritt passt sich das Heer an die Logistikmethoden der privaten Wirtschaft an.

Zusammenfassend kann ich feststellen – und das geht aus meiner Sicht aus dem Bericht hervor –, dass das Ministerium und der Rechnungshof sehr gut zusammenarbeiten, dass einerseits das Ministerium bemüht ist, Kosten von sich aus einzusparen, und sich andererseits der Rechnungshof auch Gedanken darüber macht, wie trotz der Sparnotwendigkeit die Grundbedürfnisse des Bundesheeres gewährleistet bleiben.

Grundsätzlich wird eine sinnvolle Balance zwischen heereseigenen Leistungen und privaten Vergaben angestrebt. – Alles in allem ein erfreulicher Bericht des Rechnungshofes, positive Signale aus dem Ministerium. Weiter so! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Binder. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

11.20

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Herr Rechnungshofpräsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit dem Kapitel Verkehrsverbund Ost-Region GesmbH, kurz VOR genannt, beschäftigen. Das ist ein eigenständiges


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Dienstleistungsunternehmen mit dem Ziel, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Fahrgast so einfach und attraktiv wie möglich zu gestalten.

Das Gesamtziel der VOR ist es, Bahn, Bus, Straßen und U-Bahn als ein kundenfreundliches Netzwerk zu gestalten, das ein verlockendes Angebot für mobile Menschen darstellt. – So die Eigendefinition dieser Gesellschaft.

VOR bedient mit seiner Ausdehnung auf die Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland einen Bereich, in dem fast ein Drittel der gesamten österreichischen Bevölkerung lebt.

Was sind die Kritikpunkte des Rechnungshofes? – Zum Beispiel: mangelndes Controlling, Aufbau- und Ablauforganisationsmangel, mangelnde Kooperation zwischen den Bundesländern und der zusammengeschlossenen Verkehrsunternehmen, fehlendes integratives Verkehrskonzept.

Von Auskunftspersonen wurde uns versichert, dass Veränderungen eingeleitet, dass Maßnahmen positiver Art ergriffen wurden. Tatsache ist aber, meine Damen und Herren, dass mit 1. März 2001 die Preise für Jahreskarten in den Außenzonen der VOR erhöht wurden. Tatsache ist auch, dass ein Konzept für einen Rückzug des Bundes als Gesellschafter bis Ende des Jahres in Vorbereitung ist. Die Gesellschaft besteht insgesamt aus einer 50-Prozent-Beteiligung des Bundes, 30-Prozent-Beteiligung der Gemeinde Wien, 15-Prozent-Beteiligung des Landes Niederösterreich und 5-Prozent-Beteiligung des Burgenlands.

Was meinen Kritiker zu diesem Rückzug im "Kurier" vom 27. September 2001 unter dem Motto "Ausstieg des Bundes könnte Vor-teile für die Fahrgäste gefährden"? Kritiker sehen in jedem Fall "eine Verteuerung auf die Fahrgäste zukommen. Speziell gewarnt wird vor einem neuen, komplizierten Tarifsystem, das keiner durchschaut und das zum Umsteigen auf das Auto animieren könnte."

"Bei den Wiener Linien rechnet man nach einem VOR-Ausstieg des Bundes auch mit dem schrittweisen Rückzug aus finanziellen Verpflichtungen (derzeit 215 Mio.S) und befürchtet Nachteile bei der geplanten Einbindung von vier NÖ-Landesverbünden."

So viel dazu. Ein Zukunftsszenarium, das Böses ahnen lässt, nämlich zum Nachteil für alle PendlerInnen, zum Nachteil für die BenützerInnen von öffentlichen Verkehrsmitteln; Probleme und offene Fragen, die gelöst werden müssen, meine Damen und Herren, und innovativer Perspektiven bedürfen.

Tatsache ist, dass Frau Minister Forstinger, die heute leider nicht da ist, mit anderen Problemen beschäftigt ist. Vielleicht einige Schmankerln dazu: ein Generalsekretär, aus dem Rechnungshof kommend, der auf Grund von Turbulenzen das Verkehrsministerium verlässt und dann wieder zurückkommt; MitarbeiterInnen, 19 an der Zahl, die ihre Arbeitsstelle verlassen; Vorbereitungskosten für einen einzigen Vortrag in einem sagenhaften Ausmaß von einer halben Million Schilling; keine LKW-Maut in Sicht; weit und breit kein Verkehrssicherheitspaket. (Zwischenruf des Abg. Neudeck. ) Mit einem Wort, Herr Kollege: Konzeptlosigkeit so weit das Auge reicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Konzeptlos ist Ihre Rede!)

Da helfen zur Motivation der Mitarbeiter nicht einmal weise Sprüche von Machiavelli. Eine Ministerin, deren Leben und Arbeit von Misstrauen geprägt sind, scheint mir höchst problematisch zu sein. Taten statt Worte sind gefragt! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Neudeck. )

Ihre Wendepolitik, Herr Kollege, zieht entscheidende Veränderungen nach sich, Veränderungen zum Nachteil der Betroffenen, denn die Verlierer sind eindeutig die PendlerInnen, die VerkehrsteilnehmerInnen, die Menschen, die im Osten von Österreich leben und arbeiten. Die Verantwortung dafür trägt Ministerin Forstinger.

Herr Präsident! Ich denke, es liegt viel Arbeit vor Ihnen, um diese Benachteiligungen aufzuzeigen. Ich bin überzeugt davon, dass Ihre MitarbeiterInnen und Sie, Herr Präsident, diese in bewährter Form erledigen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

11.25


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84. Sitzung / Seite 53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
 Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Burket. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

11.26

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Zu Beginn meiner heutigen Ausführungen zum Rechnungshofbericht über das Verwaltungsjahr 1999 möchte ich kurz auf die Fragestunde von heute Vormittag zu sprechen kommen, die sehr deutlich aufgezeigt hat, warum wir heute über ein ausgeglichenes Budget, sprich Nulldefizit, reden können, während Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, jahrelang Schulden über Schulden angehäuft haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wie der Herr Bundeskanzler anhand der beklagten Schließung von Postämtern ausgeführt hat, ist das Ergebnis aller Bemühungen letztlich das Entscheidende. Bürgernähe, wirklicher Dienst am Bürger bedeuten Vereinfachung der Verwaltung, mühelosen Zugang zu den von ihm benötigten Dienstleistungen und rasche Abwicklung.

Um beim Beispiel Postamt zu bleiben: Nicht das Postamt und der Vorstand, der Kassier, zwei Beamte und eine Aufräumefrau sind notwendig für den Postservice für den Bürger, wenn die benötigten Dienstleistungen auch bei einem Dorfwirt oder Greißler in unmittelbarer Nähe mit bedeutend weniger Aufwand erbracht werden können. – Das macht deutlich, warum wir in zwei Jahren ein Nulldefizit erzielen konnten.

Zurückkommend auf den Rechnungshofbericht möchte ich kurz auf das Thema Drogenkriminalität eingehen, das mir schon immer ein besonderes Anliegen ist.

Die Rechnungshofkritik, die sich hauptsächlich auf das Beklagen der unveränderten Organisationsstrukturen und den akuten Personalmangel bezogen hat, verliert – zumindest aus organisatorischer Sicht – stark an Aktualität, leider nicht an Realität, da der Drogenmissbrauch, die Beschaffungskriminalität und der Drogenhandel in erschreckendem Ausmaß ansteigen. Dass die Opfer, sprich Konsumenten, immer jünger werden, ist eine weitere traurige Tatsache. Umso verantwortungsloser ist daher die Forderung der grünen Gemeinderätin Jerusalem nach gänzlicher Freigabe von Cannabis. Auch den Grünen müssten die einschlägigen internationalen Studien bekannt sein, die sich deutlich gegen jegliche Einnahme von Drogen als harmlose Einstiegsdroge und deklarierte Suchtgifte aussprechen.

Die auch im Bereich des Innenressorts eingeleiteten strukturellen Maßnahmen, mehr Polizei auf den Straßen, moderne, effiziente Spezialeinheiten, sollen die entsprechenden Erfolge im Kampf gegen die Drogenkriminalität bringen. Die vorgesehenen begleitenden Maßnahmen wie Aufklärung so früh als möglich, Entzugsmöglichkeiten, betreute Plätze, gehören zu einer erfolgreichen Drogenpolitik ebenso wie drakonische Strafen für Dealer.

Auch hier zeigt sich, dass nicht die Menge entscheidend ist, sondern die Qualität und Effizienz sowie Flexibilität. Dass besonders diese Begriffe im Verwaltungsbereich schwer umzusetzen sind, haben die gewaltigen Anstrengungen zur Erreichung der gestern so erfolgreich präsentierten Verwaltungsreform gezeigt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Edler. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt, Herr Abgeordneter. – Bitte. (Abg. Neudeck: Vielleicht kann man ein bisschen einläuten, damit Leute kommen, denn das ist wichtig, was Herr Edler sagt!)

11.29

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Für den Bericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1999 wurde dem Präsidenten und den Kolleginnen und Kollegen des Rechnungshofes schon gedankt. Ich darf mich diesem Dank anschließen. Sie haben sich wirklich redlich bemüht,


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84. Sitzung / Seite 54

eine Grundlage zu erstellen, auf die wir aufbauen konnten. Wir haben im Rechnungshofausschuss stundenlang darüber diskutiert.

Auf Grund der Vorkommnisse in dieser Regierung, insbesondere in den Ministerbüros, insbesondere was die Verschleuderungspolitik der Staatsbetriebe betrifft, werden Sie mit Ihrem guten Stab wahrscheinlich nicht auskommen, Sie müssen aufstocken. (Abg. Neudeck: ... er ist spazieren gegangen!) Das, was in den Ministerbüros passiert ist – Kollegin Binder und andere haben das schon aufgezeigt –, ist wirklich ein Skandal. Wie können Sie das verantworten, Herr Großruck? – Sie können das nicht verantworten! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Pass mir auf Österreich auf!)

Ich möchte zum Kapitel "Kraftwerk Freudenau" einige Anmerkungen machen. – Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt die aktuellen Diskussionen über Energiefragen, über Temelin und so weiter. Wir können stolz sein, dass die Wasserkraft in Österreich in den letzten Jahren ausgebaut worden ist. Die Grundlage für den Ausbau von Freudenau war eine Volksbefragung in Wien. Das war nicht einfach, aber das Werk ist vollendet, obwohl es manchmal noch kritisiert wird.

Meine Damen und Herren! Wir werden noch froh darüber sein, dass wir in Österreich diese gute ökologische Wasserkraft haben. Ich habe kein Verständnis dafür, dass wir die österreichische Lösung nicht zu Stande gebracht haben, weil Ihr Minister Bartenstein, der heute leider nicht anwesend war, diesbezüglich überhaupt nicht aktiv war. Die EVUs in den Ländern und auch der Verbund mussten selbst verhandeln. (Abg. Großruck: Was war denn in Lambach, in Oberösterreich?)

Was ist dabei herausgekommen? – Es gab teilweise Fusionen mit jenen EVUs, die grundsätzlich nur Kernenergie erzeugen, und jetzt gibt es das Vorhaben des Verbundes mit E.ON, einem deutschen EVU, wobei auch da wieder im Wesentlichen Kernenergie erzeugt wird. Das muss man aber den Menschen sagen, warum wir keine österreichische Lösung angestrebt haben, bei der vorwiegend die Wasserkraft verwendet wird, und das hat Bundesminister Bartenstein verabsäumt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Präsident! Im Rechnungshofbericht sind einige Kritikpunkte enthalten, mit denen ich mich auch beschäftigen möchte. Aber zuerst einmal möchte ich doch die positive Feststellung treffen, dass das ein wesentlicher Beitrag für die Wasserstraße Donauau, insbesondere was das Grundwasser in Wien betrifft, ist. Wer sich heute das Kraftwerk Freudenau ansieht, der erkennt, dass Ökonomie und Ökologie vereinbar sind, dass dort eine Naturlandschaft entstanden ist, dass die Lobau wieder beflutet worden ist. Die Menschen, und nicht nur die Wienerinnen und Wiener, sondern Tausende Menschen aus der Umgebung besuchen die Lobau. Ich glaube, Freudenau bedeutet mehr als nur ein Kraftwerk.

Es hat Kritik betreffend die Projektänderungen und auch die Rahmenverträge gegeben. Ich muss sagen, ich habe mich diesbezüglich sehr gut eingelesen und habe Kontakte mit den Vorstandsdirektoren und mit den Betriebsräten gepflogen.

Ein Bekenntnis zu den Ausschreibungen: Sie kritisieren die Ausschreibung, weil sie nicht EU-weit durchgeführt worden sind. Für diese Ausschreibungen hat das EU-Recht grundsätzlich noch nicht gegolten. Aber, meine Damen und Herren, woran wir damals grundsätzlich interessiert gewesen wären, war, dass ein österreichischer Betrieb den Zuschlag für die Schleußentore erhält. Er hat es nicht erhalten, weil eine ausländische Firma Billigstanbieter war. Was ist das Endprodukt, meine Damen und Herren? – Es wurde nicht die Qualität geliefert, die Schleußentore mussten nachgerüstet werden, und wir haben ein Gerichtsverfahren anhängig. Und das, meine Damen und Herren, ist sehr bedauerlich. Der Billigstbieter muss also nicht immer der Beste sein, man muss auch die Qualität berücksichtigen.

Es ist hiebei um eine Summe von über 15 Milliarden Schilling gegangen. Erfreulich ist, dass 90 Prozent dieses Geldes in Österreich investiert worden sind.


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Zusammenfassend kann zur Frage Wasserkraftwerke festgestellt werden, dass Österreich für die Zukunft diesbezüglich eine große Chance hat. Ich bedauere es nochmals, dass Bartenstein als zuständiger Minister es nicht erreicht hat, dass eine österreichische Lösung zu Stande gekommen ist. Die Chance für die Wasserkraft ist auch für die Zukunft gegeben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Pecher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

11.35

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Im Sonderbericht des Rechnungshofes über die Bankenaufsicht steht der Kriminalfall Rieger Bank im Mittelpunkt. Dieser Kriminalfall hat sich über die Jahre 1981 bis 1999 gezogen. Es dauerte also tatsächlich fast 20 Jahre lang, bis man diesen betrügerischen Machenschaften der Eigentümer und des Bankprüfers ein Ende setzen konnte.

Natürlich fragt man sich: Wie konnte es so lange dauern, bis die verschiedenen zuständigen Kontrollinstitute im Rahmen der Bankenaufsicht eingeschritten sind? Es ist interessant zu lesen, dass nach dieser ausführlichen Prüfung aus Sicht des Rechnungshofes trotz dieser langen Dauer und trotz des großen Schadens von mehreren Milliarden Schilling, der schlussendlich für die Banken und für die Kleinanleger entstanden ist, kein Versagen der Organe in der Bankenaufsicht festzustellen war.

Hingegen stellt der Rechnungshof aber sehr wohl fest, dass es organisatorische Mängel in der Bankenaufsicht gegeben hat, dass es Probleme in der Durchsetzungsfähigkeit der Bankenaufsicht gegeben hat, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen problematisch waren und dass es Personalknappheiten gegeben hat.

Ich darf Ihnen dieses komplexe System kurz schildern: 1998 informiert die Oesterreichische Nationalbank die Bankenaufsicht über unzutreffende Angaben bei der Anleihenausgabe. Die Bankenaufsicht macht eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft, die Staatsanwaltschaft schreitet trotzdem nicht ein, weil sie dazu an sich keine Notwendigkeit sieht. Weiters gibt es ein Ersuchen der Bankaufsicht an die Bundeswertpapieraufsicht. Diese schreitet erst zehn Monate später ein und macht dann trotz allem keine Prüfung vor Ort. – Sie sehen also, es hätten mehrere Behörden in diesem sehr komplexen Aufsichtsverfahren einschreiten können.

Das war aber das alte Modell. Seit Juli des heurigen Jahres gibt es ein neues Modell, eine neue Finanzmarktaufsichtsbehörde im Sinne einer Allfinanzaufsicht, die viele dieser Probleme verbessern würde. Sie sieht zum Beispiel vor: eine bessere Durchsetzbarkeit von Maßnahmen, indem ermittelnde Behörde und Verwaltungstrafbehörde zusammengelegt werden, überhaupt weniger Stellen mit der Bankaufsicht befasst werden und strengere Ausschlussbestimmungen für nicht qualifizierte Eigentümer gelten. Auch hinsichtlich der Bankprüfer – jener bei der Rieger Bank ist sehr betrügerisch vorgegangen – gibt es eine Verbesserung, indem sie in Zukunft alle sechs Jahre ausgetauscht werden müssen. Außerdem dürfen die Bankprüfer nicht mehr so hoch wie früher an der prüfenden Bank beteiligt sein, es gibt also nur eine ganz minimale Beteiligung, und die Finanzmarktaufsicht kann auch Bestellungen von Bankprüfern untersagen.

Das wären gravierende Verbesserungen, und ich kann die Aussage von Präsidenten Fiedler nachvollziehen, wonach die neue Rechtslage der Finanzmarktaufsicht eine Verbesserung in der Organisation bringt, sodass Fälle wie die Rieger Bank wahrscheinlich nicht vermieden, aber möglicherweise früher aufgedeckt werden könnten. – Das ist meine Interpretation.

Meine Damen und Herren! Ich empfinde es als unglaublich schade und unerfreulich, dass dieser Allfinanzaufsicht, dieser neuen Finanzmarktaufsicht nicht die Zweidrittelmehrheit seitens der Sozialistischen Partei gegeben wurde, die sie gebraucht hätte, um ihre verfassungsmäßige Grundlage sicherzustellen. Denn ich glaube, dass diese Finanzmarktaufsicht ein wichtiger Baustein ist, um auch Vorkommnisse wie bei der Rieger Bank nicht zu verhindern, aber doch


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84. Sitzung / Seite 56

immerhin weitgehend hintanzuhalten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Auch Sie werden es einmal wissen, dass es sozialdemokratisch heißt!)

11.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reheis. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

11.39

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Lassen Sie auch mich, bevor ich zu den Kontrollmechanismen der AMA und anderer vom Rechnungshof geprüften Einrichtungen komme, den Mitarbeitern und dem Herrn Präsidenten des Rechnungshofes für den umfangreichen Tätigkeitsbericht recht herzlich danken. Ich glaube, das ist ein Werk, das einen Dank verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Trotz der vielfältigen Kontrollen, die von den Bauern oft kritisiert und auch als Schikane empfunden werden – wenn zum Beispiel vier verschiedene Kontrollore der AMA einzeln zu den Bauern kommen –, stellt der Rechnungshof in seinem Bericht wesentliche Abweichungen und Mängel fest. Zum Beispiel drängen sich bei den vom Rechnungshof aufgezeigten Abweichungen zwischen den beantragten Förderflächen und den tatsächlichen Flächen folgende Fragen auf: Wie sind hier die Kontrollore bisher vorgegangen? Wie lange und seit wie vielen Jahren hat man sich hier nur auf Stichproben verlassen? Und warum gibt es keine automatische Kontrolle der beantragten Flächen und Maßnahmen?

Aufklärungsbedürftig ist weiters der Verdacht des Europäischen Rechnungshofes, der es für möglich hält, dass es Förderungen für nicht existierende landwirtschaftlich genutzte Grundflächen gab. Trotz der Vielfältigkeit der AMA-Kontrollen muss man sich angesichts dieser Rechnungshofvorhaltungen fragen: Gibt es in der AMA auch eine Innenrevision? Wird geprüft, ob die Kontrollen der AMA auch in Ordnung sind? Meine Frage geht auch an den Rechnungshof: Wie ist es möglich, dass drei verschiedene Kontrolleinrichtungen, nämlich die der AMA, des österreichischen Rechnungshofes und des Europäischen Rechnungshofes, zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen?

Apropos Innenrevision: Das im Bericht ebenfalls erwähnte Österreichische Institut für Familienforschung, das mein Kollege Gaßner heute schon angesprochen hat, bedarf ebenfalls einer weiteren Kontrolle. Gegenüber dem ÖVP-Netzwerk ÖIF gibt es in der Tat schwerwiegende Vorwürfe, die zu klären sind. Die Finanzierung dieses offensichtlich politisch gewollten Vereines erfolgt ausschließlich über öffentliche Mittel, und es ist davon auszugehen, dass im Zeitraum 1994 bis 2000 rund 56 Millionen Schilling an das ÖIF ausgeschüttet wurden. Das ÖIF bezog sowohl Basissubventionen, schloss jährlich gleich lautende Rahmenbedingungen mit dem BMUJF ab und erhielt Aufträge für Studien.

Seit 1994 gab es für das ÖIF durchschnittlich rund 8 Millionen Schilling Förderung pro Jahr. Gegen jede Art von Förderung spricht sich hingegen vehement die Innenrevision aus. Das Bundesministerium für Finanzen wurde in dieser Angelegenheit nie befasst.

Die Innenrevision kritisiert auch, dass nachvollziehbare Belege von Vergleichsangeboten fehlen, dass eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen gewesen wäre, und sie sagt weiter: Es erscheint bedenklich und nicht vertretbar, für ein und dieselbe Leistung mehrere Male zu bezahlen. – Eine klassische Doppelfinanzierung also!

Hinzu kommen extrem hohe Personalkosten, wie zum Beispiel die Einstufung der Angestellten des ÖIF nach Beamten-Dienstrecht, wobei diese Personen teilweise mit Mitarbeitern des Ministerbüros und mit Universitätsbediensteten verglichen werden. Zu dieser Mittelverschwendung, die bis dato noch immer nicht abgestellt wurde, denn es gab sogar noch eine Erhöhung der Basisförderung für dieses ÖVP-Institut von 3 auf nunmehr 5 Millionen Schilling jährlich, merkt die Innenrevision an – ich darf aus der Innenrevisions-Stellungnahme zitieren –: Der vorliegende Einsichtsakt ist ein klassisches Beispiel für eine freihändige Vergabe, die ohne Einhaltung der bestehenden Vergabevorschriften durchgeführt wurde. Und weiters sagt die Innen


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revision: Die Verwaltung soll die anvertrauten Gelder – ist gleich Steuern – verwalten, was auch bedeutet, dass darüber zu entscheiden ist, wie die Fremdgelder, also die Steuern, verwendet werden.

Die Förderungsgeber dieser Fremdgelder, dieser Steuern waren 1994 Bundesministerin Maria Rauch-Kallat, 1995 und 1996 Bundesministerin Dr. Sonja Moser und ist seit 1997 Bundesminister Dr. Martin Bartenstein. Diese extreme Verschwendung von Steuergeldern zugunsten des ÖVP-Netzwerkes ÖIF ist aufklärungsbedürftig, und der Rechnungshof wird wohl noch einmal diese Vergabepraktiken untersuchen müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Herr Kollege Großruck! Ich weiß, dass Ihnen das peinlich ist. Aber Dr. Martin Bartenstein vergibt mehrere Millionen Schilling an Basisförderung trotz negativer Stellungnahme der Innenrevision. Die Innenrevision fasst hier zusammen, dass die vorgesehenen Maßnahmen mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit nicht vereinbar sind. Das ist also ein klassisches Untersuchungsthema. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Das ist Ihre Familienpolitik!)

11.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zellot. Die Uhr ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

11.45

Abgeordneter Roland Zellot (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich befasse mich auch mit dem Rechnungshofbericht betreffend die Abwicklungsstelle der Agrarmarkt Austria.

Meine geschätzten Damen und Herren! Die Grundvoraussetzung für die Förderungsabwicklung und die Ausgleichszahlungen in den Jahren 1994 und 1995 war die Flächenbasiserhebung. Diese Flächenbasiserhebung ist sehr problematisch vor sich gegangen, weil die Landwirte damit konfrontiert waren, dass sie auf Grund von Katasterplänen ihre Grundstücksgrößen und ihre tatsächliche Bewirtschaftungsfläche der Agrarmarkt Austria bekannt geben müssen. Anhand dieser Grundlage wurde die Förderungshöhe errechnet.

Selbstverständlich sind auch in dieser Situation sehr viele Konflikte zwischen der AMA und den Landwirten entstanden, und der Rechnungshof kritisiert auch, dass die Rückforderungsverfahren so lange gedauert haben. Das ist aber auch darauf zurückzuführen, Herr Präsident, dass die Bauern das Recht haben, Einspruch zu erheben und teilweise auch Recht bekommen haben.

Man muss aber darauf hinweisen, dass im Berichtsjahr 1999 87 000 Prüfberichte der österreichischen Landwirtschaft vorliegen. Das heißt, es gab auch fast so viele Kontrollen. Diese Prüfberichte haben sich im Jahre 2000 auf 107 000 erhöht. Das heißt, dass die österreichische Landwirtschaft auf Grund ihres komplizierten Förderungsprogramms die meist-, best- und genauest überprüften Landwirte der Europäischen Union hat.

Was mich aber besonders freut, ist, dass der Rechnungshof darauf hinweist, dass es da neuere Modelle geben muss, wie zum Beispiel die Feldstücksdatenbank oder ein computerunterstütztes geographisches Informationssystem in Form der digitalen Flächenerfassung. Ich glaube, das ist auch für die Zukunft wichtig.

Herr Präsident! Die digitale Flächenerfassung birgt natürlich auch ein Problem in sich: Die Landwirte sind zwar bereit, mittels dieser digitalen Flächenerfassung effizienter, genauer und schneller die Serviceleistung der AMA in Anspruch zu nehmen, aber dies ist nicht möglich, weil das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen oft nicht in der Lage ist, die Daten über ein Jahr zur Verfügung zu stellen.

Dieser Punkt ist damit begründet, dass wir in Österreich zirka 1,6 Millionen Parzellen zu bearbeiten haben, aber in diesem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen mit seinen


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1 700 Mitarbeitern sitzt nur ein Mann, der für diese digitale Flächenerfassung zuständig ist. Das ist der Punkt. Willigen Landwirten, die unterstützend mit der Agrarmarkt Austria zusammenarbeiten, gelingt es nicht, eine digitale Hofkarte zu erwerben. Ich hoffe, dass das in Zukunft verbessert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Faul. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

11.48

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuständig für meinen Bericht oder für die Berichtsfolge wäre eigentlich Herr Minister Molterer. Immerhin geht es um vom Rechnungshof geprüfte und teilweise beanstandete Fördermittel in Höhe von 7 Milliarden Schilling und um eine Reihe von Ausgaben, für die Minister Molterer verantwortlich zeichnen müsste.

Herr Minister Molterer hat im Ausschuss sehr sauer auf die Kritik des Rechnungshofes reagiert. Wahrscheinlich wollte er sich heute dieser neuerlichen Kritik nicht aussetzen; ich kann es mir anders nicht erklären. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Er ist beim Agrarministerrat in Brüssel! – Abg. Dr. Stummvoll: Molterer fürchtet sich vor Faul!) – Danke für die Aufklärung. Ich habe das nicht gewusst. Ich habe gedacht, dass das ein anderer Ministerrat ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Rechnungshofbericht hat hinsichtlich der Zahlstelle der Agrarmarkt Austria über die ordnungsgemäße Verwendung von EU-Mitteln in der Landwirtschaft aufgezeigt, wie unprofessionell, Herr Zellot, mit Milliardensummen in unserem Lande umgegangen wird und dass einer Institution wie der AMA, die ohnehin schon so aufgebläht ist – das sagen auch Ihre Bauern, Herr Schwarzenberger –, Geldtransferaufgaben übertragen wurden, die sie, weil es an entsprechend geschultem Personal mangelt, selbst nicht bewältigen kann. Aber das haben die Leute dort selbst zugegeben.

Wo ist der Aufschrei der Bauernvertreter, Herr Schwarzenberger? Durch diese Fehler, durch diese Inkompetenz der bearbeitenden Mitarbeiter der AMA und letztlich auch durch die inkompetenten, weil nicht geschulten Mitarbeiter Ihrer Bezirkskammern vor Ort flattern den Antrag stellenden Landwirten Beihilfenkürzungen oft in Millionenhöhe ins Haus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Besondere Schwachstellen, die vom Rechnungshof festgestellt wurden, waren zum einen die verspätete Berücksichtigung der negativen Prüfergebnisse des technischen Prüfdienstes der AMA bei der Auszahlung von Beihilfen, so nach dem Motto: Lieber ein bisserl mehr kassieren, vielleicht kommen sie uns nicht drauf, dass wir zu viel kassiert haben!, und zum anderen die Mängel im Verfahren bei der Rückforderung von Beihilfen, so unter dem Motto: Lassen wir uns ein bisserl Zeit, dann können wir wenigstens den Zinsgewinn lukrieren. – Das war es! (Abg. Großruck: Wie der Schelm denkt, so ist er!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur zur Sichtbarmachung, worum es in Österreich wirklich geht: Es geht um 5 Milliarden Schilling, die ausschließliche EU-Mittel sind, und dazu kommen noch die Gelder zur Förderung einer umweltgerechten und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft in der Höhe von 2 Milliarden. Das macht zusammen, ich habe es schon gesagt, 7 Milliarden Schilling.

Die von der EU angedrohten Ahndungsmaßnahmen für unsere Bauern würden Millionensummen bedeuten. Daher ist dieses Vorgehen der AMA und letztlich auch des Herrn Ministers Molterer für mich unverantwortlich und unverständlich, da Maßnahmen einzuleiten und, wie der Rechnungshof berichtet, fundierte Stellungnahmen zu diesen Kontrollfeststellungen der supranationalen Organe abzugeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Letztlich ist Bundesminister Molterer dafür verantwortlich, dass diese AMA-Förderungsakte so verzögert abgewickelt wurden und dass es dadurch zu den Rückforderungen an die Landwirte kam. Er ist verantwortlich dafür, dass die vom Rechnungshof aufgezeigten Schwachstellen bis heute nicht beseitigt sind. Er hat dafür zu


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sorgen, dass eine professionelle Feldstückdatenbank aufgebaut wird, und zwar nicht von einem Mitarbeiter, Herr Kollege Zellot, wie Sie gesagt haben, sondern von einem Team, das das auch kann, und dass diese Beihilfenanträge korrekt ausgeführt werden. Er ist auch verantwortlich für die rasche Verbesserung des Rückforderungsmanagements, für die Zinsengerechtigkeit im Haben und für die Zinsengerechtigkeit im Soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schlussendlich trägt er die Verantwortung dafür, dass die AMA ihre technischen Prüfleistungen verbessert, vor allem aber dafür, dass die Ergebnisse dieser Prüfleistungen bei der Bemessung der Beihilfen rechtzeitig berücksichtigt werden. Er hätte bei der AMA einiges zu tun. Richten Sie ihm das aus, Herr Schwarzenberger! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

11.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Schwarzenberger: Ich weiß, dass von der Arbeiterkammer schlechte Leute dorthin entsandt werden!)

11.52

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Rechnungshofpräsident! Hohes Haus! Erlauben Sie mir eingangs, einige Bemerkungen zu Vorrednern zu machen.

Kollege Leikam hat den Herrn Innenminister massiv kritisiert. Allerdings dürfte er den Bericht nicht gelesen haben, denn der Herr Innenminister setzt alle Anregungen des Rechnungshofs um – Anregungen, die anscheinend sein Vorgänger, Herr Minister Schlögl, nicht in der Lage war, positiv zu erledigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Kräuter hat sozusagen seine Anschüttungen hier vom Pult aus losgelassen, dann ist er entschwunden. (Rufe bei der SPÖ: Da sitzt er!) Man muss allerdings sagen, dass seine Aussagen in der heutigen Fragestunde den Schmerz darüber deutlich gemacht haben, dass es in der SPÖ niemanden gibt, der dem Herrn Bundeskanzler auch nur annähernd das Wasser reichen kann. Dieser Schmerz war mehr als deutlich spürbar, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Kogler befasste sich in seinen Ausführungen ausschließlich mit dem Rechnungshofunterausschuss, also mit der Überprüfung der Ministerbüros. Lieber Herr Kollege Kogler – aber das gilt auch für die Vertreter der SPÖ –: Wer seiner Pflicht als Abgeordneter nicht nachkommt, nämlich, was für mich selbstverständlich wäre, an den Ausschusssitzungen teilzunehmen, also mehr oder weniger die Arbeit verweigert, darf sich nicht wundern und öffentlich beklagen, dass er keine Antworten auf Fragen bekommen hat, die er nicht gestellt hat. Da ist man schon selbst verantwortlich – und nicht die FPÖ oder die ÖVP. Bitte kehren Sie vor der eigenen Tür, meine Damen und Herren!

Wer gute Verwaltungsarbeit leistet, braucht Rechnungshofprüfungen nicht zu scheuen, wie der Prüfbericht über die Agrarmarkt Austria beweist.

Liebe Herren Kollegen Reheis und Faul! Es ist bezeichnend, dass zu einem Thema, das die Landwirtschaft betrifft, ein ehemaliger SPÖ-Bezirksparteisekretär und ein Hauptschuldirektor reden, wobei dies alles ehrenwerte Berufe sind, allerdings, so glaube ich, sollte man sich einmal selbst damit beschäftigen. Stellen Sie einmal einen Mehrfachantrag! Schauen Sie sich einmal die Praxis an! Nicht nur reden, sondern arbeiten, denn dann wäre ein derartiges Abqualifizieren dieses Prüfberichtes nicht notwendig. Lesen Sie bitte den Prüfbericht, behandeln Sie ihn seriös, und reden Sie dann! Populismus geht ins Leere, meine Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

In der Sitzung des Rechnungshofausschusses – darauf lege ich schon Wert – hat selbst Herr Präsident Fiedler gesagt, dass die Agrarmarkt Austria eine der meistgeprüften Stellen Österreichs ist, also eine der meistgeprüften Einrichtungen. Und Gott sei Dank wurde der Agrarmarkt Austria von allen ein sehr positiver Prüfbericht ausgestellt. Es gibt nicht wenige Prüfungen für die Agrarmarkt Austria, wenn man nur bedenkt, dass es im Jahre 2000 fünf externe Prüf


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besuche waren, vier durch die Finanzabteilung der Europäischen Kommission, einen durch den Europäischen Rechnungshof und einen durch den österreichischen Rechnungshof. Ich will mich hier nicht verbreitern. Es gibt natürlich auch Prüfungen des Landwirtschaftsministeriums und der Innenrevision der AMA.

Man kann den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der AMA zu diesem Nachweis von sehr gewissenhafter und sparsamer Verwaltungsarbeit nur herzlich gratulieren, und ich wünschte, dass wir auch in anderen Bereichen der Verwaltung so sparsam wären wie in der Agrarmarkt Austria.

Meine Damen und Herren der SPÖ! Übrigens – das dürfte Ihnen entgangen sein – ist die Agrarmarkt Austria meines Wissens nach sozialpartnerschaftlich besetzt. Gibt es dort nicht Herrn Vorstand Weihs? Woher kommt er? – Ich glaube, er kommt von der Arbeiterkammer, Gerhard Reheis! Aber vielleicht haben Sie das vergessen. Macht nichts, man vergisst so schnell, wenn man nicht mehr Verantwortung trägt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dieser positive Bericht ist Ansporn für die Zukunft, und ich bin froh, dass es in diesem Bericht eigentlich wenig zu kritisieren und viel zu loben gab, denn Lob ist durchaus angebracht. Lob kostet nichts, motiviert aber.

Die Anregungen, die enthalten sind, hat Herr Kollege Zellot schon angesprochen, die zu erwähnen kann ich mir daher durchaus ersparen.

Ich bin froh, dass die Zusammenarbeit zwischen der Prüfstelle Agrarmarkt Austria und den zu prüfenden landwirtschaftlichen Betrieben auf gutem Wege ist. Dieser Dialog ist mir auch für die Zukunft wichtig, um einerseits in der Zukunft weiterhin als Abwicklungsstelle kosteneffizient und sparsam zu arbeiten und um andererseits aber auch die Menschen zu sehen, die hinter diesen prüfenden Betrieben, also unseren Bauernhöfen, stehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. Ihre Redezeit beträgt wunschgemäß 5 Minuten. – Bitte.

11.57

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Ich denke mir, der Rechnungshof hat die Aufgaben eines Controllings. Da werden die Verwendungen des Staates genau kontrolliert, inwiefern sie zweckmäßig verwendet sind, inwiefern sie gerechtfertigt verwendet sind und inwiefern sie auch effizient verwendet sind.

Ich möchte mich bei dem Rechnungshofbericht auf die Fragen der Suchtgiftkriminalität beschränken und in dieser Hinsicht das Fehlen des Herrn Bundesministers Strasser anmerken. Das Fehlen des Herrn Bundesministers Strasser ist sehr schade, denn wir sollten nicht nur bei dem, was im Rechnungshofbericht 1999 festgestellt worden ist, stehen bleiben, sondern auch schauen, wie es weiter gegangen ist.

Da ist leider nicht sehr viel passiert. Der Herr Bundesminister macht Personalreduktion anstatt Qualitätssteigerungen. Vernetzungsfunktionen zwischen Exekutive und Personen, die in der Drogenarbeit tätig sind, sind nur auf zwei Bundesländer beschränkt, und im Jahre 2000 gab es mehr Drogentote als in den Jahren zuvor. Ich denke mir, der Rechnungshof wird auch weiterhin zu prüfen haben, wie diese Regierung mit den Steuermitteln umgeht, wie sie diese verwendet.

Meiner Meinung nach ist die Handlungsfähigkeit der Regierung nur auf Propagandamaßnahmen beschränkt. Das sind schon die nächsten Fälle für weitere Prüfungen seitens des Rechnungshofes.

Ich hoffe, dass der Rechnungshof keine Personalreduktion hinnehmen muss, weil ich glaube, dass auf den Herrn Präsidenten und auf sein Team sehr viele Aufgaben zukommen werden.


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Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Inseratenkampagne betreffend Ambulanzgebühren verweisen. Es ist dies eher eine Wahrheitsvernebelungskampagne, die da gestartet wurde, und sie dient der Propaganda durch diese Regierung. Es wird nicht informiert, und es wird schlecht gemacht. Das Beste dabei ist: Es wird von sozialer Gerechtigkeit gesprochen, obwohl die Österreicherinnen und Österreicher den kalten Griff des Herrn Finanzministers, der vielleicht gerade durch das Angstloch oder sonst wo herumgekraxelt ist, in ihren Brieftaschen und in Bezug auf ihre Gesundheit spüren. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Das Interessante an dieser Wahrheitsvernebelungskampagne sind die Fragen: Wer startete diese Inseratenkampagne? Wer steckt dahinter? Wer bekommt die Aufträge von Seiten dieser Regierung? – Dabei kommt man auf ein Firmengeflecht, bei dem man eigentlich von der freiheitlichen Connection sprechen kann. Da tauchen Namen auf wie Rumpold, aber auch der Name des Pressesprechers des Herrn Staatssekretärs Waneck und Namen von FPÖ-Landtagsabgeordneten.

In einem Zeitungsinterview wurde auch gleich von Seiten der Vertreter dieser Werbeagentur darüber gesprochen, dass sich diese Agentur sehr über die Chipkartengebühr und die Chipkarten freut. Ich glaube, das ist ein weiteres Beispiel für ein sehr dichtes Netzwerk an freiheitlichen Verknüpfungen, die meiner Meinung nach dem Rechnungshof sehr viel Arbeit aufgeben werden und für die Österreicherinnen und Österreicher abzulehnen sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Ein Wunschdenken!)

Diese Inserate und Propaganda- und Wahrheitsvernebelungskampagnen sollen auf der einen Seite verdecken, welches dichte Geflecht Sie hier aufgebaut haben, das den SteuerzahlerInnen die Steuerschillinge, die sie mühsam verdienen, aus der Tasche zieht. Die kalten Griffe dieser Regierung, die den Österreicherinnen und Österreichern in die Taschen greift, die verschiedenen Maßnahmen im Bereich der Gesundheitspolitik, im Bereich der Sozialpolitik sollen den Österreicherinnen und Österreichern nicht so bewusst werden, und Sie wollen diese Maßnahmen daher durch ein dichtes Geflecht von Firmen beschönigen lassen.

Ich kann Ihnen versichern, die Österreicherinnen und Österreicher lassen sich mit dieser Propagandawalze von Seiten der freiheitlichen Wahrheitsvernebelungstaktiken nicht hinters Licht führen und werden Ihnen die Rechnung bei den nächsten Wahlen präsentieren. (Beifall bei der SPÖ.)

12.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wochesländer. – Bitte.

12.02

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Mit dem Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes zum Verwaltungsjahr 1999 liegt dem Parlament wieder ein sehr umfangreiches und vor allem informatives Gesamtberichtswerk vor. Mein Dank dafür zuerst an Sie, Herr Präsident Fiedler, und auch mein uneingeschränktes Lob selbstverständlich dazu, denn ich sehe darin eine sehr, sehr gute Unterlage für meine Arbeit als Parlamentarierin.

Man hat dadurch auch die Möglichkeit, explizit festzustellen, welch positive Leistungen, aber auch Versäumnisse und Mängel im Bereich der einzelnen Ministerien vorliegen. Gerade 1999 war noch ein Jahr, in dem eine Vielzahl der Ministerien sozusagen in den Händen von Damen und Herren der derzeitigen sozialdemokratischen Opposition war.

Ihnen, die Sie heute bei uns alles krank jammern und versuchen, manche Gesetzwerdung zu verhindern, sind laut diesem Tätigkeitsbericht eigentlich auch ganz große Versäumnisse zuzuschreiben. Herr Abgeordneter Faul hat sich vorhin darüber mokiert, dass Herr Minister Molterer nicht da ist. Ich muss Ihnen sagen, Ihr Herr Edlinger, Ihr Herr Einem, die für diese Ministerien damals zuständig waren, sind auch nicht da. Ich finde, die hätten mehr Grund, hier zu sein,


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denn sie sind ja hier in der Sitzung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Neudeck: Sie schämen sich gerade!)

Speziell Herr Abgeordneter Edlinger hat sich ja am Montag in der "ZiB 2" wieder ganz besonders mit seinem Krankjammern präsentiert, und da muss ich natürlich schon sagen: Sein kummervoller Dackelblick hätte eigentlich aufgesetzt werden müssen bei Dingen, die er damals zu bewältigen gehabt hätte, wie zum Beispiel bei der Ausgliederung der Datenverarbeitung aus dem Bundesrechenamt. Was Herr Edlinger darunter verstanden hat, das hat unser Finanzminister Grasser deutlich zu spüren bekommen, nämlich den Vandalismus im Büro. Wenn Sie das als Politik bezeichnen, dann muss ich sagen, dass ich das als ruinöse Demontage von Staatseigentum bezeichne, und dagegen verwahre ich mich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie werfen uns immer vor, dass wir Gesetze durchpeitschen. Meine Damen und Herren der Opposition! Was Klima begonnen hat und unter Edlinger zu nichts geführt hat, das nenne ich Husch-Pfusch-Politik. Unsere Politik ist viel ehrlicher, glaube ich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Oder was würden Sie zu Dingen sagen, die ich Ihnen im Folgenden dezidiert nennen werde? – Das sind Auszüge aus dem Bericht, und zwar 1993 unter Finanzminister Lacina: Ablehnung einer Ausgliederung angeblich mangels der Möglichkeit, Kosteneinsparungen zu erzielen. Im Sommer 1996 unter Klima, aus welchen Gründen auch immer, die überstürzte und unüberlegte Anordnung: Auftragserteilung zur Ausgliederung des Bereiches Datenverarbeitung aus dem Bundesrechenamt mit Jänner 1997. Es fehlten dafür alle logischen Beweise oder Voraussetzungen. Das konnte nicht gut gehen. Faktum ist aber, dass den laut Planrechnung erwarteten Einsparungen von 128,5 Millionen Schilling Mehrausgaben – und jetzt hören Sie bitte genau zu! – von rund 249,3 Millionen Schilling gegenüberstanden. Wenn Sie das Sparpolitik nennen – ich nenne das anders.

Aber Herr Edlinger hat sich ja in guter Gesellschaft befunden, denn mit ihm war auch ein so genannter Herr Dr. Einem damals zuständig für Verkehr – und davor auch für das Innere – und somit also für den Verkehrsverbund Ost-Region, aber auch für die Bekämpfung der Suchtmittelkriminalität. Das Einzige, was bei diesen Leistungen herausgekommen ist: Er hat sie zu lange nicht erbracht, und deshalb haben wir solche Probleme.

In der Ostregion hat jeder Pendler sozusagen Herrn Dr. Einem zu verdanken, dass er furchtbar lange Staus zu und von seiner Arbeitsstätte in Kauf nehmen muss. Was die Suchtmittelkriminalität betrifft, haben erst vor kurzem meine Kollegen Pumberger und Partik-Pablé einen Antrag bezüglich Traiskirchen eingebracht. Ich habe mich der Mühe unterzogen und war in Traiskirchen, und ich muss Ihnen sagen: Dort sieht man, welche Angst die Eltern im Hinblick auf ihre Kinder bezüglich Suchtmittelkriminalität haben, die dort von den Asylwerbern ausgeht, die dort zur Drehscheibe geworden sind. Meine Damen und Herren! Das sind die Versäumnisse der Vergangenheit, nicht von heute, denn von heute auf morgen passiert so etwas nicht. Daher: Jammern Sie nicht! Beruhigen Sie sich und schauen Sie, dass Sie die Versäumnisse mit uns zusammen wettmachen! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.06

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Im Sonderbericht über die Bankenaufsicht bestätigt der Rechnungshof zu den konkreten Fällen Rieger Bank, Diskont Bank und Karibikgeschäfte der BAWAG, dass weder der Finanzminister noch die Bankenaufsicht noch die Nationalbank schuldhaft gehandelt haben.

Die Vorgangsweise der zuständigen Behörden war rasch, korrekt, gesetzeskonform, und es wurden auch keine Anleger geschädigt. Daher ist es unseriös und unsinnig, den damaligen


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Ressortverantwortlichen schuldig zu reden. Ganz im Gegenteil: Der Rechnungshof attestiert, dass die Empfehlungen der Prüfungen von 1993 noch von einem sozialdemokratischen Bundesminister umgesetzt wurden.

Die Aufgaben und Arbeitsmenge der Bankenaufsicht haben sich seither zwar vermehrt, nicht aber die Anzahl der Mitarbeiter. Wie auch in vielen anderen Bereichen wird gespart, jedoch nicht in den Ministerien, in der Umgebung der Minister. Da steigen die Mitarbeiterzahlen sprunghaft. Da steigen die Leiharbeitskräftezahlen. Da gibt es "fabelhafte" Gagen. (Zwischenruf des Abg. Prinz. ) Da gibt es genug Geld für unsinnige Inserate und politische Berater, und da werden Büros mit Millionenaufwand umgebaut. Kurzum: Die Regierung spart nicht, wie sie immer vorgibt, bei sich selbst, sondern auf Kosten aller anderen! (Beifall bei der SPÖ.)

Waren seinerzeit im Ministerium der Ministerin Hostasch 16 Mitarbeiter beschäftigt, so brauchen heute Waneck und Haupt 27. (Abg. Böhacker: 16 können auch zu viel sein!) Beim früheren Verkehrsminister Einem waren zehn Mitarbeiter beschäftigt, bei seinem Nachfolger Schmid zwölf und bei der jetzigen Ministerin Forstinger 20. Mehr Mitarbeiter, mehr Arbeitsleihverträge, zudem 128 Millionen Schilling für externe Berater. – Meine Damen und Herren! Wenn Sie überall nur mehr aufwenden und gleichzeitig Tausende Postler und Beamte in die Wüste schicken, dann zeigen Sie wenig Gespür.

Österreich neu regieren heißt: 50 Milliarden Schilling an Mehrbelastung für die sozial Schwachen. Gleichzeitig haben diese auch die unnötige Inseratenkampagne dazu mit 23 Millionen Schilling zu finanzieren. (Abg. Neudeck: Wer war das: der Klima oder der Einem?) Die persönlichen Wohnträume der Minister kommen die Steuerzahler zusätzlich mit 13 Milliarden Schilling teuer zu stehen – ein Skandal, Herr Kollege, wenn gleichzeitig den Pensionisten die Pensionen gekürzt werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Wohl wissend, dass dieser Spuk für manche vielleicht zu früh, für viele aber viel zu spät sein Ende finden wird, darf ich mich noch einmal der Bankenaufsicht zuwenden. Obwohl der Rechnungshof zahlreiche Empfehlungen zur Stärkung des bestehenden Systems abgegeben hat, ist es dem Finanzminister nicht gelungen, das österreichische System der Bankenaufsicht den neuen Erfordernissen anzupassen und die Schwachstellen auszumerzen.

Zentraler Punkt in diesem Finanzmarktaufsichtsgesetz der Regierung ist eine neue öffentlich-rechtliche Behörde, ausgestattet mit allen Aufsichtsfunktionen. Zudem bleiben die legistische Zuständigkeit und die politische Verantwortung beim Finanzminister. Es ist zu befürchten, dass genau diese umfassende Rechtsaufsicht durch den Finanzminister die Unabhängigkeit dieser Behörde stört.

Selbstverständlich unterstützen wir eine vernünftige Reform, die international akzeptiert ist, das heißt, politisch unabhängig und weisungsfrei ist. Daher sind wir entschieden gegen eine neue teure, bürokratische Behörde und treten für eine Aufsicht in enger Verbindung mit der Oesterreichischen Nationalbank ein – eine Lösung, die im Übrigen auch von vielen Experten und von der Europäischen Zentralbank unterstützt wird. (Abg. Böhacker: Sie rennen offene Türen ein!)

Meine Damen und Herren! Wenn auch Ihnen ein erfolgreicher internationaler Kampf gegen die Finanzströme des Terrors ein Anliegen ist, dann schließen Sie sich unserem Modell an! (Beifall bei der SPÖ.)

12.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Scheuch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten.

12.11

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es sei mir schon erlaubt, vor Eingang in meine Rede auf den Erstredner der SPÖ Bezug zu nehmen, der sich hier getraut hat herunterzugehen und in einer Mickymaus-Rede ohne jeglichen Themenbezug versucht hat, hier Leute anzuschütten, die sich nicht wehren können. (Abg. Dr. Mertel: Lauter!) Das war die schwächste Vorstellung, die ich jemals gehört


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habe. Und ich sage Ihnen noch eines: Ich halte es hier mit dem Volksmund, der ganz klar sagt: Gegen Dummheit ist eben kein Kraut gewachsen, Herr Dr. Kräuter! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch von Seiten der SPÖ.)

Es liegt jetzt aber natürlich auch – damit ich nicht den Fehler mache, sozusagen auch nicht ganz themenbezogen zu reden – der Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes vor. Hier muss man auch ganz klar sagen, dass dies eine Fundgrube ist, eine Fundgrube für den Interessierten. (Abg. Edler: Hat dein Bruder auch so geschrien bei den Bauern?)

Ich stehe nicht an, Ihnen zu Ihrem Wahlsieg zu gratulieren. Sie haben wirklich 500 Stimmen in ganz Kärnten dazugewonnen, keine Frage, 500 von 50 000 Wahlberechtigten. Ich gratuliere Ihnen dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir sind hier allerdings im Nationalrat. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, schreien Sie immer am lautesten und verlieren auch am meisten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es geht jetzt um die AMA-Kontrolle, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es wird Sie freuen, dass ich auch da manchmal mit Ihnen ein bisschen mitkann. Die AMA selbst ist ein gefürchtetes Prüforgan bei den Bauern. Letztendlich ist die Tatsache, dass 400 AMA-Beamte täglich 300 Bauern kontrollieren, sicherlich zu hinterfragen. Wenn man im Rechnungshofbericht nachliest, welche Richtlinien es für die Prüfung gibt, dann muss ich sagen, es muss einem – ich bin selbst praktizierender Bauer – schon ein bisschen das Fürchten kommen.

Ich zitiere wörtlich: Die anlässlich solcher Kontrollen aufgezeigten Fehler führen bei den Antrag stellenden Landwirten verschuldensunabhängig zu Beihilfenkürzungen beziehungsweise zu Beihilfenentzug durch die Zahlstelle. Diese Maßnahmen, die in Eigenverantwortung und ohne Ermessensspielraum vorgenommen werden, ... – Zwei Wörter fallen mir hier auf: "verschuldensunabhängig" und ohne "Ermessensspielraum".

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Grund solcher Ergebnisse ist es ganz klar, dass die AMA oft auch als sehr bürokratisch und als Sinnbild für Obrigkeitsdenken empfunden wird. Bauern sollten in diesem Zusammenhang eher als Kunden, denen man weiter hilft, empfunden werden als als potentielle Betrüger. Dagegen sprechen wir uns ganz klar aus. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dem AMA-Bericht liegt meines Erachtens noch ein weiterer interessanter Aspekt zugrunde. Es wurde schon mehrmals angesprochen, dass sich die AMA sehr wohl auch modernisieren sollte. Wir debattieren heute hier über den Bericht 1999, wir schreiben das Jahr 2001. Es gibt noch kein neues Informationssystem in diesem Bereich, das durch GPS unterstützt werden sollte. Auch hier ist ganz klar zu sagen, dass es einfach eine Aufgabe der Zukunft ist, Prüfberichte zu erleichtern und die ganze Vorgangsweise im Prüfungssystem für die Landwirte durchschaubarer zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat sich auch in der Ausschussdiskussion ein interessanter Aspekt ergeben, dass anscheinend auch Invekos-Gelder im Rücklagenbereich der Landwirtschaftskammer eingesetzt werden. Dies wird hoffentlich auch einmal Gegenstand eines Prüfberichtes werden.

Schließlich ist zu sagen, dass, wenn sich die Landwirte, die die AMA kontrolliert, so verhalten würden wie teilweise die sie prüfende Organisation, sie wahrscheinlich auch verschuldensunabhängig und ohne Ermessensspielraum kein Lob erhalten würden. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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12.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt, Herr Abgeordneter.

12.16

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Als Oppositionsabgeordneter mit langjähriger Erfahrung als Regierungsabgeordneter muss ich Ihnen, Herr Präsident, gestehen, dass ich den Rechnungshof zunehmend schätze, gerade aus der Sicht der Opposition (Abg. Böhacker: Aha, ein Opportunist!) – kein Opportunist, sondern man wird lernfähig –, weil ich doch den Eindruck habe, dass der Präsident des Rechnungshofes trotz seiner bekannten politischen Gesinnung durchaus sehr kritisch ist.

Beispiel: "Kurier" vom 12. Juni: "Ausgliederungen: Kritische Bilanz, Rechnungshof-Fiedler warnt vor Budgetkosmetik und Konzeptlosigkeit".

Sie kennen den Artikel wahrscheinlich. Er spricht einiges an, was ihm Sorge macht, und das fließt ja auch immer wieder in die Berichte des Rechnungshofes ein, aber auch in die Begutachtung von Gesetzen, die ich sehr schätze. Natürlich hat er manchmal eine andere Sicht der Dinge, als sie meine Partei hat, aber für die grundsätzliche Betrachtungsweise, nämlich auf Effizienz zu schauen oder aufzudecken, wenn es um reine Kosmetik geht, bin ich ihm sehr dankbar.

Daher möchte ich auch eine Anregung bringen, auch aus meiner Erfahrung. Ich bin ja nur Ersatzmitglied im Rechnungshofausschuss, allerdings ein interessiertes, ich bin vornehmlich im Untersuchungsausschuss "Euroteam" beschäftigt, der ja auch sehr spannend ist, wo man plötzlich draufkommt, dass auch manche Wirtschaftskapitäne, die nie eine Förderung bezogen haben, dann plötzlich doch Förderungen genommen haben.

Aber es gibt wesentlich interessantere Dinge, beispielsweise den bereits abgehandelten Sonderbericht über die Ministerbüros. Da im jetzigen Rechnungshofbericht immer die Ministerien durchleuchtet werden, würde ich anregen, dass man auch die Strukturen und die Ministerbüros von vornherein in diese Prüfungen mit einbezieht, weil dies meiner Meinung nach auch zur Effizienz gehört. Einer meiner Vorredner hat ja bereits aufgezeigt, wie es derzeit zugeht.

Wenn ich da lese: "Die blau-schwarze Ministerialbürokratie ist aufgeblähter denn je zuvor." – "FORMAT" 25/01 – und dann Beispiele gebracht werden – es werden die Büros der früheren Minister jenen der neuen gegenübergestellt –, dann muss ich sagen, das ist dramatisch mehr geworden. Was die Qualität betrifft, frage ich mich. Wenn die Fluktuation bei Frau Forstinger bereits 19 Mitarbeiter umfasst und wenn man – ich habe schon einmal darauf hingewiesen – auch Mitarbeiter findet, die im Wirtschaftsbereich gewaltige Summen an Schaden verursacht haben und sich jetzt bemühen, bei den ÖBB Vorstand zu werden, dann muss ich sagen, ich habe den Herrn Finanzminister im Industrieausschuss gebeten, sich das genau anzuschauen, denn es soll den ÖBB nicht so gehen wie der Firma Hatschek. Das ist sicherlich etwas, was man auch laufend, glaube ich, kontrollieren und sich anschauen sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Ich bin sehr für Effizienz, ich komme aus der Industrie und habe damit auch dieses Denken immer gehabt. Ich bin aber auch sehr für Bürgernähe und meine – wieder in Erinnerung an die heutige Fragestunde an den Kanzler –, es ist schon sehr schön, wenn es einen Reisepass an einer Stelle rasch und unbürokratisch gibt. Das ist sehr schön, das ist zu begrüßen. Weniger zu begrüßen ist, dass der Reisepass, glaube ich, doppelt so viel kostet wie vorher.

Das heißt also, Effizienz verbunden mit einem Schröpfen, wie es geschieht, ist nicht unbedingt das, was man anstreben sollte. Auch das bitte ich den Rechungshof sich bei der Überprüfung von Maßnahmen in Ministerien immer wieder anzuschauen und gegenüberzustellen. Es sollte doch nicht ein Schröpfen sein, ohne dass dem Leistungen gegenüberstehen, so wie dies derzeit auch bei der Studiengebühr der Fall ist. Mein Sohn hat jetzt zu studieren begonnen. Soviel ich da höre, ist keine Leistung da, hoffentlich kommt sie noch.

Bürgernähe, Herr Präsident, kann auch nicht der Abbau von Bürgerrechten sein, wie es zum Beispiel nun beim Mineralrohstoffgesetz passiert, wo tatsächlich – es ist einfacher, effizienter für die Schotter-Mitzi, also für Frau Kollegin Fekter, das ist ihr Spitzname, den mag sie wirklich ...


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(Abg. Steibl: Ja, ja! – Abg. Dr. Khol: Sie mag das nicht!) Sie heißt so bei uns und auch bei ihren Mitarbeitern, das ist nichts Böses. Aber es ist für die betroffenen Bürger, wenn die 300 Meter-Zone fällt, natürlich ein Problem. Das kann es bitte nicht sein. Das bedeutet Schröpfen und Zurückdrängen der Bürgerrechte. Das kann man in diesem Fall sicherlich nicht so meinen.

Abschließend möchte ich – ich habe kaum mehr Zeit – eine liebe Figur aus der Steiermark zitieren, keine Angst, nicht Schmid oder so, sondern Amanda Klachl aus der "Kleinen Zeitung".

"Amanda Klachl": "Da Pröll sagt: ,Die schwarz-blaue Koalition war ka Liebesheirat’. Aber von aner Vernunftehe kann man schon gar net sprechen." (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Das war der witzigste Teil deiner Rede! – Abg. Dr. Keppelmüller – das Rednerpult verlassend –: Lieber Kollege! Du bist erst ganz am Schluss gekommen! Du bist schon wieder "speed kills"!)

12.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wenitsch. Die Uhr ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.22

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Rechnungshofpräsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kaipel, Sie haben vorhin hier angeführt, dass in einigen Ressorts die Mitarbeiterzahl so angewachsen ist. Dazu möchte ich schon eines festhalten: Erstens einmal gibt es weniger Ressorts als bei den Vorgängerregierungen. Zweitens sind die Aufgaben in den Ressorts dadurch natürlich sehr viel umfangreicher geworden. Ich sage auch immer, mir ist es lieber, wenn Frau Ministerin Forstinger 28 Mitarbeiter hat, die endlich etwas weiterbringen, als der Vorgänger Einem, der 20 Mitarbeiter hatte und alles nur auf die lange Bank geschoben hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte mich jetzt mehr auf die Landwirtschaft konzentrieren, weil einige Vorredner – das hat auch der Rechnungshof festgestellt – die Flächenerfassung kritisiert haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich mir das dann allerdings im EU-Vergleich anschaue, stelle ich fest, dass Österreichs Bauern oder die österreichische Landwirtschaft noch immer beispielhaft sind. Bei aller Kritik, die man üben kann – Kollege Zellot hat schon ausgeführt, dass man natürlich zur digitalen Erfassung übergehen kann und muss –, ist eines schon anzumerken: Mich als bäuerlichen Abgeordneten freut vor allem, dass gerade in Österreich bei den Agrarsubventionen vom Rechnungshof eines festgehalten wurde: Wir sind im europäischen Vergleich die Nation, bei der mit Abstand am wenigsten Missbrauch festgestellt wurde.

Das kommt nicht von ungefähr. Die österreichischen Bauern sind die meistgeprüften der Europäischen Union. Keine Frage, wir sind die meistgeprüften. Aber wenn ich mir dann zum Beispiel einen Bericht aus dem "Spiegel" aus dem Jahr 1999 anschaue – wir befassen uns ja gerade mit dem Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 1999 –, dann, muss ich sagen, ist darin von einem "Tatort eines Krimis" zu lesen.

Wenn man sich anschaut, welcher Missbrauch mit Subventions- und Fördergeldern in Europa betrieben wird, dann muss man eines sagen: Allein im Agrarbereich wurden im Jahre 1998 2,6 Milliarden € missbräuchlich verwendet. Allein bei den Zöllen 1 Milliarde € im Jahre 1998! Das ließe sich noch weiterführen, wie viele Milliarden Euro und wie viele Milliarden Steuergeld mehr oder weniger missbräuchlich in dunkle Kanäle geflossen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt stehen wir knapp vor einer Erweiterung der Europäischen Union. Mir schwant heute schon Übles. Wenn ich daran denke, wie groß die Flächen sind und wie viele Betriebe wir dazubekommen, dann stellt sich für mich die Frage: Wie groß wird dann der Missbrauch sein?

Eines möchte ich schon festhalten: Die Europäische Union muss sich im Agrarbereich am Beispiel Österreich orientieren. Es kann nicht sein, dass österreichische Steuergelder – Österreich ist Nettozahler in der Europäischen Union –, dass Geld der österreichischen Steuerzahler


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und damit Geld, das vielleicht den österreichischen Bauern zustünde, in Europa, in einer erweiterten Union, missbräuchlich verwendet wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

12.26

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident des Nationalrates! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit dem Kapitel "Veranlagung, Betriebsprüfung und Steuerleistung von Größtbetrieben" beschäftigen, wo der Rechnungshof auf den Seiten 131 ff. den Zeitraum 1995 bis 1999, also eine Ära unter sozialdemokratischen Finanzministern, einer kritischen Prüfung unterzogen hat.

Meine Damen und Herren! Seit Jahren versucht die Sozialdemokratie den Bürgern in Österreich einzureden, dass sie eine Steuerpolitik für den "kleinen Mann" mache. Seit Jahren verkündet die SPÖ ihr Ziel, durch die Steuerpolitik eine Umverteilung von oben nach unten durchzuführen. – Seit Jahren kritisieren wir Freiheitliche, dass dem nicht so ist, sondern – ganz im Gegenteil! –, dass die sozialdemokratischen Steuergesetze eine Umverteilung von unten nach oben darstellen, dass es sich die Großen richten können und die Kleinen blechen müssen.

Ich bin dem Rechnungshof durchaus dankbar dafür, dass er hier eine klare Sprache spricht. Ich bedanke mich für die penible Prüfung und für die klaren Stellungnahmen auf den Seiten 131 ff.

So stellt der Rechnungshof unter anderem fest, dass es eine Vielzahl von Maßnahmen der Steuervermeidung gibt, wobei die Größtbetriebe gegenüber den klein- und mittelständischen Unternehmen wesentlich bevorzugt sind. Wesentlich bevorzugt sind! Das ist die klassische SPÖ-Steuerpolitik für die Großen, die Konzerne und Stiftungen.

Meine Damen und Herren! Wenn man sich den Rechnungshofbericht weiter anschaut, dann kommt man zu durchaus dramatischen Erkenntnissen. Der Rechnungshof stellt fest, dass körperschaftsteuerpflichtige Rechtsträger Verlustvorträge in Höhe von mehreren hundert Milliarden Schilling angesammelt haben. Was bedeutet das in der Praxis? – Dass derartige Betriebe in den nächsten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten keinen einzigen Schilling, außer der Mindestkörperschaftsteuer, an Ertragsteuern abliefern werden. Das bedeutet, dass sich jene Betriebe durch steuerliche Sonderstellungen Privilegien erarbeitet haben, dass sie trotz Gewinnen von mehreren hundert Milliarden Schilling in den nächsten Jahren keine Steuern zahlen werden. – Ein Ergebnis sozialdemokratischer Steuerpolitik.

Wenn man weiß, dass allein diese Verlustvorträge einen Steuerausfall von rund 100 Milliarden Schilling ergeben, dann sieht man, wie notwendig eine Wendepolitik in der Steuerpolitik durch diese neue Regierung war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch verständlich, warum diese neue Regierung Verlustvorträge nur mehr bis zu 75 Prozent der positiven Einkünfte als zulässig erachtet und der Rest hinausgeschoben werden muss.

Es ist auch verständlich, wenn man weiß, dass Größtbetriebe durch eine späte Abgabe der Steuererklärungen, durch Hinauszögern von Steuerzahlungen, durch zu geringe Vorauszahlungen dem Staat einen Zinsenverlust – wie im Rechnungshofbericht festgestellt wird – von 700 Millionen Schilling zugefügt haben. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: 700 Millionen Schilling!

Ich darf an den Herrn Präsidenten des Rechnungshofes eine Frage richten. Er hat namentlich das Umgründungssteuergesetz als Steuerprivileg angeführt. Welche anderen Steuerprivilegien zugunsten der Großen sehen Sie noch? Und um welche Branchen handelt es sich bei diesen rund 300 umsatzgrößten Betrieben?


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Meine Damen und Herren! Es war wichtig und richtig, dass diese Wenderegierung die Anspruchsverzinsung eingeführt hat, damit jene, die es sich bisher richten konnten, also die Großen, diese Möglichkeit nicht mehr haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich verhehle nicht die Bedeutung der Größtbetriebe im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Mitarbeitern und dem Abführen von hohen lohnsummenabhängigen Steuern und Abgaben. Trotzdem darf das nicht dazu führen, dass jene Betriebe keine Ertragssteuern zahlen. Die freiheitliche Steuerpolitik wird daher der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der Steuergerechtigkeit, dem Schließen von Steuerschlupflöchern und der Verteilungsgerechtigkeit auch in Zukunft verstärkte Aufmerksamkeit widmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.31

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte in meinem Redebeitrag zunächst einmal auf die AMA-Zahlstelle und dann auf die Prüfung des Europäischen Rechnungshofes eingehen.

An dieser Stelle sei Folgendes angemerkt: Dass der Bericht erst heute hier dem Plenum vorliegt, hat seine Ursache in der Verhaltensweise des Präsidenten des Verwaltungsrates der AMA. Es ist nämlich Herr Wlodkowski von der Landwirtschaftskammer der Steiermark (Abg. Auer: Guter Mann!) damals zu dem Prüfungstermin im Rechnungshofausschuss nicht erschienen, und es wurde daher ein neuer Termin vereinbart. (Abg. Prinz: Er hat sich entschuldigt!)

Ich denke, dass es schon ein undemokratisches Zeichen ist, wenn man als Verantwortlicher für die Geschäftsführung, für die Geschäftsgebarung und für die Kontrolle der AMA einem Ausschuss dieses Hohen Hauses mit einer lapidaren Entschuldigung fernbleibt, nämlich der, dass man am Weltmilchtag in Graz teilnimmt. Ich hoffe, dass das in Zukunft nicht mehr der Fall sein wird.

Ich möchte jetzt auf einige wichtige Aspekte dieses Prüfberichtes eingehen.

Wesentlich aus unserer Sicht ist, dass dieser Kontrollbericht betreffend die AMA-Zahlstelle nur wenige formale und kleine Mängel anspricht. Ich denke, dass man das durchaus würdigen sollte, aber man sollte auch diese kleinen Mängel ernst nehmen. Ich möchte kritisch anmerken, dass das Rückforderungsmanagement schleppend ist und dass die Verrechnung von Verzugszinsen sehr wohl erforderlich ist.

Ganz zentral ist auf der einen Seite natürlich die Bedeutung eines funktionierenden Kontrollsystems und auf der anderen Seite die Frage, wie das in der Praxis funktioniert, wie das bei den Bauern ankommt und welche Kommunikationspolitik die AMA mit den Betroffenen und im Interesse der Steuerzahler betreibt.

Aber diese Komponente, Herr Präsident des Rechnungshofes, vermisse ich im vorliegenden Bericht. Ich denke, dass man den Europäischen Rechnungshof auch darauf hinweisen sollte. Es geht doch darum, dass da Betroffene manchmal auf Grund formaler Problemlagen zum Handkuss kommen. Sie haben in diesem Bericht ja zu Recht angemerkt, dass der Sanktionskatalog ein ganz wichtiges formales Instrument ist, um Rechtssicherheit herzustellen, um auch den Bauern und den Bäuerinnen klar zu machen, wo die Grenzen sind und welche Übertretungen zu welchen Konsequenzen führen. (Beifall bei den Grünen.)

Einen besonderen Dank möchte ich Ihnen, Herr Präsident des Rechnungshofes, dafür aussprechen, dass Sie unsere Anregung aufgegriffen haben, von Seiten des Europäischen Rechnungshofes die Protokolle auch für uns einsichtig zu machen. Ich meine das Schreiben, dass Sie im Juli an den Europäischen Rechnungshof gerichtet haben. Einen Ausschnitt der Antwort


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darauf möchte ich hier kurz wiedergeben, weil ich glaube, dass wir darüber doch auch einige Worte verlieren sollten.

In diesem Antwortschreiben des Europäischen Rechnungshofes an den Herrn Präsidenten des Rechnungshofes heißt es unter anderem – ich zitiere –:

"Eine ähnliche Anfrage ging unlängst von Mitgliedern des Ausschusses für Haushaltskontrolle des Europäischen Parlaments aus. Im Anschluss an eine Stellungnahme seines Juristischen Dienstes entschied der Hof, mit Ausnahme seiner geprüften Stellen Dritten keine Kopien seiner Sektorschreiben zu übermitteln." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Diese Vorgangsweise halte ich für demokratiepolitisch bedenklich, auch wenn der Rechnungshof begründet, dass es nur vorläufige Schreiben sind und die Stellungnahmen der geprüften Stellen noch eingearbeitet werden.

Ich möchte Sie ersuchen, Herr Präsident, doch noch einmal den Versuch zu unternehmen, beim Europäischen Rechnungshof zu erwirken, dass die Abschlussberichte, die akkordierten, fertig gestellten Endberichte auch wir Parlamentarier zur Verfügung gestellt bekommen.

Nun zur AMA-Zahlstelle: Es sind wenige formale Mängel festgestellt worden. Ich sage: Gott sei Dank!, andernfalls könnte das ja zu Rückforderungen, zu Rückzahlungsverpflichtungen im Ausmaß von bis zu 25 Prozent führen. Aber ein ganz zentraler Sektor wird in diesem Bericht gar nicht angesprochen, wird gar nicht diskutiert, und zwar die Frage, ob es prinzipielle Mängel gibt. Formale Mängel gibt es wenige, aber prinzipielle Mängel sind auch vorhanden, und ich möchte Ihnen nun zwei dieser prinzipiellen Mängel hier darstellen; manche meiner Vorredner haben das andeutungsweise schon versucht.

Erstes Beispiel: Es gibt keinen subjektiven Rechtsanspruch auf ÖPUL-Mittel, auf Mittel aus dem Umweltprogramm. Die Bauern und Bäuerinnen haben darauf keinen Rechtsanspruch – nur auf die Marktordnungsprämien, aber nicht auf die Umweltprämien. Da herrscht derzeit eine Rechtsunsicherheit, die für die Betriebe Konsequenzen ungeahnten Ausmaßes haben kann. Da liegt es an Ihnen, meine Damen und Herren von der FPÖ und von der ÖVP, im ÖPUL 2000 endlich Rechtssicherheit bei Umweltmaßnahmen einkehren zu lassen. Das halte ich für einen wirklich wichtigen Punkt.

Zweites Beispiel, Herr Präsident des Rechnungshofes: die Nicht-Information der Bäuerinnen und Bauern über die Sanktionskataloge. Es ist zwar in diesen Programmen sehr wohl ein Hinweis enthalten, in welcher Form sanktioniert wird, aber die Bäuerinnen und Bauern erhalten im Rahmen der Förderabwicklung keinen Sanktionskatalog. Das ist auch ein Manko, auf das man sicher eingehen sollte.

Abschließend möchte ich kurz noch auf die Bundesversuchswirtschaften eingehen, die eine auch Ihrer Meinung nach nicht gelungene Ausgliederung darstellen. Da können wir Ihnen nur Recht geben. Aber was ist das Manko bei dieser Ausgliederung, Herr Präsident? – Das Manko ist, dass es kein klares Leitbild für diese Ausgliederung gab. Wir glauben, dass es eine wichtige Konsequenz Ihres Berichtes wäre, dass man sieht, dass Vorschläge dafür zu machen sind. Eine Chance bestünde zum Beispiel darin, ein Kompetenzzentrum für den Biolandbau im Rahmen dieser Bundesversuchswirtschaften zu initiieren. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wattaul. Die Uhr ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.38

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Rechnungshofpräsident! Ich möchte mich vorerst bei Ihnen, Herr Präsident des Rechnungshofes, und bei Ihren Mitarbeitern für die ausgezeichnete Arbeit bedanken. Dieser Bericht ist wirklich sehr gut. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Nun möchte ich mich aber dem Verkehrsverbund Ost-Region widmen. Er ist wirklich "beispielhaft" für die Verkehrspolitik der letzten 30 Jahre sozialistischer Regierungen. Man muss das wirklich einmal so sagen! (Abg. Edler: Geh! Geh! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Ja, wirklich!

Da kann man zum Beispiel von Marketingmaßnahmen folgender Art lesen: Man fliegt auf den Himalaja, und das Ganze läuft dann unter dem Titel "Werbeausgaben". Da gibt es drei Prokuristen, und ein Prokurist arbeitet durchschnittlich 22 bis 25 Stunden im Monat. Wir reden da aber nicht von einem "Pimperl"-Betrieb, sondern wir reden von einem Betrieb, der 5 Milliarden Schilling im Jahr verbraucht, und davon sind 4 Milliarden Schilling Zuwendungen aus öffentlicher Hand. Muss man einmal sehen, wie damals gearbeitet wurde! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Noch ein schönes Beispiel: 1998 hat man ein Zeiterfassungssystem für die Mitarbeiter eingeführt. Gleichzeitig hat man 95 Prozent aller Mitarbeiter in höhere Gehaltsgruppen gestellt, sodass die Personalkosten von 14,2 Millionen Schilling auf 15 Millionen Schilling angewachsen sind. Genau das ist die sozialdemokratischen Politik der letzten 30 Jahre! – Ich danke Ihnen noch einmal, Herr Dr. Fiedler, dass wir das hier aufzeigen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Binder! Weil Sie da oben so schön lachen: Sie kritisieren die Frau Minister Forstinger, weil sie genau jene Empfehlungen, die der Rechnungshof in seinem Bericht macht, umsetzt. Jetzt sagen Sie: Das ist alles falsch!

Der Rechnungshof hat ganz klar gesagt: Der öffentliche Personennah- und Regionalverkehr sollte innerhalb der neuen rechtlichen Rahmen nach den Grundsätzen des Wettbewerbs erfolgen. – Frau Ministerin Forstinger wird keine Mittel entziehen, sie zieht sich nur zurück und will, dass dieser Betrieb ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ja, aus der objektiven Arbeit! – Es wird trotzdem vom Ministerium noch die Förderungen geben, und dieser Betrieb soll wirtschaftlich geführt werden und nicht so, wie Sie es gemacht haben, nämlich in Form von Freunderlwirtschaft, mit Himalaja-Reisen und mit dem Zweck, ausgediente Funktionäre unterzubringen und zu versorgen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Das ist seine zweite Wortmeldung. – Bitte.

12.41

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundesminister! Diese Debatte hat etwas an den Tag gefördert, das die Opposition so nicht auf sich sitzen lassen kann und das auch nicht tun wird.

Es war hier die Rede von so genannter Arbeitsverweigerung – wieder ist dieser leidige Unterausschuss angesprochen worden. Herr Kollege Prinz, ich sage Ihnen eines: Was hier mittels Mehrheitsmacht passiert, ist die Verweigerung sinnvoller, notwendiger und nützlicher demokratischer Mindest-Kontrollstandards. Doch für dieses Schauspiel, für das Sie uns im Ausschuss heranziehen wollten, geben wir uns einfach nicht her. Das ist der Punkt! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn das Thema "Ministerbüros" lautet, dann können Sie uns nicht mit dem Aufbieten von Sektionschefs und von anderen Mitarbeitern der Minister abspeisen. Da geht es eklatant um Ministerverantwortung, und genau das haben Sie abgelehnt: dass das nur im Ansatz angesprochen wird. Laufen Sie nicht herum und reden von Arbeitsverweigerung unsererseits! Hören Sie damit auf, gehen Sie in sich und bedenken Sie, dass Sie hier notwendigste und sinnvolle parlamentarische Kontrolle verweigern! Das sollten Sie sich ins Stammbuch schreiben lassen!

Aber es wird ja noch die Stunde kommen, in der das zum Thema wird, und ich darf an dieser Stelle ankündigen, dass wir die Absicht haben, die Erstellung eines Rechnungshofberichts


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herbeizuführen, wie er schon über die schwarz-rote Bundesregierung existiert, über ausgewählte Ministerien, und zwar genau über jene Ministerien, in welchen die Minister nicht in der Lage oder nicht willens waren oder, wenn sie willens waren, mit Mehrheit daran gehindert wurden, in einem Untersuchungsausschuss auszusagen. Wir werden beantragen, dass der Rechnungshof einen Auftrag für eine Sonderprüfung gemäß § 99 Abs. 2 bekommt. Dann werden wir weitersehen!

Dass Sie mit Mehrheit elementarste Kontrollrechte verweigern, das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen! Wir werden die wenigen Minderheitenrechte, die es noch gibt, dazu nutzen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Da gibt es keine!)

12.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

12.44

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist in dieser Rechnungshofdebatte von Koalitionsrednern beklagt worden, dass die Sachthemen zu kurz kommen. Da fragt man sich schon: Dafür wird die Opposition verantwortlich gemacht, wenn die sachzuständigen Minister hier fehlen?! – Na, wo ist denn Herr Minister Strasser beispielsweise? Wo ist denn Frau Ministerin Forstinger? Wo ist denn Herr Minister Molterer? Wo ist denn Herr Minister Bartenstein? Wo ist denn Frau Staatssekretärin Rossmann?

Meine Damen und Herren! Es ist ja ganz klar: Das ist eine konzertierte Aktion von den Regierungsparteien (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt hält er dieselbe Rede noch einmal!), und das ist bezeichnend, Herr Westenthaler, für den Umgang dieser Bundesregierung mit der Kontrolle, mit dem Parlament, mit dem Rechnungshof und mit der Demokratie! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Habt ihr das nicht vor einer halben Stunde auch schon gesagt? – Abg. Schwarzenberger: Wo ist der Klubobmann Gusenbauer? Er ist auch nicht da!)

Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Forstinger hat öffentlich erklärt, sie werde dem "kleinen Untersuchungsausschuss" Rede und Antwort stehen, hat aber zugleich ihrem Kollegen Gaugg gesagt, er solle mit allen Mitteln verhindern, dass sie in diesen Ausschuss zur Auskunft vorgeladen werden kann. Also ist sie nicht im Ausschuss erschienen. Sie stellt sich aber auch nicht im Nationalrat Sachthemen und nicht dem Thema "Regierungsbüros".

Daher werde ich Frau Forstinger zitieren. In der "Zeit im Bild 1" vom 15. November 2001 hat sie gemeint: In meinem Ressort herrscht Aufbruchsstimmung. – Wie hat sie denn das gemeint? Hat sie damit ihr Personal gemeint, wo es 19 Abgänge in einem einzigen Jahr zu verzeichnen gab?! Bedauerlicherweise kommen immer wieder neue Leute dazu. Wie spielt sich das ab?

Qualifikation? – völlig egal, wir machen Arbeitsleihverträge!

Bezahlung? – völlig egal, Frau Fabel ist kein Einzelfall!

Tätigkeit? – völlig egal, Fremdfirmen machen doch die Arbeit im Büro!

Aber bezahlen muss das, meine Damen und Herren, alles der Steuerzahler.

Oder ist mit der Bezeichung "Aufbruchsstimmung" etwa der Bürochef Miko gemeint? – Er ist ja nicht der einzige Bürochef, zeitweise gibt es ja mehrere. Jedenfalls sind immer mindestens zwei bezahlte Bürochefs unterwegs. Ich erinnere an den Fall Berner! Herr Miko wird mit 1. März 2002 im ÖBB-Vorstand sein. – Das ist der Postenschacher der FPÖ, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es pfeifen ja schon die Spatzen von den Dächern: Herr Gilbert Trattner wird Geschäftsführer bei der SCHIG! Die Qualifikation? – Ehemaliger Geschäftsführer der FPÖ. Nur: Da wird Herr


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Dr. Haider sehr dagegen sein, denn er ist doch immer gegen Postenschacher und gegen Freunderlwirtschaft aufgetreten!

Meine Damen und Herren! Die Bezeichung "Aufbruchsstimmung" kann sich natürlich auch auf die Ministerin selbst beziehen – da ist ja auch alles offen! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen jetzt gleich, was die ÖVP und was auch die FPÖ hinter den Kulissen in Bezug auf Frau Forstinger sagt. Inoffiziell ist das Urteil, meine Damen und Herren, nicht schmeichelhaft.

Was sagt die ÖVP? – Für die Opposition, sagt die ÖVP, sei es die beste Entscheidung, wenn Forstinger noch lange im Amt bliebe.

Und was sagt etwa der ÖVP-Verkehrssprecher Helmut Kukacka, der ja ein Meister der subtilen Keule ist? – Er sagt, sie habe Tritt gefasst.

Meine Damen und Herren! Was sagt die FPÖ eigentlich in Bezug auf die eigene Ministerin? Was schimpft zum Beispiel ein FPÖ-Landespolitiker über Forstinger? – Er sagt, man höre nie etwas von den eigenen Ministern, und wenn, dann über die Millionengagen im Büro Haupt oder dass Ministerin Forstinger eine halbe Million für eine Rede hinausschmeißt. – Das sagen die FPÖ-Politiker in Bezug auf Frau Ministerin Forstinger!

In der Tat, meine Damen und Herren: Für eine 45-Minuten-Rede hatte der Steuerzahler 545 000 S zu berappen!

In der Tat, meine Damen und Herren: Herr Miko sagt: Ich verdiene nur 110 000 S brutto. – Ich habe die Abrechnungen hier, da steht ja etwas ganz anderes drinnen. Aber mich würde einmal sehr interessieren, was Frau Forstinger zu diesen Abrechnungen sagt!

Oder – es geht ja noch besser! – etwa die stolze Tagesgage von 30 000 S für Herrn Haberleitner – und das auf Kosten der Steuerzahler!

Oder etwa das Unternehmen Iro & Partner: Honorar rund 4 Millionen Schilling. – Entschuldigung!, das wird vom Büro Forstinger dementiert: Es sind "nur" 2 Millionen Schilling, meine Damen und Herren!

Oder: Forstinger beschäftigt den Linzer Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Lauß, obwohl sie 138 Juristen in ihrem Büro hat!

Oder: Es gibt Ex-Mitarbeiter, die wegen ausständiger Gehälter klagen. Frau Ministerin Forstinger hält sich fünf persönliche Referenten.

Oder: Parteichefin Susanne Riess-Passer schäumt, denn Forstinger hat 10 Millionen Schilling für die Imagepflege ausgegeben.

Meine Damen und Herren! Diese Liste an Beipielen könnte man fortsetzen.

Frau Forstinger sagt etwa, sie habe eine einzige Beratungsfirma zur Imagepflege. – Ich kann Ihnen ein halbes Dutzend aufzählen, und alle arbeiten auf Kosten der Steuerzahler. Das sind die Firma Publico, das Büro Lauß, das Büro Haberleitner, Pixelwings Dunkl Corporate Design, Iro & Partner.

Bei diesen Zuständen, meine Damen und Herren, fehlt die Ministerin im Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses! – Das ist ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Bei diesen Zuständen, meine Damen und Herren, fehlt die Ministerin hier im Hohen Haus! – Das ist ein ganz besonderer Skandal! (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Die größte Skandalpartei Österreichs redet über Skandale!)


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Mein Resümee: Für die Opposition, Herr Westenthaler, ist Ministerin Forstinger eine Ideallösung – für die Bevölkerung, für die Infrastrukturpolitik, für die Verkehrspolitik ist sie eine blanke Katastrophe! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Früher waren Sie nicht so sensibel!)

12.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

12.49

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Das war jetzt ein Offenbarungseid des Herrn Kräuter, denn er hat kein Wort zum Bericht des Rechnungshofes 1999, den wir jetzt zu besprechen haben, gesagt, es war ein reines Ablenkungsmanöver vom eigenen Scherbenhaufen, den er in der Steiermark mit seinem Herrn Schachner-Blazizek vorfindet. Sie sollten sich ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege! Tragen Sie Ihre Scharmützel mit Ihrem Landesparteiobmann aus, da haben Sie genug zu tun, Herr Kräuter! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Also, ich würde das ja nie sagen, aber das Volk, die Bürger in der Steiermark – und ich war erst kürzlich dort – haben von einem "Sauhaufen" gesprochen. – Ich würde so etwas nie tun! Aber die Bürger des Landes bezeichnen Ihre Sozialdemokratie dort so, Herr Kräuter. Daher sollten Sie mit Ihrem Herrn Schachner-Blazizek auf die Walstatt reiten und die Frau Forstinger aus den "Kräutern" lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn wir schon über Verkehrspolitik reden, meine Damen und Herren, dann bin ich gerne bereit, diesen Handschuh aufzunehmen und darüber zu reden, welches Erbe Frau Minister Forstinger von Ihnen übernommen hat. Die Bürger nennen es "Sauhaufen", die Bürger, die "Menschen draußen", wie Sie es immer sagen.

Einen Transitvertrag eines Herrn Klima hat Frau Minister Forstinger geerbt, der den Namen nicht verdient, meine Damen und Herren. – Hasta la vista, Herr Klima!

Meine Damen und Herren! Diese Dinge haben sich auf dem Rücken der Tiroler abgespielt.

Oder: Eine Schienenpolitik der Katastrophe haben Sie hinterlassen, meine Damen und Herren! Jahrzehnte sind Sie auf dem Bremsschuh gestanden, haben nur die Privilegien der Eisenbahner verteidigt und haben die Bahn nicht auf einen modernen Stand gebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Einem!)

Oder: Ein desolates Straßensystem haben wir von Ihnen übernommen, meine Damen und Herren. (Abg. Ing. Westenthaler: Gescheiterter Verkehrsminister Einem!) "Katastrophnik" von A bis Z! Infrastruktur: Null Komma Josef! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das heißt zusammengefasst schlussendlich: Herr Kräuter, Sie sind heute bis zum Anschlag im Fettnapf gestanden. Lassen Sie die Frau Forstinger aus dem Kraut! Die hat genug zu tun, Ihre Versäumnisse aufzuarbeiten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich der Präsident des Rechnungshofes Dr. Fiedler. – Bitte.

12.52

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Mit Genugtuung habe ich im Laufe dieser Debatte vernommen, dass man mit den Berichten des Rechnungshofes und der Arbeit des Rechnungshofes bei sämtlichen Parteien sehr zufrieden war. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf mich für dieses Lob bedanken, möchte aber gleichzeitig sagen, dass dieses Lob zum überwiegenden Teil den Prüfern des Rechungshofes zu gelten hat beziehungsweise ihnen zu


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zukommen hat, denn ohne deren hevorragende Arbeit gäbe es die heute in Behandlung genommenen Berichte nicht. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf auf der anderen Seite aber auch, Bezug nehmend auf die Ausschussarbeit und die Diskussionen im Ausschuss, meinen persönlichen Dank, aber auch den Dank des Rechnungshofes dafür aussprechen, dass dort eine echte Unterstützung für die Anliegen des Rechnungshofes erkennbar war. Ich habe in den sehr sachlich geführten Diskussionen auch den Eindruck gewonnen, dass man von Seiten der Parlamentarier, und zwar aller Fraktionen, bemüht ist, eine gute Zusammenarbeit mit dem Rechnungshof zu pflegen.

Ich sehe darin einen echten Meilenstein für eine demokratische Zusammenarbeit zwischen Rechnungshof und Parlament, so wie dies die Bundesverfassung vorzeichnet, denn der Rechnungshof wird als Organ des Nationalrates tätig und er verschafft dem Nationalrat die nötigen Informationen, damit der Nationalrat seine Budgethoheit und alles, was damit zusammenhängt, wahrnehmen kann.

Auf der anderen Seite ist die Zusammenarbeit mit dem Nationalrat für den Rechnungshof deshalb von Vorteil, weil er durch die Diskussionen im Ausschuss oder im Plenum erwarten kann – zu Recht erwarten kann! –, dass die Behandlung der Themen, die der Rechnungshof aufgezeigt hat, zugleich einen Beitrag dazu leistet, dass die Empfehlungen, die der Rechnungshof in seinen Berichten festschreibt, leichter umgesetzt werden können.

Ich kann sagen, dass die Diskussionen, die im Ausschuss geführt wurden, auch im Zusammenhang mit dem Tätigkeitsbericht des Jahres 1999 dazu sicherlich einen Beitrag geleistet haben, wofür ich mich gleichfalls bedanken möchte. Wir wissen nämlich, dass eine ganze Reihe von Empfehlungen in diesem Bericht in der Zwischenzeit bereits umgesetzt werden konnte, und zwar nicht zuletzt durch die Unterstützung, die uns durch den Rechnungshofausschuss zuteil wurde.

Hohes Haus! Ich möchte aber auch noch auf etwas anderes zu sprechen kommen und möchte auch eine Bitte damit verbinden. Der Rechnungshof hat im Laufe der letzten Jahre eine gewaltige Vermehrung seiner Aufgaben erfahren: einerseits im Prüfungsbereich, wie zum Beispiel die Prüfungen der Kammern und auch die Prüfungen im Zusammenhang mit den Geldern der Europäischen Union. Er hat neben seiner eigentlichen Prüfungstätigkeit aber auch Aufgaben anderer Art hinzubekommen, wie zum Beispiel Einkommenserhebungen oder die sehr aufwendigen statistischen Erhebungen nach dem Bezügebegrenzungsgesetz. Von den internationalen Aufgaben des Rechnungshofes, die er gleichfalls zu erfüllen hat, möchte ich hier gar nicht im Detail sprechen.

Er wurde ferner in den letzten Jahren immer wieder verstärkt zu Prüfungen herangezogen, für welche die Aufträge aus dem Nationalrat beziehungsweise von den parlamentarischen Fraktionen kamen, wie dies beispielsweise hinsichtlich des heute gleichfalls in Behandlung stehenden Berichtes über die Bankenaufsicht der Fall war. Der Rechnungshof kommt klarerweise diesen Aufträgen, die in der Verfassung verankert sind, sehr gerne nach, gibt aber zu bedenken, dass auch seine personellen Ressourcen nur begrenzt sind. Er gibt zu bedenken, dass diese personellen Ressourcen auch immer wieder aufgefüllt werden müssen.

Ich habe heute mit großem Wohlwollen vernommen, dass bei mehreren Abgeordneten sehr deutlich zu Ausdruck kam, dass man sich gegen eine Reduzierung des Personalstandes des Rechnungshofes ausgesprochen hat. Ich kann dies nur begrüßen. Ich möchte alle Fraktionen dieses Hohen Hauses bitten, diese Aussage, dass man keine Reduktion des Personalstandes des Rechnungshofes vorzunehmen gedenkt, auch im Rahmen der nächsten Budgets und der Beschlussfassungen dieser Budgets zu berücksichtigen (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen), denn die Schlagkraft des Rechnungshofes und die Qualität seiner Arbeit können nur dann gewahrt werden, wenn er die entsprechenden personellen Ressourcen zur Verfügung hat und wenn er insofern keine Einbußen zu erleiden hat.


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Ich glaube, es liegt auch im Interesse dieses Hohen Hauses, dass diese Schlagkraft des Rechnungshofes erhalten bleibt, denn letztlich ist damit auch gesichert, dass der Informationsfluss vom Rechnungshof zu Ihnen in derselben Quantität und in derselben Qualität aufrechterhalten werden kann und dass damit die gemeinsame Basis für die Zusammenarbeit auch in der Zukunft vorhanden ist. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

12.58


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, seinen Tätigkeitsbericht über das Verwaltungsjahr 1999, III-73 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Somit ist der Antrag angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, seinen Sonderbericht über die Bankenaufsicht, III-92 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Somit ist der Antrag angenommen.

3. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss (III-113 der Beilagen) für das Jahr 2000 (864 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (785 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert wird (8. BFG-Novelle 2001) (865 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (783 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem Überschreitungen von Ausgabenansätzen der Anlage I des Bundesfinanzgesetzes 2001 bewilligt werden (Budgetüberschreitungsgesetz 2001 – BÜG 2001) (866 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (784 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert wird (BFG-Novelle 2002) (867 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (780 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird (868 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zu den Punkten 3 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. (Die Abgeordneten der ÖVP stellen zwei Tafeln alternierend vor sich auf die Bank: Auf der einen Tafel steht in schwarzer Schrift und unter dem ÖVP-Logo: "Neue Chancen", auf der anderen Tafel steht in roter Schrift und durchgestrichen: "Statt neuer Schulden".)

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Edlinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Edlingers letztes Budget hat die rote Laterne – und Rapid auch bald! Abstiegsgefahr! – Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

13.00

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesrechnungsabschluss 2000 liegt vor – und er ist in der Tat ein technisch korrektes Rechenwerk, ein exaktes Spiegelbild der budgetären Auswirkungen der Politik der österreichischen Bundesregierung, ein Spiegelbild allerdings im Hinblick auf die erste Etappe Ihrer Wendepolitik, einer Politik, gekennzeichnet durch massiven Sozialabbau, einer Politik, gekennzeichnet durch gewaltige Steuererhöhungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch nie – und das nach nur eineinhalb Jahren Schwarz-Blau! – musste die österreichische Bevölkerung für so wenige Leistungen des Staates so viel Geld zahlen wie unter Ihrer Regierung! Das sind die "neuen Chancen", die Sie der Bevölkerung Österreichs geben! (Beifall bei der SPÖ.)

Als Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, vor 20 Monaten angetreten sind, versprachen Sie unter dem Motto "Neu regieren" unter anderem: eine Zukunft ohne Schulden, Senkung der Steuerquote, eine Politik der sozialen Treffsicherheit. Doch was ist davon geblieben? – Tatsächlich orientieren Sie Ihre Politik nach anderen Kriterien: Das Hauptkriterium Ihrer Politik ist das Prinzip der mangelnden Wahrhaftigkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie schaut es denn aus mit dem Schuldenabbau? – Die Schulden steigen! 1 623 Milliarden Schilling Schulden haben Sie übernommen, und diese werden im Jahre 2002 1 706 Milliarden Schilling betragen! (Der Redner hält eine Tafel, auf der eine Graphik zu sehen ist, in die Höhe und stellt diese dann vor sich auf dem Rednerpult auf.) Prinzip der mangelnden Wahrhaftigkeit: Die Schulden steigen unter Schwarz-Blau! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zweites Problem: Sie haben eine Senkung der Steuerquote versprochen. – Die Steuern steigen jedoch um 111 Milliarden Schilling! (Der Redner stellt eine weitere Tafel, auf der gleichfalls eine Graphik zu sehen ist, auf das Rednerpult.) Das muss ich korrigieren, eben auf Grund der Aussagen des Herrn Finanzministers. Ich korrigiere meine eigene Graphik mit zwei kleinen braunen Säulen. – Bitte keine politische Interpretation! (Der Redner stellt die nächste Tafel auf das Rednerpult. – Heiterkeit bei der SPÖ.) Noch mehr als plus 111 Milliarden Schilling Schulden! Das ist Ihre Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Rapid ist arm! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Im Besonderen steigt die Lohnsteuer, liebe Freunde von der Freiheitlichen Partei, die Steuer der kleinen Leute in unserem Lande! Sie nehmen die Kleinen aus und geben es den Großen! Das ist Ihre Politik der "Wende", meine sehr verehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Es ist erst wenige Monate her, als Herr Finanzminister Grasser mit mir eine Diskussion darüber geführt hat, wer denn die höchste Steuerquote hätte: 44,4 Prozent, 44,3 Prozent oder 44,2 Pro


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zent. – Die Europäische Union bescheinigt Ihnen, Herr Finanzminister Grasser: Mit 45,6 Prozent haben Sie die höchste Steuerquote in der Geschichte unseres Landes erreicht! Ich "gratuliere" Ihnen dazu, sehr geehrter Herr Finanzminister! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Selbst den Medien ist das zu viel. (Der Redner legt eine Ausgabe des "Kurier" vor sich auf das Rednerpult.) "So schröpft der Finanzminister die Österreicher", heißt es hier.

Ich bin ein Fan von Ihnen, sehr geehrter Herr Finanzminister. (Oho-Rufe bei den Freiheitlichen.) Meine "sprechenden" Krawatten sind ja schon bekannt – und ich trage das erste Exemplar Ihrer Fankrawatte, Herr Finanzminister (der Redner dreht sich zu dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Mag. Grasser um und zeigt diesem seine Krawatte): der blaue Hai , meine sehr verehrten Damen und Herren! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie sollten lieber die grüne Rapid-Abstiegskrawattte nehmen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Gegenrufe bei der SPÖ.)

"Neu regieren" werden Sie, haben Sie gesagt. – Neu regieren nach dem Prinzip der sozialen Kälte  – das ist Ihr Prinzip, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Die sozial Schwächeren wurden vielfach belastet: Arbeitslose, Unfallrentner, Einkommenslose wie Studenten. Belastet wird die österreichische Bevölkerung durch Ambulanzgebühren, Energiepreise et cetera. – Endlos lang könnte man diese Liste fortsetzen.

Besonders schändlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, finde ich allerdings die Pensionsanpassung, die wirklich mickrig ist. Ich halte es für skandalös, in welcher Form der Herr Ab-Kanzler Dr. Schüssel heute in der Fragestunde dazu Stellung genommen hat! (Abg. Achatz: "Ab-Kanzler" Dr. Schüssel?) Schämen Sie sich, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Achatz: Schämen Sie sich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zweimal haben Sie den Pensionisten in unserem Lande – das ist jene Generation, der wir in unserem Lande so viel verdanken – nicht einmal die Inflation abgegolten! (Rufe bei der SPÖ: Unerhört!) 10 Milliarden Schilling haben Sie sich so in diesen zwei Jahren erspart, Herr Finanzminister!

Ebenso schändlich finde ich es, das AMS in dieser Weise abzukassieren: 200 000 Arbeitslose, 33 000 jugendliche Arbeitslose – und nur jeder Dritte in einem Programm des AMS, weil Sie das AMS in den drei Jahren Ihrer Budgettätigkeit mit 35 Milliarden Schilling abkassiert haben! Das heißt: Arbeitslose und Pensionisten tragen mit 45 Milliarden Schilling zu Ihrem Nulldefizit bei! Die werden sich besonders dafür "bedanken", meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Noch ein Aspekt: Die realen Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich sinken, und zwar in einem dramatischen Ausmaß! 30 Jahre sozialdemokratische Politik in unserem Lande hat dazu geführt (Abg. Mag. Schweitzer: Milliarden Schilling Schulden bei Ihnen!), dass der Lebensstandard in unserem Land enorm gestiegen ist. 1970 verdienten die Arbeiter und Angestellten in der Bundesrepublik Deutschland um 38 Prozent über dem der Arbeitnehmer in Österreich; heute verdienen die österreichischen Arbeitnehmer um 5 Prozent mehr als die Deutschen. (Abg. Dr. Khol: Trotz Ihrer Schulden! Weil die Leute so fleißig sind!)

Das war angewandte Gesellschaftspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das war jene Politik, zu der wir uns bekennen! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

30 Jahre sozialdemokratische Politik hat dazu geführt, Österreich von einem Hinterhofland Europas (Rufe bei den Freiheitlichen: "Hinterhofland"? – Abg. Haigermoser: Sie sind ein Hinterwäldler!) zu einem der stärksten Industrieländer auf dieser Welt zu machen! Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Hohes Haus! Weltweit diskutiert man über die Wirtschaftskrise, über eine Rezession. – Die österreichische Bundesregierung philosophiert jedoch darüber, ob das ein "Rezessiönchen" sei, ob es eine "technische" Rezession sei, ob es ein Dellchen oder eine Delle sei, ein Loch – oder was auch immer.

Wahr ist vielmehr, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wifo-Chef Kramer spricht von einer Rezession! Darf ich Ihnen das hier vor Augen führen? (Der Redner hält eine Ausgabe des "Standard" in die Höhe und legt diese dann auf das Rednerpult. – Abg. Dr. Khol: Neue Chance!) Die OECD sieht eine weltweite Rezession, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Der Redner hält eine weitere Ausgabe des "Standard" in die Höhe.) Nur Grasser – wie der "Standard" schreibt – sieht keine Rezession.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien: nicht philosophieren über eine Rezession, sondern: Werden Sie endlich tätig! (Abg. Dr. Krüger: Der ... war im Vergleich zu Ihnen ein Optimist!) – Das hat mit Optimismus nichts zu tun. (Abg. Dr. Khol: Sie reden so wie einer, der sich eine Rezession wünscht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Stummvoll hat mir einmal gesagt, ich soll die Wirtschaft nicht krankjammern. – Das ist nicht meine Absicht, aber: Gesundbeten ist genauso wenig ein Rezept! Aber das machen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Nulldefizit in einer Rezession anzupeilen, ist kontraproduktiv. Ein Nulldefizit in einer Rezession anzupeilen und das als positiven Punkt einer Wirtschaftspolitik zu definieren, ist meiner Meinung nach sozial unmöglich. Wer in einer Wirtschaftskrise dieser Krise untätig zuschaut, der verschärft die Probleme! Selbst die Amerikaner versuchen, durch antizyklische Programme da herauszukommen.

Sehr geehrter Herr Finanzminister, Sie mutieren von einem Wirtschaftspolitiker zu einem Oberbuchhalter dieser Nation! Ich "gratuliere" Ihnen dazu! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Nichts gegen Buchhalter, bitte! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eine Weltwirtschaftskrise, das ist gar keine Frage, jedoch mit massiven hausgemachten Faktoren. Das Wirtschaftswachstum ist nämlich in Österreich stärker rückläufig als in anderen Ländern der Europäischen Union. Die Inflation steigt in Österreich stärker als in anderen Ländern der Europäischen Union. (Rufe bei den Freiheitlichen: Unwahr!) Die Arbeitslosigkeit steigt in Österreich stärker als in anderen Ländern der Europäischen Union! Das sind die hausgemachten Faktoren, denn die weltwirtschaftlichen Fakten wirken auf alle 15 EU-Länder gleich.

Sie von ÖVP und FPÖ haben in diesen eineinhalb Jahren ein hausgemachtes Dilemma hier angerichtet! Ich bin aber überzeugt davon, dass Ihnen die Menschen das entsprechend heimzahlen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Finanzminister hat ein Nulldefizit – und die Österreicherinnen und Österreicher haben dafür das größte Defizit in der Geschichte unseres Landes in den Brieftaschen! Darauf können Sie "stolz" sein, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Trattner: Was Sie für einen Blödsinn reden!)

Wesentlich wäre, in dieser Phase eine offensive Politik zu machen. Österreich bräuchte in einer solchen kritischen Phase ein entschlossenes Signal der Regierung: ein Entlastungs- und Wachstumsprogramm, das Konjunktur, Beschäftigung, Wohlstand und soziale Sicherheit durch öffentliche Investitionshilfe und steuerliche Entlastung begünstigt.

Unser Land braucht eine Förderung des Wirtschaftsstandortes – statt des Ausverkaufs erfolgreicher Unternehmen an das Ausland. (Abg. Schwarzenberger: Bank Austria zum Beispiel! – Abg. Dr. Khol: Bank Austria war Ihr Werk, Herr Edlinger!) Österreich braucht Investitionen in die Infrastruktur, und zwar dort, wo es für das Land notwendig ist – und nicht dort, wo Sie sich


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einem Landeshauptmann andienen wollen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Unser Land braucht, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, eine Verstärkung aktiver Arbeitsmarktprogramme. Kassieren Sie nicht die Gelder der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab, sondern stellen Sie diese dafür zur Verfügung, wofür sie gehören, nämlich für eine offensive Politik für die Menschen in unserem Lande! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Nur Schulden gemacht haben Sie! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte. (Oje-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol – in Richtung des Abg. Edlinger –: Schulden machen! Edlinger, der Schuldenmacher! – Abg. Edlinger: Sie haben getrieben in einer unglaublichen Art und Weise! 13 Jahre waren Sie von der ÖVP in der Regierung! Alles vergessen ...? – Abg. Dr. Khol: Schuldenmacher Edlinger! – Abg. Edlinger: Der "König" der Schuldenmacher war der Schüssel! – Widerspruch bei der ÖVP. – Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Am Wort ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll! Geben Sie ihm bitte die Chance, mit seinem Redebeitrag zu beginnen!

13.12

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift "Neue Chancen statt neuer Schulden" vor sich auf dem Rednerpult auf.) Herr Kollege Edlinger, bei Ihrer Rede soeben ist mir klar geworden, warum Sie in der heutigen Fragestunde zwei Mal den Zwischenruf "Schmähführer!" gemacht haben: Das war eine Eigendefinition, eine Selbstbeschreibung! Das ist mir jetzt klar geworden bei Ihrer Rede, Herr Kollege Edlinger! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zudem ist es ein beachtlicher Akt der Kühnheit, als jemand, der selbst über drei Jahre lang Finanzminister war, dessen Parteifreunde 27 Jahre lang das Amt des Finanzministers innehatten, jetzt, nach 30 Jahren expansiver sozialistischer Schuldenpolitik, als Besserwisser hier an dieses Rednerpult zu treten! Ein beachtlicher Akt der Kühnheit, Herr Kollege Edlinger! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zu Beginn meiner Rede muss ich – ich weiß nicht, ob das laut Geschäftsordnung überhaupt erlaubt ist – eine tatsächliche Berichtigung anbringen: Herr Kollege Edlinger hat, für alle hörbar, im Zuge dieser Diskussion über den Bundesrechnungsabschluss 2000 behauptet, die Lohnsteuer wäre gestiegen. – Wahr ist vielmehr – Herr Präsident des Rechnungshofes, ich rufe Sie als Zeugen! –, dass gemäß Bundesrechnungsabschluss 2000 die Lohnsteuer um 4 Milliarden Schilling gesunken ist, Herr Kollege Edlinger! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger  – eine Tafel mit einer Graphik in die Höhe haltend –: So schaut es aus!)

Herr Kollege Edlinger! Sie können noch so sehr mit vielen Statistiken, mit vielen Zeitungsausschnitten versuchen, eine Taktik der Verwirrung zu betreiben: Ich halte mich an einen Satz, den der Herr Finanzminister bei seiner Budgetrede mehrmals verwendet hat: "Der Vergleich macht uns sicher!" (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Vergleichen wir! (Abg. Gaál: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

Meine Damen und Herren! Nur zwei Zahlen, kein Verwirrspiel mit vielen Statistiken, nur zwei Zahlen (Rufe bei der SPÖ: Bleiben Sie bei der Wahrheit!): Das letztes Budget unter Finanzminister Edlinger erbrachte ein Defizit von 68 Milliarden Schilling, das erste Budget Grasser: 39 Milliarden Schilling! – Also rund 30 Milliarden Schilling weniger! (Abg. Dr. Khol: Halbiert! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Locker formuliert heißt das: Finanzminister Grasser kommt, was die Neuverschuldung betrifft, Herrn und Frau Österreicher um 30 Milliarden Schilling billiger als


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Finanzminister Edlinger! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Und wer hat das bezahlt?)

Allein diese eine Zahl – 30 Milliarden Schilling weniger! – rechtfertigt die Wende, Herr Kollege Edlinger! (Rufe bei der SPÖ: Wer hat denn das bezahlt?) Allein dadurch entsteht eine auf Dauer geringere Zinsbelastung von 1,5 Milliarden Schilling! 1 500 Millionen Schilling pro Jahr weniger an Zinsbelastung durch diese neue Finanzpolitik! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Gut gemacht! – Abg. Mag. Schweitzer: Bravo!)

Meine Damen und Herren! Diese Regierung, dieser Finanzminister und diese Parlamentsmehrheit sind auf dem besten Wege, das zu realisieren, was wir vor eineinhalb Jahren versprochen haben: Wir werden Österreich aus den roten in die schwarzen Zahlen führen! – Am Ende des Tunnels ist das blaue Licht schon sehr deutlich erkennbar. (Heiterkeit.) Neue Chancen statt neuer Schulden! (Der Redner weist auf die vor ihm stehende Tafel hin. – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich aber auch noch Folgendes sagen: Es ist dies nicht nur ein Verdienst dieser Regierung, es ist dies nicht nur ein Verdienst dieses Finanzministers, sondern in allererster Linie ein Verdienst des Steuerzahlers und der Wirtschaft, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Schröpf! Schröpf!)

Die Steuerzahler und die Wirtschaft sind viel vernünftiger, als manche von Ihnen von der SPÖ offensichtlich glauben. Sie haben nämlich eingesehen, dass eine Gesundung des Staatshaushaltes die Basis für den Wohlstand der Zukunft ist – etwas, das Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, noch nicht begriffen haben! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Neue Chancen statt neuer Schulden! – Wie ist das zu verwirklichen? Ich gebe zu, man sollte nicht nur mit Schlagworten agieren. Wie können wir dieses Leitmodell "neue Chancen statt neuer Schulden" verwirklichen, und was hat die Regierung dafür bereits gemacht? (Ruf bei der SPÖ: Nichts!) Das ist deshalb wichtig, weil wir den Österreicherinnen und Österreichern sagen können: Bei dieser Regierung seid ihr auch in Zukunft in guten Händen! Habt Vertrauen zu dieser Regierung! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Edler: Wer hat denn eine Chance?)

Ich werde nun den Nachweis dafür erbringen. Im Grunde brauchen wir zur Verwirklichung dieses Slogans wirtschafts- und gesellschaftspolitisch ein strategisches Dreieck, und zwar erstens die Modernisierung des Staates, zweitens eine Entlastung des Bürgers – mehr Geld in der Hand des Bürgers, weniger Geld in der Hand des Staates! – und drittens Investitionen in die Zukunft, in Forschung, Entwicklung und Infrastruktur.

Zu Punkt 1, den Staat modernisieren: Wir haben gestern hier in diesem Hohen Hause die Verwaltungsreform debattiert. Sie ist die größte Reform der Verwaltung in der Geschichte der Zweiten Republik und bedeutet für den Bürger: mehr Service, weniger Bürokratie, weniger Papierkrieg, weniger Behördenwege und für das Budget 20 Milliarden Schilling weniger an Ausgaben. – Danke schön, Herr Bundeskanzler, Frau Vizekanzler, Herr Finanzminister! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die zweite Säule dieses Dreiecks: Entlastung des Bürgers. – Meine Damen und Herren, es ist schon richtig: Die Steuerreform 2000 wurde nicht von dieser Regierung beschlossen – aber diese Regierung hat diese Entlastung des Bürgers in der Höhe von 30 Milliarden Schilling finanziert! (Abg. Edlinger: Wer zahlt denn das?)

Zweites Beispiel: Die Liberalisierung von Gas, Strom und Telekom brachte dem Bürger und der Wirtschaft eine Entlastung von 10 bis 12 Milliarden Schilling. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Drittens, das Kindergeld: Das führt zu einer Entlastung der Familien um 9 Milliarden Schilling! Wir werden auch noch eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten durchführen, ein noch ausständiger Betrag von wiederum 10 bis 12 Milliarden Schilling. (Rufe bei der SPÖ: Wo?)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das heißt also: Die Steuerreform 2000, finanziert von dieser Regierung: 30 Milliarden Schilling, und die Liberalisierung von Strom, Gas und Telekom, das Kindergeld sowie Maßnahmen bei den Lohnnebenkosten: noch einmal 30 Milliarden Schilling! Das ist Entlastung des Bürgers! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Wer zahlt das?)

Zum dritten Eckpunkt, den Investitionen in die Zukunft: Bei der Forschung gab es in den letzten drei Jahren eine Steigerung um 7 Milliarden Schilling. Ein Plus von 7 Milliarden Schilling für Forschung und Entwicklung!

Bei der Bildung, auch im Dreijahresvergleich: 7 Milliarden Schilling mehr an Investition in die Bildung. (Abg. Edlinger: Unwahr!) All das ist nachzulesen; das ist keine Verwirrtaktik, Herr Kollege!

Bei der Infrastruktur gab es im Dreijahresvergleich ebenfalls ein Plus von 8 Milliarden Schilling. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Das heißt: Diese Regierung kündigt nicht nur an, sondern sie ist dabei, das, was sie versprochen hat, tagtäglich umzusetzen! Sie hat das Versprechen gehalten: Neue Chancen statt neuer Schulden!

Lassen Sie mich, da es Kollege Edlinger wieder erwähnt hat, auch noch sagen: Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Opposition Freude daran hätte, würde es tatsächlich zu einer Rezession in Österreich kommen. (Abg. Dr. Khol: Die redet die SPÖ herbei!)  – Meine Damen und Herren, man kann die Wirtschaft zwar nicht gesundbeten – darin hat Kollege Edlinger Recht –, aber krankjammern kann man sie sehr wohl, denn jeder von uns weiß, dass gerade in der Wirtschaft das Atmosphärische, das Klimatische, das Psychologische, das Vertrauen in die Zukunft eine ungeheuer große Rolle spielt. Wenn man nun ständig von Rezession redet, wenn man ständig alles schlecht macht, dann hat das negative Auswirkungen auf das Verhalten der Konsumenten und der Betriebe.

Herr Kollege Edlinger, ich werfe denjenigen, die das betreiben, um daraus politisches Kleingeld zu schlagen, vor, dass sie der Wirtschaft, dem Wirtschaftsstandort, den Arbeitsplätzen, den Einkommenschancen schweren Schaden zufügen. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen, Herr Kollege Edlinger! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Das ist die OECD! Danke, dass Sie mir den Einfluss auf die OECD zubilligen!)

Lassen Sie mich eines auch sagen, als letzten Vergleich: Wir hatten von 1990 bis 2000 ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent – in einer hohen Wachstumsphase. Was sagt die OECD? Heuer voraussichtlich 1,2 Prozent, nächstes Jahr 1,5 Prozent, aber immer Wachstum. Vergleichen Sie diese Zahlen!

Der Vergleich macht uns sicher: Diese Regierung ist gut unterwegs, und die Bürger sind bei dieser Regierung in guten Händen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

13.21

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte heute das Privileg in Anspruch nehmen, hin und wieder eine ganz nüchterne, kühle Rede halten zu dürfen. Emotionen über Temelin, Afghanistan et cetera et cetera habe ich in den letzten Wochen genug erlebt. Nehmen Sie mir das also bitte nicht übel!

Ich werde mich auf einige Zahlen und Fakten konzentrieren und mich zunächst dem Bundesrechnungsabschluss 2000 widmen und dann der aktuellen Budgetentwicklung und Konjunkturlage zuwenden.


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Ich möchte vorausschicken, dass das Jahr 2000 budgetpolitisch ein atypisches Jahr war. Wir hatten die längste Zeit, also einige Monate hindurch – ungewöhnlich lange in der österreichischen Finanzgeschichte –, ein Budgetprovisorium. Die Regierungsbildung erfolgte erst Ende Jänner des Jahres 2000 und schon Mitte März die Budgetrede des neuen Finanzministers, Herrn Grasser. Es verging also ungewöhnlich kurze Zeit zwischen Regierungsbildung und Budgetrede beziehungsweise Budgeterstellung, und somit ist klar, dass dieses Budget 2000 unter größtem Zeitdruck erstellt worden ist.

Wir haben schon damals gesagt: Wenn wir irgendwann in der Zukunft die Ära von Finanzminister Grasser betrachten werden, dann wird das Jahr 2000 sicherlich nicht das Kernjahr seiner Amtsführung bezüglich Einschätzung, Bewertung und Kritik der Grasser’schen Budgetpolitik sein können, sondern fairerweise wird man sich auf andere Jahre konzentrieren müssen.

Zunächst zum Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2000: Herr Präsident, es handelt sich wie üblich um eine gründliche und informative Arbeit des Rechnungshofes und seiner Bediensteten. Dafür möchte ich wie jedes Jahr danken. Wenn ich eine Anregung hätte, dann bezüglich der Übersichtstabellen vor allem im allerersten Teil des Bundesrechnungsabschlusses. Es wäre zum leichteren Vergleich sehr hilfreich, wenn Sie in diesen Tabellen durchwegs den Bundesvoranschlag 2000 dem Bundesrechnungsabschluss 2000 gegenüberstellen würden. Das ist nämlich nicht durchgängig der Fall. Wenn Sie sich das vielleicht anschauen wollen: Auf Seite 22 werden in einer Tabelle Bundesvoranschlag und Bundesrechnungsabschluss noch gegenübergestellt, aber auf den Seiten danach ist das nicht mehr der Fall, vor allem nicht in den Tabellen auf Seite 25, soweit ich mich recht erinnere, was das Maastricht-Defizit beziehungsweise den so genannten Primärsaldo des Bundes betrifft. Dort gibt es nur Zeitreihen über die letzten verfügbaren Daten bis zum Jahr 2000, aber keine Gegenüberstellung des BVA mit dem Bundesrechnungsabschluss.

Nun zum Positiven oder zu den Erfolgen, wenn Sie so wollen, dieser Budgetpolitik. Ich beschränke mich jetzt im Wesentlichen auf die Budgetsalden und gehe nicht ein auf die Details der Ausgabenentwicklung und Einnahmenentwicklung. Es gibt in der Tat, so glaube ich, einige positive Dinge, die zu berichten wären.

Erstens, dass das Defizit im Bundesrechnungsabschluss erheblich niedriger ist als seinerzeit im Bundesvoranschlag vorgesehen – erheblich: ungefähr einen halben Prozentpunkt des BIP –, mit der Kehrseite, dass dieser Effekt schon im Jahr 2000 im Wesentlichen auf Faktoren auf der Einnahmenseite und nicht auf Faktoren auf der Ausgabenseite beruht.

Herr Kollege Stummvoll! Sie haben sehr farbig und lebhaft die Steuersenkungsabsichten der Regierungsparteien für die Zukunft thematisiert. (Abg. Dr. Stummvoll: Nicht die Absicht!) Tatsache ist aber, dass wir derzeit die höchste Abgabenquote in der Geschichte Österreichs haben. Das ist unbestreitbar! (Beifall bei den Grünen.)

Immerhin: Das Defizit im Bundesrechnungsabschluss 2000 ist niedriger als im Bundesvoranschlag. Das Defizit ist auch niedriger, und zwar erheblich niedriger, als im Jahre 1999, dem letzten Jahr der rot-schwarzen Regierung. Es gibt aber den Wermutstropfen, dass das Defizit im Jahr 2000 immer noch erheblich höher ist als der Durchschnitt des Defizits im Euro-Raum.

Wenn man sich die Defizitentwicklung 2001/2002 anschaut, dann muss man immerhin feststellen, dass das Defizit im Jahre 2001 neuerlich deutlich sinkt und die österreichischen Daten inzwischen deutlich unter jenen des Durchschnitts im Euro-Raum beziehungsweise der EU-15 liegen.

Mit anderen Worten: Österreich hat die Schlusslaterne – wie nennt man das: das rote Licht? (Abg. Böhacker: Die rote Laterne! Das rote Licht ist etwas anderes!); die rote Laterne, danke –, die rote Laterne in diesem Bereich abgegeben. Man kann ja zur Defizitentwicklung und zur Verschuldung in den EU-15 stehen, wie man will, aber dass Österreich 1998/1999 gerade den letzten oder vorletzten Platz einnahm, das war nicht sehr angenehm.


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Aber was ich insbesondere richtig und wichtig finde und was man hervorheben sollte und worauf sich der Herr Finanzminister zu meinem Erstaunen bis jetzt so gut wie nie berufen hat, ist, dass sich das so genannte strukturelle Defizit – oder im Jargon der EU-Kommission: das "cyclically adjusted net borrowing" – des öffentlichen Sektors in den Jahren 2000, 2001, 2002 deutlich gebessert hat. Das ist meines Erachtens das eigentlich Entscheidende!

In einer guten Konjunkturlage ein niedrigeres Defizit zu fahren, das ist erstens keine Kunst, und zweitens soll es ja auch so sein. Aber worauf es ankommt, ... (Abg. Böhacker: Das war aber nicht immer so!) – Das war nicht immer so, völlig richtig! – Aber worauf es ankommt, ist, wie sich das strukturelle Budgetdefizit verändert, das heißt jenes Defizit, in dem die aktuelle Konjunkturlage so gut wie möglich unberücksichtigt bleibt. Gleichgültig, ob wir uns in einer Rezession oder in einer Hochkonjunktur befinden, darüber sagt das so genannte strukturelle Budgetdefizit aus, das heißt jenes Defizit, das von den aktuellen Konjunkturdaten bereinigt ist.

Wenn man sich die Differenz zwischen dem strukturellen und dem so genannten aktuellen Budgetdefizit anschaut, dann sieht man ganz deutlich die Verbesserung des Saldos: im Jahr 2000 noch 0,8 Prozentpunkte des BIP zu Ungunsten des strukturellen Budgetdefizits, im Jahr 2001 nur noch 0,1 Prozentpunkte des BIP Differenz, und im Jahr 2002 – zugegeben, das sind vorläufige Daten – ist das strukturelle Budgetdefizit bedeutend niedriger als das aktuelle. Das heißt, wir haben einen deutlichen Überschuss im strukturellen Saldo im Gegensatz zum voraussichtlichen aktuellen Budgetdefizit.

Auf das Jahr 2003 gehe ich gar nicht ein. Darüber finden Sie Daten im Bericht der EU-Kommission von heute beziehungsweise von gestern, aber das ist ohnehin Kaffeesudlesen.

Im Übrigen: Die Zahlen im Bericht des Internationalen Währungsfonds vom Oktober, im "World Economic Outlook", über das strukturelle Defizit sind naturgemäß andere – da ging man noch von einer etwas besseren Konjunkturlage aus –, aber der Trend ist der Gleiche.

So viel zum Positiven. (Abg. Mag. Trattner: War eh sehr viel!)

Es gibt auch Negatives. Wir haben in unserem Land die höchste Abgabenquote in der Geschichte Österreichs, und ihr Abstand zu jener im Euro-Raum hat sich gegenüber 2000 erhöht. Aber vor allem hinsichtlich der Arbeitsmarktlage und der Arbeitsmarktpolitik enthält der Bericht der EU-Kommission Anmerkungen – nicht im Österreich-Teil, sondern weiter vorne –, die äußerst bedenklich sind: Österreich – Herr Kollege Trattner, hören Sie zu! (Abg. Mag. Trattner: Ich höre immer zu!), danke! – ist europäisches Schlusslicht bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze, im Jargon der EU: bei der Job-Creation. Schlusslicht!

Österreich ist andererseits 2001/2002 Spitzenreiter beim Nettoverlust von Arbeitsplätzen. Das hängt nicht unmittelbar mit der Budgetpolitik zusammen – ich will das überhaupt nicht unterstellen –, sondern in anderen Bereichen der Politik gibt es hier offensichtlich – unter Anführungszeichen – "Defizite". Sonst kann es nicht sein, dass wir bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze Schlusslicht sind, hingegen Spitzenreiter beim Nettoverlust von Arbeitsplätzen. (Abg. Großruck: Weil wir Vollbeschäftigung haben! – Abg. Böhacker: Wir haben auch 30 000 neue Unternehmen!) Ja, ja, aber das wirkt sich kaum auf die Beschäftigung aus, jedenfalls nicht im Vergleich mit den anderen EU-14.

Die Kernfrage, mit der wir uns alle beschäftigen und auf die Kollege Edlinger natürlich mit Recht hingewiesen hat, zumindest indirekt hingewiesen hat, ist: Die Budgets 2001/2002 wurden entworfen in einer Zeit, in der die Konjunkturlage völlig anders eingeschätzt wurde als heute. Daraus ergibt sich natürlich die Frage: Was tun jetzt?

Gleichgültig, ob Sie die nominellen oder die realen Daten anschauen: Die Verhältnisse haben sich deutlich geändert. Das ist auch unabhängig davon, wie wir "Rezession" definieren. Ich weiß schon, dass es darüber unterschiedliche Anschauungen gibt. (Abg. Böhacker: Drei Experten – vier Meinungen!) Ich persönlich habe immer gemeint, es sei richtig, von einer Rezession zu sprechen, wenn die Kapazitäten verglichen mit der Situation vorher nicht ausgelastet sind, wenn die Arbeitsproduktivität stärker steigt als das Wirtschaftswachstum, sodass die Arbeitslosigkeit


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zunimmt. Aber auch wenn Sie das technische Kriterium heranziehen, nämlich dass in zwei Quartalen hintereinander das Sozialprodukt sinkt, wird klar, dass wir uns derzeit in einer Rezessionsphase befinden.

Das ist ja nicht meine Erfindung, diese Daten sind vom Wifo beziehungsweise von Herrn Kramer in dieser Woche gekommen. (Abg. Dr. Khol: Das ist aber nicht wahr! Das ist eine Prognose!) Der Internationale Währungsfonds warnt schon einige Zeit davor, weltweit, nicht nur in Österreich. (Abg. Dr. Khol: Wifo ist eine Prognose!) – Das ist eine Prognose, aber für das vierte Quartal 2001, in dem wir uns bekanntlich bereits befinden (Abg. Dr. Khol: Aber das ist Prognose!), und für das erste Quartal 2002, in dem wir uns demnächst befinden werden. Die EU-Kommission weist im Übrigen zumindest für das vierte Quartal 2001 ebenfalls Minuswerte für Österreich aus. Das ist eine Übereinstimmung. (Abg. Dr. Khol: Das ist Prognose!)

Aber, Herr Kollege Khol, ich verstehe das überhaupt nicht (Abg. Dr. Khol: Weil Sie gesagt haben: "Wir befinden uns"!): Seit wann ist es Grundlage einer vernünftigen Politik, die Realität nicht zur Kenntnis zu nehmen? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Mir liegt es vollkommen fern, so wie Herr Kollege Stummvoll insinuiert hat, die österreichische Wirtschaft oder die Arbeitsmarktlage krankzureden, aber die Fakten muss man doch zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege Khol! (Abg. Dr. Khol: Das ist noch kein Faktum!)

Ich habe mir so wie Herr Edlinger die Zeitungsausschnitte dieser Woche mitgenommen. Egal, ob Sie die "Presse" lesen, was ich annehme, oder den "Standard", wo ich nicht so sicher bin, oder die "Neue Zürcher Zeitung", die Sie sicher lesen: Sie finden überall die gleichen Berichte entweder über die Wifo-Prognosen oder über die OECD-Prognosen oder über die Prognosen der EU-Kommission, die rein zufällig oder auch nicht, aber jedenfalls alle seit Dienstag dieser Woche veröffentlicht wurden. (Abg. Böhacker: Weil jeder vom anderen abschreibt!) – Nein, nein, Herr Kollege, es gibt dieses Phänomen, dass einer vom anderen abschreibt, das ist nicht zu leugnen, aber das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut, die OECD in Paris, die EU-Kommission in Brüssel und der Internationale Währungsfonds in Washington schreiben nicht voneinander ab. (Abg. Dr. Khol: Alle die gleichen Ziffern!) Sie haben auch nicht die gleichen Ziffern, nebenbei gesagt, Herr Khol (Abg. Böhacker: Annähernd!), aber annähernd, im Trend stimmen sie absolut überein. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist ja nicht diese Woche allein. Sie können auch nicht sagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien oder Herr Finanzminister: Ja, diese Woche, was ist schon diese Woche? Ich habe mir den "Economist" vom 25. August mitgenommen. (Der Redner zeigt eine Ausgabe des "Economist".) Ist da inzwischen nicht Zeit genug vergangen, das zur Kenntnis zu nehmen? Was war die Schlagzeile damals? "2001 – things to do in a recession". Leicht karikierend wird darauf verwiesen, was man als erstes in einer Rezession tun soll: "1. Get a parachute!", einen Fallschirm besorgen. – Damit werden wir natürlich nicht auskommen, sondern die Frage ist: Ist das alles, was uns in Bezug auf die Budgetpolitik einfällt?

Das ist – auch darauf wurde schon hingewiesen – nicht ein österreichisches Phänomen, das ist auch kein reines EU-Phänomen, sondern das besonders Unangenehme dieser Rezession ist, dass sie weltweit praktisch synchron verläuft: in den USA, in Deutschland, in Frankreich, im gesamten EU-Raum und im ostasiatischen Raum.

Herr Finanzminister! Ich verstehe das nicht: Warum leugnen Sie diese Situation? Was haben Sie davon? Warum hängen Sie in dieser Situation so an diesem Saldenfetischismus, an dem Nulldefizit-Fetischismus? Es sagt ja kein Mensch, dass Sie allein oder auch nur zum größten Teil an dieser Situation schuld sind. Sie sind sicherlich nicht, zumindest nicht allein, schuld am Drehen dieser Konjunkturlage. Was können Sie dafür, wenn in den USA, in Deutschland und in Japan eine Rezession ausbricht und der 11. September dem noch eins draufsetzt, die Situation noch deutlich verschärft? Was können Sie dafür? – Gar nichts! (Abg. Mag. Schweitzer  – auf Abg. Dr. Martin Graf zeigend, der den Eindruck vermittelt, als würde er schlafen –: Van der Bellen wirkt!) Der Herr Kollege wird bei einem anderen Tagesordnungspunkt schon wieder aufwachen. (Heiterkeit.)


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Herr Finanzminister! Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie mit Hilfe der Budgetpolitik, vor allem eines erhöhten Budgetdefizits, die globale Konjunkturlage ändern können. Sie können das nicht einmal in Österreich allein! Es wäre ja völlig unrealistisch, das zu erwarten. Dafür ist Österreich zu klein, und dafür sind die Sickereffekte einer expansiven Budgetpolitik zu groß.

Aber was Sie schon tun können und tun sollen, sind zumindest drei Dinge, Herr Finanzminister:

Erstens: Sie müssen die automatischen Stabilisatoren im Budget durchschlagen lassen. Das heißt, wenn die Konjunkturlage dazu führt, dass die Einnahmen sinken und die Ausgaben etwas steigen, dann lassen Sie das bitte im Budget zu! Versuchen Sie, einige Investitionen, vor allem im Infrastrukturbereich, vorzuziehen, und nehmen Sie das etwas höhere Budgetdefizit in Kauf! Das tun alle Finanzminister dieser Welt, denen an der Arbeitsmarktlage etwas liegt, vor allem jene in den USA. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweitens: Versuchen Sie, auch auf EU-Ebene diesen Gedanken zu vertreten! Sie werden da auf offene Ohren stoßen. Vertreten Sie vor allem den Gedanken: Die EU sollte sich weniger an der Ideologie der vergangenen zehn Jahre im Zuge des Maastricht-Vertrages ein Vorbild nehmen, sondern sich im Bereich der Budgetpolitik eher an den USA orientieren, an der Politik der amerikanischen Zentralbank, an der Politik des amerikanischen Finanzministers, egal, ob unter Clinton oder jetzt unter Bush, und nicht Parallelpolitik klassischen Musters fahren.

Drittens: Versuchen Sie, Herr Finanzminister, auf EU-Ebene die Interpretation des Stabilitätspakts etwas aufzuweichen, etwas zu ändern, sagen wir: zu ändern. Im "Economist" – sicherlich eine unverdächtige Quelle, Herr Trattner; das ist ein konservativ-liberales Blatt im Großen und Ganzen, würde ich sagen –, in eben dieser Ausgabe vom 25. August, finden Sie einen Artikel zum Stabilitätspakt auf EU-Ebene, der überschrieben ist mit den Worten: "Scrap the stability-pact!" Mit anderen Worten: In den Papierkorb mit dem Stabilitätspakt! Das macht viel Sinn! Ich weiß, dass das auf kurze Sicht unrealistisch ist, aber es macht viel Sinn.

Ich möchte jetzt nicht, obwohl es mich reizt, wiederholen, was die theoretische, praktische, empirische Kritik an dieser Art von Stabilitätspakt ist, den wir auf EU-Ebene haben. Nur zur Erinnerung: Eingebrockt hat uns das der seinerzeitige deutsche Finanzminister Waigel, CDU/CSU, im Vorfeld der Währungsunion. Das war ein Versuch, die deutsche Bevölkerung zu beschwichtigen, weil sie sich geängstigt hat, was passieren wird, wenn Italien Mitglied der Währungsunion wird. Das war der politische Hintergrund des Stabilitätspakts. Er ist weder theoretisch rechtfertigbar, noch hat er eine empirische Basis.

Was meine ich mit anderer Interpretation? Es würde schon viel erreicht sein, würde man im Stabilitätspakt die berühmten Defizitgrenzen auf das strukturelle Defizit abstellen – nicht auf das aktuelle Defizit, sondern auf das strukturelle Defizit. Dann hat man etwas mehr Spielraum bei der Reaktion auf die Konjunkturlage.

Das täte Ihnen nicht weh, Herr Finanzminister. Ich habe schon gesagt, dass sich in Österreich das strukturelle Budgetdefizit deutlich verringert hat und wir einen strukturellen Budgetüberschuss zu erwarten haben. Das täte Ihnen nicht weh, hätte aber in der praktischen Politik enorme Auswirkungen.

Ich habe mich jetzt beschränkt und konzentriert auf Budgetsalden und sozusagen die Makropolitik und lasse alle Mikromaßnahmen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik, der Arbeitslosenunterstützung und so weiter weg.

Ich fasse noch einmal kurz zusammen: Herr Finanzminister! Sie haben Erfolge im Bereich des strukturellen Budgetdefizits erzielt. Bitte lassen Sie jetzt, in dieser Konjunkturlage, die so genannten automatischen Stabilisatoren im Budget wirken! Das heißt: Lassen Sie höhere Ausgaben beziehungsweise niedrigere Steuereinnahmen auf das Defizit durchschlagen! Das tut dem Arbeitsmarkt gut.


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Vertreten Sie auf EU-Ebene eine andere Interpretation des Stabilitätspakts, eine Ausrichtung auf die so genannten strukturellen Budgetdefizite statt auf die aktuellen! Das macht Sinn und kann der europäischen Wirtschaftslage, Wirtschaftskonjunktur nur gut tun.

Plädieren Sie drittens auf europäischer Ebene dafür, sich an den USA und an der Politik der amerikanischen Zentralbank zu orientieren und die – wie soll ich es sagen? – rein politisch bedingten europäischen Richtlinien der vergangenen zehn Jahre zu relativieren und abzuschwächen! Das wird der österreichischen Wirtschaft gut tun, das wird dem österreichischen Arbeitsmarkt gut tun, und das wird der europäischen Wirtschaft insgesamt gut tun. – Ich danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.41

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte.

13.41

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Ich bin jetzt elf Jahre lang hier im Parlament, und ich glaube, ich bin immer einem Irrtum unterlegen: Ich habe immer gedacht, für das Budget sei der Finanzminister verantwortlich, aber heute habe ich gehört, dass es Herr Khol ist. Also: Herr Khol war für das Budget verantwortlich, nicht der Finanzminister! Herr Edlinger, wer ist denn jetzt unter Finanzminister Grasser dafür verantwortlich: wieder Herr Khol? (Abg. Auer: Oder der Herr Kostelka!) – Nein, der ist in der Volksanwaltschaft!

Sie tun ja so, als wäre das alles erst jetzt passiert. Alle Belastungen seien erst dieser Bundesregierung eingefallen. Ich glaube, dass man Sie schon ein bisschen daran erinnern sollte, welche Belastungen Sie initiiert haben. Sie haben 1996/97 ein Paket in der Größenordnung von 93,7 Milliarden Schilling geschnürt. (Abg. Edlinger: Ich nicht!) Nein, Sie können ja für gar nichts etwas. (Abg. Edlinger: Da war ich gar nicht da!) Sie können ja für gar nichts etwas, denn in dieser Zeit waren Sie bei der SPÖ in Wien tätig. Wenn es für Sie unangenehm wird, dann spalten Sie sich nach Wien ab, und wenn es für Sie angenehm wird, dann sind Sie wieder im Bund zuständig. Sie haben diese Maßnahmen selbstverständlich alle mitgetragen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Der Herr Khol war damals schon Klubobmann!)

Die Kürzungen der sozialdemokratischen Fraktion waren natürlich Familienförderungskürzungen: Bei der Kinderbeihilfe, beim Karenzgeld, beim Pflegegeld, bei der Arbeitslosenversicherung wurde gekürzt. – Aber Sie sagen, Sie waren nicht dabei. Ich weiß, Sie waren nirgends dabei.

Die Rezeptgebühr wurde von 35 S auf 44 S erhöht. Die letzte diesbezügliche Erhöhung war 1999. – Da waren Sie aber schon dabei, oder? Oder können Sie sich an das auch nicht mehr erinnern? (Abg. Edlinger: Ich kann mich schon erinnern! Sie müssen mit Ihrem Koalitionspartner reden, der kann sich nämlich an nichts erinnern!)

Herr ehemaliger Finanzminister, Sie haben hier ein Paket hinterlassen, wodurch Sie Maßnahmen gesetzt haben, mit denen Sie die so genannten kleinen und mittleren Einkommensbezieher tief ins Herz getroffen haben.

Ich bringe Ihnen ein paar Beispiele: Die Urlaubsentschädigung oder -abfindung ist seit 1. Mai 1996 sozialversicherungspflichtig. Der allgemeine Absetzbetrag von derzeit 8 840 S ist bis zu einem Einkommen bis 200 000 S aufrecht, bei einem Einkommen darüber wird er eingeschliffen, und ab einem Einkommen von 500 000 S ist er überhaupt abgeschafft. – 500 000 S, ist das so ein Supereinkommen, bei dem Sie eingegriffen haben?

Herr Ex-Finanzminister Edlinger, die Überstundenzuschläge haben Sie für die leistungsbereiten "Hackler", für die so genannten kleinen Einkommensbezieher reduziert. – Da waren Sie überall nicht dabei? Warum haben Sie damals nicht den seinerzeitigen Finanzminister im Zuge der Verhandlungen, in die Sie sicherlich auch miteinbezogen waren, darauf aufmerksam gemacht, dass das die kleine soziale Schicht trifft und nicht die Großen und die Reichen? (Abg. Ver


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zetnitsch: Wo waren Sie 2000/2001?) Wir waren damals schon da! Ich werde es Ihnen schon sagen, Herr Gewerkschaftspräsident. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )  – Ja, er war ein bisschen in Kanada. In der entscheidenden Phase war er ein bisschen in Kanada. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Belastungsmaßnahmen, die zu keiner Budgetkonsolidierung geführt haben, sondern nur zu einer kurzfristigen Budgetentlastung, haben laut Bericht über den Bundesrechnungsabschluss 1999 bei den Beziehern kleiner Einkommen effektiv zu einer Nachfragedämpfung geführt. In diesem Bericht über den Bundesrechnungsabschluss 1999 steht auch zu lesen, dass die verfügbaren persönlichen Einkommen geschmälert wurden und dass die Arbeitslosenquote gestiegen ist. Das ist Tatsache! Das steht unwidersprochen im Bericht über den Bundesrechnungsabschluss 1999. Ich glaube, Herr Präsident, Sie können sich noch ganz gut erinnern! Es steht auch drinnen, dass die sozial Schwachen betroffen waren. Diese Dinge sind da formuliert worden.

Doch was hat die damalige Regierung dann gemacht? – Sie hat nicht den Abbau des Budgetdefizits beziehungsweise die Konsolidierung des Budgets in Angriff genommen, indem sie gesagt hätte: Wir müssen die Verschuldung, die Neuverschuldung reduzieren! (Abg. Leikam: Das Licht!)  – Nein, nein, ich habe noch Zeit! Das ist eine freiwillige Redezeitbeschränkung. Ich habe mir heute Zeit genommen, denn darauf, was der Herr Edlinger heute hier von sich gegeben hat, muss man, so glaube ich, schon einiges erwidern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Budgetdefizite lagen 1996/97 in einer Größenordnung von 43,9 Milliarden Schilling. 1998 betrug das gesamthaushaltliche Defizit 59,6 Milliarden und 1999 57,7 Milliarden. In diesem Zeitraum haben Sie noch eine Steuerreform in der Größenordnung von 30 Milliarden Schilling beschlossen.

Also Sie haben mit Ihrer Politik dazu beigetragen, dass Österreich leider zum Schlusslicht geworden ist – und wir sind zum Schlusslicht geworden! (Abg. Edlinger: Bei der Einkommensentwicklung!) Wir sind zum Schlusslicht geworden bei den Budgetzahlen in den Jahren 1998 und 1999. Sie sind mit einem ausgesprochen wenig ambitionierten Stabilitätsprogramm nach Brüssel gefahren und haben dort Rüffel bezogen, weil Sie es eben verabsäumt haben, in den Jahren 1998 und 1999, in der Zeit der Hochkonjunktur, die Maßnahmen aus den Jahren 1996 und 1997 fortzusetzen. Vielmehr haben Sie das Budgetdefizit wieder gesteigert. Die Zahlen sprechen ja für sich: 1997 1,7 Prozent Defizit, 1998 2,3 Prozent Defizit, 1999 2,1 Prozent Defizit.

Es war höchste Zeit, dass Sie als Finanzminister mit dieser Ihrer Politik abgelöst wurden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)  – Oder war es doch der Herr Khol? War es doch Herr Dr. Khol, der dafür verantwortlich ist? – Doch Edlinger! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist Ihnen unangenehm, Herr Edlinger! Das schlechteste Budget aller Zeiten!) Ich weiß, diese Dinge sind Ihnen natürlich unangenehm. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Diese Bundesregierung hat ja von Ihnen ein "schönes" Paket übernommen. Ich gestehe Ihnen zu, Sie sind für das Paket nicht alleine verantwortlich. Es ist ja Ihrer Meinung nach Herr Khol derjenige, der für das Paket verantwortlich ist, für die Schulden. Das ist mir schon völlig klar. Aber ein bisschen waren Sie auch dabei – aber nur ein bisschen wahrscheinlich, nur ein bisschen!

Bei 1 700 Milliarden Schilling Finanzschulden war ungefähr 90 Prozent Khol und 10 Prozent Edlinger verantwortlich. Bei 300 Milliarden Schilling sonstigen Schulden oder Verwaltungsschulden war es wahrscheinlich zum Großteil Herr Khol. Dann gibt es noch die außerbudgetären Schulden: 50 Milliarden Schilling ÖBB, 46 Milliarden Schilling ÖIAG, 36 Milliarden Schilling PTBG, 82 Milliarden Schilling ASFINAG, 16 Milliarden Schilling BIG, 35 Milliarden Schilling SCHIG, 14 Milliarden Schilling Umwelt-Wasserwirtschaftsfonds. Das ist ein "schönes" rundes Paket gewesen!


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Herr damaliger Finanzminister! Es ist mir schon klar, dass man die Schulden nicht innerhalb kurzer Zeit abbauen kann, aber was Sie verabsäumt haben – und das war ein gravierender Fehler –, ist, dass Sie in Zeiten der Hochkonjunktur, nämlich 1998/99, keine Sekunde daran gedacht haben, die Neuverschuldung endlich auf null zu stellen. Das war der entscheidende Fehler! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Deswegen hätten Sie den Handlungsspielraum für künftige Investitionen so gravierend eingeengt, dass eben Maßnahmen, die diese Bundesregierung in dieser Legislaturperiode setzen will beziehungsweise bereits in Gang gesetzt hat, gar nicht realisierbar wären! Im Jahre 1997 hat es noch Zinsen in der Höhe von 87,9 Milliarden Schilling gegeben, im Jahre 2000 lagen die Zinsen bereits bei 93 Milliarden Schilling. Für Tilgungen müssen 150 Milliarden Schilling aufgenommen werden, also ungefähr 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und das Vierfache der Forschungs- und Bildungsausgaben, inklusive der Ausgaben für Universitäten. Ich betone: das Vierfache! Da hätten Sie so weitergemacht, Herr Ex-Finanzminister?! Das ist ja unvorstellbar!

Jetzt kommen Sie hier heraus und bekleckern diese Bundesregierung mit Halbwahrheiten beziehungsweise zum Teil auch mit Unwahrheiten! (Abg. Edlinger: Die bekleckert sich selber!)

Deswegen war es wichtig, dass dieser Trend gestoppt worden ist, und deswegen ist es auch wichtig, dass keine neuen Schulden gemacht worden sind.

Sie unterliegen einem schweren Trugschluss, wenn Sie dieser Bundesregierung unterstellen, dass im Jahre 2000 die Wende nur einnahmenseitig realisiert worden ist. Im Bundesrechnungsabschluss 2000 kommt ganz klar zum Ausdruck, dass die Ausgaben des Bundes von 29,05 Prozent im Jahr 1999 im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt auf mittlerweile 28,22 Prozent zurückgegangen sind. Das ist ein schöner Erfolg dieser Bundesregierung innerhalb dieser kurzen Zeit!

Das ist natürlich auch auf den restriktiven Budgetvollzug zurückzuführen, der notwendig gewesen ist. Die Fortsetzung der Politik des Geldverschenkens, die Sie 1998 und 1999 – also in den guten Zeiten! – betrieben haben, hätte wirklich zu einem Kollaps geführt, und die Belastung für die österreichische Bevölkerung wäre unerträglich geworden.

Sie von der SPÖ hätten Ihre Schuldenpolitik fortgeführt. Das sieht man zum Beispiel auch an den Finanzen Ihrer Partei. Da haben Sie 350 Millionen Schilling Schulden, aber Sie zucken nicht einmal mit der Wimper! Wenn man zum Beispiel bedenkt, dass Ihre Partei 350 Millionen Schilling Schulden hat und ungefähr 70 Millionen Schilling aus der Parteienförderung erhält, dann weiß man, dass Sie allein 30 Prozent der Parteienfinanzierung für den Zinsendienst verwenden müssen. Ich betone: 30 Prozent! Dabei haben Sie noch nicht einmal an die Tilgung gedacht! (Abg. Edlinger: Die 300 Millionen Schulden der Freiheitlichen Partei sind auch kein Schmarren!)

So weit haben Sie es kommen lassen, und deswegen ist es auch gut, dass dieser Wechsel an der Spitze in Österreich eingetreten ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben natürlich eines gemacht: Sie haben sich immer feiern lassen, und zwar meistens zu Weihnachten oder in der Vorweihnachtszeit. Da hieß es immer: "Punkt landung!", "Wir haben das Defizit punkt genau erreicht!". – Das war die so genannte Punktlandung.

Erstens: Diese Punktlandung war eher eine Bruchlandung (Abg. Haigermoser: Richtig!), und zweitens: Dieser Bundesregierung ist es gelungen, die Punktlandung sogar zu unterschreiten (Abg. Edlinger: Gelobt hat mich immer der Kollege Stummvoll! – Abg. Dr. Stummvoll: Schon lange nicht mehr!), und zwar in einer Größenordnung zu unterschreiten, dass das prognostizierte Budgetdefizit nicht 54,6 Milliarden Schilling ausmacht, sondern 39,3 Milliarden Schilling. Ich betone: 39,3 Milliarden Schilling statt 54,6 Milliarden Schilling! Das ist immerhin ein schöner Betrag in der Größenordnung von 13 Milliarden Schilling; um so viel konnte das Budgetdefizit gesenkt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Im Jahre 2001 gelingt es dieser Bundesregierung bereits, das Nulldefizit zu erreichen. Das ist schön, darüber freuen wir uns alle. Es ist auch gescheit, wenn wir uns freuen. (Abg. Verzetnitsch: Auf wessen Kosten?)  – Natürlich, jeder hat seinen Beitrag dazu geleistet. (Abg. Verzetnitsch: Wer "jeder"? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber dieses Budget war darauf abgestellt, dass diejenigen ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Bitte, lesen Sie einmal den Bericht durch! Es ist mir echt schon peinlich! Lesen Sie einmal den Bericht, bevor Sie ständig hier irgendwelche Dinge von sich geben, die einfach jeglicher Realität entbehren! Dass Sie der "große Finanzexperte" sind, haben wir ja bei Ihren Voraussagen für das Budget beziehungsweise für den Erfolg 2000 gesehen!

Was sagt Herr Ex-Finanzminister Edlinger im "Standard" vom 21. März 2000? – "Ich sehe wenig strukturelle Änderungen und bin daher überzeugt, dass das dicke Ende 2001 kommt." – Zitatende. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist das "dicke Ende"?)

Das "dicke Ende"? – Na, wenn ein Nulldefizit ein dickes Ende ist, dann weiß ich nicht, was Sie darunter verstehen! Sie haben sich genau so getäuscht wie Ihr Parteivorsitzender Gusenbauer, der ebenfalls gesagt hat, das dicke Ende werde mit dem Budget 2001 kommen. – Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben sich damals geirrt, Sie haben sich in den letzten 30 Jahren geirrt, Sie unterliegen eigentlich einem ständigen Irrtum. Auch Ihr Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung ... (Abg. Edlinger: Sie wollten die Flat-tax!)  – Ja, ich wollte die Flat-tax. Sie wird auch diskutiert. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie brauchen keine Angst zu haben, sie wird auch diskutiert. Es geht auf Grund Ihrer Verlassenschaft natürlich nicht alles von heute auf morgen. Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Dieses Erbe, das man angetreten ist, war ja kein leichtes! Ein anderer hätte gesagt: Nein, eine unbedingte Erbserklärung gebe ich für das nicht ab, bestenfalls eine bedingte! (Heiterkeit und Bei-fall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber Sie sagen ja auch, das Budget sei kein Sanierungsfall. Edlinger hat gesagt: Das Budget ist kein Sanierungsfall! Das Entlastungsprogramm der SPÖ sieht Folgendes vor – hören Sie zu, Herr Gewerkschaftspräsident! –: Keine Senkung der Lohnnebenkosten in dieser Legislaturperiode. – Also das macht euch miteinander aus! (Abg. Haigermoser: Ein klassischer Fall!)

Das ist wirklich ein klassischer Fall. Sie haben überhaupt kein Interesse an dem Wirtschaftsstandort Österreich und an der Arbeitsplatzsicherung in Österreich. Das einzige Interesse, das Sie haben, ist, diese Bundesregierung zu destabilisieren. Aber das wird Ihnen nicht gelingen, weil die Zahlen eine ganz andere Sprache sprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache! Auch Sie sollten sich einmal die Berichte, die Prognosen, die Budgets ein bisschen besser anschauen (Abg. Haigermoser: Die Fakten!) und sich nicht immer nur auf irgendwelche Zurufe beziehungsweise Zeitungsartikel berufen.

Im Budget für das Jahr 2000 gibt es 110 Milliarden Schilling für den Bildungssektor. Das heißt, es sind in den nächsten drei Jahren um 6,8 Milliarden Schilling mehr. Für Forschung und Entwicklung in den nächsten drei Jahren sind 7 Milliarden Schilling vorgesehen. Die Infrastrukturausgaben, die Sie ja immer einfordern, betrugen im Jahr 1999 28,8 Milliarden Schilling. Für das Jahr 2002 sind dafür 37 Milliarden Schilling geplant. Das Problem ist – und das ist ein Versäumnis der roten Verkehrspolitik –, dass wenig realisierbare Projekte da sind. Die Finanzierung für mehr Projekte wäre vorhanden, aber es gibt zu wenig realisierbare Projekte, und daran mangelt es! (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Das sind die Fehler aus der Vergangenheit, die diese Bundesregierung erst bereinigen muss. Aber wahrscheinlich war dafür auch Herr Khol zuständig. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Sie haben natürlich auch übersehen, dass Österreich in der Exportwirtschaft einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. Die Exporte sind um 16 Prozent gestiegen. Das heißt, wir haben heuer erstmals die 1 000 Milliarden-Schilling-Grenze überschritten. Das ist ein schöner Erfolg!

Weil Sie immer fragen: Wer zahlt das? Wer leistet einen Beitrag zu den Konsolidierungsmaßnahmen?, möchte ich Folgendes betonen: Es ist uns ganz klar gewesen, dass eine rein ausgabenseitige Sanierung natürlich nicht möglich ist. Dazu waren die Zahlen zu hoch, das Erfordernis zu groß. Aber die Beiträge zur Konsolidierung kommen natürlich in erster Linie von jenen, die sich diese Maßnahmen auch leisten können, beziehungsweise aus Maßnahmen der Verwaltungsreform. (Abg. Edlinger: Die Unfallrentner! Die Pensionisten! – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Edlinger –: Geh, hör doch auf mit der Polemik! Der größte Schuldenmacher aller Zeiten spielt sich da auf! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Wissen Sie, ich finde, jemand, der in seiner Zeit den Beziehern kleinerer und mittlerer Einkommen – auch Behinderten! – Beihilfen gestrichen hat, jemand, der damals das gemacht hat, braucht sich hier jetzt nicht hervorzutun. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Genieren soll er sich, der Edlinger!)

Aber der Großteil der Konsolidierungsmaßnahmen in der Größenordnung von 52 Milliarden Schilling kommt natürlich aus Maßnahmen der Verwaltungsreform, kommt aus gemeinsamen Maßnahmen von Bund, Ländern, Städten und Gemeinden. Da waren Gott sei Dank auch vernünftige Sozialdemokraten dabei, die dieses Paket mitgetragen haben. Gott sei Dank waren Sie da nicht dabei, Kollege Edlinger, sonst wäre das Ganze nicht zustande gekommen. Sie mit Ihrer destruktiven Politik würden ja Österreich am liebsten wirklich in eine Rezession wandern sehen und nicht in eine positive Entwicklung! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Das macht schon ihr, da braucht ihr mich nicht!)

Weitere 10,5 Milliarden Schilling kommen von den Erwerbstätigen. 4 Milliarden Schilling betrug der Beitrag der Pensionisten. Natürlich war das ein wichtiger Beitrag, aber wir haben darauf geachtet, dass 75 Prozent der Einkommensbezieher von diesen Maßnahmen nicht betroffen worden sind. Die höchsten Beiträge haben die Unternehmer geleistet, nämlich in der Größenordnung von 14,6 Milliarden Schilling. Einen hohen Beitrag haben auch die Stiftungen geleistet, nämlich in der Größenordnung von 2,1 Milliarden Schilling.

All diese hohen Beiträge musste die Wirtschaft natürlich erst verkraften! Aber zu behaupten, wir hätten nur die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen belastet, und die primitive Argumentation Ihrerseits, wir hätten das ganze Geld nur über die Unfallrentner aufgebracht, meine Damen und Herren, das entbehrt jeglicher Wahrheit. Das sollten Sie einmal zurücknehmen oder richtig stellen! (Abg. Edlinger: 45 Milliarden!)  – Das stimmt alles nicht. Ich mache mit Ihnen gerne einmal eine private Diskussion, da werde ich Ihnen die Zahlen auf den Tisch legen. Das, was Sie an Zahlenmaterial haben, entspricht leider nicht den Tatsachen.

Worum geht es im Wesentlichen? – Sie haben es verabsäumt, in den wirtschaftlich guten Jahren eine Budgetpolitik zu machen, die eine Neuverschuldung verhindert. Sie wurden mit Ihren zaghaften Stabilitätsprogrammen in Brüssel gerüffelt, weil diese eben sehr wenig ambitioniert waren. All das wissen wir ja.

Dieser neuen Bundesregierung mit Finanzminister Grasser, gemeinsam mit der Österreichischen Volkspartei, ist es durch entsprechende Maßnahmen gelungen, ein neues Stabilitätsprogramm nach Brüssel zu übermitteln, das dort großen Anklang gefunden und bewirkt hat, dass man nun der Finanz- und Wirtschaftspolitik in Österreich großes Vertrauen entgegenbringt. Das ist, glaube ich, das Wichtigste und der große Erfolg dieser Bundesregierung: dass der Weg nach oben erkennbar ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, noch folgenden Antrag einzubringen:


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Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Khol, Mag. Trattner, Mag. Mühlbachler und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert wird (8. BFG-Novelle 2001) (785 der Beilagen), in der Fassung des Berichtes des Budgetausschusses (865 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Im Artikel I Ziffer 3 lautet der Einleitungssatz:

"3. Im Artikel VI Abs. 1 wird der Punkt nach Z 25 durch einen Strichpunkt ersetzt und werden als Z 26 bis 31 angefügt:"

2. Im Artikel I Ziffer 3 wird der Punkt nach der Z 29 durch einen Strichpunkt ersetzt und werden folgende neue Z 30 und 31 angefügt:

"30. beim Voranschlagsansatz 1/13016 bis zu einem Betrag von 5 Millionen Schilling für Zahlungen an den Festspielverein Erl in Tirol, wenn die Bedeckung durch Ausgabeneinsparungen und/oder Mehreinnahmen sichergestellt werden kann;

31. beim Voranschlagsansatz 1/20108 bis zu einem Betrag von 95 Millionen Schilling für Zahlungen im Zusammenhang mit der Gebarung der österreichischen Vertretungsbehörden, wenn die Bedeckung durch Ausgabeneinsparungen und/oder Mehreinnahmen sichergestellt werden kann."

3. Im Artikel I Ziffer 5 wird nach der lit. A) folgende neue lit. B) eingefügt:

"b) nach dem Voranschlagsansatz 1/11508 der Voranschlagsansatz "1/11518""

4. Im Artikel I Ziffer 5 erhalten die bisherigen lit. B) bis j) die Bezeichnung "c) bis k)".

5. Dem Artikel II wird folgende neue Ziffer 3 angefügt:

"3. Im Bundesvoranschlag (Anlage I) entfällt die Anmerkung zum Voranschlagsansatz 1/12018."

*****

Die zwei entscheidenden Dinge sind: Erstens, dass beim Voranschlag 1/13016 5 Millionen für Zahlungen an den Festspielverein Erl in Tirol zugestanden werden. Das ist eine vernünftige Sache. Da ist auf Eigeninitiative eines Künstlers eine Festspielorganisation gegründet worden, die großen Anklang in Tirol beziehungsweise auch in Bayern oder in Deutschland gefunden hat. Es kommt sehr viel Publikum.

Der zweite Punkt betrifft die Änderung des Voranschlagansatzes 1/20108 bis zum Betrag von 95 Millionen Schilling für Zahlungen im Zusammenhang mit der Gebarung der österreichischen Vertretungsbehörden, wenn die Bedeckung durch Ausgabeneinsparungen oder Mehreinnahmen sichergestellt werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt. Er steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und damit auch mit zur Verhandlung.

Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Grasser. – Bitte.

14.01

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Diese Bundesregierung und die Mehrheit des Hohen Hauses haben sich von Beginn an dazu bekannt,


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eine kluge, eine stabilitätsorientierte und eine seriöse Finanzpolitik zu betreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben gesagt, wir wollen eine Finanzpolitik mit Hausverstand machen, eine Finanzpolitik, wie sie jeder Haushalt, wie sie jedes Unternehmen auch gestalten muss, und diese lautet: Man kann nicht immer mehr Geld ausgeben, als man einnimmt. Aber, Herr Abgeordneter Van der Bellen, es ist kein Dogma, es ist kein festgelegtes Ziel, starr und versteinert für die Ewigkeit, wenn wir sagen, wir wollen einen ausgeglichenen Haushalt haben.

Wir wollen nur, im Unterschied zu früher, nicht jedes Jahr neue Schulden machen – nämlich neue Schulden, egal, ob es einen wirtschaftlichen Boom gibt, die Wirtschaft super rennt, wenn man also normalerweise einen Überschuss erwirtschaften müsste, oder ob es eben tatsächlich eine Rezession gibt, in der man klarerweise auch ein Defizit verantworten kann.

Wir haben uns – das wurde von Ihnen schon angesprochen – vorgenommen, wir wollen strukturell einen ausgeglichenen Haushalt zustande bringen und damit über einen Konjunkturzyklus einen ausgeglichenen Haushalt haben. Das heißt: In guten Zeiten sollte es einen Überschuss geben, und in schlechten Zeiten kann es natürlich auch ein Defizit sein. Aber das ist die grundsätzliche Zäsur: Nicht immer neue Schulden, nicht immer und jedes Jahr neue Schulden dazu, weil das eine alte Finanzpolitik ist, die den Generationenvertrag bricht und die Zukunft unseres Landes gefährdet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Deswegen haben wir gesagt, da braucht es eine grundsätzliche Änderung. Eine grundsätzliche Änderung, meine Damen und Herren, und zwar der Stabilitätspakt mit der Europäischen Union, ist oft angesprochen worden, und es war der Abgeordnete Edlinger als Finanzminister, der diesen Stabilitätspakt auch mitgetragen hat. Herr Abgeordneter, ich muss Ihnen wirklich sagen: Wenn Sie hier eine Rede halten, die ich nicht nachvollziehen kann, dann darf ich Ihnen auch darlegen, was gewesen wäre, wenn wir Ihre Politik weitergeführt hätten.

So hätte die Situation ausgesehen, die in der Finanzpolitik eingetreten wäre, wenn wir nicht konsolidiert hätten, wenn wir Ihre Politik nicht sofort geändert hätten: Wir wären heute auf 4 Prozent Netto-Neuverschuldung in Österreich, wir hätten 4 Prozent jährliches Budgetdefizit! Damit hätten wir, Herr Abgeordneter Edlinger, alle Pakte, die Sie selbst für die Republik Österreich eingegangen sind, gebrochen. Die Republik Österreich hätte bei einem Budgetdefizit von 4 Prozent in etwa 9 Milliarden Schilling als Strafe nach Brüssel überweisen müssen, wir hätten eine massive Beeinträchtigung unseres internationalen Ratings und viel mehr Zinsen zu zahlen gehabt, als das heute der Fall ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Wir wären in Europa isoliert gewesen! – Gegenruf des Abg. Edlinger. )

Deswegen wäre Ihre Politik, Herr Abgeordneter Edlinger, nichts anderes gewesen als ein Weitermachen mit der Schuldepolitik, und wir hätten noch mehr Zinsen bezahlen müssen. Doch wer zahlt sie? – Die Steuerzahler bezahlen das. Wir alle hätten das bezahlen müssen. Es sind die Schulden der Vergangenheit – und Sie wollten noch mehr Schulden machen! – die Steuern, die wir heute bezahlen müssen.

Das war Ihre Politik! Das ist nicht unsere. Wir haben gesagt: Eine neue Qualität in der Finanzpolitik ist unser Ziel. Deswegen haben wir erstmals auch klar festgelegt: Wir wollen ein Nulldefizit! Wir wollen einen ausgeglichenen Haushalt! Der Vergleich macht uns sicher: Wir erreichen es nicht im Jahr 2000, aber im Jahre 2001, ein Jahr früher als geplant. Das ist ein riesiger Erfolg von uns allen, vor allem von der österreichischen Bevölkerung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! In Bezug auf das Jahr 2000 und in Bezug auf den Rechnungs-abschluss 2000, der heute zur Debatte steht, kann ich mich noch daran erinnern: Als wir angetreten sind, hat es geheißen, man müsse kurzfristig zu einem solchen Budgetvoranschlag kommen. Man hat uns dann in den Interpretationen erklärt, dieser Voranschlag sei viel zu optimistisch, er werde nicht halten, das sei nicht möglich, wir könnten die Finanzzahlen in solch einem kurzen Zeitraum nicht mehr so beeinflussen.


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Heute haben wir, meine Damen und Herren, das erste Mal die Möglichkeit, nicht nur davon zu reden, dass wir eine kluge Finanzpolitik im Interesse der Bevölkerung gestalten wollen, sondern wir haben den Beweis im Jahr 2000 bereits angetreten, weil es uns gelungen ist, den Abgang auf 39,3 Milliarden Schilling zu reduzieren und damit 15 Milliarden Schilling weniger an neuen Schulden zu machen, als es eigentlich für das Jahr 2000 vorgesehen war. 15 Milliarden Schilling weniger an neuen Schulden – mit all den damit verbundenen Effekten! Das bedeutet für die Bevölkerung 1 500 Millionen Schilling für jedes zukünftige Jahr weniger an Zinszahlungen. Ich betone: 1 500 Millionen Schilling sind jedes Jahr weniger an Zinsen zu bezahlen! Allein das ist ein riesiger Erfolg für die Steuerzahler! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn man der Frage nachgeht, wann wir das gemacht haben, dann sieht man, dass wir sehr klug das wirtschaftliche Rekordjahr 2000 genutzt haben. Wir haben in Österreich in diesem Rekordjahr mehr Investitionen als jemals zuvor gehabt: Mehr als 600 Milliarden Schilling wurden in Österreich investiert. Das ist ein Rekord in der Geschichte der Zwei-ten Republik! Wir haben weiters bei den Unternehmensgründungen einen Rekord zu verzeich-nen gehabt. Bei den Exporten gab es Steigerungsraten zwischen 13 und 18 Prozent. Auch das ist ein Rekord! Das Wirtschaftswachstum in Österreich betrug ungefähr 3 Prozent, und die Werte auf dem Arbeitsmarkt waren hervorragend.

Wir haben im Jahr 2000 im Unterschied zu anderen Ländern der Europäischen Union die Chance genutzt, um zu konsolidieren. In wirtschaftlich hervorragenden Zeiten soll man konsolidieren. Das hat heuer, im Jahre 2001, diesen Erfolg, dass wir schon ein Jahr früher den ausge-glichenen Haushalt zustande bringen, möglich gemacht.

Wenn jetzt gefragt wird, wie wir das gemacht haben, und wenn diesbezüglich Kritik kommt – ich halte es für gut, dass man auch fragt, was einnahmenseitig und was ausgabenseitig tatsächlich gelungen ist –, dann muss ich sagen: Ja, man konnte die Ausgaben nicht so kurzfristig sofort im Jahre 2000 und auch nicht im Jahre 2001 reduzieren, auch noch nicht in der Dimension, die wir anstreben, weil man nicht auf Knopfdruck Staatsausgaben sofort zurücknehmen kann.

Aber, meine Damen und Herren, die Mehrheit dieses Hauses – wir, Sie – hat Beschlüsse gefasst, hat damit Eckpfeiler einer Finanzpolitik gesetzt, die dazu beitragen werden, dass wir im Jahr 2003 72,7 Milliarden Schilling auf der Ausgabenseite einsparen. 72,7 Milliarden Schilling – und dann jedes Jahr! Das heißt, in steigenden Beträgen kommen wir von 2000, 2001, 2002 im Jahre 2003 zu 72,7 Milliarden Schilling an Einsparungen auf der Ausgabenseite. Das werden wir erreichen. Wir haben ja schon immer gesagt: Es ist unser Bekenntnis, dass wir vor allem auf der Ausgabenseite die Konsolidierung des Haushalts erreichen wollen.

Das ist vor allem mit einer grundlegenden Verwaltungsreform, die gestern diskutiert worden ist, gelungen. 21,2 Milliarden Schilling sparen wir in diesem Bereich ein. Mehr als 70 Verwaltungsreformprojekte laufen derzeit in dieser Republik. Das hat es noch nie gegeben! Das muss man einmal schaffen: 21 200 Millionen Schilling allein in der öffentlichen Verwaltung für den Steuerzahler einzusparen!

Wir haben weiters eine Pensionsreform beschlossen, die 18,5 Milliarden Schilling eingebracht hat. Die Zinsentlastungen machen in Summe 5 Milliarden Schilling jedes Jahr aus. Der Überschuss der Länder und der Gemeinden durch den Stabilitätspakt, der heute auch auf der Tagesordnung steht, beträgt 23 Milliarden Schilling. Weitere Maßnahmen im Ermessensbereich liegen bei 5 Milliarden Schilling. Das macht in Summe 72,7 Milliarden Schilling an Einsparungen auf der Ausgabenseite aus.

Das zeigt, dass wir es sehr ernst nehmen. Wir wollen am Ende des Tages diesen Haushalt vor allem auf der Ausgabenseite konsolidiert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist die Frage gekommen, was wir in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten tun. Genau diese kluge Politik, Rekordjahre dazu genutzt zu haben, den Haushalt zu konsolidieren und heuer ein Nulldefizit zu erreichen, ist der Fallschirm für wirtschaftlich schwächere Zeiten, den wir gut genutzt und gut in Stellung gebracht haben, damit wir jetzt zum


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Beispiel mehr Geld für den Arbeitsmarkt ausgeben können und dort versuchen können, eine Stabilisierung der Situation zu erreichen.

Da in den letzten Tagen manchmal behauptet worden ist, wir würden in der aktiven Arbeitsmarktpolitik sparen, darf ich hier Folgendes sagen: Im Jahre 2000 – oder, wenn Sie wollen, auch im Jahre 1999 in der alten Regierung – hat man dafür 10,4 Milliarden Schilling ausgegeben. Im Jahre 2000 haben wir das gleich gelassen. Obwohl wir ein wirtschaftliches Rekordjahr hatten, obwohl wir eine enorm hohe Beschäftigung und eine sehr niedrige Arbeitslosigkeit hatten, haben wir im Jahre 2000 gleich viel Geld, 10,4 Milliarden Schilling, für die aktive Arbeitsmarktpolitik aufgebracht. Im Jahre 2001 geben wir 11,1 Milliarden Schilling für die aktive Arbeitsmarktpolitik aus. Daran zeigt sich, wie wichtig uns der Arbeitsmarkt und die Vollbeschäftigung in Österreich sind. Daran halten wir fest, meine Damen und Herren: Vollbeschäftigung muss das Ziel für Österreich sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte nicht um die konjunkturelle Situation herumreden. Natürlich ist es richtig, dass wir konjunkturell schwierigere Zeiten haben, das kann und will auch niemand bestreiten. Natürlich müssen wir das ernst nehmen. Natürlich ist jeder Arbeitslose ein Arbeitsloser zu viel – überhaupt keine Frage! Aber wir müssen auch sehen, meine Damen und Herren, dass wir nach dem kleinen Irland, dem kleinen Luxemburg und den Niederlanden die viertniedrigste Arbeitslosigkeit in der gesamten Europäischen Union haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Wir haben die zweitniedrigste gehabt!)

Herr Abgeordneter Van der Bellen, Sie haben gefragt: Was bringt es mir, wenn ich sage, dass es keine Rezession gibt? – Mir ist es einfach wichtig, dass man nicht versucht, in der Bevölkerung eine schlechte Stimmung auch noch künstlich zu erzeugen. Wirtschaft ist wirklich auch eine Frage der Psychologie. Daher kann das Krankjammern, wie es vor allem Herr Abgeordneter Edlinger betrieben hat, nicht im Interesse der Bevölkerung und im Interesse Österreichs sein (Abg. Ing. Westenthaler: Ganz richtig! Dann wird es nämlich noch schlechter!), sondern wir – und auch Sie sollten diesen Versuch machen! – sollten gemeinsam danach trachten, dass Österreich wettbewerbsfähiger wird, damit wir mehr Beschäftigung zustande bringen, damit wir den Wirtschaftsstandort Österreich aufwerten. Wir würden uns einmal einen konstruktiven Vorschlag von Ihrer Seite wünschen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Kann er nicht! Hat keinen guten Vorschlag!)

Warum sage ich das und bleibe auch in aller Deutlichkeit dabei, meine Damen und Herren: Warum hat Österreich keine Rezession? – Ich betone das, ich stehe dazu in felsenfester Überzeugung! Was sind die Fakten; nicht die Prognosen, sondern die Fakten?

Wir haben zuletzt im Oktober einen Rekordstand in der Beschäftigung erreicht; es gibt jetzt 3 164 000 Beschäftigte in Österreich. Noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik hat es im Oktober mehr Beschäftigte gegeben. Noch nie hat es mehr Beschäftigte in Österreich gegeben als im Jahresdurchschnitt 2001. Es besteht ein Rekord-Hoch bei der Beschäftigung in unserem Land! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben in Österreich beispielweise im Vergleich zur alten Regierung, als Sie Verantwortung getragen haben, 43 000 Menschen mehr in Beschäftigung als im Jahr 1999. (Abg. Auer: Was sagt da der Edlinger?) Wir haben – das ist richtig, daran braucht keiner herumzudeuteln – ein schwächeres Wachstum als in der Vergangenheit, aber wir wachsen! (Abg. Auer: Was sagt da der Edlinger? Er ist sprachlos!) Wenn wir ein Wachstum von 1 Prozent, 1,2 Prozent oder 1,3 Prozent in diesem Jahr haben und im nächsten Jahr ein höheres, dann frage ich mich: Wo kann man hier von einer Rezession sprechen?

Wir haben um 75 Milliarden Schilling mehr an Wertschöpfung als im Vorjahr. Wir haben in Österreich um 200 Milliarden Schilling mehr an Wertschöpfung als zu der Zeit, als Sie Verantwortung getragen haben. (Abg. Auer: Was sagt da der Edlinger? Es ist bitter!) Wir haben in Österreich um 195 Milliarden Schilling mehr an Exporten als im Jahr 1999. Wir haben bei den Investitionen in Österreich um 34 Milliarden Schilling mehr als im Jahr 1999. Wir haben in diesem Jahr, im Jahr 2001, mit 24 000 Unternehmensgründungen einen absoluten Rekord in


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Österreich. Noch nie zuvor in der Geschichte Österreichs gab es so viele Unternehmensgründungen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine Bilanz!)

Wir haben in Österreich im Jahre 2001 mit den Lohnabschlüssen, die zwischen Unternehmern und Arbeitnehmervertretern klug verhandelt worden sind, einen Kaufkraftgewinn unserer Arbeitnehmer im Ausmaß von 30 Milliarden Schilling. Ich betone: 30 Milliarden Schilling mehr an Kaufkraft! Wir haben das Kinderbetreuungsgeld beschlossen – 6 Milliarden Schilling mehr an Kaufkraft für die Bevölkerung! Wir haben mit der Strom- und Gas-Liberalisierung mit 10 bis 12 Milliarden Schilling zur Erhöhung der Kaufkraft beigetragen. Deshalb meine ich, wir können stolz sein auf die Wirtschaft, stolz sein auf die Unternehmen und stolz sein auf die Arbeitnehmer, die diese Zahlen und Fakten im Jahre 2001 zustande gebracht haben. Ihnen gilt mein Dank dafür! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir die Prognose jetzt weiter hinterfragen, dann muss ich ehrlich sagen: Ich bin ein Optimist, und ich bleibe ein Optimist, denn wir müssen eines sehen: Es hat in den USA allein in diesem Jahr zehn Zinssenkungen gegeben. Wir haben von der Europäischen Zentralbank Zinssenkungen von 4,75 Prozent auf 3,25 Prozent in mehreren Zinsschritten zu vermerken. Das heißt, ein unglaublich niedriges Zinsniveau attraktiviert die Investitionen in Unternehmen und gibt der Bevölkerung mehr Spielraum, weil die Kredite weniger Geld kosten. Das bedeutet natürlich auch eine Stärkung für den Privatkonsum.

Was die Erdölpreise angeht: Erinnern wir uns an die Diskussion im letzten Jahr, als man gesagt hat, Heizöl werde teurer, Benzin werde teurer, es gebe eine riesige Belastung. Tatsächlich ist ein Preisrückgang in Höhe von 30 Prozent zu verzeichnen, was das Erdöl betrifft. Das bewirkt eine höhere Kaufkraft für die österreichische Bevölkerung über niedrigere Heizölpreise, niedrigere Benzinpreise, niedrigere Dieselpreise von 20 bis 25 Milliarden Schilling. Höhere Kaufkraft in Höhe von 20 bis 25 Milliarden Schilling allein durch den niedrigeren Ölpreis: Das ist ein Konjunkturprogramm, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Wunschdenken!)

Wir haben in Österreich eine Inflationsrate, die im nächsten Jahr unter 2 Prozent liegen wird. Wir haben Gott sei Dank auch eine positive Entwicklung auf den Aktienmärkten. Ich freue mich – das sage ich Ihnen nach vielen Diskussionen hier ganz offen –, dass die Aktie der österreichischen Telekom zuletzt auf 9,25 € gestanden ist. Wir wissen, dass wir für den Kleinanleger einen Ausgabekurs von netto 8,55 € hatten. (Abg. Ing. Westenthaler: Was waren da für Unkenrufe!) Im Mai des nächsten Jahres wird es eine Gratisaktie dazu geben, dann wird, wenn man dies berücksichtigt, der Ausgabekurs 7,65 € betragen. Und heute stehen wir auf mehr als 9 €. (Abg. Ing. Westenthaler: Sensationell!) 7,65 € zu mehr als 9 € – und das in einer Zeit, in der andere Telekom-Werte 30, 40 oder 50 Prozent ihres Wertes verloren haben!

Damit zeigen es auch die Aktienmärkte: Optimismus ist angebracht, meine Damen und Herren! Erforderlich ist gemeinsames Arbeiten daran, dass die Situation in Österreich noch besser wird, damit wir zu noch größerem Wachstum, zu mehr Beschäftigung und zu unserem gemeinsamen Ziel Vollbeschäftigung kommen können! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der Punkt, warum wir sagen: Wir wollen unseren Weg ganz konsequent fortsetzen, weil das ein Erfolgsweg für Österreich ist. Dazu gehört als erste Säule eine neue Finanzpolitik, die einen ausgeglichenen Haushalt zustande bringt und damit die Grundvoraussetzung für eine zukünftige Entlastung ist. Amerika ist schon als Beispiel gebracht worden: Warum können die Amerikaner eine Steuerreform machen und entlasten? – Weil sie große Überschüsse erreicht und produziert haben, weil sie eine kluge Finanzpolitik gemacht haben – deswegen kann man dann sagen: Wir verzichten auf Einnahmen, senken die Steuern und erreichen so ein sehr wichtiges Ziel für unser Land.

Wie Sie sich vorstellen können, habe ich dieses Bummerl der höchsten Steuer- und Abgabenquote nicht gerne. Professor Van der Bellen ist in seinen Ausführungen über das strukturelle Defizit bereits ein bisschen ökonomisch geworden. Gestatten Sie auch mir die folgende Über


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legung, die einfach ökonomisch wahr und richtig ist und die implizite Steuerquote berücksichtigt: Dabei wird hinterfragt, was tatsächlich an Schulden gemacht wird – wie hoch also das Defizit ist –, und es wird neben dem Defizit auf der anderen Seite auch die Abgabenquote berücksichtigt. Der Ansatz dafür ist die Frage: Wer muss es zahlen? – Zahlen muss es in letzter Konsequenz der Steuerpflichtige.

Wenn man daher eine Abgabenquote von 44-komma-irgendetwas Prozent in der Vergangenheit berücksichtigt und ein jährliches Defizit von mehr als 2 Prozent hinzuzählt, dann kann man sagen: Da kommen Sie, Herr Abgeordneter (in Richtung des Abg. Edlinger ), auf eine implizite Steuerquote von fast 48 Prozent, die Sie in den Jahren 1995 bis 1999 erreicht haben. Das ist die Belastung, die Sie dem österreichischen Steuerzahler aufgebürdet haben. Daher bleibt Ihnen das Bummerl, und ich bin sehr froh darüber. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Kanada! – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Edlinger –: Eingefahren! – Abg. Auer: Zwei zu null!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich sage Ihnen das wirklich mit voller Überzeugung, es ist mir ein riesiges Anliegen: Selbstverständlich müssen wir auch eine Entlastung zustande bringen. Genauso wie wir eine neue Qualität in der Finanzpolitik angesprochen und gesagt haben: Erstmals legen wir ein Ziel fest, das Nulldefizit, und erreichen dieses Ziel!, genauso hat diese Bundesregierung auch gesagt: Bis zum Jahre 2010 wollen wir in mehreren Etappen unter eine Abgabenbelastung von 40 Prozent für die Bevölkerung kommen. Das wäre eine Entlastung, meine Damen und Herren, wie wir sie zuletzt Ende der siebziger Jahre gesehen haben; dorthin wollen wir zurück. (Abg. Edlinger: Tolles Konzept: zurück zu den Siebzigern!)

Das müssen wir über eine ganz konsequente Politik erreichen. Einsparen müssen wir bei den Staatsausgaben, dann wird diese Entlastung möglich sein. Dazu verpflichten und bekennen wir uns, weil wir wissen, dass die Entlastung für die Stärkung der Kaufkraft der Bevölkerung und für die Aufwertung des Wirtschaftsstandortes Österreich wichtig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der zweite Punkt, die zweite Säule der Finanzpolitik heißt: Wir investieren in Menschen. Wir nehmen es ernst, in Bildung zu investieren, in Ausbildung zu investieren, in Höherqualifizierung zu investieren, in Umschulungen zu investieren, gerade in einer wirtschaftlich schwierigeren Zeit. Wir geben für Bildung mehr Geld aus, als dies jemals zuvor in Österreich der Fall war. Wir geben für Forschung und Entwicklung mehr Geld aus, als jemals zuvor in Österreich dafür ausgegeben wurde. Wir haben das Kinderbetreuungsgeld beschlossen. Man sieht, wir investieren in Menschen – das ist für uns ein ganz, ganz wichtiger Faktor!

Wenn vor diesem Hintergrund die Pensionserhöhung angesprochen und demagogisch behandelt wird, dann muss ich wirklich sagen: Herr Abgeordneter Edlinger, Sie kennen die Zahlen! Im Jahre 1997 haben ein sozialdemokratischer Bundeskanzler, Finanzminister und Sozial-minister eine Pensionserhöhung für alle Pensionisten von 0,0 beschlossen (Abg. Edlinger: ... ihr macht das, weil wir so viel hergegeben haben! Ihr müsst euch einmal einigen!), und zwar bei einer Inflation von 1,3 Prozent. 0,0 ist das, was Sie für die Pensionisten übrig hatten! (Abg. Edlinger: Eine Einmalzahlung! – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Gar nichts habt ihr gemacht! Im Durchschnitt!)

Da Sie "Einmalzahlung" sagten: Im Jahre 1998 haben Sie eine Anpassung von 1,3 Prozent gemacht, im Jahre 1999 eine Anpassung von 1,5 Prozent, im Jahre 2000 eine Anpassung von 1,1 Prozent. (Abg. Edlinger: 0,6 Prozent Inflation!) Ja, im Jahre 2000 eine Anpassung von 1,1 Prozent bei einer Inflation von 2,3 Prozent. (Abg. Ing. Westenthaler: Nicht einmal die Hälfte!) Der Realeinkommensverlust ist Legende, den Sie den Pensionisten durch Ihre Beschlüsse zugefügt haben. (Abg. Edlinger: Wollen Sie sagen, die haben zu viel gekriegt?)

Wir haben im Budget 1,6 Prozent für dieses Jahr vorgesehen, und das ist mehr, als Sie den Pensionisten jemals in den letzten vier Jahren gegeben haben. Auch das zeigt, dass wir die


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Pensionisten, die älteren Menschen und ihre Kaufkraft in diesem Land sehr wichtig nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da Sie die Realeinkommen angesprochen haben und wir beim Rechnungsabschluss 2000 sind, darf ich Ihnen sagen, dass die Realeinkommen in Österreich um 0,8 Prozent steigen, während sie in Ihrer Verantwortung im Jahre 1997 um 2,4 Prozent gesunken sind. (Abg. Mag. Trattner: Jetzt schaut er nicht mehr gut aus, der Edlinger! Jetzt schaut er zerrupft aus! Deshalb sitzt er in der Opposition!) Hingegen eine Steigerung der Massenkaufkraft, der Realeinkommen im Jahr 2000 um 0,8 Prozent – auch das ist ein wichtiger Erfolg!

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Schwerpunkt: Wir investieren in die Infrastruktur. Natürlich versuchen wir, die Bauprojekte vorzuziehen, um Beschäftigungseffekte auszulösen. (Abg. Edlinger: Der Märchenonkel!) Wir haben heute auch den Stabilitätspakt, beschlossen mit den Ländern, auf der Tagesordnung. (Abg. Schwarzenberger: Und Edlinger schaut schlecht aus!) Natürlich haben wir die Wohnbauförderung mit mehr als 30 Milliarden Schilling ungekürzt gelassen, damit man im Hochbau wesentliche Beschäftigungseffekte auch durch die Renovierung von Altbauten auslösen kann. Natürlich versuchen wir, den Standort aufzuwerten. Wir haben im Jahr 2000 bereits Lohnnebenkostensenkungen in Höhe von 4 Milliarden Schilling durch-geführt, auch, wie schon angesprochen, die Strom- und Gas-Liberalisierung, eine Deregulierung durch eine Verwaltungsreform und eine weitere Privatisierung.

Meine Damen und Herren! Damit eröffnet unsere Politik – gesunde Staatsfinanzen, in Men-schen investieren, den Standort aufwerten – neue Chancen für Österreich! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist jetzt eine Lehrstunde für Edlinger gewesen!)

14.23

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet und komme nun nach dem Herrn Finanzminister an die Reihe, worüber ich nicht unglücklich bin, denn ich habe damit die Gelegenheit, die Selbstdarstellung, die er uns jetzt über 30 Minuten hier geliefert hat (Widerspruch bei den Freiheitlichen), vielleicht doch etwas zu relativieren und ihn wieder ein bisschen auf den Boden der Realität zurückzuholen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Finanzexperte Leikam! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie werden es gleich hören! Es geht darum, ihn auf den Boden der Realität zurückzuholen, weil eine der Maßnahmen, die er in den nächsten Tagen setzen will – da er noch viel Geld benötigt, um all diese Zahlen untermauern zu können, die er jetzt hier genannt hat –, darin besteht, von den Bundesforsten 800 Millionen Schilling für die Kärntner Seen zu bekommen. (Abg. Edlinger: Skandal!)

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Da kann ich Sie natürlich nicht aus dieser Diskussion herauslassen, denn Sie haben mit der Beschlussfassung der Budgetbegleitgesetze hier auch die Bundesforstegesetz-Novelle mitbeschlossen, welche die Basis ist für das, was der Herr Finanzminister jetzt den Kärntnerinnen und Kärntnern antut, nämlich dass er die Bundesforste beauftragt, 800 Millionen Schilling in das Budget einzuzahlen und die Verwaltung der Kärntner Seen – von zehn Kärntner Seen sowie des Attersees in Oberösterreich – zu übernehmen.

Der erste Schritt der Bundesforste ist – sie müssen ja das Geld irgendwoher bekommen –, es wird einmal alles erhöht. Der Preis für die Zugänge zu den Seen soll erhöht werden. Die Folge ist ein Aufschrei innerhalb der Kärntner Bevölkerung, meine Damen und Herren! In einer geschlossenen Einmütigkeit, wie es sie in der politischen Landschaft Kärntens noch kaum je ge-geben hat, hat die Kärntner Landesregierung am Dienstag Folgendes beschlossen: Wenn schon verkauft werden sollte, dann ist das Land der Partner, der die Seen kauft, und es sind nicht die Bundesforste.


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Doch was geschieht heute? – Heute hat der Kärntner Landtag diesen einstimmigen Beschluss erneuert. (Abg. Dietachmayr: Einstimmig! Mit der FPÖ!) Wiederum wird die Aufforderung an den Finanzminister gerichtet, nicht an die Bundesforste, sondern an das Land Kärnten zu verkaufen. Das Land Kärnten wäre bereit – wegen Ihres Beschlusses, meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ! –, bis zu 500 Millionen Schilling einzusetzen; das ist ein unglaublicher Schaden für das Land Kärnten! 500 Millionen Schilling müsste das Land Kärnten jetzt aufbringen, damit das, was Sie mit dieser Beschlussfassung der Kärntner Bevölkerung angetan haben, wieder korrigiert werden kann.

Das ist die Kehrseite der Selbstdarstellung des Herrn Finanzministers, nämlich die Art und Weise, wie es hier zu dieser Beschlussfassung gekommen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Mit dem gemeinsamen Auftreten aller Kärntner Parteien in dieser Sache sind wir vom Landeshauptmann auch aufgefordert worden, hier parlamentarisch aktiv zu werden. Er verlangt von uns, hier die gemeinsame ... (Abg. Dietachmayr: Wer ist das?) Das wird ja allen bekannt sein. (Abg. Edlinger: Wer ist das?) Das ist natürlich Herr Haider. (Abg. Edlinger: Oh, der Herr Haider!)

Er verlangt von uns in einer Aussendung, da aktiv zu werden. In dieser Aussendung steht Folgendes: Der Landeshauptmann will alle Kärntner Nationalratsabgeordneten dazu bewegen, im Parlament einen Antrag einzubringen, um die nötige Änderung des Bundesforstegesetzes zu bewirken. – Es geht also darum, die Reparatur dessen vorzunehmen, was Sie hier vor wenigen Monaten vermurkst haben. In der Selbstdarstellung, die der Herr Finanzminister soeben geliefert hat, ist davon keine Rede.

Meine Damen und Herren! Wir bieten Ihnen heute die Gelegenheit dazu. Die SPÖ wird jetzt durch mich einen Entschließungsantrag einbringen. Ich lade alle Abgeordneten von ÖVP und FPÖ ein: Folgen Sie doch dem Ruf Ihres Kärntner Landeshauptmannes! Stimmen Sie dem Antrag der SPÖ zu! Reparieren wir dieses unglückselige Bundesforstegesetz! Geben wir der Kärntner Bevölkerung wieder die Chance, die Zugänge zu ihren Seen – und auch am Attersee – so zu haben, wie es auch in der Vergangenheit der Fall gewesen ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sehe hier allerdings keine Kärntner ÖVP-Abgeordneten. Von den Freiheitlichen sind wenigstens einige noch hier. Die anderen sind anscheinend untergetaucht oder untergegangen in den Wellen des Wörthersees. Ich kann sie nicht mehr sehen. (Abg. Dietachmayr  – in Richtung Freiheitliche –: Der Attersee ist auch dabei!)

Meine Damen und Herren! Ich bringe nun folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gradwohl, Leikam, Dr. Ilse Mertel, Dr. Antoni, Posch, Mag. Christine Muttonen, Ulli Sima, Wimmer und GenossInnen betreffend sofortigen Stopp des Verkaufs beziehungsweise der Übertragung der Kärntner Seen

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:


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Die Bundesregierung wird aufgefordert, ihren Budgetgag betreffend den Verkauf beziehungs-weise die Übertragung von elf Seen, darunter die wichtigsten Kärntner Seen und der Attersee in Oberösterreich, umgehend zu stoppen und dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzumitteln, die eine Rechtsgrundlage dafür schafft, dass die Verwaltung dieser Seen auch durch die Länder vorgenommen werden kann. In diesem Fall ist den Ländern jedenfalls ein Verkaufsverbot aufzuerlegen.

*****

Meine Damen und Herren! Die ÖVP hat heute mit schönen Taferln hier auf sich aufmerksam gemacht. Sie haben jetzt wirklich die neue Chance, die große Chance, dieses Gesetz im Interesse der Kärntner Bevölkerung zu reparieren. Ich lade Sie ein: Stimmen Sie unserem An-trag zu! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Auch kein zweiter Kärntner SPÖ-Abgeordneter ist jetzt anwesend!)

14.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und damit mit zur Verhandlung sowie in weiterer Folge auch zur Abstimmung.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Bundesminister Mag. Grasser. – Bitte.

14.30

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Herr Präsident! Ich bitte um Verzeihung, dass ich mich kurz nach meiner Rede gleich noch einmal zu Wort melde, aber es ist mir ein Anliegen, zur Frage der Kärntner Seen zwei Minuten kurz Position zu beziehen, weil ich erstens, wie Sie auch an meiner Aussprache merken, Kärntner bin (Beifall des Abg. Ing. Herbert L. Graf ) und zum Zweiten unter anderem über viele Jahre Tourismusreferent des Landes Kärnten war. Daher darf ich Ihnen versichern, dass ich, so wie auch gegenüber allen anderen Bundesländern, größtes Interesse an einer sehr positiven Zusammenarbeit mit Kärnten und an der Unterstützung Kärntens habe.

Erste Berichtigung zu den Aussagen des Abgeordneten Leikam: Sie wissen natürlich, was wir alle und was Sie mit dem Budgetbegleitgesetz 2000 beschlossen haben. Die Republik Österreich verkauft keine Seen. Die Republik Österreich ist Eigentümerin der Seen, und die Republik Österreich bleibt Eigentümerin der Seen! Das Einzige, was passiert, ist, dass die Verwaltung in die Hände der Österreichischen Bundesforste gelegt werden soll. Warum? – Weil Kollege Bundesminister Molterer im letzten Jahr zu mir gekommen ist und gesagt hat: Wir haben eine Verwaltung für zwölf Seen im Landwirtschaftministerium, und wir haben eine bestehende Verwaltung der 71 anderen Seen bei den Österreichischen Bundesforsten.

Es macht daher sehr viel Sinn, dass man, wenn jetzt und seit vielen Jahren 71 Seen, und zwar auch touristische Kerngebiete wie der Wolfgangsee, der Grundlsee und andere Seen, von den Österreichischen Bundesforsten verwaltet worden sind – zur Zufriedenheit des Landes, zur Zufriedenheit der Gemeinden, zur Zufriedenheit der Tourismusbetriebe –, nun sagt: Wir geben auch die zwölf anderen Seen in die Hand der Österreichischen Bundesforste, was die Verwaltung betrifft, und sparen damit zugunsten des Steuerzahlers Geld ein. – Das ist der erste wesentliche Punkt.

Der zweite Punkt ist, dass wir durch eine Modifikation der Seeuferpolitik erreicht haben, dass Anrainer, die vor sich Anlandeflächen – also Seegrundstücke – haben, diese Anlandeflächen, die der Republik gehören, kaufen können. Damit kommen ungefähr 209 Millionen Schilling an Einnahmen für die Republik herein. Wir haben mit dem Land Kärnten vereinbart, dass diese 209 Millionen Schilling im Konsens und auf Vorschlag des Landes Kärnten zum Ankauf von Seegrundstücken für die Bevölkerung eingesetzt werden, damit der öffentliche Zugang zu den Seen verbessert werden kann. Das bedeutet eine wesentliche Verbesserung für die Kärntner Bevölkerung, was den Zugang zu den Seen betrifft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit jede Ausverkaufs-Debatte beendet wird – was mir wirklich ein Anliegen ist, und deswegen habe ich mich jetzt gleich zu Wort gemeldet –, möchte ich feststellen: Was erreichen wir auch mit dieser Novelle, die wir im Budgetbegleitgesetz zum Bundesforstegesetz verankert haben? (Abg. Leikam: Keine Polemik von der Regierungsbank!)

Bisher unterliegen die Seen nicht dem verfassungsmäßig gebotenen Substanzerhaltungsschutz (Abg. Leikam  – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Heute beschlossen! Kärntner Landtag!), der für die Österreichischen Bundesforste vorgeschrieben ist, sondern theoretisch könnte man mit der Ermächtigung einer einfachen Mehrheit dieses Hauses Seen verkaufen. Mit dem Beschluss, den wir gefasst haben, sind dann die Seen auch von der verfassungsmäßig abgesicherten Substanzerhaltung erfasst. Das heißt, es besteht ein größerer Schutz für unsere Gewässer, ein größerer Schutz für unsere Seen, als wir ihn jemals vorher hatten. Damit hat man hier wirklich eine Qualitätssteigerung erreichen können.

Herr Abgeordneter! Wenn Sie schon die Kärntner Landesregierung ansprechen: Bei dieser Sitzung war Herr Landeshauptmann Haider nicht dabei. Es war ein Antrag, den Landesrat Schiller – Ihrer Fraktion zuzurechnen – eingebracht hat. Vorgesehen ist, dass der Kaufpreis, der vom Land Kärnten bezahlt werden soll, über Pachterhöhungen, und zwar von jetzt 10 Millionen auf 20 Millionen Schilling in den nächsten Jahren, finanziert werden soll.

Ich sage Ihnen, die Österreichischen Bundesforste geben gegenüber dem Land Kärnten und allen dort Betroffenen die Garantie ab (Abg. Leikam  – neuerlich ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Das ist der Wortlaut! Einstimmig!), dass man nicht auf 20 Millionen Schilling erhöhen will, wie es die Kärntner Landesregierung einstimmig beschlossen hat, sondern die Österreichischen Bundesforste wollen für jene Grundstücke, die noch nicht vermessen sind, eine entsprechende Pacht einführen und damit innerhalb der nächsten zehn Jahre von 10 Millionen auf 16 Millionen Schilling kommen. Damit wollen sie 4 Millionen Schilling weniger an Pacht einheben, als es die Kärntner Landesregierung einstimmig beschlossen hat.

Meine Damen und Herren! Deswegen möchte ich zusammenfassend nochmals festhalten: Es ist kein Verkauf, kein einziger See wird verkauft – jedes Bekenntnis dazu! Klugerweise ist Substanzerhaltung verfassungsmäßig festgeschrieben in dem Gesetz, das beschlossen ist. Ich kann darauf hinweisen, dass wir in den nächsten Tagen mit der Kärntner Landesregierung – mit dem Landeshauptmann und mit anderen Regierungsmitgliedern – in Gespräche eintreten werden, um hier zu einer gemeinsamen, konsensualen Vorgangsweise zu kommen.

Ich möchte darum bitten, dass man diese Gespräche auch nicht durch einen Antrag heute präjudiziert. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.35


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Gradwohl zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, dass Ihnen die Bestimmungen über die tatsächliche Berichtigung bestens bekannt sind. – Bitte. (Abg. Kiss: ... den Leikam berichtigen?)

14.35

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Kiss, nicht den Kollegen Leikam werde ich berichtigen, sondern den Herrn Bundesminister. Er hat in seiner Berichtigung nach den Ausführungen des Kollegen Leikam unrichtigerweise behauptet, dass wir – er sagte "auch Sie" in Richtung des Kollegen Leikam – im Jahre 2000 diesen Beschluss gefasst haben.

Hohes Haus! Um einer Legendenbildung vorzubeugen, darf ich ihn tatsächlich berichtigen: Die sozialdemokratische Fraktion hat in weiser Voraussicht bereits damals diesen gesetzlichen Bestimmungen nicht zugestimmt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Aber die Mehrheit der Abgeordneten! – Abg. Gradwohl  – das Rednerpult verlassend –: Trotzdem sollte man bei den Tatsachen bleiben, Herr Kollege Graf!)

14.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mühlbachler. – Bitte.

14.36

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Edlinger Stellung nehmen. Wenn ich so wie er Finanzminister gewesen wäre, also Verantwortung für die derzeitige Schuldensituation zu tragen hätte, und wenn ich so viel Informationszugang wie er gehabt hätte, dann hätte ich die Argumentation gegen die jetzige Finanzpolitik nicht ins Plenum gebrüllt, sondern geflüstert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist beschämend, wie rasch die Argumentation des Abgeordneten Edlinger durch Finanzminister Mag. Grasser widerlegt worden ist. Es ist unwahrscheinlich, welche Argumente hier lautstark verkündet wurden und wie eigentlich die Finanzpolitik der damaligen Zeit negiert wird, wie dabei so getan wird, als wäre damals alles in bester Ordnung gewesen, als wäre der soziale Frieden damals nie und nimmer gefährdet gewesen. Ich habe vor mir die Darstellungen aus der "WirtschaftsWoche" vom Februar 1996. Darin gibt es ein ganzes Bündel von Fragen an die österreichische Bevölkerung, wie sie denn mit den Belastungen, die damals angestanden sind, tatsächlich zu Rande kommen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, wir waren mit dabei. (Abg. Mag. Gaßner: Endlich einmal ein anderes Wort! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber der Unterschied zur heutigen Situation ist, dass es heute Perspektiven für die österreichische Bevölkerung gibt, die es damals nicht gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP.) Es ist damals belastet worden, aber trotzdem haben sich die Defizite nur geringfügig verändert, trotzdem ist die Staatsschuld von Jahr zu Jahr exorbitant gestiegen. Es gab nicht diese Situation neuer Chancen, die heute die österreichische Befindlichkeit so stark prägt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst gestern hat es eine Darstellung beziehungsweise ein Kommentar im "Kurier" gut wiedergegeben: "Ganz gute Stimmung trotz Konjunkturflaute". Das IMAS-Institut hat zur österreichischen Befindlichkeit und zum Stimmungsklima befragt. Es hat gefragt, wie sich Österreicherinnen und Österreicher derzeit fühlen. 47 Prozent geben an, dass wir in einer sehr "schwierigen Zeit" leben. Aber nur 57 Prozent glauben, dass man hinsichtlich der Wirtschaftslage "besorgt" sein müsste. Dieser Prozentsatz war in den Vorjahren wesentlich höher.

11 Prozent der Österreicher schätzen jetzt, dass ihre Lebensstandarderwartungen in den nächsten Jahren höher gelegen sein werden. 44 Prozent glauben, dass ihr Lebensstandard im nächsten Jahr gleich hoch wie derzeit sein wird. Lediglich 38 Prozent schätzen die Lage so ein, dass der Lebensstandard zurückgehen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, und jeder zweite Österreicher glaubt, dass er eigentlich von der Zukunft Gutes zu erwarten haben wird!

Die gute Finanzpolitik, die derzeit betrieben wird, wurde auch durch einen Oppositionspolitiker, nämlich Professor Van der Bellen, bestätigt. Seine Ausführungen haben im Großen und Ganzen das, was in den letzten eineinhalb Jahren an Positivem geleistet wurde, wiedergegeben. Doch als er zur Kritik angesetzt hat, da habe ich feststellen können, dass es sich um volkswirtschaftlich allgemein gültige Feststellungen bezüglich Konjunkturlage, bezüglich eines entsprechenden Wirtschaftswachstums oder einer Verringerung des Wirtschaftswachstums gehandelt hat. (Abg. Mag. Kogler: Einsichten, denen sich die Regierung verweigert!) Von einer Kritik an der Finanzpolitik konnte ich nichts merken. (Abg. Dr. Lichtenberger  – auf den Redner weisend – zu Abg. Mag. Kogler: Der Kollege hört nur, was er hören will!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da immer wieder behauptet wird, dass das Nulldefizit so etwas Schreckliches wäre, darf ich Ihnen abschließend Folgendes sagen: Allein durch die Verschuldung der letzten acht Jahre kam es im Bundeshaushalt zu einem Schuldenzuwachs


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von über 500 Milliarden Schilling. Das bedeutet eine Zinsbelastung von mindestens 25 Milliarden Schilling pro Jahr. Glauben Sie mir: Die Dinge, die man den Bürgerinnen und Bürgern in den letzten eineinhalb Jahren auferlegen musste – ob das jetzt die Studiengebühren sind, ob das die Besteuerung der Unfallrenten ist –, sind im Verhältnis dazu tatsächlich Peanuts! (Abg. Verzetnitsch: Die Betroffenen sehen das anders!)

Sie sagen: "Die Betroffenen (Abg. Verzetnitsch: Die sehen es anders!) sehen das anders!" – Herr Präsident, wir könnten diesen Betroffenen sogar noch etwas dazugeben, hätte es nicht diese exorbitante Schuldenpolitik der vergangenen Jahre gegeben (Abg. Verzetnitsch: ... Infrastrukturinvestitionen ...!) und würde nicht allein der Beitrag zum Schuldendienst, der aus dem Budget zu tragen ist, pro Jahr um die 110 Milliarden Schilling ausmachen. Es gibt keine Budgetpost, die für sich allein so hoch ist wie der Schuldendienst der Republik Österreich – nicht einmal das Bildungsbudget, nicht einmal das Budget der Universitäten, nicht einmal die Sozialausgaben, nicht einmal die Beiträge, die der Bund zu den Pensionen leistet!

Stellen Sie sich vor, was wir leisten könnten, wenn wir auf Jahre hinaus eine Politik der neuen Chancen, der Nicht-Neuverschuldung durchhalten könnten! Wir werden der österreichischen Bevölkerung durch diese Politik Hoffnung geben können, dass es um vieles besser wird, als es in der Vergangenheit war. Dafür stehen wir! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kubitschek. – Bitte.

14.44

Abgeordnete Mag. Maria Kubitschek (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Grasser, Herr Krejci, der Ex-Chef der Industriellenvereinigung, hat Sie in einem Artikel im "Standard" als "PR-Maschine in Gestalt eines Finanzministers" bezeichnet. Tatsächlich ist ja Ihr Marketing-Talent mittlerweile zu Ihrem Markenzeichen geworden. Allerdings habe ich den Eindruck, dass gerade dieses Image in den letzten Wochen stark gelitten haben dürfte, denn vor zwei Wochen haben Sie Ihr wichtigstes Marketing-Ziel erreicht und haben seither eigentlich wirklich die schlechteste Presse in Ihrer gesamten Karriere. Wenn sich ein Ziel so schlecht verkaufen lässt wie Ihr Nulldefizit, Herr Minister, dann stimmt entweder etwas mit dem Marketing nicht oder mit dem Produkt.

Es gibt ganz offensichtlich Produkte, die sich nicht einmal mit dem allerbesten Schmäh verkaufen lassen. (Abg. Mag. Mühlbachler: Die Befindlichkeit der Österreicher ist eine andere!) Aber sozusagen als Ehrenrettung für Ihr Marketing-Image muss man schon dazusagen: Wenn es einem gelingt, den Leuten einzureden, dass es etwas zu feiern gibt, wenn man ihnen gleichzeitig 111 Milliarden Schilling aus der Tasche zieht, dann muss man schon ein wirkliches Marketing-Genie sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Schlimmer für das Image eines Finanzministers ist es allerdings, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn die Wirtschaftskompetenz eines Finanzministers in Zweifel gezogen wird. (Ruf bei den Freiheitlichen: Da hat der Edlinger schon mehr gehabt!) Vor zwei Tagen hat der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts – das ist immerhin einer der renommiertesten Wirtschaftsforscher in diesem Land – in einer Pressekonferenz erklärt, dass die Wachstumsprognosen ein weiteres Mal nach unten revidiert werden müssen und dass wir mit einem Schrump-fungsprozess der Wirtschaft rechnen müssen. (Abg. Dr. Ofner: "Gott sei Dank!" "Seien wir froh!" – Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung der Rednerin –: Plappern Sie doch nicht alles unfiltriert nach, was Sie nicht verstehen!) – Ich glaube, da braucht man wirklich nicht darauf zu reagieren. – Herr Professor Van der Bellen hat Ihnen zuvor schon zu erklären versucht, was eine Rezession ist, aber dieses sein Bemühen hat anscheinend nichts gefruchtet.

Ich glaube, über diese Aussagen von Herrn Kramer kann niemand in Österreich glücklich sein. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Gelegentlich glaubt man, dass Sie darüber glücklich sind!) Aber noch weniger erfreulich ist die Aussicht, diese Konjunkturkrise mit einem Finanzminister durchstehen zu müssen, dem in dieser Situation nichts anderes einfällt als die wirklich sehr triviale


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Aussage – und, Herr Minister, Sie haben das heute eigentlich wieder bestätigt –: Ich kann keine Rezession erkennen.

Wenn es nämlich wirklich stimmt, dass Sie, Herr Minister Grasser, eine Rezession nicht erkennen können, wenn sie vor der Tür steht (Abg. Mag. Mühlbachler: Er hat aber Maßnahmen genannt! Wieso geben Sie die nicht wieder?), wenn Ihnen nicht bewusst ist, dass praktisch alle großen Wirtschaftsräume auf der Welt gemeinsam in eine Rezession rutschen und dass das sehr, sehr gravierende Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft haben muss, wenn Sie nicht erkennen, dass sich die relevanten Wirtschaftsdaten in Österreich dramatisch verschlechtern – und zwar stärker als im EU-Trend, und das, meine Damen und Herren, deutet klar darauf hin, dass zumindest ein Teil dieser Wirtschaftskrise auch hausgemacht ist –, und wenn Sie nicht sehen, dass es bei der Arbeitslosigkeit seit Anfang des Jahres eine Trendumkehr gibt – seit Anfang des Jahres haben wir wieder eine steigende Arbeitslosigkeit (die Abgeordneten Freund und Großruck: Und steigende Beschäftigung!), und im Oktober, nur zu Ihrer Information, weil das anscheinend an Ihnen vorbeigegangen ist, ist die Arbeitslosenrate im Vergleich zum Vorjahr um 14,5 Prozent gestiegen –, wenn Sie das alles nicht erkennen können, Herr Minister, dann haben Sie als Finanzminister in Wirklichkeit längst abgedankt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Dann werden Sie Finanzministerin, okay?)

Wirtschaftsprognosen, meine Damen und Herren, haben den Zweck, Entwicklungen, die nicht alle Leute von selbst erkennen können, im Voraus anzuzeigen. Wenn Sie also wirklich – vermutlich als einziger Finanzminister auf der ganzen weiten Welt – eine drohende Rezession nicht erkennen können, Herr Minister, dann muss man aber wohl trotzdem von Ihnen erwarten können, dass Sie auf professionell erstellte Wirtschaftsprognosen auch wirklich professionell reagieren und nicht pubertäre Realitätsverweigerung betreiben. Genau das war nämlich Ihre Reaktion! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mühlbachler: Bitte, das ist aber wirklich arg, was Sie treiben!) – Es tut mir Leid, aber anders kann ich das wirklich nicht mehr bezeichnen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Auf das, was Sie da sagen, sollte man gar nicht eingehen!) 

Es geht nicht darum, die Wirtschaft krankzureden, meine Damen und Herren (Abg. Mag. Mühlbachler: Wenn Sie bei einer Wahl 1 Prozent dazugewinnen, ist das dann eine Rezession?), sondern es geht darum, die Realität zu erkennen und darauf dann auch entsprechend reagieren zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist heute schon angesprochen worden: Die erzkonservative Bush-Regierung in den Vereinigten Staaten zeigt uns derzeit, was es heißt, eine pragmatische Wirtschaftspolitik zu betreiben: staatliche Konjunkturbelebung in bester keynesianischer Tradition statt neoliberaler Träumereien von der Allmacht des Marktes. – Das ist die Wirtschaftspolitik, die uns die USA (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen) derzeit vorführen, das ist die Wirtschaftspolitik, die die USA in einer Konjunkturkrise betreiben. Dieses eine Mal würden wir uns wirklich wünschen, dass Sie sich an der amerikanischen Politik ein Beispiel nehmen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das Deficit-spending hat uns ja in die Situation gebracht, in der wir jetzt sind!)

Ich möchte zum Abschluss noch einmal etwas klarstellen, was immer wieder falsch dargestellt wird – ich weiß, dass das nichts nützt, aber ich versuche es trotzdem noch einmal –: Die Budgetkonsolidierung der früheren Bundesregierung hat 1996 begonnen. Die frühere Regierung hat dabei innerhalb von drei Jahren das Defizit um 3 Prozent abbauen können, von 5 Prozent im Jahre 1996 auf 2,1 Prozent im Jahre 1999. (Abg. Mag. Mühlbachler: Sagen Sie einmal absolute Zahlen! Tun Sie nicht alles beschönigen! Beschönigen Sie nicht!)

Das heißt, die Behauptungen, die immer wieder – auch von Herrn Minister Grasser – getätigt werden, dass bei Fortsetzung der Großen Koalition ein Defizit von 4 Prozent produziert worden wäre, sind einfach falsch und polemisch. (Ruf bei den Freiheitlichen: Gar nicht!) Das würde nämlich voraussetzen, dass keine Politik gemacht worden wäre. Tatsächlich hat aber die letzte Bundesregierung – vielleicht kann sich der eine oder andere aus der ÖVP auch noch daran erinnern (Abg. Mag. Mühlbachler: Ja!)  – im Stabilitätspakt 1999 festgelegt, dass das Defizit auf


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1,2 Prozent abgebaut werden soll. Im Gegensatz zu dem, was die Regierung uns vorgibt, wäre dieses Ziel auch mit einem sozial ausgewogenen Kurs möglich gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller. – Bitte.

14.50

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Das Jahr 2000 stellt eine Trendwende in der österreichischen Budgetpolitik dar. Erstmals in der Geschichte der Staatshaushalte wurden nicht weniger als drei Budgets in einem Jahr erstellt. – Ich kann mich erinnern: Es gab einen roten Finanzminister, der es zu keinem einzigen Budget brachte! – Der ab dem Jahre 2000 eingeschlagene Konsolidierungskurs wurde bewusst mittelfristig definiert und wird nun zügig verwirklicht. An Gesamtausgaben wurden rund 801 Milliarden Schilling getätigt; dem gegenüber stehen 762 Milliarden Schilling an Einnahmen. Daraus resultiert ein Abgang von rund 39 Milliarden Schilling. Er war somit um rund 15 Milliarden Schilling oder 42 Prozent kleiner als prognostiziert. Diese Defizitminderung bedeutet bei den Zinsenbelastungen allein Ersparnisse von rund 840 Millionen Schilling.

Dass das Versprechen der jetzigen Bundesregierung, auch bei sich selbst zu sparen, auch umgesetzt wurde, beweist die Tatsache, dass im Kanzleramt die Ausgaben um 26 Prozent und bei der Finanzverwaltung sogar um 34 Prozent gesenkt wurden.

Um den damaligen Konjunkturaufschwung weiter zu sichern, wurden zum Beispiel in den Bereichen Verkehr, Innovation und Technik Mehrausgaben von rund 11 Milliarden Schilling gegenüber dem Jahr 1999 – ein Plus von umgerechnet 44 Prozent – getätigt.

Die gute Konjunktur brachte dem Staatshaushalt höhere Einnahmen als erwartet. Budgetäre Maßnahmen und Einmaleffekte mussten die budgetären Belastungen durch die im Jahre 1999 beschlossene Steuerreform ausgleichen. Im Wahljahr 1999 wurde die besagte Steuerreform vom damaligen Finanzminister beschlossen, für die Deckung war aber nicht gesorgt. Diese musste erst von der neuen blau-schwarzen Bundesregierung im Jahre 2000 erwirtschaftet werden.

Auch die privaten Haushalte erhöhten ihre Konsumausgaben im Jahre 2000 kräftig. Die reale Zunahme des Bruttoinlandsproduktes betrug im Jahre 2000 3,3 Prozent und lag somit im Durchschnitt der EU. Die Verbraucherpreise stiegen im Berichtsjahr lediglich um 2,3 Prozent.

Sehr erfreulich war auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt: Lag die Arbeitslosenrate im Jahre 1999 bei 6,7 Prozent, so fiel diese im Jahre 2000 auf 5,8 Prozent.

Zusammenfassend kann man die Feststellung treffen, dass es im Jahre 2000 einen sehr hohen Beschäftigungsstand, eine hinreichend stabile Geldentwicklung und eine hohe Wahrung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichtes gab und dass das Wachstumspotential gesichert war.

Das Jahr 2000 war auch das Jahr der Privatisierung: Die PSK wurde um rund 18 Milliarden Schilling veräußert. Im Oktober 2000 wurden die Bundesanteile am Flughafen Wien und auch die Staatsdruckereien verkauft. Die höchsten Privatisierungserlöse wurden beim Verkauf der Telekom und bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen erzielt.

All diese Beträge wurden nicht zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet, wie es in den früheren Jahren der Fall war, sondern es wurden die Schulden der ÖIAG um mehr als 60 Milliarden Schilling reduziert. Diese sinnvolle Verwendung bewirkt, dass zukünftig jährlich rund 3 Milliarden Schilling weniger an Zinsen bezahlt werden müssen.

In ausgereiften Volkswirtschaften und nicht zuletzt als Folge des europäischen Strukturwandels nimmt die Bedeutung des Bank- und Kreditwesens, des Kapitalmarktes, der Versicherungen und sonstiger Finanzdienstleister ständig zu. Da bei der Bankaufsicht – das Finanzministerium beaufsichtigt zurzeit rund 920 konzessionierte Kreditinstitute – eine effizientere Krisenbewälti


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gung angebracht war, begann im Jahr 2000 auch auf Regierungsebene die Diskussion über deren Neuorganisation. Das Gesetz zur Gründung dieser wichtigen Finanzmarktaufsichtsbehörde wurde in diesem Jahr vom Parlament verabschiedet.

Der im Jahre 2000 eingeschlagene Konsolidierungskurs erwies sich als sehr richtig und stellt einen unverzichtbaren Bestandteil einer gesunden wirtschaftlichen Gesamtstrategie dar. Diese Budgetstrategie bedeutet Licht am Ende eines jahrzehntelangen Verschuldungstunnels, und die Beweise ihrer Richtigkeit und Zweckmäßigkeit werden laufend von unserem Finanzminister vorgelegt. – Danke schön! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. (Abg. Böhacker  – in Richtung des sich nicht von seinem Platz erhebenden Abg. Verzetnitsch –: Was ist jetzt? – Abg. Verzetnitsch: Kollege Edler spricht! – Abg. Böhacker  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Edler –: "Eisenbahner vor Gewerkschaft"!) 

Jawohl, wir nehmen das als Meldung hin: Herr Abgeordneter Edler tritt an die Stelle von Herrn Abgeordnetem Verzetnitsch.

14.56

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns einig darüber, dass das Nulldefizit sicherlich eher ein Ziel ist, das dem Marketing dient, als ein ökonomisches Ziel. Ich glaube, darüber gibt es auch keine Debatte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. ) Wenn man genau zugehört hat, dann kann man, glaube ich, erkennen, dass der Finanzminister grundsätzlich auch auf dieser Linie liegt.

Meine Damen und Herren! Es wird immer wieder gesagt, unter der alten Bundesregierung – die ÖVP war ja anscheinend nicht in der Bundesregierung! – wurden nur Schulden gemacht. Kollegin Kubitschek hat ganz deutlich darauf hingewiesen, dass wir seit 1996 und 1997 – der Herr Bundeskanzler müsste sich ja daran erinnern – gemeinsam Sparpakete geschnürt haben. Diese waren auch schmerzlich, aber, Herr Finanzminister, das, was Sie in den letzten Jahren geboten haben, ist ein effektiver Sozialabbau. Ich darf Ihnen eines sagen: Wenn Sie mit den Menschen reden, dann können Sie feststellen, dass sich ihre Wahrnehmung, was das Nulldefizit betrifft, ihre Einstellung dazu komplett geändert hat. Die Menschen sagen derzeit: Das Nulldefizit kann nicht alles sein, denn es hat ein effektiver Sozialabbau stattgefunden, und die Kleinen haben weniger Geld zur Abdeckung ihrer Bedürfnisse. – Das ist die Realität, meine Damen und Herren, und das haben Sie mit Ihrer Politik erreicht – und diese Politik lehnen wir ab! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist heute schon der große Ausverkauf angesprochen worden, meine Damen und Herren. Okay, einverstanden: Der Vorredner hat gesagt, dass das zur Tilgung der Schulden verwendet wurde – das wird von uns auch nicht abgelehnt. Aber wie Sie diese Betriebe verscherbelt haben, das ist unverständlich! (Abg. Böhacker: Geh!) Da hätte es viele andere Möglichkeiten gegeben, zum Beispiel jene der internationalen Ausschreibung beziehungsweise dass sich österreichische Unternehmer gefunden hätten, die sicherlich auch so manche Betriebe erworben hätten. Reden Sie mit Unternehmern! – Diese brauchen gar nicht unbedingt der Sozialdemokratischen Partei anzugehören, denn das wird auch von vielen anderen politischen Gruppierungen angesprochen. (Abg. Böhacker: Geschenkt wollen sie es haben! – Abg. Dr. Khol: Wie die Bank Austria!)

Man muss einmal hinterfragen: Wer hat diese Verschleuderungspolitik, wie ich das bezeichne, durchgeführt, und wo sind die wirklichen Gewinner? Es wird uns in den nächsten Wochen ja noch verstärkt darüber berichtet werden: Die Gewinner sind die "Friends of Prinzhorn". Schauen wir uns dort einmal die Stiftung an, denn dort sind die effektiven Gewinne drinnen – und das können wir von unserer Seite nur ablehnen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Böhacker. )


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Es wurde hier schon zum Ausdruck gebracht, dass auf Grund der fürchterlichen Ereignisse des 11. September die konservative Seite dieser Welt, verkörpert von Bush in Amerika, auch in der Wirtschaftspolitik zu einem Umdenken veranlasst wurde und zur Einsicht gelangt ist, dass privat nicht immer das Beste ist, aber es ist bedauerlich, dass es dazu dieses fürchterlichen Terroranschlages bedurft hat. Jetzt kommen wir darauf, dass es auch wesentlich ist, dass vom Staat investiert wird und dass auch staatliche Instanzen wieder gewisse Aufgaben übernehmen.

Ich möchte nur einen Bereich herausgreifen, zu dem gestern hier eine Beschlussfassung erfolgt ist, meine Damen und Herren: Ich hoffe nicht, dass wir in den nächsten Jahren irgendwelche großen Eisenbahnunglücke erleben müssen. Es geht nicht nur um die ÖBB, es geht auch um die Wiener Linien und um andere Verkehrsunternehmungen. Sie haben dort den Staat aus seiner Aufsichtspflicht entlassen und teilen diese Aufgabe Organisationen zu, die überhaupt nicht die Voraussetzungen dafür haben, diese wichtige Kontrollfunktion wahrzunehmen.

Das ist Ihre Politik der Verantwortungslosigkeit, und diese Politik, meine Damen und Herren, lehnen wir ab! (Beifall bei der SPÖ.)

14.59

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Meine Damen und Herren! Es ist ganz knapp vor 15 Uhr. Es würde sich nicht auszahlen, mit der nächsten Rede zu beginnen, um sie dann gleich wieder unterbrechen zu müssen.

Daher unterbreche ich gleich die Beratungen über den laufenden Verhandlungsgegenstand, den Bundesrechnungsabschluss, um – zumal auch die Frau Bundesministerin schon anwesend ist und auch Herr Abgeordneter Amon im Saal ist – zur Behandlung der Dringlichen Anfrage überzugehen.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Rüdiger Schender und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Orientierungslosigkeit der linken Bildungspolitik (3116/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen An-frage 3116/J.

Da die Anfrage inzwischen verteilt wurde, erübrigt sich eine Verlesung durch einen Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Das von der rot-grünen Führung der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) und von SPÖ-Organisationen als Aktion gegen die Bundesregierung massiv beworbene Bildungs-Volksbegehren erreichte mit 173 596 Unterschriften nur den 21. Platz von den 26 bisher durchgeführten Volksbegehren und ist die "bisher schwächste Initiative mit bildungspolitischen Themen" (APA 161, 14. Nov. 01). Das Bildungs-Volksbegehren stellt ein "Sammelsurium" von Forderungen dar, die den Bedürfnissen der an Bildung beteiligten und interessierten Personen nicht entsprechen. Das Ergebnis muss somit als klare Absage an die derzeitige rot-grüne Bildungspolitik gewertet werden und zeigt deutlich, dass die überwiegende Zahl der Österreicher mit der Bildungspolitik der Bundesregierung zufrieden ist.

Das Bildungs-Volksbegehren ist ein klarer Misserfolg. Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, welch hoher Einsatz für das Volksbegehren von der SPÖ, insbesondere ihrem Parteivorsitzenden und der gesamten Werbemaschinerie der Arbeiterkammer, des Gewerkschaftsbundes, der Kinderfreunde und der Aktion kritischer Schüler geleistet wurde. Dieses "Bildungs-Volksbegehren unter ‚ferner liefen’" ist der zweite Fehlschlag der neuen rot-grünen ÖH-Führung nach dem misslungenen, undurchdachten und die Studierenden verunsichernden Aufruf zum Boykott der Studienbeiträge. Diese vordergründige parteipolitische Agitation wird erfreulicherweise von der überwiegenden Mehrheit der Österreicher abgelehnt.


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Von den etwa drei Millionen Österreichern, die als Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler sowie Studierende mittelbar und unmittelbar am Bildungssystem mitwirken, haben lediglich etwas mehr als 170 000 (2,98 Prozent der Stimmberechtigten) das Volksbegehren unterschrieben. Daran zeigt sich, dass die Bildungspolitik der Regierung in der österreichischen Bevölkerung Vertrauen und breite Zustimmung genießt.

Die geringe Beteiligung hat ihre Ursache auch darin, dass die meisten Forderungen des Volksbegehrens bereits erfüllt sind:

Der freie Zugang zur Bildung ist gewährleistet.

Die Durchlässigkeit im Bildungssystem ist gegeben.

Die soziale Absicherung von Studierenden wurde verbessert.

Es gibt keine Kürzungen bei den in den Lehrplänen vorgesehenen Unterrichtsangeboten.

Ein modernes, leistungsorientiertes Dienstrecht für Universitäten ist bereits am 5. Juli im Nationalrat beschlossen worden und am 1. Oktober dieses Jahres in Kraft getreten.

Zudem erteilen die Österreicherinnen und Österreicher den beiden "Uralt-Hüten" der SPÖ und der Grünen, nämlich der Einführung der Gesamtschule und der Abschaffung der dualen Lehrlingsausbildung, eine Absage.

Von einigen Unterstützern des Volksbegehrens wurde mit hohem Aufwand und mit zweifelhaften Mitteln gearbeitet: So sind den unterfertigten Abgeordneten Meldungen bekannt, wonach einzelne Lehrer und Schulinspektoren versucht haben sollen, über die Schülerinnen und Schüler massiv Einfluss auf die Eltern zu nehmen. Bemerkenswert ist auch die Vorgangsweise der Kinderfreunde, einer mit Steuergeldern hoch subventionierten Organisation, die im Wiener VOR-Magazin zweiseitige Inserate mit der Aufforderung, das Bildungs-Volksbegehren zu unterschreiben, geschaltet hatten.

Mit dem Bildungs-Volksbegehren wurde versucht, das gute und international anerkannte österreichische Bildungssystem krank zu jammern. Die Österreicherinnen und Österreicher wissen, dass wir gute Universitäten und gute Schulen, engagierte Lehrer und Lehrerinnen sowie Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen haben und dass allen jungen Menschen der Zugang zu den Bildungseinrichtungen offen steht.

Eine weitere Facette der fragwürdigen SPÖ-Bildungspolitik stellt ihre Forderung nach Abschaffung der international üblichen Studienbeiträge dar. Damit würden den Universitäten zusätzliche, notwendige Einnahmen vorenthalten.

In Österreich gibt es aktuell 203 200 Studierende an Universitäten und Fachhochschulen, womit von einem "Einbruch" bei der Zahl der Studierenden durch die Einführung der Studienbeiträge keinesfalls gesprochen werden kann. 189 000 haben sich zum heutigen Stand zum Studium an einer österreichischen Universität an- oder weitergemeldet (die ÖH schätzte ursprünglich 164 400), an den Fachhochschulen beträgt die Zahl der Studierenden 14 500. Das ist insgesamt ein gutes Ergebnis, vor allem im Vergleich zu Bayern mit zwölf Millionen Einwohnern und 150 000 Studierenden oder zur Schweiz mit sieben Millionen Einwohnern und 98 000 Studierenden.

Kritisierenswert ist weiters, dass die rot-grüne Führung der Österreichischen Hochschülerschaft die Pflichtbeiträge der Studierenden nicht verwendet, um ihrer Informationspflicht nachzukommen, sondern um parteipolitische Agitationen zu unterstützen. Dabei hätte die ÖH alle Hände voll zu tun: Obwohl genügend Mittel zur Förderung jedes vierten Studierenden zur Verfügung stehen, haben bisher erst 17 Prozent der Studierenden eine Studienförderung beantragt.

Die SPÖ ignoriert auch die Erfolgsgeschichte der Fachhochschulen: Zuletzt gab es rund 11 800 Studierende in Fachhochschul-Studiengängen. Gegenüber dem Vorjahr ist der Fach


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hochschulsektor um 26 Studiengänge auf 93 Studiengänge mit rund 14 500 Studierenden erweitert worden, die Zahl der Studierenden ist um mehr als 22 Prozent angestiegen.

Auch hinsichtlich des schulischen Bereichs betrieb und betreibt die SPÖ mit dem BildungsVolksbegehren durch Desinformation und Aktionismus Gesellschaftspolitik auf dem Rücken der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern. Dazu gehört die Forderung nach Senkung der gesetzlichen Klassenschülerhöchstzahl auf 25. In diesem Zusammenhang muss da-rauf verwiesen werden, dass Prognosen aufgrund von geringeren Geburtenraten von einem Rückgang der Schülerzahlen ausgehen. Der Einsatz von Begleit- bzw. Stützlehrern, die Möglichkeit von Wahlpflichtfächern in AHS und BMHS, die Leistungsgruppen in der HS und die fächerübergreifenden Unterrichtsmöglichkeiten durch die Freiräume auf Basis der Schulautonomie führen generell zu Unterrichtssituationen mit weniger Schülerinnen und Schülern.

Die Bilanz der Bildungspolitik der Österreichischen Bundesregierung kann sich sehen lassen. Diese wird an einer Reihe von Reformen gemessen wie zum Beispiel

ein neues Hochschullehrerdienstrecht,

die "Universitätsmilliarde",

ein neues Landeslehrerdienstrecht,

die Ermöglichung von Verhaltensvereinbarungen an Schulen,

die Computermilliarde und IT-Offensive oder

die Einführung der Politischen Bildung.

In einer Umfrage des IFES-Institutes vom Mai 2001 bewerten 75 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher die Qualität des Schul- und Bildungswesens mit "Sehr gut" oder "Gut". Damit wird auch die gute und engagierte Arbeit unserer Lehrerinnen und Lehrer anerkannt.

Völlig unverständlich ist der Vorschlag des SPÖ-Vorsitzenden, die Schulpflicht um ein Jahr vorzuverlegen. Wie international üblich, beginnen die Kinder zwischen 6 und 7 Jahren mit dem Schuleintritt. Eine Vorverlegung auf das fünfte Lebensjahr würde ihnen einen Teil der Kindheit und Entwicklungszeit rauben. Eine klare Absage erteilen wir auch dem neuerlichen Versuch der SPÖ, die bewährten und qualitativ hochwertigen Schularten AHS und BHS, die völlig verschiedene Ausbildungsziele verfolgen, zusammenzulegen.

Höchst fragwürdig ist auch die unverantwortliche Kampagne der Sozialistischen Jugend an den Schulen zur Verharmlosung von Drogen. Zahlreiche Eltern, Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer haben sich darüber empört gezeigt. In diversen Materialien werden Aussagen zur Suchtproblematik getätigt, die zu Drogenkonsum auffordern oder den Drogenkonsum zumindest verharmlosen. Wer die Auswirkungen jedweden Drogenkonsums etwa auf die Verkehrssicherheit kennt, weiß, dass dieser Slogan im wahrsten Sinne des Wortes lebensgefährlich ist.

Die Eltern bemängeln, dass es bei dieser Kampagne nicht darum geht, den Drogenkonsum zu minimieren oder dessen Ursache zu bekämpfen sowie den Betroffenen zu helfen, sondern ein noch breiteres Spektrum an gesundheitlichen Gefahren zu verharmlosen. Es ist untragbar, dass Schülervertreter von der Sozialistischen Parteijugend dazu benutzt werden, an den Schulen Drogenpropaganda zu betreiben! Minderjährige Kinder zu Drogenkomsum und ungehemmter Sexualität aufzufordern, ist eine unfassbare Verantwortungslosigkeit!

Die unterfertigten Abgeordneten nehmen die Sorgen jener, die das Volksbegehren unterschrieben haben, ernst und wollen allfälligen Bedenken der Unterzeichner mit einer überzeugenden Bildungspolitik und einer entsprechenden Diskussion des Volksbegehrens im Parlament entgegenwirken.


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Daher stellen die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur folgende

Dringliche Anfrage:

1. Wie beurteilen Sie die Forderungen des Bildungs-Volksbegehrens?

2. Wie hoch sind die Investitionen der Bundesregierung in die Bildung?

3. Welchen Rang nimmt Österreich dabei im Vergleich zu den EU-Staaten und OECD-Staaten ein?

4. Wie hoch sind die durchschnittlichen Klassenschülerzahlen in den einzelnen Schularten?

5. Welche Zukunftsszenarien hinsichtlich der Entwicklung der Klassenschülerzahlen sind aufgrund von Schülerzahlprognosen zu erwarten?

6. Wie stehen Sie zu einer Senkung des Schuleintrittsalters?

7. Welche Schwerpunkte setzen Sie zur Sicherung der Qualität in Schulen?

8. Welche Schwerpunkte setzt die Bundesregierung im Bereich der Informationstechnologien?

9. Wie viele Studierende haben bisher Anträge für den Bezug einer Studienbeihilfe gestellt?

10. Wofür wird die "Universitätsmilliarde" 2001 und 2002 konkret verwendet?

11. Wie beurteilen Sie die Drogen-Kampagne der Sozialistischen Jugend an den Schulen?

In formeller Hinsicht wird beantragt, diese Anfrage gem. § 93 Abs. 1 GOG NR als dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als erstem Anfragesteller erteile ich Herrn Abgeordnetem Amon das Wort. Seine Redezeit beträgt nach § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten. – Bitte.

15.01

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin, wir haben heute eine Dringliche Anfrage an Sie eingebracht, weil wir von Ihnen und damit von kompetentester Stelle wissen wollen, wie sich denn der tatsächliche Zustand des österreichischen Bildungssystems darstellt, denn die Sozialdemokraten versuchen uns ja, nicht zuletzt auch durch die massive Unterstützung des so genannten Bildungs-Volksbegehrens, weiszumachen und glauben zu machen, dass die Situation in der österreichischen Bildungslandschaft katastrophal, ja desaströs sei.

Wahr ist vielmehr, dass sich die Argumentation der Sozialdemokratie in einem katastrophalen und desaströsen Zustand befindet! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Manche glauben nämlich tatsächlich, dass man inhaltliche Substanzlosigkeit durch das Initiieren, Mittragen und massive Unterstützen eines Volksbegehrens wettmachen kann, dass die Instrumentalisierung von Bürgern es möglich macht, alte Hüte wieder salonfähig zu machen, einiges aus der ideologischen Mottenkiste zu holen und Forderungen zu erheben, die an der Vergangenheit orientiert sind.

Nehmen wir einmal an, dieses Volksbegehren hätten 1 Million Menschen unterschrieben. Dann würden Sie von der Sozialdemokratie heute dastehen und sagen: Ja, wir haben die Probleme


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erkannt, wir sprechen die Probleme der Menschen an, und wir haben auch die richtigen Lösungen parat.

Leider – aus Ihrer Sicht – haben nur 173 596 Menschen dieses Bildungs-Volksbegehren unterschrieben, und damit nimmt dieses Volksbegehren unter 26 bisherigen Volksbegehren nur den 21. Rang ein.

Daher ist die Antwort eine völlig eindeutige: Von allen Wahlberechtigten in Österreich haben nur etwa 2,9 Prozent dieses von Ihnen unterstützte und getragene Volksbegehren unterschrieben. Das ist eine klare Absage! Die Menschen haben Ihnen gesagt: Nein, Sie sprechen nicht die richtigen Probleme an! Nein, Sie haben nicht die richtigen Lösungen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Mit der SPÖ ist es im Augenblick überhaupt schwer, denn Sie haben das Nein zum politischen Programm erhoben – völlig unabhängig davon, ob es sich um die Sozialpolitik, um die Finanzpolitik oder um die Arbeitsmarktpolitik handelt. Und genauso ist es auch in der Bildungspolitik. Ich erinnere mich sehr gut, Kollege Cap, dass Sie einer derjenigen waren, die in Zeiten, als die FPÖ noch in der Opposition war, immer von Fundamentalopposition gesprochen haben. – Ich muss Ihnen sagen, Kollege Cap: Sie haben dem Begriff der Fundamentalopposition eine ganz neue Bedeutung verliehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben mit unserer Bildungspolitik sichergestellt, dass der freie Zugang zur Bildung gewährleistet ist, und das selbstverständlich auch in einer angespannten budgetären Situation. Wir haben sichergestellt, dass wir das höchste Bildungsbudget seit 1945 haben, und wir haben einen massiven budgetären Schwerpunkt in Forschung, Entwicklung und in die Bildung gesetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: In welchem Land?)

Wir haben nicht nur sichergestellt, dass die Durchlässigkeit im Bildungssystem erhalten bleibt, sondern wir haben diese Durchlässigkeit im Bildungssystem weiter ausgebaut. Wir haben über das Studienbeihilfengesetz sichergestellt, dass eine ausreichende soziale Absicherung für die Studierenden gegeben ist, auch wenn es heute die Einführung von Studienbeiträgen gibt. Der beste Beweis dafür ist wohl, dass wir für jeden vierten Studierenden vorgesorgt haben. Wir hätten für jeden vierten Studierenden Studienbeihilfen bereitgestellt, allein es haben sich erst 17 Prozent um eine Studienbeihilfe beworben. Daher ist sichergestellt, dass niemand aus sozialen Gründen daran gehindert ist, ein Hochschulstudium in Österreich zu absolvieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es gibt außerdem keinerlei Kürzungen bei den in den Lehrplänen vorgesehenen Unterrichtsangeboten. Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, haben dieses Bildungs-Volksbegehren mit einem gewaltig großen Aufwand betrieben. Sie – oder Vorfeldorganisationen von Ihnen, wie beispielsweise "Die Kinderfreunde" – haben nicht nur zweiseitige Vierfarbeninserate geschaltet, sondern Sie haben zum Teil auch Mittel eingesetzt, die – und das muss ich Ihnen wirklich sagen – höchst fragwürdig erscheinen.

Mir liegt hier ein Fax vor, das vom Wiener Stadtschulrat an die Bezirksschulinspektoren des 2., 3., 4., 6., 8., 10., 11., 12., 14., 15., 16., 17. und 18. Bezirks in Wien verschickt worden ist, mit der Aufforderung, das Bildungs-Volksbegehren zu unterschreiben. In diesem Fax schreiben Sie an diese Bezirksschulinspektoren über den Stadtschulrat von Wien – ich zitiere wörtlich –:

"Mit der Bitte um Vervielfältigung für jede Schule 1 Exemplar. – Die Schulen sollten für jedes Kind ein Kopie anfertigen und diese in das Mitteilungsheft einkleben (Format A5 doppelseitig)." – Zitatende.

Das schreibt Petra Wind, Bundesjunglehrerin der Sozialdemokratischen Lehrer Österreichs. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja ein Wahnsinn! – Abg. Haigermoser: Das ist ja Ostblock! Kommunismus! Alt-Stalinismus!)  – Das ist eine Methode, meine Damen und Herren, die wir auf das Schärfste ablehnen und zurückweisen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Böhacker: Das ist unerhört!)


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Sie versuchen, ja Sie hoffen geradezu, damit den josephinischen Gehorsam wirksam werden zu lassen, so quasi: Wenn ein Bezirksschulinspektor eine derartige Anweisung trifft, dann werden dieser Anweisung hoffentlich alle Lehrerinnen und Lehrer folgen. – Über die Kinder, über die Mitteilungshefte der Kinder, die Eltern aufzufordern, dieses Volksbegehren zu unterschreiben, halte ich wirklich für ein sehr unlauteres und verurteilungswürdiges Mittel.

Aber Sie scheinen überhaupt die Seite der Schulaufsichtsbehörde stärker in Beschlag genommen zu haben, um dieses Volksbegehren zu einem Erfolg zu führen, denn auch bei der Kundmachung unterschreibt Reinhard Dumser als Bezirksschulinspektor im geschalteten Inserat. Als Bezirksschulinspektor fordert er quasi dazu auf, dieses Volksbegehren zu unterschreiben. Oder auch der der SPÖ angehörende Bezirksschulinspektor Pleischl in St. Pölten fordert die Lehrerinnen und Lehrer auf, dieses Volksbegehren zu unterschreiben. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist ein Missbrauch seiner Funktion! – Abg. Dr. Khol: Das ist ein Missbrauch!) Ich sage Ihnen: Hier sind wir vom Amtsmissbrauch nicht weit entfernt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es scheint die Strategie der SPÖ zu sein, alles im Land schlecht zu machen und das Land krankzujammern. Sie jammern nicht nur die Budgetsituation krank, Sie jammern auch die wirtschaftliche Situation krank, Sie jammern die Arbeitsmarktsituation krank, und Sie versuchen auch, das an sich gute österreichische Bildungssystem krankzujammern. So hat die sozialdemokratische und grüne ÖH-Führung davon gesprochen, dass wir einen ganz massiven Einbruch bei den Studierendenzahlen haben werden. Die ÖH schätzte, dass auf Grund der Einführung der Studienbeiträge nur noch 164 000 Studierende an Österreichs Universitäten gehen werden. – Bis zum heutige Tag haben sich 189 000 Studierende an den österreichischen Universitäten eingetragen. Ich betone: 189 000 Studierende! – In Bayern etwa, einem Land mit 12 Millionen Einwohnern, gibt es 150 000 Studierende, und in der Schweiz, mit 7 Millionen Einwohnern, 98 000 Studierende.

Ich glaube, die Mär, dass wir da quasi einen sozialen Numerus clausus eingeführt hätten, diese Mär können Sie vergessen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie verlangen in Ihrem "Bildungsprospekt" – denn von einem Programm kann man hier wohl nicht sprechen –, in dem Sie zehn Punkte aufgelistet haben, etwa eine Erhöhung der Anzahl der Plätze für Fachhochschul-Studierende. – Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, Sie kommen zu spät! (Abg. Schwarzenberger: Wie immer! – Abg. Dr. Stummvoll: Das ist nicht das erste Mal! – Gegenruf des Abg. Mag. Posch. ) Wir hatten zuletzt 11 800 Studierende in Fachhochschul-Studiengängen. Im Vorjahr ist der Fachhochschulsektor um 26 Studiengänge auf 93 Studiengänge erhöht worden, und wir haben heute 14 500 Studierende in Fachhochschul-Studiengängen – ein Zuwachs um 22 Prozent! – So sieht eine erfolgreiche österreichische Bildungspolitik aus! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Im Übrigen gibt es eine alljährliche IFES-Studie, die erhebt, wie zufrieden denn die Österreicherinnen und Österreicher mit dem österreichischen Bildungssystem sind. Dabei haben wir heuer den höchsten Wert erreicht: 75 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher beurteilen die Qualität des Schul- und Bildungswesens mit der Note "Sehr gut" oder "Gut". Frau Bundesminister! Das ist Ihre Beurteilung, und die kann sich sehen lassen! (Bravo-Rufe und Beifall bei der ÖVP.)

Aber es wäre auch langsam an der Zeit, das Chaos in der SPÖ-Bildungspolitik zu beenden. Ich möchte Sie, Herr Dr. Cap, wirklich um eines ersuchen: Lassen Sie Herrn Dr. Antoni die Bildungspolitik machen! Das ist ein Schulmann, der hoch qualifiziert ist, der mit Bildungsfragen befasst ist. Ihr Parteivorsitzender Gusenbauer hat ja angekündigt, er wird eine Art Schattenkabinett präsentieren. Jetzt gibt es so eine Art Bildungsschattenkabinett. Da gibt es auf der einen Seite den offiziellen Bildungssprecher, den Abgeordneten Dr. Dieter Antoni. (Abg. Öllinger: Haben Sie zur Bildungspolitik auch etwas zu sagen?)

Dann gibt es eine Schattenbildungssprecherin, das ist die Frau Bundesgeschäftsführerin Kuntzl, die dann auch noch einen Schatten auf den Dr. Cap wirft. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Dieser hat


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ja, als es etwa um die Verhaltensvereinbarungen gegangen ist und wir schon eine Vier-Parteien-Einigung quasi unter Dach und Fach hatten (Abg. Mag. Schweitzer: Quasi – ein deutsches Wort!), als wir alles ausverhandelt hatten, in letzter Minute das alles noch unterbrochen. Und dann gibt es zu guter Letzt natürlich noch den großen, langen Schatten, den Dr. Gusenbauer, der in der Bildungspolitik auch noch mitmischt. (Abg. Mag. Posch: Und Sie sind noch nicht Schattenminister, Herr Abgeordneter?)

Ich würde sagen: Hören Sie auf mit diesen Schattenspielen! Schauen Sie lieber, dass Sie eine ordentliche Bildungspolitik zustande bringen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Posch: Die Frau Wolfmayr wird versuchen, dass Ihr Stipendium wieder auflebt!)

Ich habe abschließend noch eine Bitte an Sie, weil Sie sich immer Sorgen um die Qualität der österreichischen Schule machen. Wissen Sie, worum ich mir wirklich Sorgen mache? – Wenn etwa die Sozialistische Jugend mit einer geschmacklosen, einer wirklich geschmacklosen Kam-pagne mit dem Slogan "Besser bekifft ficken als besoffen Auto fahren" darzustellen versucht, dass das eine sozusagen besser wäre als das andere. Sie verharmlosen hier den Drogenkonsum! Und diese Kampagne, die von den Sozialdemokraten unterstützt wird, verurteilen wir als Volkspartei! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Jawohl, das ist ja unerhört! – Abg. Ing. Westenthaler: Josef Cap, verantworte dich!)

Wenn Sie argumentieren, dass man deshalb für eine Freigabe von leichten Drogen sein müsse, weil ja der Alkohol auch freigegeben ist und wir damit die größten Probleme haben, ja bitte, dann verstehe ich Ihre Logik nicht! Wenn wir schon mit dem Alkohol die größten Probleme haben, dann wollen Sie zusätzlich noch ein weiteres Problem schaffen? – Wir wollen das nicht, daher lehnen wir diese Drogenliberalisierung mit aller Deutlichkeit ab! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap  – auf einen Zeitungsartikel mit der Überschrift "Reif, auch ohne Prüfung" weisend –: Stimmt das? Stimmt das?)

Die Bilanz der österreichischen Bildungspolitik unter der Führung von Elisabeth Gehrer kann sich wirklich sehen lassen. Wir haben nicht nur ein neues Hochschullehrer-Dienstrecht geschaffen, es gibt auch eine Universitätsmilliarde und damit intensive Investitionen in den österreichischen Bildungsbereich. Wir haben ein neues Landeslehrer-Dienstrecht geschaffen, wir haben die Ermöglichung von Verhaltensvereinbarungen für die österreichischen Schulen unter Einbeziehung der Schulpartner geschaffen. Es gibt eine Computermilliarde und eine Offensive im Bereich der Informationstechnologie. Und wir haben die langjährige Forderung nach Einführung des Pflichtfaches "Politische Bildung" umgesetzt. (Abg. Heinisch-Hosek: Zu spät!) Im Übrigen bedauerlicherweise fast alles ohne Ihre Zustimmung, weil Sie ja nicht konstruktiv mitarbeiten wollen.

Ich möchte Ihnen aber auch versichern, dass wir die 173 000 Unterschriften des Volksbegehrens ernst nehmen, denn wir wollen Ängste nehmen und nicht, so wie Sie, Ängste schaffen. (Abg. Öllinger: Das haben wir noch nicht bemerkt!) Wir werden das ordentlich parlamentarisch behandeln, und wir werden versuchen, jene Hetze, die Sie hier betrieben haben, zu entkräften, und durch eine gute, konstruktive Bildungspolitik einen guten Standort zu sichern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Sehr gut! Das war eine Rede!)

15.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es gelangt jetzt zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage Frau Bundesministerin Gehrer zu Wort. Die Redezeit soll ebenfalls 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

15.14

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte zuerst einige grundsätzliche Feststellungen zu dieser Dringlichen Anfrage machen und dann die einzelnen Fragen beantworten.

Meine Damen und Herren! Bildung ist die wichtigste Voraussetzung für die Entwicklung der Wirtschaft in einem Land, Bildung ist die wichtigste Voraussetzung für die Konjunktur, Bildung


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sollte daher im zentralen Interesse jeder Partei stehen, und Bildung sollte gemeinsam von allen Parteien getragen werden.

Es hat dieses Bildungs-Volksbegehren gegeben und dazu eine parteipolitische Werbung der SPÖ und zahlreicher Vorfeldorganisationen. Mit diesen Werbematerialien wurden zahlreiche Statements von SPÖ-Politikern, auch des Herrn Bundesparteivorsitzenden Gusenbauer, ver-teilt. Es wurde die Bildungspolitik der Regierung kritisiert, aber, meine Damen und Herren, ich meine, man sollte bei aller parteipolitischen Auseinandersetzung immer auf dem Boden der Wirklichkeit, der Tatsachen bleiben.

Ich zitiere aus diesem Flugblatt "Bildung für die Zukunft", das von der SPÖ für das Volksbegehren verschickt wurde. Darin heißt es, und zwar sagt das Herr Dr. Gusenbauer wörtlich: "Einsparungen im Schulbereich führen zu einer Verknappung der Bildungsangebote und zu einer Senkung des Niveaus an den Schulen."

Meine Damen und Herren! Das ist nicht wahr. Und das ist auch leicht nachzuweisen. Noch nie wurde so viel Geld für Bildung ausgegeben, noch nie ist in so kurzer Zeit ein so vielfältiges neues Bildungsangebot geschaffen worden. Ich möchte das auch anhand von Zahlen ganz klar nachweisen.

Das Bildungsbudget erreicht im Jahre 2002 den höchsten Anteil an den Ausgaben aller Ressorts – das Budget haben wir bereits beschlossen, Sie können es nachprüfen –, und zwar 13,7 Prozent. Jeder siebente Steuerschilling wird für Bildung ausgegeben.

Im Budget 2001 stehen 109 Milliarden Schilling zur Verfügung, um 7 Milliarden Schilling mehr, als die letzte Regierung der alten Koalition 1999 ausgegeben hat.

Die Schulen haben für ihren Aufwand keine gekürzten Ressourcen. Sie haben dieselben Ressourcen und bekommen Mittel aus der Computermilliarde dazu. Wir haben darüber hinaus Schulbaumaßnahmen im Umfang von 1,1 Milliarden Schilling in Auftrag gegeben. Das kann sich doch sehen lassen!

Manche sagen, dass es zu einer Senkung des Niveaus kommt, aber das stimmt nicht. Österreich liegt nach einer internationalen Studie, der TIMSS-Studie, zum Beispiel bei der Bewertung des Sachunterrichts an den Grundschulen an der vierten Stelle, und zwar weltweit, nicht europaweit. Die Webster University, eine sehr renommierte amerikanische Universität, rechnet einem österreichischen Maturanten 21 Punkte an, wenn er an der Webster University ein Studium aufnimmt, weil das Niveau der österreichischen Matura so hoch ist. Und der HTL-Abschluss wird von der OECD als tertiärer Abschluss betrachtet.

Um die Qualität weiter zu verbessern, bringen wir zusätzliche Mittel über den Rat für Forschung und Technologieentwicklung für den naturwissenschaftlichen Unterricht zum Einsatz, wir haben 4 000 neue Arbeitsplätze für Schüler im IT-Bereich geschaffen, es gibt elf neue Bakkalaureats- und Magisterstudien im IT-Bereich, und es gibt fast 1 000 neue Fachhochschulstudienplätze. Das sind die Tatsachen! Bildung steht also im zentralen Wirken dieser Regierung.

Meine Damen und Herren! Die Beteiligung an diesem Volksbegehren zeigt ja klar auf: Die Österreicherinnen und Österreicher wissen, dass wir gute Schulen, gute Lehrer und gute Lehrerinnen haben. Und deswegen haben sie auch nicht sehr zahlreich unterschrieben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte nun die einzelnen Fragen dieser Dringlichen Anfrage beantworten.

Zur Frage 1: Wie beurteilen Sie die Forderungen des Bildungs-Volksbegehrens?

Meine Damen und Herren! Vier Forderungen sind schon erfüllt. Der freie Zugang zur Bildung ist gewährleistet (Abg. Mag. Kogler: Aber nicht unentgeltlich!), die Durchlässigkeit im Bildungssystem ist gegeben, die soziale Absicherung von Studierenden wurde verbessert, ein leistungs


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orientiertes Dienstrecht wurde geschaffen, und es gibt keine Kürzungen beim Unterrichtsangebot. – Die vier ersten Forderungen sind erfüllt.

Die nächsten Forderungen sind alte Hüte: der alte Hut der Gesamtschule, der alte Hut der Abschaffung der Lehrlingsausbildung und die Einführung einer Berufsfachschule. Worüber man reden muss, das ist die Senkung der Klassenschülerzahlen. Aber das muss man auch im Zusammenhang mit den sinkenden Schülerzahlen sehen, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen werden.

Zur Frage 2: Wie hoch sind die Investitionen der Bundesregierung in die Bildung?

110 Milliarden Schilling, jeder siebente Schilling wird für die Bildung ausgegeben, dazu 7 Milliarden Schilling für Forschungsinvestitionen, davon 2,3 Milliarden Schilling für Grundlagenforschung.

Zur Frage 3: Welchen Rang nimmt Österreich mit seinen Bildungsausgaben ein?

Im Rahmen der OECD nehmen wir mit unseren Bildungsausgaben den sechsten Platz ein. Im Rahmen der EU nehmen wir den dritten Platz ein.

Zur Frage 4: Wie hoch sind die durchschnittlichen Klassenschülerhöchstzahlen?

Volksschule: 19,8, Hauptschule: 22,9, Gymnasium: 24,5, berufsbildende mittlere und höhere Schulen: 24,3. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es in verschiedenen Gegenständen zahlreiche Gruppenteilungen gibt, dass es in den Hauptschulen die Leistungsgruppen gibt und dass im Gymnasium bei den Fremdsprachen geteilt wird.

Ich möchte noch auf ein interessantes Phänomen hinweisen, weil man immer sagt, es wird so gespart. Allein in Wien gibt es über 200 Wahlpflichtfächer an den Gymnasien mit fünf oder weniger Schülern und Schülerinnen. Fünf oder weniger sind in einer Gruppe beieinander. Das heißt also, für das Bildungswesen wird viel ausgegeben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zur Frage 5 : das Zukunftsszenario. – Wir werden uns sehr genau anschauen müssen, wie sich die Schülerzahlen entwickeln. In den Volksschulen haben wir heuer 3 500 Schülerinnen und Schüler weniger. Das wird weiterwirken in die Hauptschulen, in die Gymnasien, und dann müssen wir uns auf Grund dieser Entwicklung überlegen, was wir mit der Klassenschülerhöchstzahl machen können.

Zur Frage 6: Senkung des Schuleintrittsalters:

Ich meine, das sollte man sehr vorsichtig diskutieren. In den meisten Ländern ist es üblich, ein Kind mit sechs Jahren in die Schule zu schicken. Und ich finde, Kinder sollten eine Kindheit haben, und wir sollten ihnen die Kindheit nicht nehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 7: Welche Schwerpunkte setzen Sie zur Sicherung der Qualität?

Es werden sehr viele Initiativen gesetzt. Das Projekt "QiS – Qualität in Schulen" habe ich heute schon einmal erwähnt, und ich möchte eines klar feststellen: Es können alle Projekte, die im Rahmen von "Qualität in Schulen" laufen, von unserer Homepage abgerufen werden. Seit 1999 stehen die Projekte im Internet, und wir haben bisher 10,3 Millionen Zugriffe gehabt. Das heißt also, wir verschweigen nichts, wir legen Ihnen alles offen zur Diskussion vor.

Wir sind bei der Entwicklung der Leistungsstandards, wir haben das leistungsorientierte Landeslehrer-Dienstrecht, und es gibt Initiativen zur Verbesserung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts.

Zur Frage 8: Welche Schwerpunkte setzen wir in den Informationstechnologien?


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Es wurde die Computermilliarde geschaffen, die über drei Jahre verteilt an die Schulen vergeben wird. Es sind alle Bundesschulen vernetzt. Es sind 66 Prozent der Pflichtschulen mit Computern ausgestattet. Ich bedanke mich bei allen Ländern und Gemeinden in ihrer Eigenschaft als Schulerhalter, die die Pflichtschulen so toll ausstatten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zur Frage 9: Anträge für die Studienbeihilfe.

Mit 20. November haben 28 550 Studierende Anträge gestellt. Die Frist läuft noch bis 15. Dezember, und wir hoffen sehr, dass alle, die es notwendig haben, diese Anträge stellen, damit wir die Studienförderungen vergeben können.

Zur Frage 10: Wofür wird die "Universitätsmilliarde" 2001 und 2002 konkret verwendet?

500 Millionen werden heuer den Universitäten gegeben, eine Milliarde nächstes Jahr für Hörsaal- und Seminarraumausstattung (Abg. Faul: Gegen einstürzende Decken!), Verbesserungen im Bibliotheksbereich, Modernisierung der Lehrveranstaltungen, Verbesserung der Serviceleistung, Ausstattung neuer Studienrichtungen, Maßnahmen im Fremdsprachenbereich und sonstige Maßnahmen, über die die Universitäten autonom entscheiden.

Ich meine also, die Universitäten können mit diesen Beiträgen, die sie erhalten, ihre Studienangebote so verbessern, dass die Studierenden in der Zeit, die vorgesehen ist, ihr Studium vollenden können.

Zur letzte Frage: Wie beurteilen Sie die Drogen-Kampagne der Sozialistischen Jugend an den Schulen?

Mein Vorredner hat den Text zitiert. Ich halte diesen Text ebenfalls für geschmacklos, ich halte ihn für einen kulturlosen Text. Ich möchte dazu ganz klar feststellen, dass die Schulleiter verpflichtet sind, derartige Schreiben und derartige Flugblätter an Schulen nicht aufzuhängen und nicht zu verteilen, und ich hoffe, dass das alle Schulleiter in Österreich so gemacht haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Cap. )

15.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Jede Fraktion hat eine Redezeit von 25 Minuten, kein Redner länger als 10 Minuten.

Erster Redner im Rahmen der Debatte ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Öllinger: Ich glaube, die Regierungsparteien wollen schnell fertig werden mit diesem Thema! – Abg. Haigermoser: Öllinger, sei ruhig!)

15.25

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Cap, ich habe gerade gesehen, du hast applaudiert bei den letzten Worten der Frau Bundesminister. (Abg. Dr. Cap nickt.) Du warst auch einmal Vorsitzender der Sozialistischen Jugend. Viele andere waren Mitglied in der Sozialistischen Jugend, Kollege Gusenbauer war es auch, und ich hoffe, ihr alle teilt meine Meinung, wenn ich sage, dass Geschmacklosigkeit in dieser Form nicht unbedingt ein Zeichen von hoher Intelligenz ist. (Der Redner stellt ein Plakat mit einem Foto und der Aufschrift "Besser bekifft ficken als besoffen Auto fahren" auf dem Rednerpult auf. – Abg. Dr. Stummvoll: Das ist ja unglaublich! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja unfassbar! Distanzieren Sie sich von diesem Flugblatt! Das ist eine Gefährdung der Jugend! – Zwischenrufe der Abg. Bures. )

Meine lieben Freunde von der Sozialdemokratischen Jugend! Ich glaube, man sollte Meinungsunterschiede, die es immer wieder geben soll und die wichtig sind für die Weiterentwicklung, schon zum Ausdruck bringen, aber wer das auf diese Art und Weise tut, der muss wissen, dass er sich in einer erbärmlichen Minderheit befindet, die wahrscheinlich von der großen Mehrheit


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nicht ernst genommen wird. Das möchte ich gerne hier einmal ganz klar und deutlich zum Ausdruck bringen, Frau Kollegin Bures. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich glaube, die Frau Bures hat das zu Hause im Kinderzimmer auch aufgehängt! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Das nur zu einer Form der Politik, auch wenn es Jugendpolitik ist, die wir zutiefst ablehnen und verabscheuen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Die Frau Bures hat das bei sich im Kinderzimmer hängen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum nicht wirklich erfolgreichen Volksbegehren werden wir von der FPÖ, weil wir jede einzelne Unterschrift sehr ernst nehmen und weil uns die Instrumente der direkten Demokratie wirklich ein Anliegen sind, eigens einen Unterausschuss einrichten (Abg. Mag. Kogler  – auf das Plakat am Rednerpult weisend –: Ist das in einer Garage? – Abg. Dr. Cap: Ist das ein Bild vom Ortlieb? Ich glaube, das ist der Ortlieb!), und wir werden auch das nicht so erfolgreiche Volksbegehren ernsthaft behandeln und in vielen Unterausschussberatungen versuchen, das, was hier noch an Forderungen offen ist, zu realisieren, wiewohl die Frau Bundesministerin bereits festgestellt hat, dass die meisten Forderungen, die aufgestellt wurden, ja schon längst erfüllt sind. (Abg. Heinisch-Hosek: Leider nicht! – Abg. Dr. Cap: Ist das der Ortlieb?)

Dieses Volksbegehren, Kollege Cap, das auch von Ihnen unterstützt wurde, das von allen Ihren Vorfeldorganisationen unterstützt wurde, war unter anderem auch deshalb nicht erfolgreich, weil da mit sehr vielen Halbwahrheiten und auch Unwahrheiten agiert wurde, und das hat natürlich die Bevölkerung schon gespürt, dass man da etwas inszeniert, was auf Halb- und Unwahrheiten basiert.

Die Aussage, die von Ihnen immer wieder kommt, dass die Ausgaben im Bereich der Bildung gekürzt wurden, stimmt schlicht und einfach nicht (Abg. Heinisch-Hosek: 1,5 Milliarden weniger!), und Sie wiederholen sie trotzdem immer wieder, obwohl das Bildungsbudget im Jahre 2000 den höchsten Anteil an den Ausgaben aller Ressorts hat, den es je gegeben hat, und jeder siebente ... (Abg. Heinisch-Hosek: 1,5 Milliarden weniger!) Kollegin, hören Sie zu, damit Sie etwas lernen! Jeder siebente Steuerschilling beziehungsweise Euro wird von dieser Bundesregierung für die Bildung ausgegeben. (Abg. Heinisch-Hosek: Schwarz auf weiß haben wir das!) Das ist Bildungsaufbau, Frau Kollegin Heinisch-Hosek! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Jahre 1998 standen 7 Milliarden € zur Verfügung. Im Jahre 2002 werden es 8 Milliarden € sein. Kollege Edlinger war also nur bereit, die Bildungsausgaben mit 1 Milliarde weniger zu finanzieren, als es diese Bundesregierung tut. (Abg. Heinisch-Hosek: 1,5 Milliarden weniger!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Roten und Grünen! Diese Bildungspolitik hat das, was Sie hier wollten, längst erledigt. (Abg. Heinisch-Hosek: Nein, nein!) Es wurde alles das, was Sie hier fordern, längst erfüllt. Und Sie schreiben hier Unwahrheiten wie: "gegen Kürzungen und Reformen im Bildungsbereich".

Ich weiß nicht, wie man gegen Reformen sein kann! Reformen sind notwendig, weil Sie uns ein sehr reformbedürftiges Bildungssystem übergeben haben, und wir sind diese Reformen angegangen, aber Kürzungen hat es deshalb nicht gegeben. (Abg. Bures: Einführung der Studiengebühren!)

Es hat ganz im Gegenteil zu dem, was Sie und Ihre Lehrervereine behaupten, leistungsorientierte Verbesserungen zum Beispiel in der Lehrerbesoldung gegeben. Es kann ein Klassen-vorstand jetzt zusätzlich pro Jahr 20 000 S verdienen. (Abg. Grabner  – zunächst eine gelbe, dann ein rote Karte in die Höhe haltend –: Karl, da schau her!) Es kann ein Lehrer, der ein Kustodiat führt, zusätzlich 16 000 S verdienen. Es gibt für die leistungsorientierten Komponenten zusätzliche Bezahlungen – ich glaube, das muss man der Öffentlichkeit alles einmal kundtun –, zum Beispiel für Schulveranstaltungen. Wenn die zum Beispiel eine Woche lang dauern, dann bekommt der Lehrer 5 439 S zusätzlich zu dem, was er sonst verdient, plus die Kosten für Verpflegung und Übernachtung ausgezahlt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Heinisch-Hosek: 20 000 weniger im Jahr!)


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Oder nehmen wir das Beispiel der Maturavorbereitung her. Ein Lehrer bereitet einen Monat lang drei Stunden je Woche fünf Kandidaten auf die Matura vor. Dafür erhält er zusätzlich zu seinem Grundgehalt folgende Bezahlung: Für jede Stunde 2 768 S, das macht im Monat 8 304 S aus, und für jeden Schüler 356 S, das sind im Monat 1 780 S. Das ergibt eine zusätzliche Entlohnung, meine sehr geehrten Damen und Herren, von 10 084 S. (Abg. Öllinger: Langsamer, die Frau Minister kommt nicht mit dem Schreiben nach!)

Also wenn hier Lehrer sagen, sie machen Dienst nach Vorschrift, weil sie nicht mehr so gut verdienen können, dann ist Letzteres schlicht und einfach die Unwahrheit. Es wurde überhaupt nicht gekürzt (Abg. Heinisch-Hosek: 20 000 weniger im Jahr!), es wurde eine leistungsorientierte Bezahlung zusätzlich eingeführt. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Fortschritt. Die Lehrer sollen für ihre Arbeit auch verdienen können, wenn sie bereit sind, zusätzliche Leistungen zu erbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Grabner hält neuerlich eine rote Karte in die Höhe.)

Dass es mit dem Bildungssystem in Österreich nicht schlecht stehen kann, auch wenn Sie versuchen, das immer wieder herbeizureden, zeigt die Beurteilung des Schul- und Bildungswesens.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Derzeit sind 75 Prozent der Österreicher sehr gut oder gut zufrieden mit dem österreichischen Bildungssystem. Unter den sozialdemokratischen Bildungsministern – egal, wie sie geheißen haben – war diese Zustimmung bei weitem nicht so hoch. 59 Prozent waren es damals, und als Scholten gekommen ist, ist das noch wesentlich zurückgegangen. Weniger als 50 Prozent waren damals mit dem Bildungssystem zufrieden. (Abg. Heinisch-Hosek: Ein alter Hut!)

Frau Kollegin, schauen Sie sich das an! Das ergibt ein Monitoring zum Schul- und Bildungswesen aus dem Jahr 2001. Scholten, Hawlicek, Moritz, Sinowatz und wie sie alle geheißen haben, haben wirklich nicht gut abgeschnitten. Kollegin Gehrer hat dann wesentlich bessere Beurteilungen bekommen. Und seit es diese Bundesregierung gibt, gibt es einen Höchststand an Zustimmung: 76 Prozent beurteilen dieses Bildungssystem als sehr gut oder gut, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Linken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Sehr gut!)

Schauen wir noch einmal zum guten Schluss in die Geschichte, Herr Kollege Cap. 1989 hat es schon einmal ein solches Volksbegehren gegeben, und zwar mit ziemlich gleichem Inhalt, vor allem mit dem zentralen Inhalt der Senkung der Klassenschülerzahl. 1989, das war nach der Ära Moritz, Unterrichtsministerin war damals die Kollegin Hawlicek. Dieses Volksbegehren war mit 219 127 Unterschriften wesentlich erfolgreicher. Aber, Herr Kollege Cap, wie hat denn die Unterrichtsministerin Hawlicek auf dieses Volksbegehren reagiert? Was ist im Anschluss geschehen, Frau Kollegin Bures? Bemühen Sie sich nicht, so intensiv wegzuhören, Frau Kollegin Bures. (Abg. Mag. Kogler: Da braucht sie sich nicht zu bemühen!) Was ist denn geschehen mit diesem Volksbegehren? Was hat die Kollegin Hawlicek getan? Was hat der im Anschluss gekommene Rudi Scholten auf Grund dieses Volksbegehrens getan? Was ist unter der sozialdemokratisch geführten Bildungspolitik zu all diesen Themen passiert?

Gestern haben wir die Anti-Atompolitik geprüft: Nichts ist passiert! Heute prüfen wir die Bildungspolitik unter der sozialdemokratischen Führung: Nichts ist damals geschehen! Dort wie da ist nichts geschehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damals hat es einen SJ-Vorsitzenden Gusenbauer gegeben; den möchte ich zum Abschluss zitieren. Er hat gesagt:

"Dieses Volksbegehren ist ein wichtiger Anstoß, den bildungspolitischen Stillstand der letzten Jahre zu überwinden." (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da hat er sich aber getäuscht!)  – Diesen bildungspolitischen Zustand hat er auf eure Minister bezogen, die damals gearbeitet haben: Sinowatz der Große, Moritz, der nicht ganz so Große, Hawlicek, die noch etwas Kleinere. (Abg. Dr. Mertel: Und Sie sind der siebente Zwerg von rechts!) Das war Gusenbauer damals. Bis zur


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Übernahme des Ressorts durch die Kollegin Gehrer hat sich nichts geändert. Das ist sozialdemokratische Bildungspolitik, wenn Sie am Ruder sind. Unter dem Strich: Null! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Kuntzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Bitte distanzieren Sie sich einmal davon, und zwar eindeutig!)

15.35

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Damit wir das schnell erledigt haben, erfülle ich den Herzenswunsch des Kollegen Westenthaler. Herr Kollege Westenthaler, ich bin auch nicht glücklich über dieses Plakat (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Leikam  – Abg. Ing. Westenthaler: Das war schwach! Sie hätten sich distanzieren sollen!), weil die SPÖ die Freigabe von weichen Drogen für keine Lösung des Drogenproblems hält.

Trotzdem, Herr Kollege Westenthaler: Wir haben uns mit unseren Jugendorganisationen darüber auseinander gesetzt (Abg. Haigermoser: In einem Workshop wahrscheinlich!), wir tun das auch weiterhin, aber das Drüberfahren, das Maulkorbanlegen, das Strafen, das ist nicht Unseres, das ist Ihres, und so soll es auch bleiben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Die Frau Bures hat aber eine andere Einstellung! – Abg. Ing. Westenthaler: Die Frau Bures mit ihrer Tochter hat eine andere Einstellung!)

Herr Kollege Amon! Das Bildungssystem ist in keinem desaströsen Zustand – Sie unterstellen uns immer, das behaupten zu wollen. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das Bildungssystem ist dank 30 Jahren sozialdemokratisch geführter Bildungspolitik in einem guten Zustand – noch! Aber Sie arbeiten daran, dass es anders wird, und das ist das Problem, über das wir heute reden müssen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Ich habe den Verdacht, dass Sie sich das alles selber aufgeschrieben haben!)

Wir haben in 30 Jahren erreicht, dass es heute um zwei Drittel mehr höhere Schulen gibt, dass es doppelt so viele Kinder gibt, Jugendliche gibt, die in höhere Schulen gehen, dass es viermal so viel Studenten und Studentinnen gibt und dass die Forschungs- und Entwicklungsausgaben verdreifacht wurden. Nur, das Problem, sehr geehrte Damen und Herren, ist: Statt diesen Weg weiterzugehen und das Angebot selbstverständlich weiter zu verbessern – man muss immer weiter verbessern und mit der Zeit gehen –, stattdessen versuchen Sie jetzt, das Rad der Zeit zurückzudrehen. Das ist das Problem. (Beifall bei der SPÖ.)

In Ihrer sehr lieblos vorgetragenen und sehr schwach begründeten Dringlichen Anfrage (ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen – Abg. Ing. Westenthaler: Na, geh!) haben Sie auch einige schwerwiegende Recherchefehler begangen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie wollen ein Workshop machen! – Abg. Haigermoser: Ja, Sie wollen ein Workshop machen mit ein paar Soziologen! – Abg. Mag. Schweitzer  – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Auch mit der Partei!)

Zum Beispiel ist dieses Bildungs-Volksbegehren nicht ausschließlich – aber schon auch – von Sozialdemokraten und Grünen unterstützt und eingebracht worden, sondern dieses BildungsVolksbegehren ist von einer ÖH eingebracht worden, die damals noch unter der Führung der ÖVP-nahen Studentengemeinschaft, nämlich der Aktionsgemeinschaft, gestanden ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das Bildungs-Volksbegehren ist auch von den ÖVP-Lehrergewerkschaftern unterstützt worden. Vergessen Sie das nicht! Betreiben Sie nicht Kindesweglegung! Stehen Sie zu Ihren Leuten und fallen Sie ihnen nicht in den Rücken! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Erst wie Sie das unterstützt haben, sind die Menschen nicht mehr hingegangen! Sie haben die Leute vertrieben!)


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Zum Inserat der "Kinderfreunde": An sich wäre nichts dabei, wenn die "Kinderfreunde" aus ihrem Budget ein Inserat schalteten. Es stimmt nur nicht. Es war kein Inserat. Es war ein redaktioneller Beitrag in diesem Heft. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Ha, ha, ha! Ein PR-Artikel war das!)

Abgesehen davon, dass Sie in diesem Antrag finden, dass die Kindheit mit dem Schuleintritt endet, möchte ich auch noch Stellung nehmen zu dem unwahren Vorwurf des Fax, das vom Stadtschulrat ausgegangen ist. Das war ein Fax, das von einer übereifrigen Lehrerin ausgegangen ist. (Lebhafte ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Und die Frau Minister weiß, die Frau Minister ist darüber informiert, dass dieses Fax umgehend von der Frau Stadtschulratspräsidentin zurückgezogen wurde. Bitte verbreiten Sie hier keine Unwahrheiten! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine tatsächliche Bestätigung! Danke für die Bestätigung! Das ist ein Auftritt – entsetzlich!)

Ihre hier aufgelistete Erfüllung eines Großteils der Forderungen des Bildungs-Volksbegehrens ist wirklich entsetzlich. Das ist entsetzlich! Ich habe mich auch gewundert, dass sich die Frau Bildungsministerin dazu hergibt, das auch noch zu unterstützen und vorzulesen, denn der freie Zugang zur Bildung ist nicht gewährleistet, sondern Sie sind dabei, ihn einzuschränken – Schritt für Schritt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Durchlässigkeit des Bildungssystems: Sie arbeiten ja daran – Stichwort Prognoseverfahren –, das wieder zu ändern.

Die soziale Absicherung der Studierenden haben Sie nachbessern müssen, weil Sie durch die Studiengebühren die soziale Situation der Studenten verschlechtern.

Und Kürzungen gibt es in den Schulen selbstverständlich! Natürlich nicht, wie Sie hier schreiben, bei den in den Lehrplänen vorgesehenen Unterrichtsgegenständen, aber darüber hinaus, dort, wo die Kinder besonders gefördert werden, und dort, wo die Schule besonders interessant, spannend und lebenswert gemacht werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Interessant ist übrigens auch die Bilanz, die Sie Ihre Ministerin hier legen lassen – eine dürftige Bilanz. Damit haben Sie Ihrer Ministerin keinen guten Dienst erwiesen! Ein paar Punkte daraus:

Ein neues Hochschullehrer-Dienstrecht, das von allen Betroffenen abgelehnt wird. – Sogar Kollegin Brinek flüchtet vor diesem neuen Dienstrecht. (Beifall bei der SPÖ.) Eine Universitätsmilliarde, die sich die Studenten über die Studiengebühren selber finanzieren müssen. Ein Landeslehrer-Dienstrecht – darauf können Sie "stolz" sein! –, das für die Lehrer pro Jahr min-destens 20 000 S weniger bedeutet. Die Ermöglichung von Verhaltensvereinbarungen an den Schulen. – Dazu kann ich nur sagen: Sie sparen dort, wo Lehrer dafür eingesetzt werden, Konfliktlösungsmodelle zu erarbeiten, Konflikte mit den Kindern zu lösen, und haben stattdessen das Rohrstaberl wieder eingeführt. (Beifall bei der SPÖ. – Die Abgeordneten Ing. Westenthaler und Haigermoser: Workshop! Workshop!)

Die Computermilliarde ist das Gerücht des Jahrhunderts, denn diese Milliarde kommt irgendwie nie in den Schulen an. Und die Pflichtschulen, die Sie vorhin angesprochen haben: Da schmücken Sie sich mit fremden Federn, denn das zahlen die Länder. Und die Einführung des Fachs "Politische Bildung" war eine halbherzige Lösung, denn Sie haben der berechtigten Forderung der SPÖ, das bereits in der fünften Schulstufe zu ermöglichen, nicht zugestimmt.

Wie sieht Ihre Bilanz wirklich aus? – Sie kürzen kaputt: 3 700 Lehrer weniger an den Schulen. Das bedeutet, dass die Klassen immer größer werden, dass heutzutage jeder vierte Schüler einer höheren Schule in einer Klasse mit 30 oder mehr Schülern sitzen muss, dass die unverbindlichen Übungen gestrichen werden und dass der IT-Unterricht sowie der Fremdsprachenunterricht gekürzt werden. (Abg. Mag. Schweitzer: Wenn das nur stimmt!) Beratungslehrer für Kinder in schwierigeren Situationen gibt es nicht mehr. (Abg. Haigermoser: Workshop!) Sprachliche Integration gibt es nicht mehr. Stattdessen gibt es jetzt Ihren Integrationsvertrag, mit dem die Leute gezwungen werden sollen, verspätet die Sprache zu erlernen.


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Fast 50 000 Studierende weniger! (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist ohnehin nicht schlecht, wenn sie nicht studieren!) Vor allem auch Rückgänge bei den Erstsemestrigen, ein dramatischer Einbruch! Schwindeln Sie sich nicht darum herum!

Und Sie getrauen sich zu sagen, der freie Zugang zur Bildung wäre ausgebaut und gesichert worden? – Sie verhöhnen doch die Leute! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie verwenden null Phantasie, Zukunftsvorstellungen zu formulieren, wie wir unser Bildungssystem weiterentwickeln könnten. Wir dagegen haben ein Zehnpunkteprogramm auf den Tisch gelegt. (Abg. Mag. Schweitzer: Aber geh!) Sie verwenden die Dringliche Anfrage nur, um politisches Kleingeld zu schlagen, eine kleinliche parteipolitische Debatte vom Zaun zu brechen. (Abg. Haigermoser: Nein! – Abg. Dr. Cap: Ja!) Reden wir über Bildungspolitik und Reformen! (Abg. Ing. Westenthaler: Je länger die Rede, desto kleiner wird sie! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Viel Phantasie verwenden Sie allerdings darauf, Zugangsbarrieren zu errichten, zum Beispiel die Studiengebühren – diese habe ich schon angesprochen – oder die AHS-Aufnahmetests. Mit diesem Vorschlag haben Sie im Sommer einen Bauchfleck gemacht. (Abg. Haigermoser: Na, na! Glauben Sie das wirklich, was Sie da sagen?) Dann hat die Frau Bildungsministerin dankenswerterweise die Bildungssprecher der beiden Regierungsparteien zurückgepfiffen. Jetzt haben Sie sich auf ein Prognoseverfahren zurückgezogen, für das es keine wissenschaftliche Grundlage gibt. Zehnjährigen Kindern wollen Sie die Zukunft verbauen! Sie bauen Sackgassen für zehnjährige Kinder! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Amon hat im Sommer in dankenswerter Offenheit die Frage gestellt, ob Bildung über die Pflichtschule hinaus wirklich gratis sein soll. (Abg. Haigermoser: Die Frage ist, ob Sie das glauben, was Sie da sagen!) Das hat Herr Amon im Juli thematisiert und ist gleich wieder zurückgepfiffen worden. Aber derselbe Herr Amon – ich könnte Ihnen das jetzt vorlesen – hat sich ja noch vor kurzer Zeit gegen Studiengebühren ausgesprochen – so wie die Frau Bundesministerin auch. Das ist der nächste Schritt, den Sie vorhaben: Schulgeld, Zugangsbarrieren! Nur mehr die Pflichtschule, und darüber hinaus soll die Bildung wieder zum Privileg werden. (Abg. Dr. Khol: Das meinen Sie doch nicht wirklich ernst?) Nur mehr der, der sich die höhere Bildung leisten kann, soll sie bekommen. Das lehnen wir ab, sehr verehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Mit Ihrer Politik machen Sie sich zu Totengräbern der Chancengleichheit. Sie vergessen, dass es nicht um nackte, trockene Zahlen geht, wenn es um die Bildung geht, sondern um die Zukunftschancen unserer Kinder und der jungen Menschen in diesem Lande! Sie handeln verantwortungslos! Diese Zukunft ist Ihnen nichts wert! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Haigermoser: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? – Abg. Ing. Westenthaler: Ich fürchte, sie hat sich das selber aufgeschrieben! – Abg. Dr. Khol: Gusenbauer hat nicht applaudiert! – Abg. Ing. Westenthaler: Sie sollten mehr Harry Potter lesen!)

15.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

15.45

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es ist mir eine besondere Freude, dass ich bei dieser Debatte einen besonderen Gast begrüßen darf. Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic ist aus der Steiermark zu uns gekommen. Herzlich willkommen! Ich danke für die Aufmerksamkeit, die Sie der Schuldebatte widmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Im Stakkato gehe ich auf die Falschmeldungen meiner Vorrednerin ein, um dann schon die Österreichische Hochschülerschaft als Hauptverantwortliche für dieses


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Volksbegehren analysieren zu können. (Abg. Dr. Khol: Pepi Höchtl ist auch da! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Studiengebühren in anderen Ländern haben den Zugang auch nicht behindert, und darunter befinden sich auch sozialdemokratisch regierte Länder, nicht nur bildungsfeindliche, konservativ geführte Länder. Ich bitte um mehr Differenzierung! (Abg. Haigermoser: Richtig! – Abg. Kiss: Um Wahrheit!)

Die Durchlässigkeit im Bildungssystem ist in keinem Fall und durch keine Maßnahme gehemmt. Bitte lügen Sie auch die Eltern nicht an!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Abgeordnete, so geht es nicht! (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Frau Kuntzl hat niemanden "angelogen".

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (fortsetzend): Und ich nehme das Wort zurück. – Informieren Sie Eltern nicht falsch (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), so wie es in mancher Aussendung passiert ist, die von der Plattform für das Bildungs-Volksbegehren gemacht worden ist, in welcher von drohendem Schulgeld gesprochen wurde. (Abg. Haigermoser: Richtig, so war es!) Das entbehrt wirklich jeder Grundlage! (Zwischenruf bei der SPÖ: Bei dieser Regierung nicht!) Das muss ich zurückweisen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich verweise auch darauf, dass das Hochschullehrer-Dienstrecht zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern, das heißt mit Zustimmung der Gewerkschaft vereinbart wurde und dass alle hier anwesenden und auch nicht anwesenden Hochschullehrer das Recht haben, gemäß diesem Gesetz behandelt zu werden, wenn sie die Bedingungen erfüllen. Das gilt für die Kollegen Grünewald und Van der Bellen ebenso wie für Brinek und andere, nehme ich an. Oder ist hier jemand anderer Meinung? Dann möge er vortreten.

Zur Frage der entlassenen oder nicht mehr angestellten Lehrer: Die Frau Ministerin – und ich denke, ich habe richtig gehört – hat von der Wiener Zahl gesprochen: 200 Lehrer mehr. Von Niederösterreich weiß ich es: 250 Lehrer mehr. Also bitte bei der Wahrheit zu bleiben! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

200 Wahlpflichtfächer in einer Schüler- beziehungsweise Gruppenzusammensetzung von fünf oder weniger. Bitte, meine Herrschaften, es kann doch nicht angehen, dass dann in diesem Zusammenhang davon gesprochen wird, dass jeder vierte Schüler in einer überfüllten Klasse sitzt, Frau Kollegin Kuntzl. Die Zahlen lauten: 41 500 Schulklassen, davon 33 700 mit weniger als 25 Schülern. Bitte, welche Mathematik pflegen Sie? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.  – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir könnten hier noch fortsetzen. Ich möchte aber doch noch einmal auf das Bildungs-Volksbegehren und die Einbringerplattform eingehen. Warum jetzt und warum in dieser Dringlichen Anfrage? Wir werden, und das ist von allen Seiten zugesichert, dieses Volksbegehren behandeln wie alle anderen auch. Das wird im Laufe des Kalenderjahres 2002 geschehen. Da aber – a) – viele der angesprochenen Punkte erfüllt sind und – b) – im Rahmen der Begehrensfrist viele Falschmeldungen aufgetaucht sind, ist mir ganz wichtig, jetzt schon Irrtümer klarzustellen, Missdeutungen und Missinterpretationen abzustellen. Das hier ist ein Versuch, Irreführungen erst gar nicht bis zur Aufklärung im nächsten Jahr liegen zu lassen. Deshalb ist mir das sehr willkommen, dass wir heute dazu Stellung nehmen können.

Ich war enttäuscht von der ÖH, die schon im Frühherbst mit dem Boykottaufruf zu den Studiengebühren begonnen hat, Gebühren, die auf ein noch einzurichtendes Treuhandkonto eingezahlt hätten werden sollen, für das sich kein Treuhänder gefunden hatte und auch kein Kontoführender. Eigentlich müssten die zuständigen Jusstudenten wissen, dass man zum Treuhandzweck eine Treuhandpartnerschaft eingehen muss und dass sich aus dem Grund kein Notar und auch sonst niemand gefunden hat, eine Treuhandpartnerschaft einzugehen, ein Konto zu eröffnen, um dieses Geld treuhändig zu verwalten, was ja mit der intendierten Anzahl von 20 000 oder 30 000 Studierenden niemals gegangen wäre.


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Nicht
die Notariatskammer ist unter Druck gesetzt worden oder sonst irgendjemand, was auch kolportiert worden ist, sondern die Menschen haben einfach falsche Überlegungen angestellt. Also erster Flop: Boykott nicht gelungen.

Zweiter Flop: Bildungs-Volksbegehren. Ich gestehe schon zu, es war auch eine Monika Prock unter den Unterzeichnern, aber Monika Prock ist die ganze Zeit über nicht ein einziges Mal aufgetaucht, hat keine einzige Stellungnahme dazu abgegeben – sie ist FCG-Lehrerin in Wien –, weil sie sich offenbar auch erst im Lauf der Zeit missbraucht und missverstanden gefühlt hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das kann auch passieren, das gehört auch in das Kapitel "Politische Bildung" und was man daraus lernt.

Zweite Verunsicherung: Die Studiengebühren werden vor allem Mädchen oder auch junge Studierende aus bildungsfernen Schichten davon abhalten, ein Studium zu beginnen. – Das ist Gott sei Dank nicht der Fall gewesen. (Abg. Mag. Wurm: 20 Prozent weniger Inskriptionen!)

Ich zitiere aus dem "Standard": Unter den Erstinskribierten sind weit mehr Mädchen als Burschen. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Innsbruck muss man sich gesondert anschauen. (Abg. Mag. Wurm: 20 Prozent weniger!)  – Gibt es dort neue kurze Studienangebote, gibt es dort neue Kollegs, gibt es andere Angebote, die die Mädchen vom Hochschulstudium abgehalten haben? Aber  – ich zitiere den Rektor der Uni Graz –: "Die Anzahl der Studierenden, die tatsächlich Leistungen der Uni in Anspruch nehmen, dürfte sich kaum verändert haben." Oder den Vizerektor der Uni Wien: "In den Hörsälen herrscht Betrieb wie immer." Also ich merke nichts von weniger Studierenden.

Meine Damen und Herren! Die ÖH betreibt überdies ein fahrlässiges Spiel mit der Warnung, dass es jetzt weniger Studierende gebe. Eines Tages wird man nämlich in der Bevölkerung sagen: "Weniger Studierende? – Dafür haben sie aber viel Geld bekommen!" – In Wirklichkeit aber sitzen dieselben aktiven, engagierten und emphatischen Studierenden in den Hörsälen und brauchen die Ausstattung, die Lehrer und die Planstellen. Auf diese Weise wird also in der Öffentlichkeit Stimmung gemacht und dadurch ein falsches Bild erzeugt.

Meine Damen und Herren! Die Studierendenzahlen haben sich nicht in dem Maße entwickelt, wie es sich die ÖH gewünscht hätte. Die weiteren Punkte werden zum Teil noch angesprochen werden, aber lassen Sie mich noch das eine sagen: Die angesprochene Kooperation von Schularten, die über ein Gesetz erreicht werden soll, ist der Absicht nach die Einführung der Gesamtschule über die Hintertür. Bitte lesen Sie alle dazu verfügbaren Studien! Da wird die ÖVP – und ich denke, die FPÖ auch nicht – sicher nicht mitmachen.

Es sind die mit dem "Schulverbund Mittelschule" in Wien verbundenen Absichten nicht erreicht worden, nämlich die Rettung der Hauptschule. Keine einzige Klasse ist gerettet oder erhalten worden, nicht zu reden davon, dass ihre Anzahl gesteigert hätte werden können. Das Ziel wurde also verfehlt. Und da der Rechnungshof heute gesagt hat: gesetzlich geregelt oder aus!, kann ich nur die zweite Variante empfehlen.

Meine Damen und Herren! Die Frau Ministerin hat es schon angekündigt: Über die Klassenschülerhöchstzahlen werden wir sprechen. Ich habe die richtigen Zahlen genannt. Es wird sich die Gelegenheit dazu im Rahmen der Diskussion zum Volksbegehren ergeben.

Ich will noch auf eine wichtige Studie des ÖIBF zum Thema Schulbesuch der 14- bis 19-jährigen, inklusive Lehrlinge hinweisen (die Rednerin hält eine Broschüre in die Höhe): 85 Prozent der Schüler der 9. bis 13. Schulstufe sind mit ihrer Schulwahl, einschließlich Lehrewahl, zufrieden, gehen zu 76 Prozent aus Interesse in die Schule und zu 80 Prozent aus Geld- und Verdienstüberlegungen eine Lehre ein. Eine Verschulung genau dieser Ausbildungsgänge wäre der falsche Weg. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. Er hat das Wort. – Kein Redner darf in dieser Debatte länger als 10 Minuten sprechen.


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15.53

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Kollegin Brinek hat die Landeshauptfrau der Steiermark begrüßt, die jetzt nicht mehr anwesend ist. Es freut auch mich, dass sie da war, aber es gibt auch viele Betroffene, die heute dieser Debatte zuhören, speziell auch VertreterInnen der ÖH, und es ist mir ein Anliegen, auch diese zu begrüßen, weil letztlich geht es heute um sie bei diesem Thema. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Klubobmann Khol! Sie haben ja wahrscheinlich auch die Anfrage gelesen, die da heute eingebracht worden ist, und wenn Sie darin lesen, werden Sie unter anderem finden, dass dieses Volksbegehren nur den 21. Platz belegt hat. – Zugestanden, das ist einmal empirisch so, und auch zugestanden, dass es aus unserer Sicht erfreulicher gewesen wäre, wenn entsprechend mehr Stimmen zustande gekommen wären.

Aber bei dieser Gelegenheit: Sie wissen wahrscheinlich auch, welches Volksbegehren den 20. Platz erreicht hat und um nicht einmal 10 000 Stimmen, nämlich nur um 9 500 Stimmen mehr bekommen hat. Und dieses Volksbegehren war – erraten! – das Familienvolksbegehren, das als großer Erfolg dieser Regierung in der Umsetzung gefeiert wurde, mit dem wir das Kinderbetreuungsgeld und all das dann argumentiert bekommen haben, weil es der Bevölkerung so wichtig sei. (Abg. Dr. Khol: Das ist es auch!)

Wenn ich mir dagegen ansehe, was hier in Ihrer Dringlichen Anfrage steht, dann frage ich Sie: Bedeutet das dann auch für dieses Volksbegehren, dass eigentlich all das, was gefordert wurde, von der Bevölkerung abgelehnt wurde, dass – damals waren es 3,1 Prozent, jetzt sind es 2,98 Prozent, diese Ungenauigkeit werden Sie wohl zulassen – all das deshalb ungerechtfertigt war, weil es nur 183 000 Unterstützer bekommen hat? Warum haben Sie dann nichts anderes zu tun gehabt, als das eins zu eins oder auch nicht eins zu eins, aber jedenfalls sehr rasch umzusetzen? Also diese Argumentation allein kann es wohl nicht sein. Ich würde Sie ersuchen, dass Sie sich auch die Inhalte dieses Volksbegehrens anschauen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die allgemeine Zufriedenheit der Bundesregierung mit dem Ausgang des Bildungs-Volksbegehrens ist für mich auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil es auch dazu Umfragen gab. Zum Beispiel wurde vor der Eintragungswoche im "FORMAT" eine Fessl-Umfrage wiedergegeben. Bei Studierenden wurde nachgefragt, wie viele denn für dieses Studiengebühren- und BildungsVolksbegehren seien. Es kam heraus: Es sind 70 Prozent. Es stimmt schon, es haben nicht so viele unterschrieben.

Bei den SchülerInnen wird es überhaupt schwieriger. Und das war schon ein besonderer Streich des Kollegen Schender, des neuen Bildungssprechers, der sich dafür bedankt hat, dass die SchülerInnen nicht auf die Propaganda der "links/linken", rot-grünen Opposition hereingefallen sind und dieses Volksbegehren nicht unterschrieben haben.

Kollege Schender! Wissen Sie, was der Stichtag für die Unterzeichnung des Volksbegehrens war? – Nur all jene, die am 1. Januar 2001 bereits 18 Jahre alt waren, durften es unterschreiben, also können Sie sich ausrechnen, dass es nicht viele SchülerInnen in Österreich gegeben hat, die überhaupt die Möglichkeit gehabt hätten, dieses Volksbegehren zu unterschreiben. Also lassen Sie auch da die Kirche im Dorf, und begründen Sie dieses Ergebnis nicht so, wie Sie es tun! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Zu Ihrer Erklärung, wie erfreulich dieses Ergebnis und wie hoch daher die Zustimmung zu Ihrer Politik sei, kann ich nur aus dem "NEWS" dieser Woche zitieren. Ihre Position im Politbarometer ist zwar allgemein gestiegen. Es ist aber auch eine Befragung bei der Zielgruppe der SchülerInnen und StudentInnen wiedergegeben, und von denen haben nur genau 13 Prozent gemeint, dass Sie in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen sollten. Und über dieses Ergebnis werden Sie sich wahrscheinlich weniger freuen. Nur 13 Prozent der direkt Betroffenen sind der Meinung, dass Ihre Arbeit gut ist. Das ist wahrlich ein etwas trauriges Ergebnis.


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Kommen wir zur Dringlichen Anfrage selbst. Diese Anfrage ist ja bemerkenswert. – Ich vermute, es war die kürzeste in der Geschichte des österreichischen Parlaments, zumindest mit Sicherheit, seit ich da bin. 10 Minuten hat Kollege Amon gebraucht, um das, was da drinnen steht, notdürftig zu begründen, 10 Minuten lang haben Sie geantwortet, Frau Minister, und schon nach 20 Minuten waren wir mit der ganzen Begründung und Beantwortung fertig. Also: Ein besonderes Bedürfnis dürfte es Ihnen irgendwie doch nicht gewesen sein. (Abg. Zweytick: Gott sei Dank! – Ruf bei der ÖVP: Das ist kein Argument! – Abg. Dr. Gusenbauer: Wenig zu sagen! – Abg. Dr. Stummvoll: Gusenbauer ist einmal da!)

Nun aber zu ein paar Dingen, die da drinnen stehen. – Auf den kleinen Fehler, dass das Kollege Faißt als Proponent eingebracht hat, dass die AG im Zeichen des ÖH-Bildungs-Volksbegehrens eigene Plakate gedruckt hat, ist schon aufmerksam gemacht worden. Es war also ein Begehren, das durchaus ÖVP-nahe Vereinigungen ebenfalls unterstützt haben. Der große Jubel ist auch deshalb nicht ganz nachvollziehbar.

Bislang glaubte ich ja, dass es politische Propaganda ist, die da von Ihnen kommt. Mittlerweile drängt sich schon manchmal der Verdacht auf, dass Sie wirklich der Meinung sind, dass das, was da drinnen steht, auch so sein könnte. Sie schreiben allen Ernstes, und Kollege Amon hat das auch bestätigt: Es gibt keine Kürzungen bei den in den Lehrplänen vorgesehenen Unterrichtsangeboten.

Das muss man einmal differenziert betrachten. Also Sie meinen, das, was im Lehrplan drinnen steht, wird nach wie vor angeboten. – Okay, mag sein. Aber einerseits: Was steht denn da noch drinnen? Und andererseits: Was war denn das, was es da überall noch gegeben hat? Was tut sich denn bei den Freigegenständen, was tut sich bei den Teilungsziffern? Sie haben schon Anfragen bekommen, Sie haben wahrscheinlich – vielleicht werden Sie das auch beantworten – jede Menge an Briefen von außen bekommen, in denen festgestellt worden ist: keine Freigegenstände mehr in den Schulen.

Die Klassenschülerzahlen sind gestiegen. Die Teilungsziffern werden so ausgenützt, dass Maturaklassen – ich habe Ihnen auch eine entsprechende Anfrage aus Zwettl als parlamentarische Anfrage weitergeleitet – in Sprachgruppen zusammengelegt werden. (Abg. Dr. Jarolim: Der Sprachunterricht wird zurückgedrängt!) Wenn das alles für Sie keine Kürzungsmaßnahmen sind, wenn das alles das Bildungsangebot nicht reduziert, dann frage ich mich: Was reduziert es denn dann? Können wir 100 Schüler in eine Klasse setzen? Ist das auch noch egal? Der Punkt ist: Die Qualität wird massiv verschlechtert! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zwei Forderungen haben Sie herausgenommen und als "alte Hüte" bezeichnet. Die Gesamtschule: Vielleicht können Sie nachher noch zitieren, wo im Volksbegehren die Gesamtschule gefordert worden ist. Ich habe das nicht gefunden. (Abg. Dr. Brinek: Die Kooperation der verschiedenen Schularten!)  – Aha, die kooperative Mittelschule ist die Gesamtschule! Okay. Da die ÖVP in Wien lange Zeit ebenfalls dafür war – ich weiß nicht, was sie jetzt tut, aber es gab eine Fünf-Parteien-Einigung im Wiener Landtag –, gibt es also offenbar einen Konflikt mit Ihrer Stadtpartei.

Ein weiterer Punkt ist die duale Berufsausbildung. Auch da liegen Sie falsch. Da geht es nicht um eine Berufsfachschule für alle, sondern um das Recht – ja, Sie brauchen es nur zu lesen – auf schulische Berufsausbildung. Die Diskussion ist relativ eindeutig. Es sollen nämlich die, die keine Lehrstelle bekommen, über eine Berufsfachschule auch die Möglichkeit zu einer Berufsausbildung bekommen. Dies zur Aufklärung. Vielleicht können Sie es mitnehmen. Es geht nicht darum, die duale Ausbildung abzuschaffen. Es geht um etwas anderes, aber auch das ist an Ihnen vorbeigegangen.

Zur Erfüllung der Punkte. – Zum ersten Punkt – Kollege Grünewald wird dann noch darauf eingehen – steht drinnen: Der unentgeltliche Zugang zu Bildung und Schule wird gefordert! – Sie behaupten: Das ist erfüllt!, und das, obwohl Sie vor einem Jahr – ich weiß nicht mehr genau, wann – die Studiengebühren beschlossen haben. Das kann doch alles nicht wirklich ernst ge


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meint sein. Faktum ist: Im österreichischen Bildungssystem ist es natürlich zu einer massiven, auch finanziellen Belastung gekommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kollege Amon, seien Sie mir nicht böse! (Abg. Zweytick: Das kann man dir gar nicht sein!) Wenn Sie als die großen Erfolge dieser Legislaturperiode abfeiern: das Landeslehrer-Dienstrecht, die IT-Offensive – von der noch niemand etwas gesehen hat –, die Einführung des Fachs "Politische Bildung" – für die nichts anderes gemacht wurde, als den Namen eines Unterrichtsgegenstands zu ändern, geschweige denn, dass die Zeit dafür auch nur irgendwie ausgedehnt worden wäre – und die Verhaltensvereinbarungen an den Schulen, dann muss ich Sie fragen: Und das ist Ihr bildungspolitisches Programm für vier Jahre angesichts einer Entwicklung in Europa, in der wirklich Umbrüche stattfinden?!

Daran sieht man doch, wie schwach Ihr bildungspolitisches Interesse eigentlich ausgeprägt ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kommen wir doch auch zu den finanziellen Aspekten! Österreich gibt heuer das größte Bildungsbudget aller Zeiten aus, erzählen Sie immer wieder. – Das ist jetzt nichts "Links-Linkes", das ist aus der Budgetrede von Minister Grasser. Schlagen Sie die auf und schauen Sie sich die Übersicht 20.2 an – Erziehung, Unterricht, funktionelle Gliederung. Im Jahre 2000 wurden 5,56 Milliarden € ausgegeben, und im Jahre 2002 5,51 Milliarden €. Umgerechnet sind das 700 Millionen Schilling weniger innerhalb von zwei Jahren gegenüber 2000. Und das ist die große Bildungsoffensive? (Ruf bei der ÖVP: Es gibt eine zweite Seite!) Faktum ist natürlich, dass Minister Grasser in seinem Budget auch da gut verschoben hat: Beim funktionellen Budget bekommen Sie weniger heraus, und hier gibt es Kürzungen.

Ich darf Sie, Frau Bundesministerin, nur daran erinnern, dass Sie selbst gesagt haben, man brauche eine Erhöhung von 4 bis 5 Prozent, um den Struktureffekt auszugleichen – Biennien, wie das im Lehrer-Dienstrecht eben so ist. Eine Kürzung kann aber wohl kein Ausgleich für Steigerungen sein. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt gibt es seit 2000 einen Rückgang von 2,7 Prozent für Erziehung und Unterricht auf 2,47 Prozent. Das ist ein massiver Rückgang!

Letztlich, damit diese Dringliche Anfrage überhaupt noch Sinn macht, kann man sie nutzen, um zumindest einen Entschließungsantrag einzubringen. Einen zweiten zum Thema Studiengebühren wird Kollege Grünewald einbringen. Ich möchte sie nützen, um die eine zentrale Forderung auch per Entschließungsantrag einzubringen.

Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde betreffend Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich die nötigen Schritte zur Absenkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 einzuleiten. Regelungen des Schulorganisationsgesetzes für besondere Schulformen sind aliquot zu ändern.

*****

Damit hätten Sie die Möglichkeit, das jetzt auch hier zu unterstützen. Sie haben ja gemeint, darüber könne man reden.

Faktum ist: Die Klassenschülerzahlen in Österreich steigen massiv. Faktum ist auch, dass in Österreich nach meinem Wissensstand annähernd 10 Prozent der Schüler in Klassen sitzen, die über der gesetzlich definierten Klassenschülerhöchstzahl liegen, also über 30. Ich betone:


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10 Prozent! Das betrifft in erster Linie berufsbildende höhere Schulen, das betrifft die Klassen, wo die Übergänge sind. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Und ich sage Ihnen noch abschließend: Es ist für die Betroffenen völlig egal, ob die Durchschnittszahl niedrig ist oder nicht. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Jene, die in Klassen mit 36 SchülerInnen sitzen, haben das Problem, und dieses Problem gilt es zu lösen. (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer hält ein Plakat in die Höhe. – Ruf bei den Freiheitlichen: Kollege Brosz, was sagst du dazu?)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag hinsichtlich der Klassenschülerhöchstzahl, der von Herrn Abgeordnetem Brosz verlesen wurde, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Die Uhr ist auf 7 Minuten gestellt. – Bitte.

16.03

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte eingangs feststellen, dass das Thema Bildung tatsächlich mehr Leute interessiert, als das Bildungs-Volksbegehren unterschrieben haben. Das möchte ich an dieser Stelle schon einmal festhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und ich möchte auch gar nicht in den Fehler verfallen, so leicht man dieser Versuchung auch erliegen könnte, aus der Anzahl der Unterfertiger eines Volksbegehrens auf dessen Qualität zu schließen – ganz und gar nicht. Aus diesem Grund sind wir Freiheitlichen ja auch immer dafür eingetreten, dass jedes Volksbegehren in einer ausführlichen parlamentarischen Auseinandersetzung analysiert, diskutiert und besprochen wird, und selbstverständlich – das haben wir auch von Anbeginn an gesagt – werden wir einen Unterausschuss einrichten.

Darüber hinaus haben wir als Regierungsfraktionen am heutigen Tag in Form einer Dringlichen Anfrage uns allen auch die Gelegenheit gegeben, zu diesem Thema nicht nur eine Diskussion abzuführen, sondern auch entsprechende Anträge einbringen zu können, um auch die Konturen und Positionen kennen zu lernen.

Wenn man zum Hintergrund dieses Bildungs-Volksbegehrens etwas feststellen darf, dann muss man den Bogen etwas weiter bis zur Regierungsbildung zurückgehend spannen. Dann erkennt man schon, was hier passiert ist. Es mag zwar sein, dass Bildung mehr Leute interessiert, aber zu erkennen ist auch, dass die Menschen die Angstparolen, die die SPÖ, SPÖ-nahe und grüne Vorfeldorganisationen seit eineinhalb Jahren in Österreich permanent in die Öffentlichkeit hämmern, nicht mehr in dem Maße aufnehmen und dass sie auch kein Verständnis mehr haben für die Vorgangsweise der Opposition.

Es mag zwar sein – und das ist zu erkennen, wenn man sich die mediale Landschaft ansieht –, dass die veröffentlichte Meinung noch hinter den parteipolitischen Zielen von SPÖ und Grünen und deren Vorfeldorganisationen steht, aber die Menschen gehen offensichtlich nicht mehr mit Ihnen mit. Die Donnerstags-Demonstranten und -Demonstrationen zeigen ein deutliches Bild: Kein Mensch ist mehr daran interessiert! (Abg. Edlinger: Die Wiener Kommunalwahlen zeigen das auch sehr deutlich, nicht wahr!) Die ÖH hat mit ihrem Beitragszahlungsboykott den ersten "Bauchfleck" geliefert. Das Bildungs-Volksbegehren war aus der Sicht der Österreichischen Hochschülerschaft sicher der zweite "Bauchfleck", den man feststellen muss.

Die Politik der reinen Angstmache, wie sie von der linken Seite hier in diesem Land betrieben wird, hat ausgedient. Die Leute sind interessiert an Bildung und Ausbildung, sie sind aber auch daran interessiert, dass wir für unsere Jugend etwas unternehmen. Aber wenn man Ihren Redebeiträgen zuhört, dann stellt man fest, es geht immer nur um Lehrer, Geld für Lehrer, Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer und Ähnliches, aber es geht nie um die betroffenen Kinder, Schüler oder auch die wirklichen Studenten, und das haben die Menschen in diesem Land


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offensichtlich auch schon erkannt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Mag. Kubitschek. )

Im Mittelpunkt der Bildungspolitik müssen der Schüler und der Student stehen. (Abg. Mag. Kubitschek: Und auch die Schülerin und die Studentin!) Das ist die zentrale Aufgabe, die es zu bewältigen gilt. Und deswegen wäre auch eine zentrale Aufgabe für die Österreichische Hochschülerschaft darin zu sehen: Wie bringe ich die Information an den Studierenden heran, wie er ein Stipendium erlangen kann? – Und seien Sie mir nicht böse, wenn ich auf Grund der bisherigen Ergebnisse konstatieren muss, dass die ÖH-Geldmittel offensichtlich zweckentfremdet für Angstparolen verwendet werden, aber nicht, um die Studierenden darüber zu informieren, dass sie bei Eltern-Einkommen bis zu 48 000 S immer noch die Möglichkeit haben, ein Stipendium zu bekommen.

Dass wir mit den Studienbeiträgen bereits Lenkungseffekte erzielen konnten, die sehr sinnvoll sind, ist auch nachlesbar. Derzeit verzeichnen wir über 205 000 Studierende in Österreich – Stand dieser Woche –, und es werden noch mehr werden, denn es gibt noch die Nachinskriptionsfrist. Was wir beseitigt haben, sind die Karteileichen, und das finde ich nicht schade. Vielleicht geht es Ihnen darum, mir geht es nicht um sie! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Brosz. )

Der bloße Inskribient, der nicht studiert, aber den Betrieb und die Verwaltung lähmt und Kosten verursacht, kann niemandem ein Anliegen sein, außer demjenigen, der Geld zum Fenster hinauswerfen möchte. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Absolventenzahlen sind gestiegen. Im letzten Semester gab es nahezu an jeder Universität um 20 bis 30 Prozent mehr Dissertanten und Absolventen als bisher. Das ist als ein positiver Lenkungseffekt zu sehen, der schon im Vorfeld eingetreten ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Mir ist wichtig, dass unsere jungen Menschen möglichst rasch und bestens ausgebildet im Erwerbsleben zur Verfügung stehen, auch damit sie sich ihr eigenes Einkommen finanzieren können und letztlich nicht mehr eine Politik wie Sie verfolgen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Edlinger: Ein Rohrkrepierer!)

Noch etwas sei an die Adresse der Bildungssprecherin der SPÖ, Kuntzl, gesagt: Wenn Sie weiterhin nur Falschmeldungen von sich geben, Desinformation und Angstparolen, werden Sie mit Ihrer Politik der angeblichen Menschlichkeit, wie Sie das immer bezeichnen, sicher scheitern. Sie sagen: Es hat keinen Konsens beim Hochschullehrer-Dienstrecht gegeben. Das stimmt nicht! Möglicherweise hat es keinen Konsens mit der SPÖ gegeben, aber die viel beschworene Sozialpartnerschaft ist hier – und jetzt strapaziere ich sie einmal – tatsächlich schlagend geworden. (Ruf bei der SPÖ: "Schlagend" – das wäre Ihnen wohl recht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Gewerkschaft und die Vertreter der betroffenen Universitätsbediensteten, sie haben diesem Dienstrecht zugestimmt, und da ist es mir dann völlig gleich, ob die SPÖ am Schluss noch mitstimmt oder nicht. Nach Ihrer Diktion müssten wir jetzt als Regierungsparteien gemeinsam mit den Gewerkschaften gegen die Bildungspolitik der SPÖ demonstrieren gehen, weil Sie das, was die Gewerkschaften wollten, letztlich zu verhindern versucht haben. Dies sei an die Adresse der SPÖ gesagt.

Und weil es immer geheißen hat, diese Bildungspolitik der Freiheitlichen und der ÖVP sei frauenfeindlich: Lesen Sie die Studierendenzahlen alleine in Graz: 6 Prozent mehr Frauen als bisher studieren dort, und über 60 Prozent beträgt der Frauenanteil an der Universität Graz! – Und dieses Bild ist auf fast alle Universitäten umzulegen, und damit sind Sie auch in diesem Punkt Lügen gestraft worden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Jawohl! Bravo!)


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84. Sitzung / Seite 128

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.  – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Dr. Jarolim –: "Eurolim"!)

16.10

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Inhalt Ihrer Dringlichen Anfrage, aber auch die bisherigen Debattenbeiträge der Redner der Regierungsparteien machen für mich zwei Dinge deutlich: Erstens, dass Sie auch heute nicht über Bildung und die Zukunft der Bildung diskutieren wollen, sondern Sie wollen mit dieser Dringlichen vom Stillstand und vom Sparkonzept Ihrer Bildungspolitik ablenken, und zweitens, dass die SPÖ bei all ihren bildungspolitischen Vorhaben konsequent und engagiert immer für Chancengleichheit und Zukunftsorientiertheit im Bildungsbereich eingetreten ist.

Dazu, dass hier kritisiert und gesagt wurde: Da reden der Parteivorsitzende, der Klubobmann, die Bundesgeschäftsführerin und der Bildungssprecher von Bildung!, sage ich Ihnen: Das ist einmal mehr ein Zeichen dafür, dass die SPÖ die Bildungspartei in diesem Haus ist und dass sie Bildung ernst nimmt. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Warum? Erklär das! – Abg. Schwarzenberger: Eine einzige Begründung!)

Lieber Kollege Schweitzer! Du hast gesagt: Schauen wir in die Vergangenheit! – Sehr gerne schaue ich ein bisschen in die Vergangenheit (Abg. Dr. Martin Graf: Einbildungspartei Österreichs!), und ich möchte hier mit ganz kurzen Blitzlichtern aufzeigen, was unter sozialdemokratischer Bildungsverantwortung im Bildungswesen geleistet wurde. (Abg. Mag. Schweitzer: Wenn der Cap geredet hat, hast du nichts mehr zu reden gehabt! Erinnere dich!) – Das ist ein großer Irrtum!

Ich beginne beim Schulbau: Wer hat in Österreich dafür Sorge getragen, dass in allen politischen Bezirken, auch in den ländlichen, ein bis drei Schulen gebaut wurden, in denen heute höhere Bildung vermittelt wird? (Abg. Dr. Khol: Minister Piffl-Percević!)

Wer hat die Schülerfreifahrt eingeführt? Wer hat das freie Schulbuch eingeführt? – Ein Meilenstein zur Erhöhung der Chancengleichheit für unsere Jugend!

Unter SPÖ-geführten Regierungen ist die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer von 68 000 auf 125 000 gestiegen! (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist ja das Problem! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das führte dazu, dass wir heute in den Klassen weniger Schüler haben, dass wir motivierte Lehrer hatten, dass wir bessere Lernbedingungen hatten, dass die Chancengleichheit angehoben wurde.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Durch den Schulbau, aber auch durch die Abschaffung der Aufnahmsprüfung vor 30 Jahren ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler in höheren Schulen und in der AHS von 172 000 auf 306 000 gestiegen. Wir hatten damals 15,1 Prozent in höheren Schulen, die zur Matura geführt wurden, heute haben wir 32 Prozent. Das war ein enormer Beitrag zur Chancengleichheit!

Wer hat für Schulanfängerinnen und Schulanfänger, die Schwierigkeiten haben, die Vorschulklassen eingeführt? – Eine weitere Erhöhung der Chancengleichheit. Benachteiligte Schüler erhalten in diesen Vorschulklassen jene Ausbildung, mit der sie mit annähernd gleichen Chancen ihre Schullaufbahn starten können.

Wer hat damit begonnen, Integration in der Volksschule und Integration in den weiterführenden Schulen zu diskutieren, und natürlich gemeinsam mit dem damaligen Koalitionspartner ÖVP eingeführt? – Das waren und sind heute noch Beiträge zur Erhöhung der Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler mit Lerndefiziten, für Schülerinnen und Schüler mit Benachteiligungen.

Woher kam die Diskussion zur Berufsreifeprüfung? – Eine Chancenverbesserung für Lehrabsolventen. Auch das wurde in der vergangenen Regierungsperiode umgesetzt. Mehr Chancengleichheit für Jugendliche nach ihrer dualen Ausbildung!


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84. Sitzung / Seite 129

Wann gab es die Diskussion über die Einführung der pädagogischen Hochschulen? – In der vergangenen Regierungsperiode. Diese Diskussion führt mittelfristig dazu, dass Benachteiligungen im Bereich der Qualifikation der Lehrer beseitigt werden.

Wenn Sie heute in Ihrer Dringlichen Anfrage vom guten und international anerkannten Bildungssystem in Österreich reden, dann stimmt das, aber das ist doch darauf zurückzuführen, dass die SPÖ wie immer die treibende Kraft in der Bildungspolitik war. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind heute froh darüber und stolz darauf, dass dies Verfassungsgesetze sind, die nicht mit einer einfachen Mehrheit umgebaut werden können, denn sonst hätten wir wirklich große Sorge um unser Bildungssystem.

Meine Damen und Herren! Seit diese Regierung im Amt ist, wird die Chancengleichheit zurückgenommen. Sie haben Straf- und Sanktionsmöglichkeiten eingeführt, um mit unliebsamen Schülern zurechtzukommen. Es gibt also weniger Chancen im Bildungswesen für diese Gruppen.

Sie haben das Ende der Integration in der neunten Schulstufe eingeläutet, statt Weiterführung und Fortsetzung in den berufsbildenden Schulen zu ermöglichen – also weniger Chancen.

Sie haben Studiengebühren eingeführt – also weniger Chancen für sozial Benachteiligte, noch weniger Chancen für Berufstätige.

Heute werden Sie ein Prognoseverfahren gegen die Stimmen der SPÖ beschließen. Sie wollen damit den offenen Zugang zur höheren Bildung einschränken – also weniger Chancengleichheit.

Sie sind in der Tat – und da stimme ich meiner Vorrednerin Kuntzl zu – die Totengräber der Chancengleichheit in Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Herr Präsident!)  – Meine Damen und Herren! Ein modernes Bildungswesen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, ich habe Frau Abgeordnete Dr. Brinek gebeten, in der Diktion zurückhaltend zu sein, gerade bei einer Bildungsdebatte. Ich bitte auch Sie, das zu beachten! "Totengräber" ist an der Grenze.

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (fortsetzend): Ich nehme diesen Ausdruck zurück, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Ein modernes Bildungswesen – und das müssen Sie sich wirklich ins Stammbuch schreiben – kann sich nicht ständig und ausschließlich an einer Kosten-Nutzen-Rechnung orientieren. Unsere Jugend hat ein Recht auf eine hochqualitative Bildung und Ausbildung. Ihr das zu gewähren ist eine rein gesellschaftliche Aufgabe, also eine Aufgabe des Staates. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Zweytick: Aber Geld allein ist auch nicht ...!)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt die Frau Bundesministerin. Kein Redner in dieser Debatte darf länger als 10 Minuten sprechen. – Bitte, Frau Ministerin.

16.17

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte doch einige Aussagen hier ins rechte Licht rücken.

Lieber Herr Kollege Antoni, Sie haben bemängelt, dass zu wenig über die Zukunft gesprochen wird. Sie selbst aber haben drei Viertel Ihrer Redezeit mit der Vergangenheit zugebracht. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Pumberger. )

Dazu sage ich ganz offen: Es ist viel für das Bildungswesen gemacht worden – von sozialdemokratischen Ministern, von ÖVP-Ministern, die es auch in diesem Bereich gegeben hat. Wir haben in der letzten Legislaturperiode einige wichtige Weichen gestellt, aber wenn wir bei der Anstellung der Lehrer und Lehrerinnen so weitergemacht hätten, wie Sie sich das vorstellen,


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84. Sitzung / Seite 130

von 120 000 auf 150 000, dann würden Sie alle im Schuldturm sitzen, dann könnten wir all das nicht mehr bezahlen!

Meine Damen und Herren! Ich möchte schon auch Folgendes klarstellen: Die Möglichkeiten für Strafen und Sanktionen wurden von uns nicht geschaffen. Wir suchen ein partnerschaftliches Modell an den Schulen.

Und die Integration in der neunten Schulstufe haben Sie verhindert, weil Sie uns die Zweidrittelmehrheit dazu verweigert haben, was ich sehr bedauere. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Einige Bemerkungen möchte ich auch noch klarstellen: Frau Kollegin Kuntzl hat gesagt: Drüberfahren und Maulkorb-Anlegen ist nicht unseres. – Meine Damen und Herren von der Opposition! Das ist auch nicht unseres!

Deshalb habe ich Sie alle eingeladen zu einer breiten und offenen Diskussion über die Weiterentwicklung der Universitäten – zu einem breiten Dialog! Ich ersuche Sie dringend, sich in diesen breiten Dialog einzubringen, mit Vorschlägen, mit Diskussionsbeiträgen.

Da hier von diesem Fax gesprochen wurde, das vom Stadtschulrat tatsächlich an alle Bezirksschulinspektoren gegangen ist: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich arbeite mit meinen Landesschulratspräsidenten und mit der Frau Präsidentin in Wien gut zusammen. Ich habe sie angerufen und darauf aufmerksam gemacht, dass das keine gute Vorgangsweise ist. Daraufhin hat sie Order gegeben, das Fax wieder zurückzuholen. Aber das war schon an allen Schulen, und etliche Eltern haben sich bei mir darüber beschwert, dass sie in den Mitteilungsheften diese Aufforderung zum Unterschreiben erhalten haben. – Das war wirklich keine faire Vorgangsweise an unseren Schulen! Sie wissen das sehr genau. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist auch gesagt worden, das neue Uni-Dienstrecht werde so vehement abgelehnt, und die Leute fürchten sich. Ich verstehe das nicht. Wir geben jenen, die jetzt im System sind, die gleichen Chancen wie jenen, die schon vorher drinnen waren. Das ist auch von allen verlangt worden – Verfassungsschutz! Wir haben aber dieses Dienstrecht unter dem Vorsitz eines SPÖ-Gewerkschafters ausverhandelt, und die Gewerkschaft hat unter dem Vorsitz dieses SPÖ-Gewerkschafters zugestimmt. (Abg. Auer: Da schau her!) Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen.

Wenn Sie sagen, dass wir so viele Studierende weniger haben, muss ich entgegnen: Die Scheininskribienten sind weggefallen. Wir haben zum ersten Mal realistische Zahlen. Ich weiß nicht, wieso Sie so daran hängen, dass man sehr viele Studenten hat, die sich nur zum Schein anmelden und dann nie zu einer Vorlesung gehen. Wissen Sie, was die Folge davon ist? – Die Folge davon ist, dass Österreich mit einer Studiendauer von 7,4 Jahren am Ende der OECD-Liste liegt. OECD-weit gibt es eine Durchschnittsstudiendauer von 4,7 Jahren. In Österreich sind es 7,4 Jahre! Das kommt davon, weil alle Scheinstudierenden einfach mitgezählt werden. Wir haben nun endlich realistische Zahlen, und wir werden endlich weltweit im Ranking eine bessere Position einnehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Eines möchte ich noch zurückweisen: Es ist hier wortgewaltig gesagt worden, 10-jährigen Kindern werde die Zukunft gebaut (Rufe bei der SPÖ: Verbaut!), es werden Sackgassen gebaut.

Meine Damen und Herren! Bitte desavouieren Sie doch nicht die Hauptschullehrerinnen und die Hauptschullehrer! (Abg. Schasching: Sie desavouieren die Hauptschulen!) Desavouieren Sie nicht die Hauptschulen, in denen das Beste gegeben wird, um die Kinder kindgerecht zu unterrichten! Bitte hören Sie doch endlich auf, die Hauptschulen schlecht zu machen!

Es gibt zwei Angebote: Hauptschulen und Gymnasien. (Abg. Dr. Jarolim: Sie sind eine Sackgassen ...!) Daneben gibt es noch die Sonderschulen. Die Schüler sollen in diejenige Schule gehen, die ihrem derzeitigen Entwicklungsstand entspricht. Durch die Durchlässigkeit im


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österreichischen Schulsystem gibt es keine Sackgasse. Es gibt keine Einbahn, es gibt für jeden die Chance und die Möglichkeit zu weiterführender Bildung. (Abg. Schasching: Aber 6 000 haben keinen Hauptschulabschluss!) Bitte werten Sie die Hauptschulen in unserem Land nicht so ab! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dieses Volksbegehren hat eines klar gezeigt: Die Bürgerinnen und Bürger haben mit ihrer relativ geringen Beteiligung der Bildungspolitik dieser Bundesregierung ein gutes Zeugnis ausgestellt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich freue mich persönlich darüber, dass die Österreicherinnen und Österreicher wissen, dass wir gute Schulen, hervorragende Universitäten und ausgezeichnete Lehrer und Lehrerinnen haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Bildung im Würgegriff! – Gegenruf der Abg. Dr. Brinek.  – Abg. Dr. Jarolim: Auf das kann man stolz sein! Das ist "Qualität"! – Abg. Schwarzenberger  – in Richtung des Abg. Dr. Jarolim –: "Eurolim" im Würgegriff von Stuhlpfarrer!)

16.23

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Bildungs-Volksbegehren hat ein von ihm intendiertes Ziel bereits heute erreicht: Es wird im Parlament debattiert. Ich halte das für ausgesprochen wichtig, weil ich in der Diskussion über dieses Bildungs-Volksbegehren mit den Menschen, die es wirklich betrifft, nämlich mit jungen Leuten, draufgekommen bin, dass es viele Dinge gibt, die sie offensichtlich noch nicht wissen.

Letzten Sonntag fand in Innsbruck die Eröffnung eines Politfilmfestivals statt, und im Anschluss daran bin ich mit ein paar jungen Leuten zusammengesessen; eine davon war eine persönlich ganz entzückende junge Dame, bei der ich dann draufgekommen bin, dass sie die neue linke ÖH-Vorsitzende der Universität Innsbruck ist. (Abg. Edlinger: Lauter entzückende Leute!)

Das habe ich aber erst am Ende des Gesprächs erfahren. Begonnen hat das Gespräch damit, dass sie sagte: So ein Wahnsinn! Du sitzt ja im Parlament! Was sollen die Studienbeiträge? Wir haben keinen freien Zugang mehr zur Universität. – Darauf habe ich ihr erklärt: Wir haben einen freien Zugang zur Universität (Abg. Schasching: Das ist Realitätsverweigerung!), wir haben aber keinen unentgeltlichen Zugang zur Universität, und das ist ein großer Unterschied.

Da sie sagte, die Ärmsten würden künftig vom Studieren abgehalten, habe ich ihr auch erklärt, wie es früher war. Es war nämlich so, dass zwei Drittel der Studierenden in Österreich Kinder von Eltern aus dem obersten Einkommensdrittel waren. Ihre Reaktion war: Ach so!, und ich habe gefragt, wie sie das finde.

Sie antwortete: Zugegebenermaßen finde ich, dass das Ziel einer sozialistischen Bildungspolitik – nämlich betreffend den freien und unentgeltlichen Zugang zur Universität –, genau jene, die sich schwer tun, sich ein Studium zu leisten, an die Unis zu bekommen, in den vergangenen 30 Jahren nicht aufgegangen ist. (Zwischenruf des Abg. Brosz. )

Darauf sagte ich: Das finde ich auch. Aus diesem Grund war das auch eine sozial unverträgliche Umverteilung von unten nach oben, und zwar in mehrfacher Hinsicht (Abg. Edlinger: Kindergeld!): Nicht nur, dass überproportional viele Studierende immer noch aus Familien stammten, die dem obersten Einkommensdrittel angehörten, sondern zusätzlich, dass all jene, die inskribiert waren, ohne zu studieren, all jenen, die tatsächlich studieren wollten und studiert haben, gewissermaßen das Geld weggenommen haben, wobei es natürlich wichtig ist, zu wissen, auf welcher Fakultät wie viele Studenten tatsächlich studieren. Das muss man sich schon vor Augen halten.


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Ich habe zum Beispiel nach Abschluss meines Studiums – und schon lange berufstätig – noch Chemie parallel zu einem Doktoratsstudium in Jus inskribiert. Damit habe ich dann aufgehört, weil ich mir gedacht habe: Falls ich die Dissertation doch einmal mache, ist es ja peinlich, so viele Dissertationssemester zu haben, also inskribiere ich noch Chemie, denn das studiere ich ganz sicher nie.

Was hat das zur Folge? – Es ist natürlich nicht besonders sinnvoll, weil ja den Chemikern jenes Geld zugeteilt wird, das Studenten anderer Studienrichtungen dann fehlt.

Wenn meine eigene Stiefschwester, weil sie eigentlich Physiotherapie lernen möchte, neben der Arbeit noch ein Jahr Psychologie inskribiert und dort ab und zu irgendwelche Kurse besucht, die ohnehin schon überfüllt sind, dann ist das nicht sinnvoll. All jene, die das auch getan haben – völlig legitim und zu Recht –, tun das jetzt nicht mehr und tragen dazu bei, dass das Geld dort hinkommt, wo es tatsächlich gebraucht wird und wo die Leute zielstrebig ihr Studium zu Ende führen wollen. Ich halte das für richtig und wichtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Umverteilung nach oben, die wir hatten, haben wir jetzt umgekehrt. Jetzt ist es so, dass erstens die Stipendien um 10 000 S im Jahr erhöht wurden und zweitens die Anzahl der Stipendienbezieher um 12 500 ausgeweitet wurde. Das bedeutet, dass jetzt jeder vierte Studierende in Österreich Anspruch auf Studienbeihilfe hat. Derzeit haben aber noch nicht 25 Prozent, sondern erst 17 Prozent der Studierenden um diese Studienbeihilfe angesucht. Das Ministerium hat Anzeigen geschaltet, und wir bemühen uns flächendeckend um Aufklärung. Und damit komme ich wieder auf die ÖH und auf dieses Bildungs-Volksbegehren zurück.

Ich wohne gleich um die Ecke bei der Universität Innsbruck. Ich habe dort Flugzettel erhalten, und es wurde von Seiten der ÖH plakatiert: Gehen Sie hin, unterschreiben Sie das BildungsVolksbegehren! – Das war flächendeckend! Nirgendwo habe ich jedoch einen Flugzettel mit Informationen darüber bekommen, wie und wann man Studienbeihilfe bekommen könnte.

Da kann man jetzt sagen: Okay, die haben das Bildungs-Volksbegehren initiiert; das ist ihr gutes Recht, und sie können das Geld, das ihnen zur Verfügung steht, selbstverständlich für das ausgeben, was sie für wichtiger halten.

Die ÖH ist aber die gesetzliche Interessenvertretung der Studierenden, und jeder Studierende, den ich getroffen habe, hatte zuerst einmal großes Interesse daran, zu erfahren, ob er Anspruch auf Studienbeihilfe hat, wo er diese bekommt und wann er sie beziehen kann. Dahin hätte das Geld, das für die Agitation für das Bildungs-Volksbegehren ausgegeben wurde, richtigerweise fließen müssen, wenn sich die derzeitige ÖH-Spitze tatsächlich als Interessenvertretung der Studierenden empfindet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das habe ich auch dieser ÖH-Vertreterin gesagt. Sie hat mir darauf nur geantwortet, dass man sich ohnehin darum bemühe, all jene, die zur ÖH kommen, zu informieren. Wir haben trotzdem ausgemacht, in einem intensiven Diskurs zu bleiben, weil ich es wichtig finde, dass die ÖH-Vertreter jene Informationen, die ihnen ihre Mutterpartei ganz offensichtlich vorenthält, von anderer Seite bekommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

16.31

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuhörer! Nur damit Sie es wissen: Es wird jetzt in einer Dringlichen Anfrage von ÖVP und FPÖ ein Thema behandelt, das sich "Orientierungslosigkeit der linken Bildungspolitik" nennt. Ich erlaube mir, auch als Grüner dazu Stellung zu nehmen, und möchte die Antwort auf eine gewisse Kritik, die ganz am Anfang geäußert wurde, gleich vorwegnehmen.


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Ich habe – genauso wie viele andere – nie gesagt, dass die Bildungspolitik, das Unterrichtswesen und das Universitätswesen in Österreich desaströs seien. Ich habe auch nicht gesagt, dass das Gesundbeten dieses Systems die ideale Lösung für die Zukunft ist. Da schließe ich lückenlos an Edlinger an.

Aber wenn wir schon über Bildung sprechen, muss ich ganz kurz den heutigen Tag Revue passieren lassen, und ich frage mich, was das jetzt mit Bildung zu tun hat. Das einzig Neue, das ich heute erfahren habe, als Kollege Schweitzer mit einem Plakat zum Rednerpult kam, war, dass er ein Sammler erotischer Bilder und Texte ist. Ja, das war mir neu. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Zweitens: Die Einführung des Bauchflecks als bildungspolitischem Begriff zeugt auch nicht von einem hohen intellektuellen Niveau und charakterisiert nicht das, was Studenten interessiert. Wenn man die Jugend als Zukunft Österreichs betrachtet, wenn man die Bildung als Schwerpunkt nennt und dann versucht, Studenten zu veräppeln, indem man sagt, dass dieses Bildungs-Volksbegehren ein Schwachsinn und eine Dummheit sei, dann erinnere ich Sie nochmals an das Familien-Volksbegehren, das in ähnlich hoher Unterschriftenzahl vorgelegen ist. Es war immerhin besser als jenes zu Zwentendorf, und das hat ja auch etwas bewirkt.

Sie sind stolz und jubeln, weil die ÖH geglaubt hat, es würden 30 Prozent weniger studieren, und nun sind es "nur" 20 Prozent weniger. – Ich würde mich auch schämen, wenn es 20 Prozent weniger wären! Und wenn Sie die alle als Karteileichen bezeichnen, dann frage ich mich, ob Ihre bildungspolitische Diskussion einem Bestattungsunternehmen gleicht, das nur mehr über Leichen und Ähnliches spricht. Ich denke, Bildungspolitik sollte etwas recht Lebendiges sein. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Folgendes hat mich aber immer irritiert, und ich habe es hier einige Male erwähnt: Man bekommt für gewisse Ausdrücke Ordnungsrufe, ich stelle aber fest: Es gibt einen Ausdruck dafür, wenn jemand bewusst falsche Zahlen nennt und falsch argumentiert. Ich kann natürlich sagen, das stimmt nicht ganz, Sie haben die Unwahrheit gesagt, Sie liegen falsch oder verkehrt. – Es kann auch sein, dass sich viele Redner einfach geirrt haben, aber ein Irrtum entsteht, wenn man unbewusst etwas Falsches sagt, weil man sich nicht auskennt. Dann soll man hier allerdings auch nicht reden. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.  – Abg. Schwarzenberger: Der meint den Edlinger vom Vormittag!)

Nun kommen wir zu den Daten. Ich schätze die Leistungen der Republik für Bildung und Forschung durchaus. In diesem Bereich ist zweifellos etwas geschehen – keine Frage. Wenn man aber Schwerpunkte und Initiativen setzt und Forschung, Wissenschaft und Bildung als zentrale Anliegen bezeichnet, dann muss man diese Wertschätzung prozentuell am Bruttoinlandsprodukt festmachen.

Ich sage Ihnen jetzt noch einmal, wie damals, als mir mein Kollege Van der Bellen geholfen hat, dass 1993 0,94 Prozent des BIP für die Universitäten aufgewandt wurden und heute für das Jahr 2002 0,74 Prozent geplant sind. – Das ist ein Unterschied von 6 Milliarden Schilling. Das sollte man nicht vergessen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweitens, bezüglich Lobhudelei und Intellektualität: Die Zuhörer sollen wissen, wie es heute Vormittag begonnen hat, nämlich mit einer "intellektuellen" Fragestunde, die in etwa nach folgendem Schema ablief: "Spieglein, Spieglein an der Wand, unser Bundeskanzler ist der Beste im ganzen Land! Herr Bundeskanzler, stimmen Sie mit meiner Aussage überein?"

Jetzt am Nachmittag höre ich, den Studenten gehe es so gut wie nie zuvor, die Unis hätten die höchsten Budgets, und die Ausgliederung bringe uns zur Weltklasse. Frau Bundesminister! Warum regen sich die Leute dann auf, warum herrscht so blindwütige Undankbarkeit? (Abg. Dr. Khol: Die regen sich ja nicht auf! Sie regen sich auf!) Na bitte! Die Menschen regen sich auf!

Herr Klubobmann Khol, ich bin sehr froh über Ihre Meldung. Ein Motiv, warum nicht so viele Menschen das Volksbegehren unterschrieben haben, wie ich mir erwartet habe (Abg. Dr. Khol:


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Da geben Sie es wenigstens zu!), ist vielleicht, dass die Leute resignieren, weil man hier argumentieren kann, so viel man will, weil die Leute Petitionen einreichen und Gespräche führen können, so viele sie wollen, und all das hat keinen Einfluss, keinen Erfolg. – Das ist aber kein Vorwurf an die Studentenschaft, sondern es sollte einer Bundesregierung bezüglich ihrer Politik zu denken geben, wenn die Menschen resignieren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Dass Studieren gratis sei, ist – höflich ausgedrückt – ein weiterer "Irrtum". (Abg. Dr. Cap  – in Richtung ÖVP –: Betretenes Schweigen!  – Abg. Dr. Khol: Kein betretenes Schweigen! Heiterkeit!) Es ist bekannt, dass den Studierenden pro Jahr zirka 177 000 S an Einkommen entgehen und dass sie 9 000 S an Lebenshaltungskosten verbrauchen, wenn sie nicht im elterlichen Wohnverband leben. Ein Institut für Soziologie hat 18 Prozent der Studierenden als armutsgefährdet bezeichnet. Die Anrechnungszeiten wurden reduziert, Hunderttausende Schilling müssen reinvestiert werden, um in der Sozialversicherung gleichgestellt zu werden. Und eine Studie des Ministeriums besagt, dass Akademikerinnen und Akademiker – hören Sie gut zu! – 80 Prozent der staatlichen Transferleistungen über die Steuern zurückzahlen. Was heißt hier also gratis? (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. )

Über das Lebenseinkommen haben wir schon gesprochen. Bundeskanzler Schüssel hat hier einmal gesagt – Herr Abgeordneter Amon hat die Zahlen jetzt schon ein wenig vorsichtig nach unten revidiert –, Studierende kosten über 200 000 S. – Das ist alles falsch! Studierende kosten pro Kopf und Nase zirka 40 000 S (Abg. Dr. Khol: Mein Gott!)  – außer Sie rechnen alle Trans-ferleistungen an die Unikliniken, Elektronenmikroskope et cetera in die Studentenausbildung mit ein. (Abg. Auer: Das ist ein Dozent? – Abg. Dr. Khol: Ja, das ist ein Dozent!) Das ist aber nicht korrekt und wird auch international nicht so gehandhabt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn Sie von Nachwuchsförderung und vom neuen Dienstrecht sprechen, frage ich mich, welche Nachwuchsförderung das sein soll, wenn unabhängig von der Leistung Dienstverträge einfach auslaufen. Man wird sich dann möglicherweise auf Grund sistierender Budgets um nicht mehr vorhandene Stellen bewerben und wird diese Stellen nicht bekommen, egal, wie gut man ist.

Der Personalaufwand hatte im Jahre 2000 einen Zuwachs von 820 Millionen Schilling, im Jahr 2001 von 144 Millionen Schilling, und im Jahre 2002 – ich hoffe, ich werde noch positiv überrascht, aber laut der Daten sieht es nicht so aus – gibt es überhaupt keinen Zuwachs. Das heißt, dass man das Personal weiter kürzen muss, weil Personal mit dem Alter teurer wird.

Welcher Anreiz ist das Gehalt von Ärzten in Ausbildung, das eher überfallsartig beschlossen wurde? – Die Gewerkschaft hat zwar zugestimmt, aber reden Sie einmal mit den Gewerkschaftern! Ich habe mit einigen gesprochen, und sie haben sich dreimal dafür entschuldigt, was ihnen da passiert sei, sie hätten das nicht geahnt und so weiter. Denen, die jetzt schon im Dienst sind, denen passiert nicht sehr viel. Sie werden gleich behandelt; das ist korrekt, da gebe ich Ihnen Recht.

Aber fortan bekommen Ärztinnen und Ärzte ab der Erlangung des Doktortitels bis zur Beendigung der Facharztausbildung – und da sind sie in einem Alter von etwa 33, 34 Jahren – ein Nettogehalt von 14 000 S, alles inklusive. Das ist ungefähr ... (Abg. Dr. Khol: Stimmt ja nicht!)  – Das stimmt nicht? Also Ihnen hätte ich schon zugetraut, dass Sie lesen können (Abg. Dr. Khol: Das können Sie mir zutrauen!), wenn Sie Homer und Ovid zitieren! (Abg. Dr. Khol: Am liebsten Catull!) Natürlich stimmt das! Das sind die Fakten.

Was die Autonomie betrifft, so möchte ich nicht lange ausführen, was da passiert. Frau Minister Gehrer! Ich glaube, wir haben uns immer durchaus korrekt unterhalten. (Abg. Dr. Khol: Das wundert mich!) Aber ein Dialog kann nur geführt werden, wenn man auf den anderen hört.

Wenn eine Gruppe meint, sie hätte das Monopol auf Wahrheit und Weisheit und alle anderen seien Verweigerer und wesentlich dümmer und sähen nicht ein, welche Chancen sich ihnen eröffnen, dann ist das wirklich absolut verkehrt.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Abgeordneter Grünewald! Bitte vergessen Sie nicht, den Entschließungsantrag einzubringen, sonst ist die Redezeit zu Ende!

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (fortsetzend): Das ist sehr nett von Ihnen, Herr Präsident. Ich fange gleich an. Ich würde meinen, dass (Heiterkeit bei der ÖVP)  – das ist jetzt nicht der Entschließungsantrag – der Dialog so geführt werden soll, dass er die Bezeichnung "Dialog" auch tatsächlich verdient.

Ich komme nun zum Antrag:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde betreffend Abschaffung der Studiengebühren

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich die nötigen Schritte zur Abschaffung der Studiengebühren einzuleiten.

*****

Da das Lämpchen noch nicht rot leuchtet, darf ich sagen, dass jeder in Bildung und Forschung investierte Schilling eine hohe Rendite für den Staat bringt. Das sollte man bedenken, und nicht die Studenten als eine Art Schmarotzer, Ausbeuter und Karteileichen bezeichnen. (Abg. Dr. Brinek: Das hat ja keiner gesagt! – Abg. Dr. Khol: Niemand!)  – Das tut niemand? Staatssekretär Morak hat gesagt, die Studiengebühren können nicht so schlimm sein, weil die Studierenden ihm immer die besten Parkplätze vor der Disko wegnehmen. (Abg. Dr. Brinek: Der geht aber schon lang nicht mehr in die Disko!) Das ist eine Einstellung, die ... (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Das ist nicht gut, und damit muss ich leider aufhören, weil ich nichts Gutes weiß. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Grünewald, Freundinnen und Freunde ist geschäftsordnungsmäßig eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.42

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir Freiheitlichen nehmen dieses Bildungs-Volksbegehren sehr ernst. (Abg. Dr. Cap: Sagt das der Papi?) Wir nehmen es ernst, wie wir jedes Volksbegehren als wichtiges Mittel der direkten Demokratie ernst nehmen. Daher haben wir bereits im Vorfeld dieser Debatte angekündigt, einen Unterausschuss einsetzen zu wollen. Dort werden wir uns natürlich ausgiebig und intensiv mit den Inhalten dieses Volksbegehrens auseinander setzen.

Meine Damen und Herren von Rot und Grün! Ich fordere aber auch Sie auf, das Ergebnis dieses Volksbegehrens ernst zu nehmen, denn dann müssen Sie sich ganz klar eingestehen, dass es eine Absage an Ihre rot-grüne Bildungspolitik ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.  – Abg. Dr. Glawischnig: Was ist mit dem Tierschutz-Volksbegehren? Was heißt für Sie die Umsetzung von Volksbegehren?  – Abg. Dr. Cap: Das hat doch der Papi unterschrieben!)


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Wenn die gesamte rot-grüne Maschinerie, angefangen von SPÖ und Grünen über die ÖH, die "Kinderfreunde", die Aktion Kritischer Schüler bis hin zu anderen roten Vorfeldorganisationen wie der Arbeiterkammer oder dem ÖGB, dieses Volksbegehren unterstützt und trotzdem nur 174 000 Unterzeichner, also nicht einmal 3 Prozent der Stimmberechtigten (Abg. Dr. Cap: Sagt der Papi!) dieses Volksbegehren unterschrieben haben, dann ist das eine Abfuhr für Ihre unseriöse Vorgangsweise. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.  – Abg. Dr. Cap: Aber auch für den Papi!)

Herr Kollege Cap! Ich verstehe vollkommen, dass die SPÖ junge Menschen als Wähler ansprechen möchte. (Abg. Dr. Cap: Auch den Papi!) Sie sind Ihnen in Scharen davongerannt, das wissen wir ja. Nur – das ist die falsche Methode. (Abg. Dr. Cap: Falsche Rede!) Herr Kollege Cap! Es ist die falsche Methode, zu skandalisieren. Junge Menschen wollen Visionen und Konzepte, und die können Sie ihnen nicht bieten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Sie auch nicht!  – Abg. Dr. Cap: Na bitte!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Deshalb sind Sie auch eine Pensionistenpartei und deshalb werden Sie auch von den jungen Leuten nicht gewählt. Da hilft es auch nichts, wenn der Herr Abgeordnete Cap als Thrombosestrumpf für die Pensionistenpartei SPÖ herhalten muss. Die jungen Leute werden Sie trotzdem nicht wählen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.  – Abg. Edlinger: Wir wollen die Pensionisten auch! Die Alten wollen wir auch!  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Hohes Haus! Die Menschen wissen, dass wir in Österreich ein gutes Bildungssystem sowohl im Bereich der Schule als auch im Bereich der Universitäten haben. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Sie wissen aber auch, dass Reformen und Adaptierungen notwendig sind, weil wir uns in einer schnelllebigen Zeit befinden und auf Neuerungen Bedacht genommen werden muss. Sie wissen, dass wir uns verstärkt den neuen Technologien zuwenden müssen. Sie wissen aber auch, dass es darauf ankommt, Werte, modernes Wissen und auch Schlüsselqualifikationen zu vermitteln. Daher sind konkrete und effiziente Maßnahmen und Reformen notwendig. (Abg. Öllinger: Wo bleiben die Visionen?) Meine Damen und Herren! Das erfordert unsere gesamte Aufmerksamkeit und unser gesamtes Engagement.

Eines muss aber abgeschafft und bekämpft werden – auch das muss gesagt werden, es ist ja heute bereits angeklungen –: Die politische Agitation an Österreichs Schulen ist eine Unart, die immer stärker zur tagtäglichen Praxis des Schüleralltags wird. Weg mit der Parteipolitik aus unseren Bildungseinrichtungen, weg mit politischer Agitation! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.  – Abg. Dr. Glawischnig: Haben Sie ein Beispiel?)  – Zu Hunderten, Frau Kollegin Glawischnig!

Diese Forderung habe ich in diesem Bildungs-Volksbegehren nicht gesehen. Diese Forderung nach einem strengen Verbot parteipolitischer Agitation habe ich vermisst. Diese steigende Problematik muss Thema einer Auseinandersetzung sein.

Wenn Sie zu diesem Thema schweigen, weil Sie mit dieser politischen Agitation der Linken sympathisieren, weil Sie zumindest nie etwas dagegen unternommen haben, dass manche Lehrer ihr Autoritätsverhältnis und ihre Vorbildrolle missbrauchen, und wenn politischer Druck auf Schüler ausgeübt wird, dann müssen Sie sich fragen, wie weit es mit Ihrem Demokratieverständnis her ist. (Abg. Dr. Glawischnig: Können Sie solche Vorwürfe irgendwie belegen, Herr Schender? Haben Sie da irgendein Beispiel?)

Wo waren Sie, und wo ist Ihr Aufschrei, wenn Schüler und Studenten beinahe schon genötigt werden, gegen diese Bundesregierung zu demonstrieren? Wo ist Ihr Aufschrei, wenn die Sozialistische Jugend an Schulsprecher Briefe schreibt und in der Anlage gleich kartonweise Broschüren mitschickt und sie auffordert, diese an den Schulen zu verteilen? (Der Redner hält ein Exemplar dieser Broschüre in die Höhe.) Wo ist Ihr Aufschrei, wenn in diesen Broschüren Drogen und andere gefährliche Dinge verharmlost werden? (Abg. Dr. Glawischnig: Wo sind denn die Visionen zur Bildungspolitik?  – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen und der SPÖ.)


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Wo ist Ihr Aufschrei, wenn derartige Plakate an Österreichs Schulen aufgehängt werden und dadurch Kinder schon in der Unterstufe in Kontakt mit solchen Dingen kommen? (Der Redner hält ein Plakat mit der Aufschrift in die Höhe: "Lieber bekifft ficken als besoffen Auto fahren."   – Abg. Dr. Cap: Ist das vom Ortlieb? Aus der Garage vom Patrick Ortlieb?)

Ich frage Sie alle, die Sie junge Kinder haben: Wollen Sie, dass Ihre 12- oder 13-jährigen Töchter in der Schule mit einer solchen Kampagne der Sozialistischen Jugend konfrontiert werden? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Kehren Sie endlich zu einer sachlichen Bildungspolitik zurück! Sehen Sie ein, dass Sie mit Ihrer Fundamental-Opposition nicht weiterkommen! (Abg. Dr. Glawischnig: Entschuldigen Sie sich für den "Thrombosestrumpf!" Das ist eine Beleidigung!) Helfen Sie mit, notwendige Reformen für die Zukunft unserer Jugend umzusetzen, und legen Sie bitte endlich Ihre ideologischen Reflexe ab! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

16.48

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Ex-Bildungssprecher Schweitzer, vom neuen, frischgebackenen FP-Bildungssprecher Schender haben Sie sich wahrscheinlich auch mehr erwartet. Ich habe mir auf jeden Fall mehr erwartet als eine Reihe von Beleidigungen und Anschüttungen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Unter dem Motto "Mut kann man nicht kaufen" sind beide Bildungssprecher an das Rednerpult getreten und haben ihre politische Orientierungslosigkeit dargelegt. Das ist nämlich tatsächlich eine Dringliche Anfrage des schlechten Gewissens und des Misserfolgs. Das müssen Sie wohl zugeben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.  – Abg. Mag. Trattner: Sie reden wie der Wittmann! Der Wittmann und Sie haben den gleichen Kurs besucht! Sie haben den gleichen Lehrer gehabt! Bei Samy Molcho reden gelernt!)

Obwohl beide auch Jugendsprecher sind, wurden wichtige Gruppen – das meine ich ernst, und Sie brauchen mich nicht zu karikieren – von Jugendlichen vergessen. Das ist kein Spaß! Wo ist die Chancengleichheit, wenn in dieser Bilanz, die bei weitem keine Erfolgsbilanz ist, behinderte Jugendliche ausgespart sind? – Sie rühmen sich doch damit, dass Sie die Integration in der neunten Schulstufe in Schulversuchen fortsetzen!

Wir wollten, dass die Integration in der neunten Schulstufe auf viele verschiedene Schulformen ausgedehnt wird, damit wirkliche Chancengleichheit gewahrt wird. Sie konzentrieren alles nur auf die Polytechnische Schule. Das halten wir nicht für Chancengleichheit .

Die zweite große, wichtige Gruppe, die auch in Ausbildung steht – auch das hat etwas mit Bildung zu tun –, sind die 10 000 arbeitslosen Lehrlinge, die auf der Straße stehen und für die Sie überhaupt kein offenes Ohr haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie vertreten nämlich nicht die Interessen aller Jugendlichen in diesem Land, Sie vertreten nicht die Interessen der Chancengleichheit für die Jugend. Und Sie sind nicht nur orientierungslos in der Bildungspolitik, meine Damen und Herren, ich denke, Sie sind auch orientierungslos, was Frauen anbelangt. (Beifall der Abg. Mag. Sima. ) Ich werde Ihnen das sofort erklären – und das ist besonders an die Adresse der Kollegen Amon und Schender gerichtet.

Kein Wort zur Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern kommt in dieser Dringlichen Anfrage vor! Wir wissen, dass sich gerade für Frauen Ihre rückschrittliche und rechte Bildungspolitik sehr, sehr negativ auswirkt – Stichwort: Rückgang der weiblichen Studienanfängerinnen. (Abg. Dr. Brinek: Das stimmt nicht!) In Innsbruck sind es minus 20 Prozent, österreichweit etliche Prozent weniger Anfängerinnen, Kollegin Brinek, nicht Absolventinnen oder im Studium Befindliche. Und das wissen Sie genau. Aber Gender Mainstreaming haben die zwei Bildungssprecher überhaupt noch nie gehört. Man sollte sie vielleicht darüber aufklären, was das be


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deutet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Wir zerbrechen uns den Kopf über Ihren Vornamen!)

Morgen wird ja hier die Erhöhung der Familienbeihilfe beschlossen. Meine Damen und Herren! Wenn die Familienbeihilfen erhöht werden, bedeutet das aber gleichzeitig, dass das abgezogen wird von der Studienbeihilfe.

Damit man das eventuell noch reparieren kann, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mertel, Heinisch-Hosek und GenossInnen betreffend Erhöhung der Stipendien

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Regierungsvorlage zum Studienförderungsgesetz vorzulegen, durch die die Senkung von Stipendien im Zuge der Erhöhung der Familienbeihilfe verhindert wird."

*****

Meine Damen und Herren! Weil Sie vorher gesagt haben – oder das steht auch drinnen –, die "Kinderfreunde" hätten da irgendwo um Steuergelder inseriert: Um wessen Geld, bitte, hat die Bundesregierung diese 5 000 S Studien-Strafsteuer inseriert? Ich weiß nicht, um wie viele Millionen Schilling! Das ist Steuergeld, das hier verschwendet wurde, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Also was bleibt als Resümee? – Dem frisch gebackenen sowie dem alten Bildungssprecher und gleichzeitig auch Jugendsprecher – es ist so wichtig, das zu sagen, weil Sie für die Jugend nicht wirklich da sind – möchte ich sagen: Sie bleiben in Ihrer Argumentation oberflächlich und vergessen wichtige Gruppen. Sie haben jetzt genau gehört, welche ich genannt habe: die Frauen, die Behinderten und die Lehrlinge, für die Sie überhaupt nichts übrig haben. Das heißt, diese beiden sind nicht wirklich sattelfest.

Ein "Schmankerl" noch am Rande, weil Kollege Schender sich da hergestellt und über die SJ-Kampagne aufgeregt hat. Einen Satz im Zusammenhang mit der Dringlichen Anfrage: "Minderjährige Kinder zu ungehemmter" (Abg. Mag. Schweitzer: Einen Satz nur im Zusammenhang mit der Anfrage?!)  – hören Sie zu, Herr Kollege Schweitzer! – "... Sexualität aufzufordern, ist ...", und so weiter, und so weiter. – Also, ich kenne keine volljährigen Kinder. Ich weiß nicht, ob Sie welche kennen. (Abg. Mag. Schweitzer: Oja! Ich bin das Kind meiner Mutter und volljährig! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Zum Anderen: Ich weiß nicht – vielleicht können mir das die beiden Einbringer erklären –, was gehemmte Sexualität ist. Das weiß ich nämlich auch nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber vielleicht sollten Sie gerade im Bereich der Drogenpolitik nicht nur immer wieder mit Polemik argumentieren, sondern wirklich Fachleute kontaktieren, wie wir es natürlich tun. (Abg. Dr. Khol: Also, ihr seid für die Freigabe?) Sie sollten ständigen Kontakt suchen. Wir können das ernsthaft diskutieren. Sie schwindeln sich immer mit Polemik drüber, für Sie ist das alles nicht wichtig. Und die zwei Jugendsprecher denken so altmodisch wie die alten Hüte, die Sie dauernd zitiert haben in dieser Dringlichen Anfrage, und alles Moderne, alles Fortschrittliche ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die armen Kinder, die Sie unterrichten!)


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84. Sitzung / Seite 139

Ich bleibe dabei, auch wenn ich riskiere, dass der Herr Präsident damit nicht einverstanden ist: Sie tragen das alles zu Grabe. Sie sind für mich wirklich die Totengräber der Chancengleichheit! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Khol: Herr Präsident!?)

16.54


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84. Sitzung / Seite 140

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Wir haben nach dem derzeitigen Stand der Dinge noch eine Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Papházy. Restliche Redezeit: 3 Minuten.

Der Entschließungsantrag, der vorhin vorgetragen wurde, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung. (Abg. Dr. Khol: Und was sagen Sie zum "Totengräber", Herr Präsident? Was sagen Sie zum Ausdruck "Totengräber"? Nichts sagt er! – Abg. Heinisch-Hosek  – in Richtung des Abg. Dr. Khol –: Und was sagen Sie zu dem, was der Schender alles gesagt hat? Die alten Leute beleidigt mit "Thrombosestrümpfen" und so weiter! Ihr müsst eure Leute auch anschauen! – Weitere Zwischenrufe.)

16.55

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Heinisch-Hosek! 10 000 Lehrstellensuchende sind eine Legende. Wenn Sie sich die Statistik des AMS Ende Oktober anschauen, dann werden Sie feststellen: 4 022 Lehrstellensuchende stehen 2 775 Lehrstellen gegenüber. Das ist eine Differenz von 1 247. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Das ist eine Milchmädchen-Rechnung!)

Zum Bildungs-Volksbegehren. – Wir haben es gehört: Jede einzelne Stimme ist ernst zu nehmen und zu respektieren. Der Bürger hat der SPÖ die Rote Karte gezeigt. Das Gesamtergebnis des Bildungs-Volksbegehrens ist eine klare Zustimmung zur Bildungspolitik der Regierung und eine klare Absage an die Orientierungslosigkeit der linken Bildungspolitik – "Bildungsflop", sagt der regierungskritische "Standard".

19 unterstützende Organisationen der "Plattform Recht auf Bildung" plus SPÖ-Spitze, die das Bildungs-Volksbegehren zur Chefsache erklärt hat, haben lediglich 2,98 Prozent der Stimmberechtigten mobilisiert! 19 unterstützende Organisationen bedeuten auch ein Sammelsurium an Forderungen und ein wenig aussagekräftiges Ergebnis. Ziel ist es, von der positiven Regierungsarbeit abzulenken. Dr. Martin Graf hat es bereits gesagt: Die Bundes-ÖH hat einen Bauchfleck eingefahren. Es gibt keine Studierendenvertretung, die ÖH hat sich von der Studierendenvertretung in skandalöser Weise verabschiedet. Und wenn ich mir die Homepage der ÖH ansehe, dann finde ich dort – ich zitiere –:

Wir verstehen die ÖH nicht als Servicebetrieb, sondern als politisches Sprachrohr der Studierenden. – Zitatende.

Das Ergebnis des Bildungs-Volksbegehrens bedeutet auch, dass die Zwangsmitgliedschaft der ÖH abgelehnt wird. Die Studierenden fühlen sich von der ÖH nicht vertreten – nicht vom billigen Aktionismus im Rahmen einer Protestwoche und auch nicht vom Boykott gegen die Studiengebühren, wenn gleichzeitig nicht auf die ausgeweiteten Fördermöglichkeiten hingewiesen wird. Statt sich um die Studierendenberatung zu kümmern, zieht die ÖH gegen eine noch nicht beschlossene Uni-Reform zu Felde.

Die ÖH-Zwangsmitgliedschaft hat ausgedient, ist mit der Uni-Autonomie nicht vereinbar. Es ist Zeit, die ÖH-Mitgliedschaft auf freiwillige Basis zu stellen. Autonome Unis, Privat-Unis und selbständige Fachhochschulen brauchen eine exzellente, starke Studierendenvertretung vor Ort. Eine Neuordnung der studentischen Vertretung zum Nutzen der Studierenden ist ein Gebot der Stunde. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debattenbeiträge haben ganz klar gezeigt, das Bildungs-Volksbegehren ist ein Flop. Die Debattenbeiträge haben gezeigt, es geht der Regierungskoalition um die Interessen der Schüler, um die Interessen der Studierenden, um die Weiterentwicklung ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz! Die 25 Minuten der Freiheitlichen Partei sind erschöpft!

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (fortsetzend): ... von Schulen und Universitäten. Die Einrichtung eines Unterausschusses sichert die parlamentarische Behandlung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. Er hat das Wort. (Abg. Mag. Schweitzer: Sag’s nur der Frau Gabi! – Abg. Heinisch-Hosek: Seit wann sind wir per du? Sagen Sie’s ihr! Sie fürchtet sich nicht!)

16.59

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Herr Präsident, Sie haben der Vorrednerin aus den Reihen der SPÖ, der Lehrerin, nicht einmal einen Ordnungsruf für die Aussage erteilt (Abg. Heinisch-Hosek: Horchen Sie, was Schender gesagt hat!) , ÖVP und FPÖ wären "Totengräber" einer modernen, fortschrittlichen Drogenpolitik. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Kräuter.  – Abg. Heinisch-Hosek: Der Chancengleichheit!) Oder der Chancengleichheit, sagen Sie.

Wenn die Sozialistische Jugend in einem Schreiben an die Schülervertreter in ganz Österreich (Abg. Heinisch-Hosek: Das gehört nicht zur Bildung! Bildung ist das Thema!) diese Positionen der Sozialistischen Jugend – und jetzt bleibe ich nicht an der Oberfläche, sondern gehe ins Substantielle hinein – an die Jugend verschickt, wenn da drinnen Positionen vertreten werden, die Sie genau konterkarieren, Frau Kollegin, dann, möchte ich sagen, bin ich stolz – als ÖVP-Abgeordneter, als Lehrer, als Vater, als Großvater, als Sicherheitssprecher –, Totengräber dieser Ihrer Politik zu sein, wenn es gegen Drogen geht! (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da steht nämlich drinnen – offensichtlich mit Genehmigung eines Genossen Gusenbauer, eines Kollegen Cap; ich kann mir nicht vorstellen, dass das auch wirklich die Position vieler aufrechter Sozialdemokraten ist, die ich kenne, die ich schätze, die ich aus den Beratungen auch im Parlament kennen gelernt habe (Abg. Bures: Wo sind Sie bei den Sekten?); ich lese das schlagwortartig vor –: Auf der ersten Seite heißt es: "Lieber bekifft ficken als besoffen Auto fahren!" (Abg. Bures: Sekten!)

Erstens: die Legalisierung von Cannabis. (Abg. Schieder: Beides falsch!)  – Nein, Herr Kollege Schieder! Das steht als erstes Postulat da drinnen. Ich weiß, es ist Ihnen unangenehm. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Zweitens: die Abgabe und Entkriminalisierung von so genannten harten Drogen. (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Ach so! – Abg. Haigermoser: Unglaublich!)

Drittens: Hin zu einer Politik der Normalisierung für den Drogenkonsum. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das sind Positionen der Sozialistischen Jugend Österreichs, geschickt an alle Schulsprecher in Österreich – unter Verwendung der Schuladressen in Österreich! (Abg. Dr. Khol: Unglaublich! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja wirklich ein Skandal!) Das ist die so genannte moderne, verantwortungsvolle, fortschrittliche Drogenpolitik à la SPÖ! Das verurteilen wir, das lehnen wir ab, da können wir nicht mitmachen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das sind die roten Kiffer!)

In dieses Horn stößt natürlich auch – und sie darf ja nicht fehlen! – die Partei der Grünen. (Abg. Ing. Westenthaler: Kiffer!) Ich habe vor mir eine APA-Aussendung vom 14. November, also erst einige Tage her, wo die grüne Gemeinderätin Jerusalem sagt: Cannabis endlich legalisieren! Keine Haftstrafen für alle Drogenkonsumenten. (Abg. Bures: Sekten! Sekten!)


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84. Sitzung / Seite 141

Gute Nacht, Österreich!, Gute Nacht, österreichische Jugend!, Gute Nacht, österreichische Eltern!, wenn dies die Politik einer verantwortlichen Bundesregierung sein sollte! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Heinisch-Hosek! Es ist ja so lustig, und es ist ja so angenehm, und man kann sich wirklich mit diesem "Mäntelchen der Fortschrittlichkeit" so unangenehme Fragen ersparen. Frau Kollegin! Wie viele Drogentote hat es denn im vorigen Jahr nach dem Drogenbericht gegeben? – Es waren 227! (Abg. Heinisch-Hosek: Sie müssen die Statistik genauer lesen!) Darüber kann man ja in dieser flapsigen Art und Weise hinweggehen. – Mit uns nicht, Frau Kollegin! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Heinisch-Hosek: Sie müssen die Statistik differenzierter betrachten! So funktioniert das nicht!) Sie sind es, die wirklich Totengräber unserer österreichischen Jugend sind! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Frau Kollegin! Wissen Sie, wie viele ... (Abg. Heinisch-Hosek: Sie müssen die Statistik genauer lesen!)  – Hören Sie mir zu! Keppeln Sie nicht dazwischen! Lassen Sie sich informieren! Ich habe Ihre Argumente angehört. Ich versuche, in der Sache zu argumentieren. Ich bringe Ihnen Fakten. Hören Sie mir zu!

Wissen Sie, wie viel an Hasch im vorigen Jahr von der österreichischen Exekutive beschlagnahmt wurde? – 1 800 Kilogramm! Diese Menge wurde zum Glück entdeckt, weil sie sonst bei der österreichischen Jugend gelandet wäre – von Dealern, von verantwortungslosen Menschen, denen Sie unter anderen die Mauer machen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abg. Heinisch-Hosek.  – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Kollege Cap! Haben Sie ein neues Präsidiumsmitglied? Sitzt in der ersten Reihe und quietscht herum! Die gehört in die letzte Reihe! – Abg. Heinisch-Hosek: Wie bitte?! Mit voller Härte gegen Drogendealer – das war unsere Position! – Abg. Edlinger: Ein Skandal! Das ist ja unglaublich! Denken Sie nach, bevor Sie reden!)

Es hat eine Steigerung bei den Ecstasy-Aufgriffen gegeben: vom Jahr 1999 bis zum Jahr 2000 von 31 000 auf 162 000 Stück. Sie machen diesen Menschen mit Ihrer angeblich modernen, fortschrittlichen Drogenpolitik die Mauer! Schreiben Sie sich das ins Stammbuch! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Ein Skandal ist das! Das ist ja unerhört! – Abg. Dietachmayr: Ein unerhörter Skandal! Unglaublich so etwas! Eine Frechheit ist das!)

Herr Kollege Edlinger, ich verstehe, dass Sie in Saft gehen. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich verstehe es ja, ist ja klar. Das wundert mich gar nicht, denn kein Redner der SPÖ, der hier heraußen gestanden ist, hat sich gegen das, was die Sozialistische Jugend in diesem Land mit Schulbeginn 2001 an alle Schülervertreter geschickt hat – unter Verwendung der Schuladressen und mit der Bitte, das zu verteilen, aufzuhängen, darüber zu diskutieren, zu informieren –, kein sozialistischer Abgeordneter hat sich dagegen verwahrt. Kein einziger! Ich habe nicht ein einziges Wort des Bedauerns der großen Bosse im SPÖ-Klub gehört. (Abg. Ing. Westenthaler: Weil sie es ja noch unterstützen! – Abg. Heinisch-Hosek: Sie haben nichts zur Dringlichen gesagt, bitte! Wozu stehen Sie da?)

Übrigens ist natürlich Gusenbauer auch bei dieser existentiellen Frage für die österreichische Zukunft – der Bildung – einmal mehr nicht anwesend. Er glänzt grundsätzlich immer durch Abwesenheit. Aber Kollege Cap sitzt hier und hört sich das Ganze mit süffisantem Lächeln an. (Abg. Edlinger: Unerhört!) Kein Wort der Entschuldigung! Kein Wort darüber, dass die SPÖ als Gesamtpartei die Verantwortung für ihre Sozialistische Jugend selbstverständlich zu tragen hat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Schauen Sie sich in den Spiegel! – Abg. Ing. Westenthaler: Josef Cap ans Rednerpult!)

Und der Lehrerin Heinisch-Hosek ins Stammbuch: Frau Kollegin Heinisch-Hosek, kennen Sie ein Projekt auf der ganzen Welt, das die Freigabe von Drogen forciert hat? (Abg. Heinisch-Hosek: Wir diskutieren das Thema nicht heute!) Kennen Sie ein einziges Projekt, das erfolgreich war? Mit uns, mit der ÖVP – und ich glaube, das auch für die FPÖ sagen zu dürfen –, wird es eine Freigabe von weichen Drogen definitiv nicht geben! Das ist unsere Form der Antwort auf Ihre verantwortungslose Politik! (Lebhafter Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.06


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84. Sitzung / Seite 142

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt kommt der Pflichtverteidiger der SPÖ! – Abg. Dietachmayr: Das bleibt unwidersprochen, dass wir Dealern die Mauer machen! Das bleibt ungeschoren! – Anhaltende Rufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei der SPÖ.)

17.06

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Sie haben soeben ein Rezept bekommen. So einfach ist es: Wenn man zur Bildungspolitik nichts zu sagen hat, völlig orientierungslos ist (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ)  – das, was man den anderen vorwirft –, dann würzt man die Debatte mit ein bisschen Drogen, und schon kocht sie hoch! So billig, einfach und simpel und demagogisch ist Ihr Erfolgsrezept. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich falle Ihnen nicht darauf herein. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind schon längst hereingefallen! – Abg. Mag. Trattner: Sie haben es nur noch nicht überrissen!) Ich will zur Bildungspolitik diskutieren. Das war Ihr Begehren für die dringliche Debatte. Es gehört nicht zur Debatte, dass wir hier schnell als Prise, zum Drüberwürzen, wie es der Herr Kiss macht, in einer unglaublich billigen Art über Drogen diskutieren. (Abg. Edlinger: Über Sekten sollen sie diskutieren! Die Freunde vom Kiss! – Anhaltende Rufe bei der SPÖ und Gegenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Kiss! Ich sage Ihnen von ÖVP und FPÖ: Ich bin jemand, der in einem Teilbereich von dem kostenlosen Zugang zu den Universitäten, der seit 1970 möglich war, profitiert hat. Ich bin ein Kind einer Arbeiterfamilie, und ich hätte – das garantiere ich Ihnen, Frau Kollegin Hakl, auch wenn Sie es nicht glauben wollen und glauben können – nicht studieren können, wenn es diesen kostenlosen Zugang einerseits und die Stipendien nicht gegeben hätte. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Sie haben ja eh nie fertig studiert! Er hat nicht studiert – er war immer nur Funktionär! – Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Noch etwas: Als ich damals – und das war noch lange vor den inzwischen verbesserten Übergangsmöglichkeiten zwischen Hauptschule und Gymnasium – ein Jahr Hauptschule in meinem Geburtsort besucht und mit ausgezeichnetem Erfolg die erste Klasse abgeschlossen habe und dann meinen Wunsch angemeldet habe – zusammen mit meinen Eltern –, dass ich ins Gymnasium wechseln möchte, da haben mir die Lehrkräfte dieser Hauptschule gesagt: Du? Du wirst das nicht schaffen.

Frau Kollegin Hakl, so viel zum Thema Prognose und soziale Barrieren. Das befürchte ich: Diese Form von Auslese und Prognoseverfahren, wie sie die ÖVP und die FPÖ jetzt beim Übergang von Hauptschule oder Volksschule zum Gymnasium schaffen wollen, ist eine Form der sozialen Selektion! Frau Kollegin Hakl! Ich habe sie gespürt.

Nun zum Thema Volksbegehren. – Meine Damen und Herren! 170 000 Stimmen ist für Sie möglicherweise ein Misserfolg. Ich bin dem Kollegen Graf durchaus dankbar, der sagt, die Stimmen allein kann man nicht hernehmen. Aber, Herr Kollege Graf und Frau Bundesministerin, wie halten Sie es denn mit den 760 000 Stimmen, die im Rahmen der ÖGB-Urabstimmung abgegeben wurden und die gezeigt haben, dass den Menschen dieser Zugang zum Bildungssystem und eine Bildungsoffensive wichtig sind? Sind die auch irrelevant für Sie? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Addieren Sie doch diese Zahl! Denken Sie doch auch darüber nach, dass die 750 000 vielleicht keine Lust gehabt haben, zusätzlich zu dieser Unterschrift noch eine Unterschrift zu leisten. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Denken Sie einmal darüber nach! 750 000 Menschen plus 170 000 Menschen haben unterschrieben – eine Forderung, wie sie auch vom Bildungs-Volksbegehren vertreten wird. Das ist die Realität!


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84. Sitzung / Seite 143

Ein Zweites zum Thema Missbrauch des Bildungs-Volksbegehrens. Ich war sehr froh, als im Rahmen der Temelin-Aktionen auch Schulen, die Lehrer und SchülerInnen gemeinsam, und der Landesschulrat gesagt haben: Bitte teilnehmen! – So sollten wir es halten und uns darüber freuen, dass es diese Möglichkeit gegeben hat und dass sich Schüler, Eltern, Lehrer engagieren. – Und Sie sagen, es sei ein Missbrauch, dass sie sich engagieren?! (Abg. Haigermoser: Den Drogenkonsum ...!) Ja wo sind wir denn in dieser Republik, wenn das Engagement für die Demokratie, für die Partizipation schon ein Missbrauch ist, Herr Kollege Haigermoser? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zum Thema Umverteilung noch ein Wort, Frau Kollegin Hakl. Ich sehe das anders als Sie. Nicht in den vergangenen 20 Jahren hat eine Umverteilung von unten nach oben stattgefunden, sondern das, was jetzt stattfindet, ist eine Umverteilung von unten nach oben. Da wird ein Stipendiensystem, wird der Zugang zu Stipendien strapaziert, obwohl Sie nicht dazusagen und nicht dazusagen wollen, dass das Geld für diese zusätzlichen Stipendien von den unselbständig Beschäftigten genommen wurde: 250 Millionen Schilling aus den Kassen der Arbeitslosenversicherten!

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, bitte um den Schlusssatz! Die Redezeit ist zu Ende.

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Die brauchen es aber jetzt. Das ist Umverteilung von unten nach oben! Wir sollten eine Bildung für alle ermöglichen, meine Damen und Herren! Das wäre der Auftrag, den Sie aus dieser Debatte mitnehmen sollten! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Graf zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen § 58 Abs. 2; bitte halten Sie sich strikt daran.

17.12

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Kollege Öllinger hat hier vom Rednerpult aus behauptet, dass er mit Studiengebühren nicht hätte studieren können.

Ich berichtige tatsächlich (Abg. Bures: Das können Sie ja gar nicht beurteilen!): Er hat auch zu seiner Zeit nicht studiert, sondern lediglich inskribiert, war stets nur Funktionär des VSStÖ und hat sein Studium nie abgeschlossen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Also ob das, Herr Abgeordneter Graf, den Richtlinien des § 58 der Geschäftsordnung entspricht, wage ich zu bezweifeln. Ich habe gewusst, warum ich Sie vorher darauf aufmerksam gemacht habe. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber es war es wert! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schasching. Restliche Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

17.13

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Die Niveaulosigkeit beginnt immer stärker um sich zu greifen. Das kann ja so wohl nicht sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. ) Ich denke, es ist auch wirklich nicht notwendig, auf die Bildungsabschlüsse von einzelnen hier Anwesenden einzugehen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Oja! Oja! Wieso nicht? – Abg. Jung: Wer hat das bezahlt?)

Ich gehe jetzt bewusst nicht darauf ein, was Herr Kollege Amon an Bildungsmöglichkeiten genutzt hat oder hat nutzen können. Daran zeigt sich die Durchgängigkeit unseres Systems, und


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84. Sitzung / Seite 144

ich gönne ihm das auch. Aber ich will, dass das in Österreich auch erhalten bleibt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zurück zu Ihrer Dringlichen, die mich an und für sich ja schon sehr verblüfft. Ich habe mich erkundigt: Es ist schon ein Novum hier im Hohen Haus, dass eine Regierungspartei an die eigene Ministerin eine Anfrage stellt, mit der sie die Bildungspolitik der Opposition abfragt. Das ist wirklich ein Novum! Ich frage mich daher: Haben Sie selber keine Bildungspolitik vorzuweisen, dass Sie sich so intensiv mit der wohl zugegebenermaßen sehr guten Bildungspolitik der SPÖ beschäftigen müssen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt sagt sie es uns aber!)  – Das hat auch Ihnen genützt, Herr Ing. Westenthaler, sonst wären Sie ja nicht Ingenieur geworden, wenn es nicht eine wirklich gute Bildungspolitik gegeben hätte. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei der SPÖ.)

All diese Dinge machen uns wieder einmal klar, dass Bildungspolitik sehr wohl ein Thema ist, aber es sollte ein seriös behandeltes Thema sein und nicht von so patscherten Dringlichen Anfragen begleitet werden. Wenn ich mir durchlese, was Sie in dieser Anfrage alles ansprechen, muss ich feststellen, Sie haben sich unter anderem offensichtlich auch in Bezug auf das Bildungs-Volksbegehren geärgert, denn Sie ziehen zum Beispiel den Fehlschlag der neuen rot-grünen ÖH-Führung heran. Sie werden sich wohl ein bisschen darüber geärgert haben (Abg. Haigermoser: Na geh!), dass Sie die ÖH-Führung ebenso wie viele, viele andere Wahlen in der letzten Zeit verloren haben. (Abg. Ing. Westenthaler: ÖH können Sie gewinnen! Kein Problem!) Das tut der FPÖ halt ein bisschen weh, wenn sie bei jeder Wahl wirklich nur mehr verliert, aber das müssen Sie zur Kenntnis nehmen! Das ist schlicht und einfach die Absage der österreichischen Wählerinnen und Wähler an Ihre verfehlte und leicht durchschaubare Politik. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Haigermoser: Aber wir regieren!)  – Sie regieren aber nicht mehr lange, Herr Kollege! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie nie!)

Es kommt hier wieder diese Konzeptlosigkeit zu Tage, und ich glaube, Sie haben sich mit Ihrer Dringlichen durchaus ein Eigentor geschossen, was mich schon ein wenig freut. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Das schlechte Gewissen (Abg. Wochesländer: Das Sie haben!) im Zusammenhang mit Bildungspolitik hat sich hier durchgeschlagen. (Abg. Dr. Khol: Was sagen Sie zur Drogenpolitik?) Meine Kolleginnen und Kollegen haben Ihnen ganz klar gesagt, dass es die österreichische Sozialdemokratie war, die in den letzten 30 Jahren den Bildungszugang ermöglicht hat (Abg. Dr. Khol: Kein Wort zu den Drogen!), das kostenlose Schulbuch eingeführt hat, viele, viele Zugeständnisse gemacht hat, damit Kinder aus ärmeren und aus bildungsfernen Schichten auch zu höheren Abschlüssen kommen. (Zwischenruf der Abg. Wochesländer. ) Das hat Ihnen genützt, Frau Kollegin, und das hat Ihnen genützt (in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler), Herr Kollege (Abg. Haigermoser: Aber mir nicht!), und das soll auch weiterhin so bleiben.

Die Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit im Zugang zur Bildung ist uns ein oberstes Ziel, und das sollte uns allen ein oberstes Ziel sein – für die Zukunft Österreichs. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber wenn ich sehe, dass wir jetzt in Österreich 10 000 Schülerstunden weniger haben, in denen wir den Schülerinnen und Schülern entsprechende Leistungen zukommen lassen, um die Chancengerechtigkeit zu gewährleisten, dass wir zum Beispiel weniger Legastheniebetreuung haben, dass wir weniger Fremdsprachenunterricht haben, dass Klassen zusammengelegt werden – und ich werde heute noch Gelegenheit haben, das genauer auszuführen –, dann muss ich sagen, das ist schlicht und einfach eine falsche Politik und führt dazu, dass wir in Österreich wieder einen völlig anderen Zugang zur Bildung bekommen, nämlich dass das Geldbörsel des Vaters zählt und nicht mehr das Talent der jungen Leute. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete, Sie haben die Redezeit wesentlich überschritten. Ich bitte Sie jetzt endgültig um den Schlusssatz!


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84. Sitzung / Seite 145

Abgeordnete Beate Schasching
(fortsetzend): Ich komme gerne zum Schlusssatz, Herr Präsident. – Uns ist die Zukunft der österreichischen Schülerinnen und Schüler nach wie vor ein großes Anliegen, und für uns heißt Chancengleichheit, in diesem Sinne die Zukunft Österreichs zu sichern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. Restliche Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

17.18

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin einigermaßen betroffen. Das Bildungs-Volksbegehren war ein Flop, darüber brauchen wir überhaupt nicht mehr zu reden. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. ) Ich glaube auch, dass es ohne Konsequenzen bleibt. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. )

Lassen Sie mich etwas sagen, Frau Kollegin: Ich finde es unerhört, dass meine Vorrednerin trotz des Appells seitens des Kollegen Kiss es nicht der Mühe wert findet, auch nur mit einem Satz auf die verfehlte Politik der SPÖ einzugehen. Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich werde Ihnen ganz kurz etwas über die Grazer Situation im Zusammenhang mit Drogen berichten, und dann werde ich Sie fragen, welche Antworten die SPÖ darauf findet. (Rufe bei der SPÖ: Bildung! Bildung!)

Meine Damen und Herren! Wir hatten vor drei, vier Jahren noch kein Drogenproblem in Graz. (Neuerliche Rufe bei der SPÖ: Bildung! Bildung!) Inzwischen laufen 12-, 13-Jährige von der Straßenbahn direkt in die Heroinnadel. Meine Damen und Herren von der SPÖ, die Sie die Bildungspolitik urgieren: Es waren Sie, es war die Junge Generation der SPÖ, die die Drogenpolitik in die Schulen brachte, Ihre Drogenpolitik, die die Jugend dazu animieren soll, illegale Drogen zu sich zu nehmen. Das ist keine Politik, das ist verantwortungslos, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie werden mir jetzt sagen: Es geht ja eh nur um Cannabis! (Abg. Heinisch-Hosek: Was wissen Sie, was wir sagen werden?!) Das ist ja der Schmäh, mit dem die Junge Generation der SPÖ unterwegs ist, meine Damen und Herren: Es ist "nur" Cannabis!

Ich werde Ihnen jetzt etwas erzählen. In der Schweiz ist laut einer neuesten Untersuchung ein Drittel aller ungeklärten Verkehrsunfälle auf den Genuss von Cannabis zurückzuführen. Darunter gab es Tote. – Es ist nur Cannabis, sagt die Junge Generation der SPÖ. Das ist Mord auf Raten, meine Damen und Herren, diese Ihre Politik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Nehmen Sie das?)

Bildung hat mit Kultur zu tun, und Kultur ist auch eine Frage des Umgangs mit unseren jungen Menschen. Die jüngste Heroinabhängige in Graz ist 10 Jahre alt! Und da meinen Sie, wir sollten nicht gegensteuern, meine Damen und Herren!? Ihre Politik ist schändlich! Kein Einziger von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPÖ, hat sich hierher ans Rednerpult gestellt und klargestellt: Die Politik der Jungen Generation ist nicht die Politik der SPÖ! (Abg. Heinisch-Hosek: Haben Sie Kuntzl nicht gehört? Waren Sie gerade in der Cafeteria?)

Ich bitte Sie, Herr Klubobmann Cap, stellen Sie sich hierher und sagen Sie, dass das nicht die Politik der SPÖ ist!

Ich verstehe Sie nicht, meine Damen und Herren! Die Jugendlichen sind bereit, alles zu sich zu nehmen. Sie nehmen jedwedes Gift, ob das das Schnüffeln von Klebstoff ... (Abg. Heinisch-Hosek: Glauben Sie, die Jugendlichen sind alle verrückt, oder was?)  – Frau Kollegin! Was regen Sie sich so auf? Sie sind Lehrerin, Sie haben Verantwortung gegenüber Ihren Schülern und verteidigen eine Drogenpolitik (Abg. Heinisch-Hosek: Nein! Nein! Nein!), jene der Jungen


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84. Sitzung / Seite 146

Generation der SPÖ, die auffordert, Cannabis zu nehmen, Frau Kollegin?! (Abg. Heinisch-Hosek macht die so genannte Scheibenwischergeste. – Rufe bei den Freiheitlichen: Hallo! Hallo!)  – Also ich bin entsetzt, ich bin wirklich entsetzt; das kann unmöglich die Vorgangsweise einer Abgeordneten zum Nationalrat sein!

Meine Damen und Herren! Das, was hier geboten wird, ist ein Schauspiel übelster Klasse. Das ist fahrlässiger Umgang mit dem Leben unserer Kinder. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Cap! Ich möchte in nur einem Satz erklärt bekommen, und erklären Sie das bitte auch den Kindern an der Schule, wie mit mehr Drogen ein Weniger an Abhängigkeit und ein Weniger an Leid erreicht werden kann. Das müssen Sie uns erklären!

Ich bekomme viele verzweifelte Anrufe von Müttern und Vätern von drogenabhängigen Kindern, die alles dafür geben würden, um die Zeit zurückzudrehen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Sie machen eine Politik, meine Damen und Herren, die verantwortungslos ist und die niemand versteht, und Sie werden auch noch Ihre Verantwortung in diesem Bereich wahrnehmen müssen! (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Cap hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Blonde zur Geschäftsordnung!)

17.23

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Ich möchte erstens anregen, dass die Art und Weise, wie hier diskutiert wird, Gegenstand der Erörterung in der nächsten Präsidiale sein muss.

Zweitens erwarte ich noch immer einen Ordnungsruf für die Äußerungen, dass unsere Fraktion den Drogendealern "die Mauer macht".

Drittens warte ich auf einen Ordnungsruf für die Äußerung, dass unsere Fraktion eine Politik befürwortet, die "Mord auf Raten" bedeutet.

Im Übrigen überlassen Sie es uns, wovon wir uns distanzieren oder nicht. Aber Sie sollten wissen, die Politik der SJ, speziell diese Kampagne, ist nicht unsere Politik. Sie brauchen sie uns daher nicht vorzuwerfen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Jetzt hat er es begriffen!)

Ich warte auf zwei Ordnungsrufe, Herr Präsident! (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt hat er es verstanden!)

17.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Ersten, Herr Abgeordneter Cap: Es wird selbstverständlich zweckdienlich sein, dieses Niveau der Diskussion, das auch ich kritisiere, und zwar bei allen kritisiere, von Handbewegungen und -deutungen bis zu Formulierungen, in der Präsidiale zu diskutieren.

Aber es hat keine Fraktion wirklich Nachsicht mit der anderen geübt. Im Gegenteil: Man hat versucht, sich gegenseitig zu überbieten. Ich finde das auch nicht richtig.

Darüber hinaus lasse ich mir das Protokoll vorlegen, um zu überprüfen, ob diese Formulierung meiner Meinung nach einen Ordnungsruf verdient. Dann werde ich darauf zurückkommen.

*****

Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Redezeit aller Fraktionen ist erschöpft. Die Debatte ist geschlossen.


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84. Sitzung / Seite 147

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Brosz und Genossen betreffend Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Grünewald und Genossen betreffend Abschaffung der Studiengebühren.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen betreffend Erhöhung der Stipendien.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen damit zu einer kurzen Debatte über den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap und Genossen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 464/A (E) betreffend sofortige Abstellung der Privilegienwirtschaft in den Ministerbüros der blau-schwarzen Bundesregierung eine Frist bis 11. Dezember 2001 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Ich erteile es ihm hiemit.

17.26

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Klubobmann Cap hat das Notwendige gesagt. Ein Satz ist aber, glaube ich, noch angebracht: Dass sich die Abgeordneten Kiss und Miedl dazu versteigen, die sozialdemokratische Parlamentsfraktion in die Nähe von Drogendealern zu rücken, das, meine Damen und Herren, richtet sich von selbst! Unglaublich! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich mich bei der ehemaligen freiheitlichen Generalsekretärin Theresia Zierler bedanken – ja, bedanken! –, denn ohne ihre Unterstützung in der Aufdeckungsarbeit wäre niemals das wahre Ausmaß des Fabel-Skandals bekannt geworden.

Es war ja bekannt, dass rund 200 000 S monatlich von der falschen Magistra bezogen wurden. – Fassungslose Steuerzahler! Fassungslose Bevölkerung! Die falsche Magistra hat ihr Gehalt verzehnfacht. – Partei der "kleinen Leute"? In Zeitungen ist geschrieben worden, und auch die Opposition hat kritisiert, dass da wohl auch fette Belohnungen dabei sein werden, denn ein Normalgehalt kann das ja nicht sein.

Frau Zierler hat dann gemeint: Nein, so kann das nicht sein, wir werden klagen! (Abg. Dr. Pumberger: Da hat sie Recht gehabt!) Der Fall Fabel wäre sonst längst in Vergessenheit geraten,


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84. Sitzung / Seite 148

Herr Kollege, so wie der Fall Rosenstingl – ein bisschen werden wir hin und wieder daran erinnern –, aber am 5. November ist es dann zum Prozess gekommen.

Meine Damen und Herren, wissen Sie, was dabei zutage getreten ist? Allein im Februar 2001 hatte Fabel rund 273 000 S verdient! (Abg. Gaugg: Frau Fabel hat den Prozess gewonnen!) Der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender, Kollege Hofmann, bezahlte ihr ein monatliches Grundgehalt von 113 000 S, und im Dezember kam sie auf ein Zubrot von 92 000 S, im Jänner waren es 164 000 S und im Februar 155 000 S Zubrot, meine Damen und Herren! Nennt man das jetzt "Zubrot" oder "fette Belohnung", das ist Geschmackssache, aber auf jeden Fall wird dem Steuerzahler schlecht dabei, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Was sagt der verantwortliche Minister Haupt hier im Parlament dazu?

"Zum Zweiten darf ich feststellen, dass meine Mitarbeiterin" – also Fabel –, "die jetzt bei mir als Kabinettschefin tätig ist, nicht eine mangelnde Qualifikation hat, ... sondern aus einer Beschäftigung zu mir gekommen ist, nämlich beim Amt der Kärntner Landesregierung, wo sie eine gleiche Funktion gehabt hat (Oh-Rufe bei der SPÖ), und dass sie zum Dritten ein akademisches Studium absolviert hat, was Sie auch geflissentlich übersehen."

Was sagt Fabel selbst, meine Damen und Herren? Sie sagt: "Ich bin beileibe kein Einzelfall." Ich habe keine einzige Urkunde herzeigen müssen, sagt Fabel weiter. Ich – Fabel – habe das Gehalt nicht ausverhandelt. Ihr ist nämlich beim Einstellungsgespräch erklärt worden, dass sie es sich jetzt aussuchen kann, ob sie offiziell bei der Industriellenvereinigung oder beim Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender beschäftigt sein möchte. (Abg. Gaugg: Arbeitsmarktpolitik!)  – Unglaublich, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Jarolim: Das ist unglaublich! Wo ist der Schüssel?)

Was sagt eigentlich der Bundeskanzler zu all diesen Skandalen? "Mit dem Sparen beginnen wir bei uns, nicht beim ,kleinen Mann‘!" Das sagt der Bundeskanzler im Rahmen seiner Regierungserklärung. (Zwischenruf der Abg. Wochesländer. )

Frau Fabel – Frau Kollegin, ich werde Ihnen das jetzt beweisen – ist tatsächlich kein Einzelfall. Passen Sie jetzt genau auf!

Kabinettschefs im Büro des Sozialministeriums hat es jede Menge gegeben, nämlich: Dr. Gruber, einige Wochen; Dr. Christine Weber, einige Tage; Mag. Rosenmayr, einige Tage – das muss man sich einmal vorstellen, ich spreche von Kabinettschefs! –; Mag. Franz Arnold, ein halbes Jahr, das ist ja schon geradezu ein biblisches Dienstalter; Ute Fabel, einige Monate.

Meine Damen und Herren! Haupt sagt in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung, dass diese Kabinettschefs durchschnittlich 109 000 S an Belohnung empfangen haben.

Das lässt nur eine eindeutige Interpretation zu: Entweder bekommt man im Sozialministerium, wenn man Kabinettschef ist (Abg. Auer: Was sagt Schachner-Blazizek?), für wenige Tage oder Wochen 109 000 S Belohnung, oder Herr Mag. Arnold hat für ein halbes Jahr eine halbe Million Schilling an Belohnung kassiert, und dagegen ist selbst Frau Fabel ein Waisenkind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Auer: Was sagt Schachner-Blazizek?)

Meine Damen und Herren! Die Antwort steht aus, weil Sie sich der Kontrolle entziehen. Es werden ja auch im Büro Bartenstein Höchstgagen bezahlt. Treuherzig sagt der Sektionschef: Nein, ihm ist diesbezüglich nichts bekannt. – Es ist eben nicht bekannt, wie die Arbeitsleihverträge ausschauen, wie diese Vertragspartner konfiguriert sind, was es für Begünstigungen, für Belohnungen, für Überstunden, für Abrechnungen gibt. Haupt, meine Damen und Herren, hat, bevor der Skandal um Fabel geplatzt ist, dem Parlament gegenüber angegeben, dass Fabel 111 000 S monatlich verdient. Dank Zierler und dank dem Prozess wissen wir heute, dass es 273 000 S waren.

Kollege Gaugg ist dem SPÖ-Konzept, dass man die Gagen mit der Höhe jener eines Sektionschefs begrenzen sollte, in einem öffentlichen Lippenbekenntnis beigetreten. Jetzt wer


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den wir sehen, wie Sie abstimmen, Kollege Gaugg, denn derzeit sind die Rahmenbedingungen unverändert. Die Leute können es sich aussuchen, wo der Leiharbeitsvertrag gemacht wird, wie hoch das Gehalt und die Benefizien sind, welche Tätigkeiten sie machen, ob sie arbeiten oder nicht. Wie schaut es mit der Tätigkeit beispielsweise im Gesundheitsressort aus? – Das ist eine wichtige Tätigkeit für die Bevölkerung, die aber schlecht ausgeführt wird, wenn ich nur an das Chaos bei der Chipkarte und den Ambulanzgebühren denke.

Meine Damen und Herren! Es gibt den Kabinettschef Hrabcik (Abg. Dr. Jarolim: Wer ist das?), der für seine Tätigkeit im Ministerium voll bezahlt wird, die er aber bestenfalls in Teilzeit ausfüllt. Warum eigentlich? – Weil er nebenbei eine eigene Praxis führt. Meine Damen und Herren Abgeordneten von der FPÖ und der ÖVP! Warum lassen Sie sich das eigentlich bieten, dass in einem solch wichtigen Ressort der Kabinettschef eine Nebentätigkeit ausübt?

Ich glaube, Sie sollten mit der SPÖ dafür eintreten, dass diese Privilegienwirtschaft sofort abgestellt wird, und daher müssten Sie eigentlich unterstützen (Abg. Wochesländer: Sie haben es 30 Jahre nicht geschafft!), dass die Leiharbeitsverträge überprüft werden – Frau Kollegin Wochesländer, ich bin schon neugierig, wie Sie abstimmen werden –, dass die unzumutbar ho-hen Leiharbeitsverträge (Abg. Dr. Jarolim  – in Richtung Freiheitliche –: Kann man das erklären?) umgehend aufgekündigt und diese ausgeschütteten Belohnungen an diese Personen endlich öffentlich dargelegt werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )

Die Bevölkerung – ich sage Ihnen, Herr Kollege Krüger, wie das ist – interessiert sich brennend für diese Dinge, die ich hier anführe – eine Bevölkerung, von der Sie sich bereits meilenweit entfernt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Uns, meine Damen und Herren, geht es um diese Bevölkerung, die Sie mit Steuern und Abgaben belasten, der Sie im Bereich Gesundheit tief in die Tasche greifen, der Sie ein Chaos bei der Chipkarte und bei den Ambulanzgebühren zumuten. Wenn Sie noch jemals vor Wahlen vor diese Bevölkerung hintreten wollen, meine Damen und Herren, dann haben Sie heute die Verpflichtung, diesem Fristsetzungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dobnigg. Ich mache darauf aufmerksam, dass von nun an die Redezeit 5 Minuten beträgt. – Bitte.

17.33

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Hohes Haus! Dieser von Kollegen Kräuter eingebrachte Fristsetzungsantrag ist deswegen erforderlich ... (Klubdirektor Dr. Moser spricht in der Nähe des Rednerpultes mit Abgeordneten der Freiheitlichen Partei. – Abg. Edlinger: Herr Präsident! Wie in einem Kaffeehaus ist das da!)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Klubdirektor Moser! Könnten Sie bitte diese Gespräche außerhalb des Plenums führen? – Danke, Herr Klubdirektor. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: Klubdirektor Moser hat Einsehen gehabt!)

Abgeordneter Karl Dobnigg (fortsetzend): Ich hoffe, dass meine Zeit jetzt korrigiert wird. – Dieser Fristsetzungsantrag wurde notwendig (heftige Zwischenrufe bei der SPÖ), weil im Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofes sowohl die Anträge von der Sozialdemokratischen Partei als auch jene der Grünen immer wieder von den Regierungsparteien mit Mehrheit abgelehnt wurden. Das ist das "neue Regieren": Mehrheit ist Mehrheit, daher fahren wir drüber und verdrehen auch die Aussagen. (Abg. Gaugg: Wir leben in einer Demokratie!)

Meine berechtigten Fragen lauten daher: Was haben Sie von der ÖVP und FPÖ hier alles zu verdecken oder zu vertuschen? (Abg. Gaugg: Gar nichts!) Es scheinen Ihnen doch einige Punkte sehr unangenehm zu sein. (Abg. Dr. Trinkl: Gar nichts!) Sie sind – das ist auch an die Öffentlichkeit gedrungen – von der selbst ernannten Aufdeckerpartei zur Zudeckerpartei geworden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Herr Kollege! Darf ich eine Frage an Sie richten?)  – Ich habe nur fünf Minuten. Sie können mich dann etwas fragen. Das ist Ihnen unangenehm!


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Fabel ist Ihnen als Kärntner natürlich unangenehm. Es ist jetzt herausgekommen, dass sie 273 000 S bekommen hat (Abg. Gaugg: Nein, Sie haben mich etwas gefragt!), und Bundesminister Haupt hat hier im Plenum gesagt, 200 000 S wären die Obergrenze gewesen. (Abg. Dr. Trinkl: Ist Fabel noch im Dienst? – Abg. Gaugg: Wollen Sie eine Antwort auf die Frage? – Abg. Wochesländer: Die Gewerkschaftsfunktionäre bekommen ein bisschen mehr!)

Warum – und das frage ich ebenso – bekommt ein fleißiger Beamter im BMSG nur eine Belohnung in der Höhe von 4 000 S und die Kabinettschefs im Schnitt 109 000 S? Worin liegen die Gründe, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Dr. Hrabcik, Kabinettschef von Staatssekretär Dr. Waneck, eine Belohnung in der Höhe von 129 000 S erhalten hat? – Für alle, die es vielleicht überhört haben, was Genosse Kräuter gesagt hat ... (Abg. Gaugg: Den "Genossen" habt ihr abgeschafft vor zehn Jahren!) Laut Anrufbeantworter der Ordination von Medizinalrat Dr. Hrabcik, Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten (Abg. Gaugg: Warum wollen Sie keine Antwort von mir haben? Ich kann Ihnen eine geben!), hat er folgende Ordinationszeiten: Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag von 15.30 Uhr bis 18.30 Uhr, Mittwoch und Samstag nur nach vorheriger Anmeldung. Telefonische Voranmeldung wird erbeten. (Abg. Gaugg: Das war alles im Ausschuss! Wären Sie dort geblieben, wüssten Sie alles!) In dringenden Fällen außerhalb der Ordinationszeit rufen Sie 0676/300 11 78.

Halten Sie von der ÖVP und der FPÖ diesen Fall für ebenso in Ordnung?

Bei der Zahl der Arbeitsleihverträge ist im Zeitraum vom 1. Dezember 2000 bis 30. April 2001, also innerhalb von fünf Monaten, eine weitere Steigerung von 46 auf 62 erfolgt. Bei Bundesminister Bartenstein erfolgte eine 100-prozentige Erhöhung, und zwar von 6 auf 12, ebenso bei Frau Bundesminister Forstinger. (Abg. Dr. Trinkl: Was ist erhöht? Wer ist erhöht?) Bundesminister Haupt hat schon vorher verdoppelt, obwohl sein Ressort verkleinert wurde.

Der Rechnungshof hat am 28. Dezember 2000 die bisherigen Leihverträge berechtigt massiv kritisiert. Diese Regierung hat die Empfehlungen (Abg. Dr. Trinkl: Ihre! Ihre Regierung!) total ignoriert und sogar gegenteilig gehandelt, indem sie noch aufgestockt hat. (Abg. Dr. Trinkl: Die Beträge von Edlinger wurden kritisiert!)

Meine Frage an die Regierungsparteien: Wo ist hier der Spargedanke? – Dafür spüren es die Schwächeren. Sie belasten die Ärmsten der Armen, die Unfallrentner, die Pensionisten und nun auch die Reinigungsfrauen bei den Gendarmerieposten. In einem Dreizeiler wird einer dort 13 Jahre lang Beschäftigten mitgeteilt, dass sie die Kürzung der Arbeitszeit von 39 Wochenstunden auf 16 Stunden zur Kenntnis nehmen möge, sonst wird sie gekündigt. (Abg. Kößl: Das habt ihr im Jahr 1994 beschlossen, und der Rechnungshof hat es aufgezeigt! So ist es!) Nur zur Information: Das Flächenausmaß wurde mit 370 Quadratmetern gleich beibehalten, ja es kommen sogar neue Arbeiten dazu. – So gehen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, mit Menschen um! Das ist die neue Politik von Ihnen. – Das ist nicht Politik mit Herz, sondern Politik mit Schmerz! (Beifall bei der SPÖ.)

Dafür, dass Sie diesen Frauen 60 Prozent ihres Einkommens wegnehmen wollen, geben Sie Ihren Günstlingen horrende Unsummen.

Jetzt hat diese Regierung, wie vorhin erwähnt, die Anzahl an Leiharbeitskräften verdoppelt. Man könnte glauben, es gäbe nun genug Mitarbeiter, aber dem ist nicht so. (Abg. Dr. Trinkl: Dem ist nicht so!) Frau Bundesminister Forstinger engagiert noch zusätzliche Berater, zum Beispiel Herrn Dr. Laus, von dem Sie selbst nicht weiß – so Ihre Beantwortung –, wie viel Geld er bekommt.

Weiters wurden für einen 45-Minuten-Vortrag, für eine audiovisuelle Vorbereitung im Tiroler Alpbach – auch für Frau Bundesminister Forstinger – stolze 545 000 S bezahlt. Wo ist hier – so lautet wieder meine Frage an die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien – der Spargedanke?

Interessanterweise kommt beziehungsweise kam die Mehrheit der Leiharbeitskräfte immer wieder von der Bildungsforschung der Wirtschaft und vom Ring Freiheitlicher Wirtschafts


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treibender. Um den Verdacht – und das ist mein letzter Satz (Abg. Dr. Trinkl: Gott sei Dank!)  – einer versteckten Parteienfinanzierung zu entkräften, sollten Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ, unserem Fristsetzungsantrag zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

17.39

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Dobnigg, am Abend wird der Faule fleißig. Hurtig, hurtig! (Beifall bei der ÖVP.) Es herrscht späte Einsicht bei der Opposition. Ein halbes Jahr ist dieser Unterausschuss nunmehr in Kraft, ein halbes Jahr arbeitet der Unterausschuss – heute kommt die Opposition drauf, dass sie keine Informationen hat. Ja, woher nehmen Sie eigentlich die Unverfrorenheit, heute hier Fristsetzungen beschließen zu wollen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben die Teilnahme boykottiert, Sie sind widerrechtlich aus dem Ausschuss ausgezogen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abgeordnete der ÖVP deuten auf Präsidenten Dipl.-Ing. Prinzhorn, der seinen Kopf senkt, um zu telefonieren. – Zwischenruf des Abg. Dobnigg. ) – Entschuldigung, Herr Präsident! Das Plenum hat sich Sorgen gemacht, dass Sie verschwunden sind. (Allgemeine Heiterkeit.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sind Gefangene Ihrer eigenen gescheiterten Strategie, und da kommen Sie erst heute drauf – das ist traurig, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Jetzt frage ich Sie: Wer war der Chefstratege dieses glorreichen und ruhmreichen Auszuges? – Es war Herr Abgeordneter Kräuter, meine sehr geehrten Damen und Herren, der sich in vielen Presseaussendungen immer wieder als der neue Aufdecker der Nation einen Namen zu machen versucht hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Dr. Kräuter hat es in der Steiermark geschafft, den einzig möglichen Nachfolger nach dem schon herbeigesehnten Ex-Obmann Dr. Schachner-Blazizek "totzumachen": Er hat Dörflinger so lange unterstützt, bis Dörflinger auch nicht mehr in Frage kam. Jetzt haben sie wieder niemanden. – Das ist der berühmte Stratege Dr. Kräuter.

Dr. Kräuter hat auf die gleiche Art und Weise probiert, den Unterausschuss zu blockieren, ins Leere laufen zu lassen, weil er meint, das, was in der Steiermark geht – nämlich etwas kaputt zu machen –, muss auch hier in Wien funktionieren. Aber diesen Gefallen haben wir Herrn Dr. Kräuter nicht gemacht, sondern der Unterausschuss hat seine Arbeit fortgesetzt, der Unterausschuss hat jene Fragen gestellt, die Herr Kräuter nicht zu stellen bereit war, weil er pflichtwidrig an den Sitzungen nicht teilgenommen hat (Abg. Gradwohl: Sagen Sie, an wen!), und der Unterausschuss ist jetzt dabei ... (Abg. Gradwohl: Sagen Sie, an wen! – Rufe bei der SPÖ: An wen?)

Wir haben die Fragen an jene gestellt, Herr Gradwohl, die Sie laden wollten, und wir haben euch dabei geholfen, nur Sie haben dann nicht mehr gewollt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gradwohl: Wer war Auskunftsperson? Wer war das?)

Herr Gradwohl! Wir haben die Sektionschefs geladen, weil Sie es gewollt haben! (Abg. Gradwohl: Wer war Auskunftsperson?) Hätten Sie nur einen Akt der Höflichkeit gesetzt, jene Zeugen zu hören, die Sie laden wollten, dann hätten Sie sich vielleicht ehrenwert davonschleichen können, aber das gelingt Ihnen nicht mehr, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Gradwohl: Lesen Sie den Fristsetzungsantrag, dann wüssten Sie, wozu Sie hier sprechen! – Abg. Dr. Mertel: Er weiß es nicht!)

Ich darf den Grünen als Warnung eines sagen: Alles, was Dr. Kräuter unterstützt, ist bisher noch abgestürzt. Gehen Sie bitte den Weg mit den Sozialdemokraten in diesem Fall nicht weiter, meine sehr geehrten Damen und Herren!


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All diese Fragen, die heute hier ventiliert wurden, sind im Unterausschuss erörtert worden, all diese Fragen sind geklärt (Abg. Gradwohl: Das stimmt doch nicht!), alle Fragen sind beantwortet, und alle Vorwürfe sind widerlegt. – Das, was gewesen ist, ist geklärt, das hat Herr Minister Haupt im Rahmen von Anfragebeantwortungen hier im Hohen Haus oft erklärt. (Zwischenruf des Abg. Dobnigg. ) Sie laufen hinterher. Das ist alles umsonst, meine sehr geehrten Damen und Herren, nehmen Sie das zur Kenntnis!

Ganz kurz zum Inhalt des Entschließungsantrages: Sie behaupten, hier gebe es Unstimmigkeiten. – Ich darf Ihnen eines sagen: Wenn Sie im Unterausschuss gewesen wären, dann wüssten Sie, dass diese Unstimmigkeiten nicht mehr vorhanden sind. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Wer war Auskunftsperson?)

Ich darf Ihnen aber schon eines ganz kurz aus dem Rechnungshofbericht zitieren: Im Kabinett Bundeskanzler Klima gibt es Arbeitsleihverträge, die erheblich über den Bezügen vergleichbarer Bundesbediensteter liegen, nämlich um plus 126 Prozent darüber, im Kabinett Edlinger um 60 Prozent darüber und im Kabinett Einem um 49 Prozent darüber. (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Ich darf Ihnen jetzt aus dem Ergebnis des Unterausschusses zitieren: Bundeskanzleramt, Dr. Schüssel: Für sämtliche Arbeitsleihverträge gibt es Planstellen, die Bruttobezüge sämtlicher in den Büros Beschäftigten entsprechen den Bezügen vergleichbarer Bundesbediensteter. In keinem der drei Büros gibt es einen Leiharbeiterbezug, der über dem eines Sektionschefs liegt. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist die Wahrheit! Wenn Sie da gewesen wären, dann wüssten Sie das, dann bräuchten Sie jetzt nicht der Wahrheit hinterherzulaufen.

Daher sage ich zum Fristsetzungsantrag nur eines: Die Forderungen Ihres Entschließungsantrages (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen) sind bei weitem erfüllt, das wird der Ausschuss am 4.12. feststellen. Sie wollen eine Fristsetzung mit 11. Dezember. – Lesen Sie nach bei Gorbatschow: "Wer zu spät kommt, den straft die Geschichte!" – Da wollen wir nicht dabei sein, daher lehnen wir den Fristsetzungsantrag ab. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

17.45

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Trinkl hat eigentlich schon vieles von dem, was ich sagen wollte, vorweggenommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Kollege "Eurolim" wird sich immer besser in Szene bringen.

Ich möchte nur zwei Kennzahlen einbringen, die vielleicht interessant sind. Vergleichen wir doch Gleiches mit Gleichem, das ist in Wirklichkeit das Einzige, was zählt. Nehmen wir den Minister außer Dienst "punktgenau" Edlinger her, der am 1. Oktober 1998 elf Mitarbeiter mit Leiharbeitsverträgen in seinem Büro beschäftigt hatte, und vergleichen wir damit den erfolgreichen Minister Grasser, der mit Stichtag 1. Jänner 2001 acht Mitarbeiter beschäftigt hat – also drei Mitarbeiter weniger.

Nehmen wir die durchschnittlichen Arbeitsleihverträgekosten bei Minister außer Dienst "punktgenau" Edlinger her: Er hat für fünf Leihverträge insgesamt 600 000 S im Monatsdurchschnitt refundiert; Minister Grasser hat für fünf vergleichbare Arbeitsleihverträge 580 000 S refundiert – drei Jahre später immer noch günstiger. (Abg. Dr. Keppelmüller: Genau schauen bei Forstinger!)

Die Gelegenheit, das genau anzuschauen, hat es schon sehr oft gegeben. Sie von der Opposition boykottieren sich selbst, und dann wundern Sie sich, wenn Sie sich von der Information ausgeschlossen fühlen. Das ist eine gewisse Art von Schizophrenie, die ich nicht nachvollziehen kann, aber ich überlasse es jedem selbst, sich einen Reim darauf zu machen.


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84. Sitzung / Seite 153

Für mich ganz interessant ist, wer sich zu Wort gemeldet hat. Zeigen wir doch nicht immer mit dem Finger auf andere, sondern nehmen wir uns selbst ernst! Herr Abgeordneter Dobnigg! Schauen wir uns Ihre Person ganz kurz an. Im Internet steht: Abgeordneter zum Nationalrat, freigestellter Betriebsrat, Vizebürgermeister, Gewerkschaftsfunktionär – geschätzte monatliche 200 000 S schwer. – Ich frage Sie jetzt: Wie viel bekommt denn in Ihrem Gemeindeamt die Aufräumefrau pro Quadratmeter Putzfläche bezahlt? – Sagen Sie es! Sie sind zwar viel seltener im Gemeindeamt, kassieren dort aber mehr als die Aufräumefrau. Vergleichen Sie sich doch in diesen Belangen, schauen Sie sich selbst einmal an, nehmen Sie sich selbst bei der Nase! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Man könnte da ungeahnt weitermachen, Kollege Edler! Wir haben auch schon einmal Ihre Belange in diesem Hohen Haus erörtert. Das geht so weiter.

Im Wesentlichen gibt es genug Chancen, das, was Sie wollen, parlamentarisch zu behandeln, auch am 4. Dezember im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses. Der Bericht wird Sie wahrscheinlich enttäuschen. All das, was Sie gesagt haben, ist an sich transparent. Im Weiteren wird es im Plenum berichtet werden, da können Sie dann auch diskutieren.

Wären Sie bei der Kontrolle im Unterausschuss dabei gewesen, dann müssten Sie keinen Fristsetzungsantrag stellen. Sie waren immer nur am Anfang dabei und sind dann ausgezogen – das war Ihr Pech. Jetzt haben Sie keine Informationen, aber wir werden die Informationslücke noch schließen, das ist kein Problem! Es wird vor dem 11. Dezember sein, daher ist dieser Fristsetzungsantrag auch gar nicht notwendig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

17.48

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kollege Trinkl! Der Anlauf war nicht schlecht: Am Abend würde der Faule fleißig werden, aber Sie verschweigen eines: Das ist nicht einmal eine homöopathische Dosis der Inszenierung von diesem Ausschuss. Die wirkliche Dramaturgie lautet ganz anders: Die Opposition ist rechtzeitig aufgestanden, denn: Am Morgen erkennt man den Hinterhältigen, der dich in der Nacht aufs Kreuz legen wird. (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) – Und so war es!

Immer ging es um die Frage, dass Ministerverantwortung nur von Ministern und nicht von Sekretären wahrgenommen werden kann, sonst wäre es ja eine Sekretärsverantwortung! Aber Sie haben sich offensichtlich durch den Begriff der Ministersekretäre in die Irre führen lassen und haben sich gedacht: Minister oder Sekretär, was soll’s? – Nehmen wir den Sekretär, lassen wir den Minister daheim! – So geht es nicht, und so wird es nicht gehen. Sie werden die Rechnung dafür präsentiert bekommen.

Der Auszug der Opposition, zu dem ich mich auch bekenne – ich weiß, dass das ein schwerwiegendes Mittel ist –, hat genau diese Hintergründe. Für diese Art von Inszenierung – der Vorspiegelung demokratischer Kontrolle, obwohl sie überhaupt nicht stattfindet – geben wir uns nicht her. Wir hätten diesem unwürdigen Schauspiel, das hier läuft, sozusagen nur noch unseren Stempel aufgedrückt.

Wir hatten schon gehört, dass eigentlich alle drei Minister aussagen wollten. Sie wurden von Ihnen daran gehindert; aber darüber hört man kein Wort. Darüber hört man kein Wort!

Da wird Ihnen dieser Bericht, den Sie für 4. Dezember ankündigen, überhaupt nicht aus der Patsche helfen, denn wie wollen Sie denn Ihr Verhalten dort rechtfertigen? – Darauf bin ich gespannt! Sie kommen da selbst nicht mehr heraus und kommen dafür mit irgendwelchen Sinnsprüchen aus dem Herrgottswinkel daher. – So werden wir das Problem nicht lösen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Trinkl: Das können Sie gar nicht sagen! Sie waren gar nicht dabei! Sie wissen gar nicht, was passiert ist!)


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Ich kann es kurz machen. Die vorige Bundesregierung ist schon für bestimmte Vorgänge, insbesondere im Bereich der überhöhten und nicht immer angebrachten Vergabe von Arbeitsleihverträgen, kritisiert worden. Wir stellen fest, dass diese Bundesregierung das Institut der Arbeitsleihverträge in einem viel größeren Ausmaß in Anspruch nimmt – was nicht in jedem Fall schlecht sein muss. Aber so ziemlich jeder Fall, den man sich anschaut, weist darauf hin, dass es da nicht mit rechten Dingen zugeht. Frau Fabel ist ja nur die Spitze des Eisbergs, obwohl zugegebenermaßen die Spitze immer mehr in die Höhe wächst.

Ich komme zu einem weiteren Argument. Es wäre dem Ausschuss natürlich gut angestanden, auf Grund von neuen Erkenntnissen zumindest einmal Frau Fabel und Herrn Haupt zu laden, denn der Umstand, dass sich in einem Gerichtsverfahren herausstellt, dass die Frau Fabel über 270 000 S Einkommen im Monat bezieht (Abg. Haigermoser: Heiß geliebter Leberkäs!)  – ja, Kollege Haigermoser, wir sind uns da hoffentlich einig –, ist zu hinterfragen. Dass Sie da nichts dabei finden, die Vertreter der kleinen Leute, der Anständigen und Fleißigen! Frau Fabel kassiert 273 000 S im Monat, und der Herr Minister ist zuvor hier gestanden und hat von der Regierungsbank aus verkündet, so schlimm werde es schon nicht sein, und es sei ja alles viel weniger und dieses und jenes mehr.

Das ist ja das Schockierende, dass Sie sich nicht einmal von neuen Erkenntnissen überzeugen lassen, nein, Sie bleiben stur dabei, es werden keine Minister geladen, obwohl es um die Ministerbüros geht. Und das ist Ihr Problem! Da werden Sie herauskommen müssen, und deshalb ist dieser Fristsetzungsantrag gerade richtig, denn am 4. Dezember werden Sie die Karten offenlegen müssen, und man wird sehen, dass da nichts drinnen ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 464/A (E) der Abgeordneten Dr. Kräuter und Genossen betreffend sofortige Abstellung der Privilegienwirtschaft in den Ministerbüros der schwarz-blauen Bundesregierung eine Frist bis 11. Dezember 2001 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Schwarzenberger: Nicht einmal Gusenbauer ist anwesend!)

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 3 bis 7 der Tagesordnung betreffend Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2000 und weitere Vorlagen wieder auf.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ernst Fink. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

17.53

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Zurückkommend auf den Bundesrechnungsabschluss 2000: Der Bundesrechnungsabschluss 2000 weist ein Defizit von 39,3 Milliarden Schilling auf. Das sind genau 1,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der Bundesvoranschlag 2000 hat noch ein Defizit von 54,6 Milliarden Schilling ausgewiesen. Die günstige Wirtschaftslage wurde genützt. Das Defizit fiel um 15 Milliarden Schilling geringer aus. Das hätte sich niemand gedacht. Das hat uns niemand zugetraut. Die Neuverschuldung wurde gestoppt. Wir sind stolz auf diese Zahlen.


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Das Jahr 2000 stellte eine Trendwende in der österreichischen Budgetpolitik dar. Erstmals wurden drei Budgets in einem Jahr erstellt. Sie alle dienen beziehungsweise dienten dem Ziel der Erreichung des Nulldefizits im Jahre 2002. Ohne Maßnahmen im Bereich der Verwaltungsreform wird bereits im Jahre 2001 das Nulldefizit erreicht. Keine neuen Schulden mehr heißt keine neuen Zinsen und keine weitere Belastung der jungen Generation. Bei einem Zinssatz in Höhe von durchschnittlich 5,5 Prozent bedeutet diese Defizitverminderung allein eine Zinsersparnis von rund 840 Millionen Schilling im Jahr.

Wir haben innerhalb von zwei Jahren einen enormen Schuldenberg in ein Nulldefizit verwandelt. Wir werden heuer erstmals seit 50 Jahren keine neuen Schulden mehr machen. Die öffentliche Verschuldung 2000 beträgt insgesamt 1 782 Milliarden Schilling, das sind 62,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das bedeutet gegenüber dem Jahr 1999 eine Absenkung um 1,5 Prozent.

In der heutigen Diskussion hat Herr Abgeordneter Edlinger gesagt, dass das alles auf Kosten der Arbeitslosen und Pensionisten geschehen sei, dass das 45 Milliarden Schilling ausmacht, um eben dieses Nulldefizit zu erreichen. Ich denke mir, wenn man 45 Milliarden Schilling von den Arbeitslosen und den Pensionisten bekommt, dann haben wir eigentlich reiche Arbeitslose und reiche Pensionisten. Das kann es nicht sein, es müssen sämtliche Bevölkerungsschichten getroffen sein, und ich glaube, dass das auch der Fall ist.

Auch Herr Abgeordneter Gusenbauer hat gestern gesagt, dass diese 45 Milliarden Schilling pro Haushalt 15 000 S bedeuten. Da kann ich wieder auf Herrn Finanzminister Karl-Heinz Grasser zurückkommen, der gesagt hat, der Vergleich macht uns sicher. Der Vergleich macht uns wirklich sicher! 30 Jahre sozialdemokratische Finanzminister haben Schulden in Höhe von 2 247 Milliarden Schilling erwirtschaftet. Im Jahr 1970 haben wir 43 Milliarden Schilling Schulden gehabt. Sie haben pro Jahr durchschnittlich 70 Milliarden Schilling Schulden dazu erwirtschaftet. Diese Steigerung von 43 Milliarden auf 2 247 Milliarden – es ist fast nicht zu glauben – bedeutet einen Zuwachs von über 5 000 Prozent.

Wenn ich die Zinsenlast von 100 Milliarden Schilling auch noch rechne und das mit den 43 Milliarden Schilling vergleiche und den 15 000 S vom Herrn Gusenbauer, dann ist es leicht auszurechnen, dass 100 Milliarden Schilling Zinsen eine jährliche Belastung von 33 000 S pro Haushalt ausmachen. Wenn wir diese Zinsenlast nicht hätten, ginge es jedem Österreicher viel besser. Wir werden es in den nächsten Jahren schaffen, dass es den Österreichern weiterhin so gut und noch viel besser geht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

17.58

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Meine Herren Präsidenten! Herr Staatssekretär! Mein Vorredner hat jetzt gerade gemeint, die Arbeitslosen und die Pensionisten seien so reich. – Sie wissen ganz genau, dass 1 Prozent Beiträge zur sozialen Sicherheit allein 12 Milliarden Schilling im Budget bringt. Daher unterstellen Sie nicht, dass die Arbeitslosen hier bezahlt haben. (Abg. Fink: Edlinger!)

Herr Kollege, Faktum ist, dass diese Bundesregierung der Arbeitslosenversicherung in zwei Jahren 37 Milliarden Schilling entzogen hat. Das ist ein Faktum – und nichts anderes! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn der Herr Bundesminister heute in seiner Rede gemeint hat, wir haben eine hohe Beschäftigtenzahl, dann ist das faktenmäßig völlig richtig. Aber wir müssen uns auch damit auseinander setzen, welche Beschäftigung das ist. Er selbst hat von Vollbeschäftigung gesprochen. Wenn mehr als 900 000 Teilzeitbeschäftigte, geringfügig Beschäftigte ... (Abg. Dr. Ofner: Die wollen das ja, Fritz!) Die wollen das nicht ausschließlich! Du weißt ganz genau, dass es viele gibt, die zwei Teilzeitbeschäftigungen brauchen, damit sie als Alleinverdiener überhaupt auskommen. Das ist auch eine Realität! Die dürft ihr nicht leugnen! (Beifall bei der SPÖ.)


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Wir wissen das sehr genau, und uns macht es Sorge, dass die Arbeitslosigkeit steigt, im Besonderen am Bau. Das ist auch eine Folge dieser Budgetpolitik, weil Gemeinden und Länder weniger investieren, weil der Bund weniger investiert. Das sind Fakten, mit denen wir uns auseinander setzen müssen.

Da wird immer wieder gemeint, das sei eine rote Propagandapolitik. "Die Presse" von heute, "Kurier", "Kleine Zeitung" – das sind alles Zentralorgane der Sozialdemokraten? Da schreiben immer nur Leute, die der Sozialdemokratie immens nahe stehen? Die OECD, das Weltwirtschaftsforum, alle anderen, die hier zu zitieren sind – sind das alles Organe der Sozialdemokraten? (Abg. Dr. Ofner: Unsere sind es sicher nicht!) Wir sind nicht daran interessiert, dass man die Wirtschaft krankredet. Wir sind aber auch nicht daran interessiert, dass man Mogelpackungen aus der Situation macht, sondern daran, dass man handelt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen uns damit auseinander setzen, was die Regierung so glänzend verpackt, wie zum Beispiel in ganzseitigen Inseraten in ganz Österreich. Wenn da zum Beispiel steht "Für den weiteren Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur", dann frage ich: Wo sind diese Investitionsprojekte? Im Vorjahr haben wir es gehört. Heuer haben wir es hier gehört. Alles wird geschehen, man ist auf gutem Weg.

Die Bauwirtschaft ist diejenige, die am lautesten schreit, dass keine Investitionen getätigt werden. Die Bauwirtschaft beweist auch dieser Bundesregierung, dass Handeln notwendig ist und nicht das Schalten von Inseraten in Zeitungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was heißt denn ein leistungsfähiges Gesundheitswesen? Was erleben wir im heurigen Jahr? Die Sozialpartner haben am Beginn dieses Jahres ein Finanzierungskonzept vorgelegt. Was ist daraus geworden? – Eine Umfärbelung des Hauptverbandes, ein Brechen des Versprechens der Regierungsparteien, dass bei der Einführung der Chipkarte keine Gebühr anfallen wird. – Das ist das Ergebnis der Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn wir darüber reden, dann muss ich sagen, es kommt die Belastung zum Vorschein. Nur nicht so tun, als ob das bei euch nicht passierte. (Abg. Dr. Ofner: Du kennst dich aus?) Ganz konkret, wir können über Zahlen reden. 2001: Belastung der Gesamtbevölkerung – nicht der Unternehmer, die kommen noch dazu –: 32,9 Milliarden Schilling zusätzlich. 2002: 37,3 Milliarden Schilling zusätzlich. 2003: 39,7 Milliarden Schilling zusätzlich. (Abg. Ing. Westenthaler: 1996? 1997? 1995?) Auch wenn das alles nicht hilft, bin ich sehr dafür, es auszusprechen, weil ich glaube, dass das das Ganze immer wieder mit der Realität konfrontiert.

Die Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages, die höheren Steuern auf vorenthaltenen Lohn bei der Frage der Urlaubsentschädigungen, auch die Unfallrentenbesteuerung – das sind Realitäten! Ein Arbeitnehmer mit monatlich 20 000 S brutto, der seine Kündigungsentschädigung nach zwei Jahren erhält, verliert 23 028 S. Nachrechenbar, Ihre Politik, niemand anderer macht diese Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Arbeitnehmer mit monatlich 20 000 S brutto, der vor dem Arbeitsgericht wegen ungerechtfertigter Entlassung Recht bekommen hat, verliert durch Ihre Regierungspolitik weitere 17 000 S.

Über die Chipkartengebühr reden wir gar nicht. 200 S, das ist der neueste Vorschlag, 500 S der Vorschlag der ÖVP. Kann es ein bisschen mehr sein? Wo sind denn Ihre Versprechungen, dass keine Chipkartengebühr eingeführt wird? Nehmen Sie Ihre eigene Politik ernst! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Rezeptgebühr! Krankenscheingebühr!)

Einem Unfallrentner – monatlich 20 000 S brutto, 3 000 S Unfallrente – nimmt diese Regierung monatlich 1 098 S weg beziehungsweise jährlich 13 176 S. Das ist Ihre Politik!

Wir verlangen von Ihnen: Nehmen Sie sich selbst ernst! Wo sind denn Ihre Maßnahmen gegen das Schwarzunternehmertum? Die ÖVP hat im Ministerrat schon einen Regierungsantrag ein


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gebracht, darüber abgestimmt, aber der eigene Klub hier im Haus ist wieder dagegen. Wo sind Ihre Maßnahmen gegen das Schwarzunternehmertum?

Stoppen Sie die Belastung der Arbeitnehmer bei den Ambulanzgebühren, bei den Unfallrenten, bei der Chipkarte! Stoppen Sie das Ausräumen des AMS! Bei steigender Arbeitslosigkeit brauchen wir dort mehr und nicht weniger Mittel. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, wir sollten auch zu einem fairen Ausgleich für die Pensionisten kommen, damit sie nicht abgespeist werden: Bitte warten!, sondern sie sollten die Inflation tatsächlich abgegolten bekommen. Darum geht es bei der Politik, mit der wir uns jetzt beschäftigen und auch in Zukunft beschäftigen müssen, und nicht um Schönfärberei in der Budgetpolitik. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Da war nichts Gescheites dabei! – Abg. Verzetnitsch: Ihre eigene Politik ist nicht gescheit!)

18.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.04

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes könnte einem fast Leid tun. (Abg. Ing. Westenthaler: Ja, wirklich!) Das war die Rede eines Entrechteten. In Wirklichkeit musste der Herr Präsident in den letzten Tagen und Wochen erleben, wie ihm Sallmutter, Nürnberger und Co das Wasser innerhalb seiner eigenen Organisation abgraben. Das ist betrüblich, Herr Präsident!

All diese Vorwürfe kommen immer wieder wie eine tibetanische Gebetsmühle, affenartig gleich in jeder Rede. Das scheint deshalb etwas eigenartig zu sein, weil man ja fast den Eindruck gewinnen müsste oder könnte, dass die Arbeitnehmer in unserer schönen Republik Österreich bis zur Abwahl der roten Regierung in einem Schlaraffenland gelebt haben. Dann frage ich mich, warum gerade die SPÖ bei der letzten Nationalratswahl eine deutliche Absage erhalten hat. – Weil vieles nicht in Ordnung war. Ihre Art der Politik des Schuldenmachens lässt erahnen, wie Sie mit Steuergeldern umgehen würden, hätten Sie wiederum die Möglichkeit, etwas umzusetzen.

Da lenke ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Debatte Bund, Bundesforste und Kärntner Seen. Es war ein einstimmiger Beschluss der Kärntner Landesregierung, wonach die Verwaltung der Kärntner Seen nicht den Bundesforsten übertragen werden soll, sondern der Kärntner Landesregierung. Ich bedauere es sehr, dass es heute nicht möglich war, dass die Kärntner Abgeordneten miteinander einen Entschließungsantrag einbringen, in dem steht, dass diese Maßnahme seitens des Bundes unterstützt wird.

Der eingebrachte Antrag ist sachlich korrekt, wobei ich um eine Klarstellung schon bitte: Es geht hier nicht um den Verkauf der Seen, sondern um die Verwaltung der Seen, damit man der Wahrheit eine Chance gibt. (Abg. Gradwohl: Das ist eine tolle Verwaltung! Darum reißen sich alle!)

Ich habe einen bezeichnenden Satz in einer Aussendung der ehemaligen Sozialdemokratischen Partei Österreichs gelesen. Bei der "Seen-Debatte im Kärntner Landtag" – es hat sogar eine Sitzungsunterbrechung gegeben, wie ich höre – hat der ehemalige Parteiobmann und vielleicht neue Parteiobmann Ambrozy festgestellt: "Wenn die Bundesregierung noch ein Fünkchen Moral und ein bisschen Liebe zu Kärnten hat, würde sie dem Land die Seen schenken." – Na großartig!

Das ist genau die Politik der SPÖ: Wir schenken jedem alles! So, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird auch vielen, die im Finanzausschuss der SPÖ sitzen, unwohl werden, denn so kann es ja nicht sein. Hier geht es nicht um Verschenken, um Präsente an irgendjemanden vor Weihnachten. Vielleicht könnte man das noch dadurch versüßen, dass jeder Kärntner zusätzlich


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eine goldene Uhr von der SPÖ geschenkt bekommt, dann wäre das Ganze wie im Paradies. Das kann es nicht sein!

Entscheidend ist oder entscheidend wäre, dass man über Wunsch des Initiators dieser Lösung, nämlich des Landeshauptmannes von Kärnten Dr. Haider (Rufe bei der SPÖ: Ah!)  ... Es kann nicht sein, was nicht sein darf, weil die SPÖ außer Polemisieren nichts mehr zustande bringt. Die gesamte heutige Debatte war davon geprägt, und ähnlich verhält es sich auch in der Frage der Kärntner Seen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher waren wir gezwungen, einen eigenen Entschließungsantrag einzubringen, der lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gaugg, Dolinschek, Ing. Scheuch, Ing. Graf, Zellot, Trettenbrein, Dr. Zernatto, Lexer, Edeltraud Gatterer und Kollegen betreffend "Kärntner Seen"

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Nationalrat begrüßt die Absicht der Bundesregierung, mit dem Land Kärnten Gespräche bezüglich Kärntner Seen zu führen."

*****

Es wäre schön, wenn auch die SPÖ-Abgeordneten diesem Antrag zustimmten, denn da geht es nicht darum, wer Sieger in diesem Streit ist, sondern wir brauchen eine Lösung im Interesse der Kärntner Bürger. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Gaugg, Dolinschek, Dr. Zernatto und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Leikam zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen den § 58 Abs. 2 GOG. – Bitte.

18.09

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich berichtige die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Gaugg, der hier gemeint hat, es gehe nicht um den Verkauf der Kärntner Seen an das Land Kärnten, sondern um die Verwaltung. Es ist hier die Frage zu stellen, ob man bereit ist, für eine Verwaltung 500 Millionen Schilling auf den Tisch zu legen. (Abg. Ing. Westenthaler: Eine Frage haben Sie überhaupt nicht zu stellen bei einer tatsächlichen Berichtigung! Geschäftsordnung, Herr Kollege Leikam!)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, Sie kennen die Geschäftsordnung. – Bitte.

Abgeordneter Anton Leikam (fortsetzend): Ich habe Verständnis dafür, dass die Kollegen ein wenig nervös sind. (Abg. Ing. Westenthaler: Geschäftsordnung!)

In einer Aussendung des Landeshauptmannes heißt es, das Land Kärnten sei weiterhin bereit, dem Bund jene zehn Seen abzukaufen – abzukaufen! –, die im Besitz der Bundesforste AG sind. Abzukaufen und nicht die Verwaltung zu übernehmen! (Abg. Ing. Scheuch: Willst du sie haben oder nicht? – Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Die Geschäftsordnung kennst du genauso wenig wie die Lochkartenautomaten! "Zeiterfassungssysteme" und "Geschäftsordnung" sind Fremdwörter für den Herrn Leikam!)


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18.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wimmer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.10

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Rechnungshofpräsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Stummvoll hat heute hier in seiner Rede gesagt, dass die Bevölkerung mit dieser Budgetpolitik – und damit komme ich wieder zum eigentlichen Thema zurück – einverstanden sei. Ich verstehe, dass sich der Herr Stummvoll das einredet, denn sonst könnte er vielleicht nicht mehr ruhig schlafen, aber ich möchte dazu sagen: Wir sollten schon den Wahltag abwarten! Und diesbezüglich kann ich jetzt schon prophezeien: Da wird sich die ÖVP sehr warm anziehen müssen, meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Sie daran erinnern, Herr Staatssekretär, dass Sie in Bezug auf das Budget 2002 immer wieder von wichtigen Voraussetzungen, die zu erfüllen seien, gesprochen haben. Sie haben beispielsweise davon gesprochen, dass dieses Budget sozial ausgewogen sein wird, und als zweiten Punkt haben Sie – aber nicht nur Sie, sondern auch der Herr Bundesminister für Finanzen – immer wieder gesagt, dass dieses Budget vorwiegend über Einsparungen auf der Ausgabenseite saniert werden soll. Um es gleich vorweg zu sagen: Genau das Gegenteil ist in Wirklichkeit gemacht worden. Herr Staatssekretär, Sie haben nicht Wort gehalten, Sie haben die Menschen angeschmettert!

Die negativen Auswirkungen dieses Budgets sind in dieser Republik einzigartig: Eine noch nie da gewesene Belastungslawine trifft vorwiegend die kleinen Leute, vor allen Dingen die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. Es können sich noch so viele Regierungspolitiker hier herausstellen und das Budget schönreden, die Fakten, die auf dem Tisch liegen, wirken sich negativ für die österreichische Bevölkerung, vor allem für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, aus.

Wir haben in Österreich heute die höchste Steuer- und Abgabenquote, die es je gab, zu verzeichnen; das ist heute schon erwähnt worden. Sie haben den Arbeitnehmern und den Pensionisten tief in die Tasche gegriffen. Ich erinnere daran, dass der Arbeitnehmerabsetzbetrag halbiert wurde, dass in das Urlaubsrecht eingegriffen wurde und dass der Pensionistenabsetzbetrag stark gekürzt wurde. Sie sind außerdem auf dem besten Weg, eine Zweiklassenmedizin einzuführen. Auch die Krankensteuer ist in Form der Ambulanzgebühr heute Wirklichkeit. Schon bei deren Einführung haben Sie eine Blamage erlitten. Bei der Chipkarte ist, wie die Diskussion bereits zeigt, auch nichts anderes zu erwarten.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Sie haben auch die Studierenden im Stich gelassen. Jetzt wird eine Studiengebühr eingehoben. Die ersten Auswirkungen dieser Ihrer Maßnahme sind schon sichtbar: Es gibt mehr als 30 Prozent weniger Neuzugänger an der Universität.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Sie haben auch die Lehrerinnen und Lehrer auf eine harte Probe gestellt. Sie lassen sie jetzt nicht nur länger arbeiten, sondern bezahlen sie auch schlechter.

Sie kürzen die Mittel bei den Schwächeren in dieser Gesellschaft. Ich denke da etwa an die Veränderungen im Arbeitslosenrecht. Auch die Unfallrentenbesteuerung ist eingeführt worden.

Meine Damen und Herren! Unser Freund Rudolf Edlinger hat es heute schon auf den Punkt gebracht: Sie nehmen das Geld den Kleinen und geben es den Großen. Das ist eine verwerfliche Politik, die wir nicht mittragen wollen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es ist heute sehr viel über den Ausverkauf von Wald und Wasser gesprochen und diskutiert worden. Es gibt jetzt ein Bewertungsgutachten betreffend die Seen. Das würde sich mit zirka 100 Millionen Schilling niederschlagen. Man hat sich eine höhere Summe erwartet. Es gibt Anlandungsflächen, die mit 200 Millionen Schilling bewertet wurden. Im Budget sind, wie wir wissen, 3 Milliarden Schilling notwendig, sind 3 Milliarden Schilling angesetzt. Bundesminister Molterer war es, der sofort über die APA bekannt gegeben hat, dass es überhaupt kein Problem bedeutet, 2 Milliarden Schilling aufzubringen.


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Sehr geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Aussage ist aber in Wirklichkeit eine gefährliche Drohung. Was soll denn noch verkauft werden? Haben wir irgendwo noch einen See, den wir vielleicht vergessen haben? Gibt es irgendwo noch Trinkwasserquellen, die wir noch verscherbeln könnten? Oder geht man vielleicht einen anderen Weg? Wir hätten noch ein paar Meter Donau, die wir an den Mann bringen könnten. Ein paar Meter Traun wären vielleicht auch noch drin. – Aber nicht mit uns, meine sehr geschätzten Damen und Herren von der Koalition, nicht mit der sozialdemokratischen Fraktion! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Gaugg hat einen Entschließungsantrag eingebracht, der wirklich alle Rekorde schlägt. Da lachen wirklich die Hühner! Es ist ein Entschließungsantrag mit einer Zeile, und Sie haben 12 Stunden gebraucht, um ihn einzubringen. Dieser Entschließungsantrag lautet sinngemäß:

Der Nationalrat begrüßt die Absicht der Bundesregierung, mit dem Land Gespräche zu führen.

Das heißt, wir beschließen heute, dass wir gleich miteinander reden werden. – Nein, so etwas haben wir überhaupt noch nicht erlebt, meine sehr geschätzten Damen und Herren! Diesen Antrag werden wir natürlich nicht mittragen, aber ich habe die Möglichkeit, ihn an den Schiffshütten der Salzkammergut-Seen vergrößert anzuschlagen. Meine Freunde werden sich "abhauen", wenn sie das lesen.

In Wirklichkeit bedeutet dieser Antrag, Herr Kollege Gaugg, dass Sie mit der Regierungspolitik einverstanden sind, dass Sie einverstanden sind damit, dass die Menschen, die dort Gründe gepachtet haben, Schiffshütten gepachtet haben, jetzt ganz massiv belastet werden.

Aber Sie, Kollege Gaugg, werden die Verantwortung dafür übernehmen müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Deine Zeit ist abgelaufen!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf nun folgenden Antrag der SPÖ-Fraktion einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gradwohl und GenossInnen betreffend Verhinderung weiteren Ausverkaufs von Wäldern, Seen und Trinkwasser im Besitz der Republik Österreich

Entschließungsantrag

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 12. Dezember 2001 einen Bericht samt Zahlen, Daten und Fakten vorzulegen, die die von ihm versprochenen Einsparungen im Landwirtschaftsressort in der Höhe von 2 Milliarden Schilling belegen und dessen Bedeckung gleichzeitig ohne weitere Verkäufe von Bundesforsteflächen, Seen und Trinkwasser erfolgt.

*****

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn Sie es ehrlich meinen, mit dieser Ausverkaufspolitik der Bundesregierung Schluss machen zu wollen, dann können Sie diesen Entschließungsantrag gerne mittragen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Gradwohl, Genossen und Genossinnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. Seine Redezeit ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.


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84. Sitzung / Seite 161

18.17

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Rechnungshofpräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesrechnungsabschluss 2000 ist der Gegenstand der Debatte, die wir derzeit führen. Wenn es auch schmerzt, liebe Kollegen von der SPÖ: Dieser Bundesrechnungsabschluss ist ein voller Erfolg! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Von der "Wahrhaftigkeit" sprach heute der frühere Finanzminister Edlinger. – Na ja, ich frage mich, ob er das wirklich ernst meinte. Da gab es nämlich einmal eine schöne Zeitungsmeldung, versehen mit seinem Bild, die da lautete, das Budget sei kein Sanierungsfall.

Meine Damen und Herren! Das meinte er zu einem Budgetvoranschlag. Heute aber hat er so getan, als ob in Österreich die Welt unterginge, obwohl dieser Rechnungsabschluss noch wesentlich besser ist, als es der Budgetvoranschlag gewesen ist.

Meine Damen und Herren! Offensichtlich stimmt die alte Weisheit: Je schwächer die Argumente, umso größer die Lautstärke. – Das war bei Edlingers heutigem Redebeitrag deutlich vernehmbar. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Edlinger meinte, er sei ein Fan des Herrn Bundesministers Grasser und trage daher eine Krawatte mit einem Muster aus blauen Haien. Ja, ich kann es verstehen: Bundesminister Grasser muss heute die Schulden schlucken oder fressen, die ihm sein Vorgänger hinterlassen hat.

Meine Damen und Herren! Herr Edlinger meinte auch, die Regierung würde philosophieren, wenn sie sage, es gebe eine kleine Rezession, eine kleine Delle oder eine kleine Schwachstelle. Er meinte, die Auswirkungen wären wesentlich stärker. – Ja, wenn Herr Edlinger heute noch Finanzminister wäre, dann müssten wir ein Tal der Tränen durchschreiten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es reicht ohnehin, die alte Schuldenpolitik abzuschwächen und zu einem perfekten und positiven Budget für die Zukunft zu gelangen. Dass diese Regierung das kann, das hat sie bewiesen, und zwar eindeutig, denn die Fakten, die Erfolge, die Ziffern, die jetzt auf dem Tisch liegen, können nicht bestritten werden.

Wenn die Opposition von "tragischen Budgetvollzugszahlen" spricht, dann braucht sie sich nur die sachliche, objektive Rede des Herrn Klubobmannes Van der Bellen in Erinnerung zu rufen. Er hat heute tatsächlich – und ich sage: Hut ab vor einem derartigen Oppositionspolitiker! – in einem sehr profunden und sachlichen Redebeitrag die Zahlen, die Fakten, das Ergebnis dargelegt. Ich verstehe schon, dass er dann im Schlusssatz noch ein paar kritische Anmerkungen machen musste, sonst könnte ihm das ja in der eigenen Fraktion negativ angelastet werden. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) So viel Verständnis habe ich schon, meine Damen und Herren! Aber entscheidend ist, dass seine Stellungnahmen positiv waren.

Meine Damen und Herren! Es ist halt nun einmal Faktum, dass die Beschäftigungszahlen in Österreich positiv sind. Ich glaube, dass sich fast alle EU-Länder freuen würden, wenn sie ähnlich positive Ergebnisse – wenigstens im Entferntesten – aufweisen könnten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Infrastrukturprogramme wurden von der Opposition eingefordert. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ja, die sind einzufordern! Aber als Oberösterreicher möchte ich schon festhalten: Es wurde noch nie so viel in die Infrastruktur Oberösterreichs investiert, als es derzeit der Fall ist, und zwar auch dank der Budgetpolitik des Landes Oberösterreich und der Budgetpolitik dieser Bundesregierung, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Letztlich ist dieser Bundesrechnungsabschluss des Jahres 2000 die Grundlage für das Erreichen des Nulldefizits bereits in diesem Jahr gewesen. Ich verstehe schon, dass Ihre Prognosen Sie schmerzten, weil sie nicht stimmten. Das Ergebnis der Budget


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84. Sitzung / Seite 162

politik dieser Bundesregierung, des Bundesministers für Finanzen, seines Staatssekretärs, des Herrn Bundeskanzlers, ist positiv. Da können Sie herumreden, so viel Sie wollen!

Meine Damen und Herren! Es war schon schön, in der heutigen Ausgabe der "Salzburger Nachrichten" lesen zu können: "Nachträglich ist die Familienpolitik der Regierung für die Konjunktur ein Segen, sagt ein früherer Kritiker."

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie sollten sich dem anschließen und uns und dieser Bundesregierung Applaus zollen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.22

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Präsidenten! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Jakob Auer hat schon überzeugendere Reden gehalten als die heute hier, und man merkt eben, dass es ihm eigentlich noch ein bisschen schwer fällt, sich das Jahr 2000 sozusagen unter die neuen Koalitionsflügerln zu heften.

Tatsächlich ist es so, dass der Rechnungsabschluss 2000 ein Produkt der Arbeit der letzten sozialdemokratischen Regierung war, denn das Budget, das Sie dann erstellt haben, ist ja nur eine Nachlese gewesen, ein so genannter Voranschlag im Nachhinein. Er wurde natürlich zu einem Zeitpunkt erstellt, liebe Freunde (Abg. Böhacker: Ein prächtiges Ergebnis!)  – weil es um neun Monate später war, als es normalerweise geschieht –, zu dem man schon eine relativ gute Treffsicherheit hatte, und da konnte man sogar schon Reserven einplanen. Das verstehe ich, aber man soll nicht auch noch stolz darauf sein, wenn man sieht, dass noch die positiven Wirkungen des Budgets 1999 das Jahr 2000 begleitet haben. Es ist ja das Budgetprovisorium nach dem Budget 1999 gelaufen gewesen, und es ist natürlich auch die Steuerreform, die die Tätigkeit der Bundesregierung sozusagen bestimmt hat und Lohnsteuersenkungen zur Folge hatte, noch von der vorhergehenden Regierung durchgeführt worden. (Abg. Schwarzenberger: Werden Sie zustimmen?)

Mit einem Wort: Dieses positive Ergebnis in Form dieses Rechnungsabschlusses, wenn man es so interpretieren will, ist das Erbe, das Sie von uns übernommen haben. Wir sehen aber – und das ist ja das, was wir seit heute Vormittag diskutieren –, dass sich, seit Sie selbst regieren und selbst agieren und seit Sie die Budgets selber machen und die Finanzpolitik von Ihnen gemacht wird (Abg. Auer: Deswegen ist es noch besser!), leider dramatische Verschiebungen zuungunsten der Mehrheit der Bevölkerung in Österreich ergeben.

Nur an drei makroökonomischen Kennzahlen will ich das festmachen: Wachstum, Inflation, Arbeitslosenrate. Wenn man weiß, wie diese Zahlen 1999 ausgeschaut haben und wie sie heute ausschauen, dann muss man sagen: Es haben sich diese drei makroökonomischen Faktoren im Rahmen der EU verbessert, aber in Österreich sind sie schlechter geworden. Sie sind im europäischen Vergleich noch immer nicht schlecht (Abg. Böhacker: Da sind Sie objektiv!), das ist richtig, aber das liegt ausschließlich daran, dass wir als Vorgänger-Regierung einfach tolle Daten geliefert haben. (Beifall bei der SPÖ.) Mit einem Wort: Sie machen derzeit eine andere Politik, und die Menschen spüren es bereits.

Auch Ihre gesamte Entschuldungspolitik ist nicht wirklich eine echte Entschuldungspolitik, die dazu führt, dass die Schulden jetzt tatsächlich weg sind, dem ist leider nicht so, sondern Sie verschulden mit dieser Entschuldungspolitik des Bundes andere. Es werden dadurch andere verschuldet, ob das jetzt die Sozialversicherungen sind, ob das die Bundesforste sind, die eigentlich langsam ein Konkursfall werden, wenn man das alles noch anlastet, was ... (Abg. Böhacker: Bei diesem Vermögen! – Das tät euch so passen!) Wenn man einem Betrieb, der ... (Zwischenruf der Abg. Achatz. )


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Liebe Anni! Schau, ich sag’ dir jetzt nur eines: Wenn man einem Unternehmen (weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), das nur bescheidene Gewinne erwirtschaftet (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Achatz )  – Kollege Böhacker wird dir das dann erklären –, wenn man einem Unternehmen, das nur geringe Erträge erwirtschaftet, eine Belastung auferlegt, zuerst einmal 3 Milliarden Schilling, dann weitere 800 Millionen Schilling für die Seen, dann ist das in Wahrheit eine Unternehmenspolitik, die fahrlässige Krida in sich birgt. Und so geht es durch die Bank durch! (Ruf bei den Freiheitlichen: So ein Quatsch!)

Das ist kein Quatsch! Es ist leider Faktum! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist wirklich so! Jeder andere würde eingesperrt werden, wenn er so etwas machen würde. Das ist Faktum! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn schon Herr Kollege Stummvoll heute von der guten Stimmung, die für das Konjunkturklima wichtig ist, gesprochen hat, dann muss ich sagen: Eine gute Stimmung wird von dieser Regierung derzeit leider nicht wirklich forciert. Das ist eine sehr selektive Wahrnehmung, die Ihr da habt. Ihr seid vielleicht zufrieden, aber das ist nicht wirklich ein flächendeckender positiver Stimmungseffekt, den man verspüren kann. So gesehen glaube ich, dass diese Politik spätestens nach dem Jahre 2003 ein Ende gefunden haben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

18.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Egghart. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.27

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Herren Präsidenten! Herr Staatssekretär! Ich hoffe zumindest eines, Kurt (in Richtung des Abg. Ing. Gartlehner): dass du das nicht so gemeint hast, dass jetzt die Bundesregierung eingesperrt werden soll. Ich glaube, so war das nicht zu verstehen. Wenn man alles so sehen würde, nämlich dass es fahrlässige Krida wäre, dann hätten wir andere Leute schon längst einsperren müssen.

Weil du gesagt hast, das Budget 2000 wäre deswegen so etwas Wunderbares, weil es so gut vorbereitet gewesen ist, muss ich dir sagen: Als wir in die Bundesregierung gekommen sind, war gar nichts vorbereitet. In einem Vierteljahr haben wir dann das Budget erstellt, und das Budget hatte dann natürlich eine volle Linke. Überhaupt das größte Problem war, dass wir einen Schuldenberg vorgefunden haben, den keiner erahnen konnte. Der damalige Finanzminister hat eigentlich nie von dem tatsächlichen Ausmaß gesprochen. Eines ist auf alle Fälle sicher: dass der Budgetvollzug des Jahres 2000 große Fortschritte gebracht hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf dem Wege zu einem Nulldefizit war es natürlich notwendig, dieses Budget 2000 mit höchster Geschwindigkeit und trotz all seiner Problematik zu erstellen. Der Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2000, den Herr Präsident Fiedler dem Nationalrat vorgelegt hat, zeigt ganz deutlich, dass dieser Budgetvollzug wirklich beachtliche Fortschritte in die richtige Richtung erzielt hat.

Wenn man berücksichtigt, dass das Budget 2000 ein wesentlich geringeres Defizit als das Vorgängerbudget gehabt hat, nämlich 39 Milliarden Schilling, und wenn man noch beachtet, dass wir eine Steuerreform, die nicht finanziert war, zu finanzieren hatten, und zwar in der Größenordnung von etwa 30 Milliarden Schilling, dann, das kann man sagen, hätte dieses Budgetdefizit eigentlich nur 9 Milliarden Schilling betragen. – So weit zur Seriosität.

Die Sparsamkeit des Budgetvollzuges wird auch durch die Daten, die nun vorliegen, bestätigt. Wir haben wesentlich weniger Ausgaben getätigt, nämlich nur 2 Prozent mehr. Hier ist eine eindeutige Politik des Sparens erkennbar.

Was die Wirtschaftspolitik betrifft, muss man schon einige Daten sehr deutlich klarstellen. Ein erhöhter Export in der Größenordnung von rund 200 Milliarden Schilling in den letzten beiden Jahren und eine wesentlich verstärkte Wertschöpfung ähnlicher Größe zeigen wirklich, dass diese Bundesregierung auch sehr viel im Bereich der Wirtschaftspolitik getan hat. Richtig ist, dass die Arbeitslosenzahlen derzeit steigen, ebenfalls richtig ist aber, dass die Beschäftigungs


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rate gestiegen ist. Wir haben derzeit 3 160 000 Erwerbstätige in Österreich. Außerdem können wir wirklich von einer erfreulichen Gründerwelle von Selbständigen sprechen – mit all den damit verbundenen Problemen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns war es besonders wichtig, in erster Linie zu sparen, um in Zukunft die Wirtschaft und auch die kleinen Einkommensbezieher entlasten zu können. Wir haben aber trotzdem nicht darauf vergessen, für Forschung und Entwicklung mehr auszugeben, und zwar in einer Größenordnung von 7 Milliarden Schilling. Hinsichtlich der gestern beschlossenen Verwaltungsreform, die sich in den nächsten Jahren niederschlagen wird, ist immerhin auch eine Einsparung in der Größenordnung von 21,2 Milliarden Schilling prognostiziert.

Wenn man all diese Dinge in der richtigen Form betrachtet und dem die Politik gegenüberstellt, die in den vergangenen Jahren gemacht wurde und gezeigt hat, dass die keynesianische Wirtschaftspolitik der Sozialdemokraten endgültig Schiffbruch erlitten hat, dann muss man sagen, dass wir hier wirklich auf dem richtigen Weg sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abschließend möchte ich mich noch recht herzlich bedanken beim Herrn Rechnungshofpräsidenten für diesen genauen, punktuellen Bundesrechnungsabschluss, beim Herrn Bundesminister für Finanzen, seinem Staatssekretär und seinem gesamten Ministerium, denen dieser wirklich schöne Erfolg in Sachen Nullbudget gelungen ist.

Eines möchte ich aber auch noch hier sagen: Wenn man Bürgermeister Häupl alles verzeihen kann, eines kann man ihm nicht verzeihen: Nachdem Stadtrat Edlinger das Wiener Budget in den Graben geführt hat, hat er ihn der Bundespolitik überantwortet. Ich hoffe nur, dass Rapid nicht dasselbe Schicksal erleidet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lentsch zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.32

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Der Bundesrechnungsabschluss hat für das Jahr 2000 ein Defizit in der Höhe von 1,4 Prozent des BIP aufgezeigt. Damit wurde das Ziel aus dem Bundesvoranschlag nicht nur erreicht, sondern sogar sehr deutlich überschritten.

In absoluten Zahlen bedeutet das: Der Bund hat nicht wie geplant 55 Milliarden Schilling neue Schulden gemacht, sondern, wie jetzt der Bundesrechnungsabschluss zeigt, nur 39 Milliarden Schilling. Das ist ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung. Das ist ein deutlicher Schritt in Richtung Nulldefizit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Vor einem Jahr habe ich von dieser Stelle aus der Opposition versprochen, dass wir Kurs halten werden, und vor wenigen Tagen haben sowohl der Bundeskanzler als auch der Finanzminister dargelegt, dass wir bereits im heurigen Jahr dieses Nulldefizit erreichen. Wir haben die Schienen des Staatshaushaltes neu gelegt, und die Österreicherinnen und Österreicher haben mitgetan. So viel kann man heute schon sagen. (Abg. Schwemlein: Nicht freiwillig!)

Alle Versuche von der SPÖ und den Grünen, immer mehr und immer weiter zu fordern, damit diese ach so böse Bundesregierung nur ja nicht dieses Nulldefizit erreicht, sind größtenteils – Gott sei Dank! – auf taube Ohren gestoßen.

Die Österreicherinnen und Österreicher wissen ganz genau, dass wir alle in den letzten Jahrzehnten weit über unsere Verhältnisse gelebt haben. Und dass wir deswegen jetzt sparen müssen, ist auch allen klar.


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Auch der Pensionistenchef Blecha kann die ältere Generation nicht wirklich aufwiegeln, denn gerade die über 60-Jährigen wissen besser als alle anderen, dass man auf Dauer nur das ausgeben kann, was man vorher einnimmt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir sind dabei, das Pensionssystem umzustellen, und der zweite Bereich ist die Verwaltungsreform. Erst dann, wenn diese beiden Bereiche greifen, kann es meiner Meinung nach die große Steuerreform geben. Alles andere würde die wiedergewonnene Stabilität in der Republik schwerstens gefährden. Daher Vorsicht, wenn es ums Verteilen geht, denn die Geschenke von heute sind die Steuern von morgen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.35

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Nachdem zu Beginn der Debatte Ex-Finanzminister Edlinger mit dem Dreschflegel, mit bebender, brüllender Stimme seine Uraltargumente ins Plenum geprügelt hat, aber andererseits Bundesminister Karl-Heinz Grasser mit der feinen, der seriösen Klinge des Floretts dem Herrn Bundesminister außer Dienst Edlinger in die Parade gefahren ist und die Dinge wieder ins rechte Lot gebracht hat, möchte ich mich mit dem Bundesrechnungsabschluss 2000 gar nicht mehr beschäftigen.

Ich wende mich daher dem Budgetüberschreitungsgesetz 2001 zu. Als Salzburger Abgeordneter möchte ich mich beim Herrn Bundesminister für Finanzen im Namen des Landes Salzburg sehr, sehr herzlich dafür bedanken, dass er seinen Versprechungen Folge geleistet hat und für den Umbau des Kleinen Festspielhauses in Salzburg einen Betrag von 130 Millionen Schilling zur Verfügung stellt. Damit ist die Grundlage geschaffen, dieses alte Festspielhaus, das Kleine Festspielhaus, in Salzburg zu renovieren, umzubauen zu einer echten Spielstätte für Mozart. Wir wissen, dass wir im Jahre 2006 den 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart feiern, geboren am 27. Jänner, gestorben am 5. Dezember. (Abg. Öllinger: Super!) Super – ich bin ja doch ein Salzburger! Damit ist die Grundlage dafür geschaffen, dass im Jahre 2006 ein Mozartfestival im klassischen Sinne wird stattfinden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich hoffe, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Ära Mortier und die künstlerischen Auswirkungen dieser Ära endlich überwunden sein werden (Abg. Schwemlein: Du hast keine Ahnung von Kunst und Kultur!) und wieder jene Leute nach Salzburg kommen, die nicht nur die Kultur genießen, nicht nur die schöne Stadt Salzburg, sondern auch der Tourismuswirtschaft in Salzburg durch ihre Ausgaben nachhaltig auf die Sprünge helfen werden.

Ich sage eines: Gar so selbstlos ist diese Zuwendung des Bundes an das Land Salzburg nicht, denn wer die Umwegrentabilität der Salzburger Festspiele kennt, wird wissen, dass diese 130 Millionen Schilling in Salzburg sehr gut angelegt sind, dass diese 130 Millionen Schilling auch ein wesentlicher Beitrag zur Förderung der Bauwirtschaft in Salzburg sind. Es handelt sich hier ja um keinen Neubau, sondern um einen sehr arbeits- und personalintensiven Umbau, der auch den Beschäftigten im Land Salzburg zugute kommt. – Herzlichen Dank, Herr Bundesminister für Finanzen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Steibl: Nein, nicht schon wieder!)

18.38

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich habe zwei kurze Anliegen. Das eine ist im Ausschuss schon behandelt worden. Ich habe dort zu meiner Überraschung festgestellt, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen von dem jetzt wieder von mir zu berichtenden Umstand wenig Bescheid gewusst haben. Es geht um die Aus


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landszivildiener, wo es bisher eine Serie von Pannen gegeben hat. Eine hat dazu geführt, dass für das Budget 2001 überhaupt nichts veranschlagt wurde. Daraufhin haben Sie versucht, eine kleine Korrektur vorzunehmen, aber unserer Meinung nach ist diese Korrektur viel zu klein. Es bräuchte mehr.

Ich kann es kurz erklären: Der Umstand ist der – und der scheint mir dramatisch genug zu sein –, dass in der Tat 43 dieser Auslandszivildiener, die speziell von einem Trägerverein entsendet wurden, bis jetzt und heute keinen einzigen Schilling erhalten haben. Keinen einzigen Schilling!

Jetzt kann man darüber schwadronieren, wer daran schuld ist. Das Innenministerium lässt sich auf eine Debatte ein, inwieweit nicht der besagte Trägerverein eine gewisse Mitverantwortung hätte oder eben auch nicht. Darum wollen wir uns vorderhand nicht kümmern. Wir sind hier nicht ein Untersuchungsausschuss, der klärt, wer daran schuld ist, dass diese Auslandszivildiener kein Geld bekommen. Wir haben nachgerechnet, wir haben auch entsprechende Informationen bekommen, aber eines bitte kann am Schluss dieser Sache nicht herauskommen: dass wir jetzt den Budgetposten zwar einrichten, aber sehenden Auges zu wenig Mittel dafür reservieren! (Beifall bei den Grünen.)

Wir könnten, was diesen besagten Verein betrifft, gerade noch 20 Auslandszivildiener damit finanzieren. 43 sind aber schon im Ausland! So kann es nicht gehen, und deshalb bringen wir von der grünen Fraktion – wie im Übrigen schon im Budgetausschuss – folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Kogler, Freundinnen und Freunde

Der Nationalrat wolle beschließen:

§ 1 VA-Ansatz 1/11176 der Regierungsvorlage (783 der Beilagen) ist wie folgt zu ändern, wobei auch die Summen ziffernmäßig entsprechend zu korrigieren sind:

VA-Ansatz Bezeichnung von um auf

________________________________________________________________

Mio S

1/11176Bml; Zivildienst 11,0103, 16414, 174

Förderungen

Es ist davon auszugehen, dass die zusätzlichen Mittel in Höhe von 3,164 Mio Schilling beim VA-Ansatz 1/11177 (Bml, Zivildienst, Aufwendungen) entsprechend erhöht werden.

*****

So viel zu diesem Anliegen, beim zweiten kann ich es kurz machen.

Wir haben heute anlässlich des Bundesrechnungsabschlusses 2000 in Wahrheit sehr viel über die Gebarung 2001 und über die angebliche Erreichung eines Nulldefizits heuer und über die vermutliche Nichterreichung eines Nulldefizits im nächsten Jahr gesprochen. Ich glaube, es hat in diesem Zusammenhang wenig Sinn, die Rezessionsgefahr zu leugnen. Das hat nichts mit Krankjammern zu tun. Diese Debatte Krankjammern versus Gesundbeten stellt wirklich eine verkürzte Polarisierung dar. Ich glaube, es muss darum gehen, dass, wenn es weltweit Wirtschaftsforschung und entsprechende Institutionen, die sich damit beschäftigen, gibt, man die Zeichen auch erkennt und darauf reagiert. Das ist bitte das Anliegen. Das hat doch nichts mit Krankjammern zu tun!


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Sie können ja die Leute nicht für so dümmlich oder ungeschickt halten, dass sie nicht Zeitung lesen. Es ist ja überhaupt kein Geheimnis mehr, dass ein verantwortungsvoller Politiker, so wie Sie das darstellen, das nicht weitererzählen darf, weil sonst die Stimmung noch schlechter werden würde. Das Gegenteil ist der Fall! Man muss sich dem stellen und zu erkennen geben, dass man gewillt ist, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Es bleibt abschließend zu resümieren, dass wenigstens die automatischen Stabilisatoren in ihrer Wirkung nicht abgewürgt werden sollen, denn diese Gefahr besteht, weil ein besonderes Budgetziel, in diesem Fall das so genannte Nulldefizit, erreicht werden soll. Das ist unser zentrales Anliegen, das soll nicht untergehen.

Kollege Stummvoll hat heute von einem "strategischen Dreieck" gesprochen. Diese Darbietung war wenig hilfreich, denn sehr viel Strategie hat man dabei nicht erkennen können. Ich habe eher das taktische Taferl-Aufstellen wieder entdeckt, und es ist, glaube ich, wenig hilfreich, wenn Sie ständig und völlig unreflektiert auf dieser "Nulldefiziterei" in der Version "keine neuen Schulden" herumreiten. Das ist einfach verkürzte Polemik, und die könnten wir uns hier herinnen wenigstens ersparen, wenn Sie schon die Leute draußen damit behelligen wollen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Kogler, Freundinnen und Freunde ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, erteile ich noch zwei Ordnungsrufe.

Den ersten Ordnungsruf erteile ich Herrn Abgeordnetem Kiss, der sinngemäß, an die sozialdemokratische Fraktion gerichtet, gemeint hat: Sie machen Dealern, verantwortungslosen Menschen die Mauer.

Den zweiten Ordnungsruf erteile ich Herrn Abgeordnetem Miedl, der wörtlich gesagt hat, ebenfalls an die Fraktion der Sozialdemokraten gerichtet: "Ihre Politik, das ist Mord auf Raten ...!"

Im Zuge der Debattenbeiträge wurden Ordnungsrufe von mir in höchst unangemessener Form eingefordert. Nehmen Sie sich ein Beispiel an der Wortmeldung des Abgeordneten Cap, der dies in höflicher und wesentlich wirkungsvollerer Weise getan hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

*****

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2000 samt Titel und Eingang in 864 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend 8. Bundesfinanzgesetz-Novelle 2001 samt Titel und Eingang in 865 der Beilagen.


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Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Khol, Mag. Trattner und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 865 der Beilagen in der Fassung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Khol, Mag. Trattner und Genossen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, ein Zeichen der Zustimmung zu geben. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gradwohl und Genossen betreffend sofortigen Stopp des Verkaufs beziehungsweise der Übertragung der Kärntner Seen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gaugg, Dr. Zernatto und Genossen betreffend "Kärntner Seen".

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 108.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gradwohl und Genossen betreffend Verhinderung weiteren Ausverkaufs von Wäldern, Seen und Trinkwasser im Besitz der Republik Österreich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Budgetüberschreitungsgesetz 2001 in 866 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Kogler und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über diesen Abänderungsantrag und dann über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen lassen.

Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Kogler und Genossen sieht eine Erhöhung des Voranschlags-Ansatzes 1/11176 vor.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich bitte jene Abgeordneten, die hiefür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


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Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Bundesfinanzgesetz-Novelle 2002 samt Titel und Eingang in 867 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Ich lasse jetzt über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 780 der Beilagen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, ein Zeichen zu geben. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (829 der Beilagen): Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über eine Verstärkung der stabilitätsorientierten Budgetpolitik (Österreichischer Stabilitätspakt 2001) (857 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (779 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2001 geändert wird (858 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (776 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses geändert wird (863 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nun gelangen wir zu den Punkten 8 bis 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Debattenredner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Heindl zu Wort gemeldet. – Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.50

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Im Juni dieses Jahres kam es zur Einigung seitens der Bundesregierung mit den Ländern und Gemeinden über den Stabilitätspakt 2001. Dass dem langwierige und schwierige Verhandlungen vorausgegangen sind, zeigt, wie stark der Druck des Finanzministers auf die Länder und Gemeinden war. Und er hat im Ausschuss ja selbst mitgeteilt – ich habe es sogar notiert, weil er sich so deutlich faktisch demaskiert hat –: Natürlich ist dieser Stabilitätspakt Teil


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des Paketes des Finanzausgleiches. Und jeder, der sich mit Finanzen beschäftigt, weiß, wie wichtig für die Länder und insbesondere für die Gemeinden dieser Stabilitätspakt ist.

Meine Fraktion wird diesem Stabilitätspakt, weil er als technisches Gesetz anzusehen ist, zustimmen. Schließen Sie jedoch aus dieser Zustimmung nicht, meine Damen und Herren, dass wir der Politik, die um den und hinter dem Stabilitätspakt – ist gleich Nulldefizit – betrieben wird, implizit ebenfalls zustimmen! Diese Politik lehnen wir ab, und ich werde ganz kurz auf einzelne Dinge eingehen, die erklären, warum. Man kann das auch leise tun.

Ich möchte eines vorausschicken: Ich werde einige Zitate bringen, weil Sie unsere Kritik immer beiseite schieben und sagen, das sei nicht wahr oder diese Kritik sei unbegründet. Ich werde mich daher auf etliche Aussagen anderer berufen, die mir als Österreicher eigentlich auch weh tun. Sie werden es mir zwar nicht glauben, aber es ist so.

Ich sage Ihnen, mir tut es weh, wenn sich eine EU-Kommission kritisch zur Politik in Österreich äußert. Mir tut es weh, wenn ein OECD-Bericht uns gegenüber kritisch ist, weil es dabei um Österreich geht, und nicht um die Regierung oder um die Opposition. Daher wundere ich mich, dass man auf diese Dinge überhaupt nicht eingegangen ist. Man redet hier manchmal wirklich an wichtigen Dingen vorbei.

Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang sagen – vorweg einmal, bevor ich zu diesen kritischen Äußerungen komme –, dass sich herausstellt, dass die Finanz- und Wirtschaftspolitik letztlich insgesamt – wenn man diese Berichte zusammengefasst betrachtet – eigentlich kritisiert wird, weil die Wirtschaftsleistung zurückgegangen ist, weil die Inflation steigt und weil die Arbeitslosigkeit zunimmt.

Ich weiß schon, dass man sagen kann: Bei uns ist – Gott sei Dank! – die Arbeitslosenrate niedriger als anderswo. Aber was mich bedrückt, ist die Tendenz Ihrer Politik! Jahrelang waren wir sowohl mit der Inflationsrate als auch mit den Arbeitslosenraten unter dem EU-Schnitt. Wir haben uns immer verbessert, und bei der EU ist es im Durchschnitt immer schlechter geworden. Jetzt muss man feststellen, und das ist das Bedrückende, die Tendenz wird anders. Das ist schlicht und einfach eine Entwicklung, die hier zutage tritt.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie immer sagen, Rezession oder Krise – ich will nicht philosophieren, ob es weltweit oder in Europa oder bei uns eine Rezession oder eine technische Rezession gibt, nur ... (Abg. Dr. Pumberger: Sie sagen das!)

Ja, ich sage das. Ich sage nicht, es ist mir eigentlich egal. Faktum ist für mich, wenn ein Internationaler Währungsfonds, wenn eine Weltbank, wenn eine OECD, wenn eine EU-Kommission von einem Erlahmen der Weltkonjunktur spricht – auch wir selbst sehen ja die Entwicklungen; nicht nur bei uns, sondern auch anderswo –, dann müssen doch alle Alarmglocken läuten – nicht erst nach dem 11. September, sondern schon vorher, weil man weiß, wie lange Maßnahmen brauchen, die seitens einer Regierung initiiert werden, wie lange es dauert, bis das zum Greifen kommt.

Was sind die Fakten? – Das Wirtschaftswachstum geht zurück, ich habe es schon gesagt. Seit dem Vorjahr ist es schwächer als im EU-Durchschnitt – leider! Unsere Inflationsrate, lange Jahre unter dem EU-Schnitt, liegt jetzt darüber, und die Arbeitslosenzahlen steigen.

Ich weiß schon, jetzt kommt das Argument, wir haben 3 164 000 Beschäftigte. Aber das ist ein oberflächliches Argument. Herr Präsident Verzetnitsch hat zu Recht darauf hingewiesen. Wir haben nämlich schon gestern darüber geredet. (Abg. Dr. Ofner: Man kann nicht alles ...!)

Man muss sich das anschauen – Kollege Ofner, du hast schon Recht –, dann sieht man, dass ein Teil das durchaus will, aber ich kenne in meinem Bekanntenkreis etliche Menschen, die keine Teilzeitarbeit, die keine atypische Beschäftigung wollen. Daher kann man das nicht einfach so festlegen.


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Man kann darüber diskutieren, ob das 1 Million oder ob das 700 000 sind, aber um jeden Einzelnen, der gerne mehr arbeiten würde, aber nicht kann, ist schade. Ich glaube, da sind wir uns einig.

Jetzt komme ich zu dem, was ich einleitend gesagt habe. Das Nulldefizit spielt dabei auch eine Rolle. Niemand – und wer ehrlich ist, muss das zugeben –, niemand, auch die Maastricht-Kriterien nicht, hat uns gezwungen, eine Nulldefizit-Politik mit dieser Rasanz und in dieser Schärfe – ich möchte nicht sagen, mit dieser Brutalität – zu machen!

In manchen Zeitungen wurde getitelt: Steuerbelastungen unerträglich!, noch bevor die OECD, noch bevor Brüssel etwas darüber gesagt hat, dass die Steuererhöhungen zu der derzeitigen hohen Abgabenbelastung geführt haben. Ich glaube, die Abgabenquote beträgt jetzt schon 45,6 Prozent! Das ist unerträglich!

Uns werden Sie nicht glauben, meine Damen und Herren, daher möchte ich aus einem Bericht zitieren. Darin heißt es:

"Die EU-Kommission merkt weiters an, daß die Einnahmensteigerungen um den genannten Betrag eine ,signifikante‘ Abweichung vom österreichischen Stabilitätsprogramm darstellten." "... eine noch nie da gewesene Steuerbelastung."

Nicht nur wir sagen das also, sondern die EU-Kommission vermerkt das!

Kollege Van der Bellen hat gemeint, strukturell. Das ist schon richtig, dass in dem Bericht angemerkt wird: strukturelle Verbesserungen. Was aber ebenfalls nüchtern festgestellt wird, ist, dass diese strukturellen Verbesserungen durch Einnahmenerhöhungen verursacht wurden, die letztlich wieder zu einer Bremsung des Wirtschaftswachstums und zu einer höheren Inflation geführt haben.

Das sind Fakten! Das ist nicht wegzudiskutieren. Sie können zwar sagen, das nehmen Sie in Kauf, aber wir lehnen diese Politik ab, weil wir der Auffassung sind, das führt letztlich dazu, dass insbesondere die Arbeitnehmer, insbesondere die weniger Verdienenden belastet werden.

Man muss sich das doch anschauen: Was soll heute der Bezieher eines Einkommens von 15 000 oder 20 000 S zu den Steuererhöhungen sagen? – Die Energieabgabe ist um 66,8 Prozent gestiegen, die motorbezogene Versicherungssteuer ist um 41,9 Prozent gestiegen, die gebundene Kfz-Steuer um 21,5 Prozent – und so summiert sich das.

Daher ist es verständlich, dass wir diese Politik kritisieren, die letztlich die Bezieher niedriger Einkommen, die Pensionisten trifft, wenn nichts in Richtung einer Verbesserung unternommen wird.

Meine Damen und Herren! Ich würde mich so etwas nie zu sagen getrauen, das sage ich ganz offen, aber ich kann Ihnen folgendes Zitat nicht ersparen. Mich wundert es, dass es noch niemand zitiert hat. Für mich ist Herbert Krejci, auch wenn es manchen von der ÖVP unangenehm sein mag, eine der großen Persönlichkeiten der Zweiten Republik. Und Krejci sagt:

"Wer bis jetzt nicht gewusst hat, was Chuzpe ist, dem muss es spätestens an dem Tag klar geworden sein, an dem die Regierung vollmundig verkündete, den Fetisch Nulldefizit schon heuer erreicht zu haben. ... Nicht war darin die Rede, dass dieses sehr obskure Ziel nur mit dem bisher schamlosesten Eingriff in die Taschen der Steuerzahler erreicht ... wurde." – Ende des Zitats.

Wenn Sie schon uns nicht glauben, meine Damen und Herren von der ÖVP, dann glauben Sie vielleicht doch diesem Mann! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)


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18.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. Ihre freiwillige Redezeit beträgt wunschgemäß 5 Minuten. – Bitte.

18.57

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Vorbemerkung zum Beitrag meines Vorredners. Ich anerkenne, er meinte, Kritik könnte man auch leise vorbringen. Vielleicht hat er selbst Probleme mit der Lautstärke des vorherigen Redebeitrags von Kollegen Edlinger gehabt. Trotzdem, Herr Kollege Heindl, erkenne ich Ihre sehr objektive Vorsitzführung im Finanzausschuss an, und Ihre heute hier dargelegte Kritik ist auch für uns Anlass, die Sache ernst zu nehmen. Das sei unbestritten.

Aber eines halte ich schon fest: In sehr vielen Dingen hat ein gewisser Herr Krejci wirklich nicht Recht – damit das auch klargestellt ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Heindl meinte, früher wären die OECD-Bewertungen betreffend Österreich besser gewesen. Das ist in dem einen oder anderen Punkt durchaus richtig. Durchaus richtig ist auch, dass wir in dem einen oder anderen Punkt durchschnittlich waren, bei der einen Zahl besser, bei einer anderen wiederum schlechter. Aber wir haben auch heute viele Bewertungsmaßstäbe, bei denen sich das aktuelle Budget, die Arbeitsmarktlage, die Aussichten letztlich insgesamt besser darstellen als früher.

Meine Damen und Herren! Kollege Heindl meinte zu Recht, Infrastrukturmaßnahmen sollten früher greifen. Aber diesbezüglich sollten wir alle in diesem Haus uns an die Brust klopfen! Was haben wir denn bei den verschiedensten Umweltverträglichkeitsprüfungen alles an Erschwernissen eingebaut? Was ist denn in den Naturschutzgesetzgebungen der Länder alles mit verpackt worden, um in diesem Bereich Erschwernisse zu schaffen? (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! So viel Ehrlichkeit sollten wir an den Tag legen, dass wir uns eingestehen, vielleicht manches Mal in dem einen oder anderen Punkt wirklich überzogen zu haben – ganz gleich, ob es sich um die Schiene, um die Straße oder um Baumaßnahmen handelt. Naturschutz ja, aber mit Maß und Ziel, und nicht quasi als Hemmnis und Erschwernisbegleitprogramm! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Gemäß den Verpflichtungen aus der Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion, die für ihre Mitglieder die Erstellung und die Umsetzung von Stabilitätspakten verbindlich vorschreibt, haben in Österreich Bund, Länder und Gemeinden – und das wurde zu Recht gesagt – in äußerst harten Verhandlungen den Vertrag zu einem Abschluss geführt und haben diesen österreichischen Stabilitätspakt vereinbart.

Diese Verhandlungen und dieses Ergebnis sind auch im Lichte des Finanzausgleichs zwischen den Gebietskörperschaften zu sehen. Ich lege allerdings deutlichen Wert darauf, festzustellen, dass ich mit dem Ergebnis dieser Finanzausgleichsverhandlungen absolut keine Freude hatte! Ich habe dies auch immer klar gesagt, weil ich davon überzeugt bin – und die heutigen Fakten beweisen dies deutlich –, dass das Ergebnis der Finanzausgleichsverhandlungen für die finanzschwachen Gemeinden eine Zumutung war, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben hier für etwas die Hand gehoben, was letztlich zwischen den Verhandlungsteams, zwischen Gemeindebund, Städtebund, Bund und Ländern, vereinbart wurde. Daher sollten auch die zuständigen Verhandler die Verantwortung für das Ergebnis tragen und nicht uns die Dinge in die Schuhe schieben.

Ich beweise dies auch. In einem Artikel der heutigen Ausgabe der "Oberösterreichischen Nachrichten" heißt es: "Gemeinden stöhnen wegen steigender Sozialausgaben." – In Oberösterreich können 107 Gemeinden von 445 den ordentlichen Haushalt nicht mehr ausgleichen!

Dies ist aber nicht so, weil dort vielleicht die lockere Hand herrscht – dazu haben diese Gemeinden gar keine Chance, weil ja die Bauvorhaben, die Projekte genehmigungspflichtig sind und weil Darlehensaufnahmen genehmigungspflichtig sind –, nein, sondern weil sie nicht einmal in der Lage sind, ihre Pflichtausgaben zu tätigen!


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Meine Damen und Herren! Noch dazu sind auch die Verpflichtungen bezüglich der Sozialausgaben zu erfüllen, das ist gar keine Frage.

Wenn man weiters bedenkt, wie man hier vernehmen kann, dass die Beiträge für den Abgang des Krankenanstaltenbeitrages zwischen 1997 und 2000 um 36 Prozent gestiegen sind und dass die Sozialausgaben für die Führung von Pflege- und Altenheimen, zu denen wir uns bekennen, in den nächsten Jahren explodieren werden, dann ist es höchst an der Zeit, bei einem kommenden Finanzausgleich auch die Situation der finanzschwachen Gemeinden entsprechend ernst zu nehmen.

Ich kritisiere auch massiv, dass man dann noch auf Umwegen versucht, den Finanzausgleich zusätzlich in der Weise zu unterlaufen, dass man seitens größerer Städte Einsprüche zu den Volkszählungsergebnissen macht, die sinnlos sind, die letztlich eine Zumutung sind. Gott sei Dank wurde vom Höchstgericht in einigen Fällen ein klares Musterurteil gefällt, damit das ein Ende hat.

Ich frage mich allerdings, wer den zusätzlichen Zeit-, Büro- und Betriebsaufwand zahlt. Das, meine Damen und Herren, ist aus der Sicht der großen Städte in Richtung der kleinen, finanzschwachen Gemeinden eine Zumutung. Letztlich werden wir diesem Stabilitätspakt aber unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Dr. Ofner und Dr. Pumberger .)

19.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

19.04

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte in aller Kürze die Skepsis unserer Fraktion zu zwei Punkten anmerken. Ich darf mit dem Staatsschuldenausschuss beginnen, der bis jetzt noch nicht erwähnt wurde, aber meiner Information nach – wenn wir die richtigen Unterlagen haben, was ja meistens der Fall ist – auch in diesem Block verhandelt wird.

Wir haben in diesem Ausschuss schon eigenartige Feststellungen machen können, bis hin zu einer Ausschussfeststellung, die dann ja auch so hieß. Was ist das Faktum? Es müsste die so genannte Kommission meines Erachtens ihrem formellen Titel nach umgetauft werden auf "Regierungsberatungskommission", denn wenn jetzt die regierungsentsandten Vertreter dort de facto die Mehrheit haben, dann ist das eben so zu sehen.

Ich füge hinzu, dass man dagegen noch nicht einmal etwas haben muss. Es gibt ja auch sonst etliche Kommissionen, die entweder die Minister oder die gesamte Regierung beraten. Im Prinzip gibt es dagegen keinen Einwand. Nur: Der Staatsschuldenausschuss hat bis jetzt den Charakter einer Art "Staatsberatungsagentur" gehabt, war jedenfalls nicht auf die spezifische Regierung hin zugeschnitten. Ja vielmehr im Gegenteil durfte derjenige, der zum Beispiel indirekt für einen Zeitungsbericht informiert wurde, guten Glaubens sein, dass dort kritische Töne kommen würden, auch gegenüber einer Regierung.

Noch einmal füge ich hinzu, dass das ja unserer Linie gar nicht immer passen muss. Aber man wusste, woran man ist. Sie taufen diese Kommission nicht um, verändern sie aber maßgebend. Aber da es schon sehr spät ist und die Polemik hintangehalten wird, erspare ich mir jetzt die Stelle mit der Umfärbelungsaktion. Das wäre sonst zu machen gewesen.

Wir fahren also fort und kommen zu dieser besagten Ausschussfeststellung, denn die muss schon auch hier im Protokoll festgehalten werden.

Dass der Ausschuss nach Meinung der Mehrheitsfraktionen – und zwar haben Sie das ohne Not und zunächst ohne einen von uns geäußerten Verdacht vorgelegt! – davon ausgeht, dass diese Kommission weiterhin unabhängig bleibt, ist schon eigenartig, nicht wahr? – Auf Grund


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der gesamten Debatte haben wir ja dann tatsächlich den Eindruck gewonnen, dass es genau mit dieser Unabhängigkeit schlechter bestellt sein wird.

Ich meine, wenn man das auf die Spitze treibt, dann könnte man ja hinkünftig dem Landwirtschaftsausschuss empfehlen – da es ein Anliegen ist, dass die Leute nicht so nass werden, wenn es regnet –, dass der Landwirtschaftsausschuss feststellt, dass die Bevölkerung bei Regen nicht von oben nass wird. – So weit werden wir es noch bringen mit dieser Art von Ausschussfeststellungen! Das ist ein Missbrauch der Geschäftsordnung, der hier betrieben wird und den auch wieder die Mehrheit zu verantworten hat. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber genug davon. Es steht ja auch etwas so Wichtiges wie der Stabilitätspakt im ersten Punkt dieses Blockes an. Warum unsere Skepsis? – Weniger wegen der Form. Wir sind ja der Meinung, dass man, wenn gemeinsame Budget- und Finanzziele gerade über einen längeren Zeitraum – was ja durchaus vernünftig ist; in diesem Fall bis 2004 – gefasst werden, das auch vertraglich zwischen den Gebietskörperschaften abdichten soll. Das ist das Richtige.

Das Problem dabei ist nur, dass hier auch ein Inhalt normiert wird, der unserer Meinung nach skeptisch und kritisch zu hinterfragen ist. Und genau die Form, die das garantieren soll, nämlich die Verbindlichkeiten der Gebietskörperschaften zueinander, wird ja jetzt mit dieser Vorlage und mit dem Folgegesetz wieder verändert. Die Verbindlichkeiten und die Verpflichtungen der Gebietskörperschaften zueinander werden ja wesentlich aufgeweicht gegenüber dem ersten Stabilitätspakt. Das ist einfach daher gekommen, dass sich die Länder, namentlich die Landeshauptleute, einfach durchgesetzt haben. So war es, das können Sie nicht wegdiskutieren.

Warum unsere Skepsis und letztlich Ablehnung des Stabilitätspaktes in seiner inhaltlichen Form? – Weil hier sehr eng an dem von uns kritisierten Nulldefizit festgehalten wird, und zwar pro Jahresperiode. Die Schwankungsbreite von bloß 0,15 Prozent des BIP erscheint uns eher gering. Wenn das ein größerer Spielraum gewesen wäre, dann hätte man darüber reden können. Aber innerhalb dieses Spielraums zu bleiben beziehungsweise dann, wenn man darüber hinausschießt, einen Sanktionsmechanismus einzuziehen, der staatsvertraglichen "Salzamtcharakter" hat, das erscheint uns doch problematisch.

Insofern passiert unserer Meinung nach beide Male tendenziell das Falsche: Dort, wo die Sanktionsmechanismen gebündelt waren, werden sie aufgeweicht, und die Sache, um die es eigentlich geht, wird zu eng gehalten. Und warum die SPÖ dem zustimmt, habe ich bis jetzt auch noch nicht ergründen können. (Beifall bei den Grünen.)

19.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

19.09

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eingangs, dass ich Herrn Bundesminister Karl-Heinz Grasser, Herrn Staatssekretär Finz und allen Beteiligten dazu gratuliere, dass dieser innerösterreichische Stabilitätspakt trotz aller Unkenrufe der Opposition als ein Meilenstein der österreichischen Budgetpolitik auf Schiene gebracht werden konnte! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mit diesem Stabilitätspakt ist aber auch eine neue Kultur der Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften – Bund, Länder und Gemeinden – verwirklicht worden, ebenfalls trotz aller Unkenrufe der Opposition. Mein Dank gilt daher auch den Landeshauptleuten sowie den Vertretern des Gemeindebundes und des Städtebundes.

Dieser Stabilitätspakt ist aber auch eine tragende Säule der Budgetpolitik neu: keine Neuverschuldung und mehr Chancen für die Zukunft. Die Umsetzung dieses Stabilitätspaktes gibt den jungen Menschen in Österreich wieder Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft, den Erwerbstätigen die Chance auf eine gesicherte Beschäftigung, schafft für den Wirtschaftsstandort


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Österreich beste Rahmenbedingungen und bringt den älteren Mitbürgern in unserem Land den verdienten sorgenfreien Lebensabend.

Dieser Stabilitätspakt bringt für die Gemeinden aber auch die Notwendigkeit, endlich eine mittelfristige Finanzplanung und Haushaltsführung zu verfolgen. Er enthält eine ausreichende Berichtspflicht, verbunden mit einem fairen Sanktionsmechanismus. Nicht die Landeshauptleute haben sich durchgesetzt, sondern in gemeinsamen Verhandlungen wurde gemeinsam ein fairer Sanktionsmechanismus ausverhandelt.

Darüber hinaus bietet dieser Stabilitätspakt auch genügend Spielraum für die Budgetumsetzung in konjunkturell schwierigen Zeiten, weil entsprechende Bandbreiten gelassen wurden – eine absolut runde Sache.

Dies hat offensichtlich auch die SPÖ erkannt und hat im Finanzausschuss diesem Stabilitätspakt zugestimmt. Allerdings ist die Begründung, ihre Zustimmung zum Stabilitätspakt sei lediglich formal zu sehen und keinesfalls als inhaltliche Zustimmung zu werten, eine Aussage wie: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!" zu einer Säule der Budgetpolitik.

Wer diesem Stabilitätspakt zustimmt, stimmt auch der Politik "keine neuen Schulden mehr" zu. Ich hätte mir von den Sozialdemokraten mehr Mut zur Wahrheit erwartet. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

19.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. – Bitte.

19.12

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zunächst haben wir die Zustimmung zu diesem Stabilitätspakt als selbstverständlich angesehen, weil auch die Länder und die Gemeinden zugestimmt haben und weil dies letztlich – und das muss schon angemerkt werden – eine technische Durchführung ist und nicht eine Beurteilung der Budget- und Finanzpolitik.

Natürlich wurden die Länder und auch die Gemeinden unter Druck gesetzt. Die Opfer, die sie dafür zu erbringen haben, liegen ja in der Größenordnung von 23 Milliarden. Das bedeutet natürlich, dass ein sehr großer Beitrag aufgebracht werden muss und daher in der Folge weniger Investitionen von diesen Gebietskörperschaften getätigt werden können.

Was ich heute noch einmal erwähnen möchte, ist die Tatsache, dass Herr Bundeskanzler Schüssel zum Beispiel Zahlen verwendet, die auf ganz besondere Impulse aus den Aufträgen der öffentlichen Hand hinweisen. Er meinte, dass die Mittel dafür sogar höher liegen als in der Vergangenheit, wobei dies nicht nachvollziehbar, nicht sichtbar ist, weil sie sich ja nicht in diesem Budget vollziehen. Es kann sie auch letztlich nicht geben, weil zum Beispiel die Bauwirtschaft sehr bitter darüber klagt, dass keine entsprechenden Aufträge da sind.

Was mich dabei besonders interessiert, ist der Gegensatz zu den Aussagen von Herrn Bundesminister Grasser, der hier eine andere Beurteilung trifft. Er meinte nämlich, wir müssen die Projekte zur Umsetzung bringen, egal, ob es dabei um Schieneninfrastrukturinvestitionen geht oder um die Bahn, die ASFINAG oder die Wohnbauförderungsmittel. Also der eine sagt, die Projekte sind umgesetzt, und der andere sagt, wir müssen sie in Umsetzung bringen.

Tatsache ist, dass sie nicht in Umsetzung sind, und Tatsache ist, dass wir die öffentlichen Aufträge dringend für große Bereiche der Wirtschaft brauchen würden und dass – offensichtlich auf Grund eines chaotischen Ministeriums – wirklich baureife Projekte nicht umgesetzt werden!

Es wurde heute auch immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, diese Diskussion doch etwas zu versachlichen oder die Dinge einmal in der Richtung zu sehen, dass dieses Ziel, das angestrebt wird, nämlich ausgeglichen zu bilanzieren, eines ist, das generell Gültigkeit und auch Richtigkeit hat. Dabei ist aber zu betonen, dass dies über eine gesamte Konjunkturperiode zu sehen ist und nicht nur auf ein Jahr abgestellt werden kann.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tatsache ist, dass diese beachtlichen Korrekturen in den Wachstumsprognosen ernst zu nehmen sind. Die OECD spricht erstmals seit zwei Jahrzehnten von einem Rückgang der Weltwirtschaft und von einem Schrumpfen. Auch wenn Bundesminister Grasser keine Rezession sieht, muss man feststellen, es gibt in Wahrheit keine einzige Prognose, die nicht in diese Richtung geht. Und es ist ein markantes Merkmal dieser Entwicklung, dass die Verschlechterung in allen Zentren der Weltwirtschaft stattfindet. Das bedeutet, dass es natürlich auch Auswirkungen auf Österreich geben wird, was auch schon in den Prognosen klar zum Ausdruck gebracht wird.

Tatsache ist auch, dass die Exporte Österreichs stagnieren, dass der Großhandel im Minus liegt und dass die Bauwirtschaft sich in der Rezession befindet.

Die Beschäftigung ist sehr abgeflacht. Und auch wenn man noch so heftig darüber diskutiert, ob die Menschen bereit sind, Halbtagsbeschäftigungen anzunehmen: Es gibt schon welche, die Halbtagsbeschäftigungen bevorzugen, aber in Wahrheit geht es doch darum, eine Beschäftigung zu haben, von der man leben kann, und das kann man eben in vielen Fällen von Halbtagsarbeit nicht. Daher geht es auch in der Beschäftigungsprognose darum, möglichst Vollbeschäftigte zu haben, die genügend Einkommen erzielen, damit das Leben bestritten werden kann.

Bezüglich wirtschaftspolitischer Gegenstrategien meine ich, dass auf der EU-Ebene Zinssenkungen und fiskalpolitische Maßnahmen notwendig sind und dass Österreich gut daran täte, auf der EU-Ebene dringend darauf hinzuweisen, dass eine Budgetkonsolidierung bei Rezessionsgefahr kontraproduktiv ist, meine sehr geschätzten Damen und Herren.

Das bedeutet, dass derzeit von diesem Bundesminister und dieser Bundesregierung eine Politik gemacht wird, die konjunkturell zum falschen Zeitpunkt erfolgt und daher – und davor warne ich wirklich – keine zusätzlichen Maßnahmen restriktiver Art verträgt, sonst rutschen wir tatsächlich in eine Rezession hinein, die wir alle miteinander nicht wollen.

Was die Schuldenentwicklung und die Schuldenquote betrifft, meine sehr geschätzten Damen und Herren, möchte ich abschließend ein paar Zahlen laut der Oesterreichischen Nationalbank nennen.

1996 lag Österreich mit 69,2 Prozent besser als der Durchschnitt der EU-15, deren Schuldenquote betrug nämlich 72,2 Prozent. Diese günstige Entwicklung setzte sich bis zum Jahr 2000 fort, da haben wir 63,1 Prozent verzeichnet, und der EU-Durchschnitt lag bei 64,4 Prozent. Heute liegen wir in der Prognose mit 61,6 Prozent gegenüber 61,6 Prozent in der EU beziehungsweise im Jahr 2002 mit 59,5 gegenüber 59,2 Prozent in der EU praktisch gleich. Das bedeutet, dass sich in Wirklichkeit die Staatsschuldenquote nicht verbessert, sondern tendenziell verschlechtert hat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als nächste Rednerin spricht Frau Abgeordnete Schoettel-Delacher. – Bitte.

19.18

Abgeordnete lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Teilnehmer an der Wirtschafts- und Währungsunion sind auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften verpflichtet, Stabilitätspakte zu erstellen und umzusetzen, die mittelfristig auf ausgeglichene Haushalte zielen oder Haushaltsüberschüsse produzieren.

Der bisherige Stabilitätspakt konnte diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, und die darin festgestellten Stabilitätsziele waren auch aus europäischer Sicht ungenügend. Im Juni 2001 haben deshalb Bund, Länder und Gemeinden Einvernehmen über einen erneuerten österreichischen Stabilitätspakt erzielt, in dem für dieses Jahr noch ein gesamtstaatliches Budgetdefizit von minus 1,3 Prozent vorgesehen ist und ab 2002 bis 2004 ausgeglichene gesamtstaatliche Haushalte vorgesehen sind.


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Dank der konsequenten Budgetpolitik dieser Bundesregierung wird das Nulldefizit erfreulicherweise bereits dieses Jahr erreicht werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Bravo! Super!) Damit ist es dieser Regierung gelungen, ein Rekorddefizit in Rekordzeit abzuarbeiten und der verantwortungslosen Schuldenpolitik ein Ende zu bereiten.

In der Herbstprognose der EU-Kommission – um hier auch einmal die positiven Dinge aus diesem Bericht zu erwähnen – heißt es, dass trotz Kindergeldes die Budgets 2001 und 2002 von spürbaren Sparbemühungen geprägt seien. Strukturell verbessere sich das Budget wie geplant, und erstmals seit einigen Jahren verbessere Österreich seine Position im EU-Vergleich. Auch die Inflationsrate und die Arbeitslosenrate werden niedriger sein als die der Euro-Zone. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Umso befremdender wirkt in diesem Zusammenhang die Oppositionskritik. Die SPÖ forderte, die Budgetkonsolidierung langsamer und im Gleichschritt mit den wichtigsten Wirtschaftspartnern in der EU anzugehen. – Eigenartig ist nur, dass die SPÖ immer weitere Defizite zu verantworten hatte, wohingegen die Wirtschaftspartner der EU längst Überschüsse produzieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun haben wir in Rekordzeit ein Nulldefizit erreicht, und schon wirft die Opposition ihre guten Ratschläge über Bord und fordert übermütig die Vorziehung der geplanten Steuerreform. – Da soll sich nun einer auskennen!

Eine verantwortungsvolle Budget- und Finanzpolitik sollte sich vielmehr dadurch auszeichnen, dass nicht wieder vorschnell ausgegeben wird, was noch nicht eingenommen wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Andererseits müssen nachhaltige Reformen mit einer mittelfristigen Finanzplanung einhergehen, und es dürfen nicht auf Grund des Erfolges eines Jahres isoliert vorschnelle Aktionen gesetzt werden.

Es ist schon klar: Eine Steuerreform muss und wird auch kommen. Ihr Ziel wird es sein, bis 2010 die Abgabenbelastung der Österreicher etappenweise auf unter 40 Prozent zu senken. Bei einer übers Knie gebrochenen Steuerreform hätten wir es allerdings wieder mit einem ungedeckten Scheck zu tun, dessen Finanzierung neuerlich ein Sparpaket nötig machen würde. Dies würde sämtliche im Stabilitätspakt vereinbarten Bemühungen von Bund, Ländern und Gemeinden zunichte machen. – Diese Art von Finanzpolitik ist Gott sei Dank nicht der Stil dieser Bundesregierung. (Beifall und Bravoruf bei den Freiheitlichen sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

19.22

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich auch mit der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und Gemeinden über eine Verstärkung der stabilitätsorientierten Budgetpolitik beschäftigen und nur kurz zwei Repliken machen.

Die eine zu Kollegen Auer – der gerade wieder im Saal ist –, nämlich die, dass ich die Meinung teile, dass finanzschwache kleine Gemeinden durchaus unter diesem Stabilitätspakt (Abg. Auer: Klein ist nicht gleich schwach!) – nein, nein: kleine, finanz schwache Gemeinden! – zu leiden haben. Das ist gar keine Frage, und darauf wird man auch in Zukunft Rücksicht nehmen müssen. Auf der anderen Seite aber würde ich trotzdem sagen, dass man nicht Städte und Gemeinden – und auch finanzschwache Gemeinden – gegeneinander ausspielen soll, sondern miteinander versuchen soll, die Problematik zu lösen. – Ich glaube, da sind wir ja einer Meinung.

Zu Kollegen Böhacker möchte ich sagen, dass ich nicht seiner Meinung bin (Abg. Böhacker: Aber geh! Das tut mir weh!), dass durch diesen Stabilitätspakt vor allem Aufträge für Erwerbs


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tätige kommen werden, denn fest steht: Das funktioniert volkswirtschaftlich nicht! Wenn man 23 Milliarden Schilling an Ausgaben zurücknimmt – und das beinhaltet der Stabilitätspakt –, dann kann man nicht gleichzeitig damit Beschäftigung erzeugen. (Abg. Böhacker: ... Milliarden aus der Wohnbauförderung bekommen! Schau dir einmal an, wie viel Geld die Länder haben! Schau dir an, wie viel Geld die haben!) Beides, Herr Kollege Böhacker, geht nicht! Sie können einige Leute am Schmäh halten, aber nicht ständig alle Leute am Schmäh halten – das funktioniert einfach nicht, lieber Kollege Böhacker! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf aber darauf verweisen, dass im Zuge dieses Crash-Kurses der Bundesregierung im Bereich der Budgetsanierung ja fast zu erwarten war, dass der Finanzminister zum Beispiel auch an den Mitteln des Wasserwirtschaftsfonds sehr starkes Interesse zeigt – das wird auch Kollegen Auer interessieren – und diese auch zum Stopfen von Budgetlöchern ins Auge fasst. Bis zum Jahr 2003 sollen nun auch diesem Fonds bedeutende Geldmittel entzogen werden, und darüber hinaus liegt nun ein Entwurf zur Änderung der Förderungsrichtlinien vor, der wesentliche Einsparungen – sprich: Herabsetzungen – dieser Förderungen vorsieht.

Das steht nicht im Stabilitätspakt, das haben aber die Gemeinden auch noch zu verkraften. Das hat zur Folge, dass entweder die Maßnahmen auf dem Sektor Kanal-, Wasserbau wesentlich eingeschränkt werden müssen oder dass die Länder und Gemeinden andere – eigentlich nicht vorhandene – Geldmittel flüssig machen sollten, und führt schlussendlich zu einer notwendigen Preiserhöhung im Bereich Wasser- und Abwassergebühren, für die dann letztendlich nicht die Gemeinden verantwortlich sind, sondern eben ganz einfach der Finanzminister verantwortlich sein wird. – Eine Entwicklung, meine Damen und Herren, die höchst unerfreulich sein wird und nicht im Sinne einer nachhaltigen Wasserwirtschaft sein kann, zu der sich auch diese Bundesregierung bekannt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Besonders gravierend sind die Auswirkungen in Wien im Bereich der Abwasserentsorgung: Für die im Gang befindlichen massiven Verbesserungen vor allem an der Hauptkläranlage und dem übergeordneten Sammelkanalnetz, das für die Reinigung und Reinhaltung der Donau von besonderer Wichtigkeit ist, sind in den nächsten zehn Jahren mehr als 10 Milliarden Schilling an Investitionen – sie sind bereits im Gange – vorgesehen. Das sind schon ganz beachtliche Beträge! Für die Abwasserwirtschaft Wiens bedeutet aber die Reduzierung der Förderung, die bisher vorgesehen war, ein jährliches Minus von 130 Millionen Schilling! Also nicht nur die kleinen Gemeinden, auch die großen Gemeinden sind hier entsprechend betroffen. (Abg. Hornek: ... 1,2 Milliarden! Für die ist das kein Problem!) Es werden also der Stadt Wien – am Finanzausgleich vorbei und am Stabilitätspakt vorbei – in diesem Fall jährlich mehr als 200 Millionen Schilling entzogen.

Dafür ist dem Bund ein auf den ersten Blick harmloses Rechenbeispiel eingefallen: Die bisherige Förderung wird gleichmäßig für alle Fälle – Basisförderung und Spitzenförderung – reduziert; dafür gibt es einen Ausgleich zum Beispiel für Kanalbauten, einen pauschalierten Zuschuss pro Laufmeter. (Abg. Hornek: Sehr vernünftig!) Dies ergibt bei den geringen Laufmeterkosten im ländlichen Raum wieder die ursprüngliche Förderhöhe; in den Ballungsräumen hingegen reduziert sich die Förderung drastisch (Abg. Hornek: Zu Recht! 1,2 Milliarden Gewinn für die Stadt Wien!), weil dort ganz andere technische Voraussetzungen gegeben sind. – Sie sagen: zu Recht. Ich sage: Es ist eine Ungleichheit zwischen Stadt und Land.

Die Städte zahlen daher den Preis, und es muss nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Bundesländer sehr stark zur Sanierung des Bundesbudgets herangezogen wurden und dass auf dem Wege der Rücknahme von Förderungen in diesem Bereich ein weiterer nicht unbeträchtlicher versteckter Betrag eingefordert wird, der, wie schon eingangs erwähnt, entweder zu Lasten der nachhaltigen Wasserwirtschaft geht oder im Wege von Gebührenerhöhungen von den Bürgern aufgebracht werden muss.

Der Österreichische Städtebund, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat sich überdies in einer sehr fundierten Aussendung ausführlich mit diesen Themen beschäftigt. Diese Ausführungen enden mit der Schlussfolgerung, dass die im Bereich des Wasserwirtschaftsfonds geplanten Maßnahmen eine empfindliche Änderung des geltenden Finanzausgleichs darstellen


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und dass in diesem Lichte nicht mehr von einem paktierten Finanzausgleich für die Jahre 2002 bis 2004 – da halte ich es mit Ihnen, Herr Kollege Kogler – gesprochen werden kann. Dieser Meinung schließt sich auch die Stadt Wien vollinhaltlich an.

Es werden hier auf dem Altar der Budgetsanierung wesentliche Errungenschaften des erfolgreichen Weges der österreichischen Umweltpolitik geopfert und darüber hinaus negative Akzente im Bereich der Beschäftigungspolitik gesetzt.

Es wurde heute schon von Regierungsseite her – vom Herrn Finanzminister, vom Herrn Bundeskanzler – vom Vorziehen von Infrastrukturprojekten gesprochen. – Vom einen wird gesprochen, etwas anderes wird gemacht: Sie sprechen anders, als Sie handeln in dieser Bundesregierung.

Wir sind daher gegen eine Politik, die um jeden Preis die kommunale Infrastruktur und somit Tausende Arbeitsplätze gefährdet, stimmen aber diesem Pakt trotzdem zu, weil wir der Meinung sind, dass eine Reihe von technischen Finanzvorgängen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden durchzuführen sind, die einfach der Zustimmung bedürfen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

19.28

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Plenum! Ich möchte nochmals auf das Wirtschaftswachstum eingehen, weil wieder für Österreich das Wort "Rezession" verwendet wurde. In Österreich gibt es keine Rezession! Eine Rezession ist ein Schrumpfen einer Wirtschaft! – Wir haben nach unseren eigenen Planungen – und wir werden das auch bestätigen – ein reales Wachstum für das Jahr 2001 von plus  1,3 und für das Jahr 2002 ebenfalls von plus 1,3 Prozent!

Wir hatten im Jahre 1999 eine Schuldenquote von 64,9 Prozent, hatten im Jahre 2000 – mit diesem Rechnungsabschluss, den wir heute vorgelegt haben – eine Schuldenquote von 63,5 Prozent und werden im Jahre 2002 eine Schuldenquote von 59,6 Prozent erreichen, also unter 60 Prozent liegen.

Es wurde heute ein Vergleich angestellt und behauptet, wir hätten schlechtere Daten als die Euro-Zone, als die EU insgesamt beziehungsweise andere Länder. – Laut einer OECD-Studie wird Österreich im Jahr 2002 mit seinem Defizit besser liegen als die Euro-Länder, als die EU insgesamt und als die OECD. Wir werden beim Defizit einen Prozentsatz von 0,0 haben, die Euro-Länder von minus 0,4, die EU von minus 0,1 und die OECD von minus 0,3. – Damit können wir also beweisen, dass wir eine gute Wirtschaftspolitik machen. Wir machen den Grundsatz, dass wir den Haushalt konsolidieren, wahr.

Ich war heute Nacht beim EU-Haushaltsrat und kann noch ein weiteres erfreuliches Ergebnis mitteilen: Es wird noch der parlamentarische Beschluss erfolgen, aber das heutige Ergebnis des EU-Haushaltsrates war, dass im EU-Budget für das Jahr 2002 für die Regionalförderung – also für die Vorbereitungen für den EU-Beitritt – 50 Millionen € vorgesehen werden, hievon 14 Millionen für die Unterstützung der so genannten KMU-Betriebe. Für das Jahr 2003 kommen noch weitere 15 Millionen € dazu.

Ich möchte nur sagen: Um 15 Uhr des Vortages hat die Sitzung begonnen. Da lag das Angebot des Rates bei 6 Millionen €. Finnland, Deutschland und Österreich konnten dann, indem sie so lange nicht zugestimmt haben und durch die Unterstützung der Vertreter des Europäischen Parlaments, diesen Abschluss erreichen. Ich glaube, das ist für Österreich ein sehr gutes Ergebnis. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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84. Sitzung / Seite 180

19.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller. – Bitte.

19.31

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Nach der Einigung über den Finanzausgleich und weiteren Detailverhandlungen der Finanzausgleichspartner wurde am 18. und 25. Juni 2001 Einvernehmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über den Wortlaut eines neuen österreichischen Stabilitätspaktes erzielt. Der 20 Artikel umfassende Pakt enthält wichtige Bestimmungen, von denen ich einige näher beleuchten möchte.

Eine verstärkte Stabilitätsorientierung und deren Beiträge beziehungsweise Lastenaufteilung: Der österreichische Stabilitätspakt setzte für Bund, Länder und Gemeinden jeweils Stabilitätsbeiträge fest, die sicherstellen sollen, dass Österreich ab dem Jahr 2002 einen ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt aufweist. Die Verpflichtungen des Bundes lauten, im Jahre 2001 ein Defizit von maximal 2,05 Prozent und in den Jahren 2002 bis 2004 von maximal 0,75 Prozent des BIP zuzulassen.

Wie wir bereits von unserem Finanzminister Karl-Heinz Grasser informiert wurden, werden wir bereits im Jahr 2001 einen ausgeglichenen Haushalt haben.

Die Länder verpflichten sich, von 2001 bis 2004 gemeinsam einen durchschnittlichen Haushaltsüberschuss von 0,75 Prozent des BIP, jedenfalls aber jährlich 23 Milliarden Schilling zum gesamtstaatlichen Konsolidierungspfad beizutragen. Die größten Brocken entfallen auf Wien mit rund 4,8 Milliarden Schilling sowie Niederösterreich und Oberösterreich mit je 4,2 Milliarden Schilling. Unterschreitungen werden bei den Ländern bis 0,15 Prozent und bei den Gemeinden bis 0,10 Prozent toleriert. Die Unterschreitungen der Beiträge sind in den Folgejahren auszugleichen, damit über den gesamten Geltungszeitraum der Stabilitätsbeitrag erreicht wird.

Es gibt auch eine gemeinsame Haushaltskoordinierung. Zur effektiven Umsetzung dieser Verpflichtungen koordinieren Bund, Länder und Gemeinden ihre Haushaltsführungen. Dazu werden politische Koordinationskomitees eingerichtet. Beschlüsse in diesen Gremien erfolgen einvernehmlich. Auch Bund, Länder und Gemeinden haben sich zusätzlich bei der Beschlussfassung über die jährlichen Haushaltsvoranschläge an den mittelfristigen Vorgaben zu orientieren.

In der letzten Finanzausschusssitzung wurde diesem Stabilitätspakt sowohl von den Vertretern der Regierungsparteien als auch von jenen der SPÖ die Zustimmung erteilt. In dieser Sitzung bekräftigte auch unser Finanzminister Grasser, dass es notwendig sei, im Konjunkturzyklus einen ausgeglichenen Haushalt zu haben, was Defizite in konjunkturschwachen Zeiten beziehungsweise Überschüsse in konjunkturstärkeren Zeiten nicht ausschließe. Er ist auch voll überzeugt davon, dass die Länder den Stabilitätspakt einhalten werden.

Was die Konjunkturentwicklung betrifft, ist festzustellen, dass Österreich trotz revidierter Wachstumsprognosen immer noch besser dasteht als viele andere Staaten, als etwa Deutschland oder Italien.

Dieser Pakt ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Stabilität unserer Finanzen. Ich ersuche nun das Hohe Haus, dieser Vereinbarung die Zustimmung zu geben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung in 829 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.


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84. Sitzung / Seite 181

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2001 geändert wird, samt Titel und Eingang in 858 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist neuerlich die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses geändert wird, samt Titel und Eingang in 863 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich die Mehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

11. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (778 der Beilagen): Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses an das Land Burgenland aus Anlass der 80-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich (856 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (827 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Kapitalverkehrsteuergesetz, das Straßenbenützungsabgabegesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, die Bundesabgabenordnung, die Abgabenexekutionsordnung, das Finanzstrafgesetz 1958 und der Artikel 34 des Budgetbegleitgesetzes 2001 geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2001, AbgÄG 2001) (859 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht und Antrag des Finanzausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über Sonderregelungen zur Mittelstandsfinanzierung auf dem Gebiet der Gebühren sowie Verkehrsteuern geändert wird (860 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (775 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Bundesgesetz über die Gründung einer Bundespensionskasse AG geändert werden (861 der Beilagen)


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84. Sitzung / Seite 182

15. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (782 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Kraftfahrgesetz 1967 und das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer geändert werden (862 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 bis 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen sogleich in die Debatte ein.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

19.38

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das Burgenland feiert heuer seine 80-jährige Zugehörigkeit zu Österreich. Dieses Jubiläum ist für uns Burgenländer Anlass zur Freude über die gute Entwicklung unseres Heimatlandes. Die Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg hatten für Österreich viele Härten und Enttäuschungen gebracht. Erst nach zähen Verhandlungen gelang es, die Anerkennung der nationalen Selbstbestimmung derart durchzusetzen, dass das Burgenland der Republik Österreich als gleichberechtigtes Bundesland zugesprochen wurde. Dennoch konnte das Burgenland erst 1921 nach bewaffnetem Widerstand ungarischer Freischärler mit Hilfe von Gendarmerie und Heer von Österreich übernommen werden.

Trotz der schwierigen zwanziger und dreißiger Jahre und der schrecklichen Zeit des Krieges und des Nationalsozialismus hat sich der Aufbauwille immer wieder durchgesetzt. Nach den Einschränkungen der Besatzungszeit und der Lage an der toten Grenze des Eisernen Vorhanges haben die Burgenländerinnen und Burgenländer ein blühendes Land geschaffen, eine Region mit Lebensqualität und hervorragenden Aussichten für die Zukunft. Wir begehen dieses Jubiläum auch in Dankbarkeit für die Leistungen und Opfer all jener Menschen, die unserem Land die Grundlage für diesen Aufstieg gegeben haben, denn diese acht Jahrzehnte waren ein Zeitraum voller Entbehrungen, großer Leistungen und gemeinsamer Anstrengungen.

Wir Burgenländer sind ein aufrichtiges, fleißiges Volk, das selbst gerne gibt. Dennoch freuen wir uns über den Zweckzuschuss von 55 Millionen Schilling, den wir heute beschließen wollen: 55 Millionen Schilling für Bildung, Beschäftigung und Wirtschaft; 55 Millionen Schilling zur Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, zur Pflege der sprachlichen Vielfalt und zur Stärkung der Identität des Landes – gut investiertes Geld mit Mehrwert für ganz Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf alle, die das Besondere suchen, einladen, sich von der Einzigartigkeit des jüngsten Bundeslandes Österreichs zu überzeugen. Ein kurzer Streifzug durch die burgenländischen Jahreszeiten soll vielleicht etwas Lust auf mehr machen.

Meine Damen und Herren! 300 Sonnentage und 2 000 Sonnenstunden das Jahr über, die Möglichkeit, sich an mannigfachen Formen des Wassers zu ergötzen, sowie die natürlichen Gegebenheiten, gepaart mit den klimatischen Vorzügen, geben dem Burgenland einen einzigartigen Heimvorteil. (Beifall bei der SPÖ.)

Im März sprießen schon die ersten Pflanzen in der pannonischen Tiefebene, während in Westösterreich der Sonnenskilauf beworben wird. Die Frühlingserlebnisse erstrecken sich über das Erwachen der Natur, den Zuzug der Vögel im Nationalpark, die Jungwein-Verkostung bis hin zum sportlichen Sommer-Opening. (Abg. Böhacker: Wie schaut es aus mit Golf spielen?)

Der Sommer steht ganz im Zeichen eines pulsierenden Kulturreigens von den renommierten Seefestspielen in Mörbisch über die Opernfestspiele im Römersteinbruch St. Margarethen bis hin zu den zahlreichen Burg- und Schloss-Spielen. Fast nahtlos geht es dann über in den Wein-kulinarischen Herbst. Eintauchen in die warmen, entspannenden Wellen der heißen Thermen,


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heißt es dann im kalten Winter, bis die ersten Sonnenstrahlen wieder die Natur erwecken und das Frühlingserwachen ankündigen.

Nutznießer der Jubiläumsgabe werden auch die grenzüberschreitenden Projekte Nationalpark Neusiedlersee oder die Naturparke im Mittel- und Südburgenland sein – interessante Projekte auch im Hinblick auf die europäische Osterweiterung, die zweifellos neue Maßstäbe setzen und neue Konkurrenzen schaffen wird. Doch Konkurrenz belebt die Sinne, und so wird das Burgenland mit seinem Charme und seiner ursprünglichen Natürlichkeit – unterstützt durch die Jubiläumsgabe – auch in Zukunft der Geheimtipp sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke für Ihre Zustimmung, und: Willkommen im Burgenland! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Böhacker. )

19.43


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84. Sitzung / Seite 184

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte.

19.43

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider gibt es zum Abgabenänderungsgesetz 2001 noch keinen Werbeprospekt, den ich Ihnen zum Vortrag bringen kann. Ich muss mich daher auf die Tatsachen beschränken. (Abg. Kiermaier: Das ist der Vorteil!)

Die in diesem Tagesordnungspunkt vorliegenden Gesetzesanträge haben als Kernstück, wie gesagt, das Abgabenänderungsgesetz 2001. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin schon seit einiger Zeit hier im Haus: Wann immer wir ein Abgabenänderungsgesetz beschlossen haben, hat dies mehr Steuern bedeutet. Als wir die so genannten Sparpakete beschlossen haben, bedeutete das Schweiß, Blut und Tränen.

Diesmal ist es das erste Abgabenänderungsgesetz, mit dem keine zusätzlichen Steuern eingehoben werden. Es ist das erste Abgabenänderungsgesetz, das empfindliche Verwaltungsvereinfachungen bringen wird. In diesem Abgabenänderungsgesetz ist das Kernstück das Gebührengesetz, mit dem wir einige gebührenpflichtige Tatbestände abschaffen. Zum Beispiel entfällt die Gebühr bei Vollmachten, bei privaten Zeugnissen und bei Protokollen. Wir erreichen dadurch eine enorme Verwaltungsvereinfachung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Eine weitere Änderung betrifft den Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld. Bis jetzt wurde man bereits zur Zahlung aufgefordert, wenn man sein Anliegen vorbrachte. Zukünftig wird es so sein, dass die Gebühr sozusagen erst dann anfällt, wenn die Arbeit erledigt ist. Zuerst die Leistung und dann die Bezahlung – eine völlig neue Philosophie in der öffentlichen Verwaltung!

Ein weiterer wichtiger Punkt dieser Reform im Gebührengesetz betrifft die endgültige Abschaffung der Stempelmarken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden sich natürlich noch daran erinnern können, als der Vorgänger des jetzigen Finanzministers, Rudolf Edlinger, und sein damaliger Staatssekretär Ruttenstorfer sich für die Abschaffung der Stempelmarken haben feiern lassen. In Wirklichkeit war das damals natürlich keine Abschaffung, sondern man hat versucht, durch automatische Einhebung die Bezahlung zu erleichtern. Nur ist dieses Programm an den nicht vorhandenen automatischen Einrichtungen gescheitert. (Abg. Dietachmayr: Aber die rechtlichen Voraussetzungen sind geschaffen worden! – Abg. Böhacker: Aber geh!)

Daher war es dieser Regierung vorbehalten, endlich die Stempelmarken abzuschaffen, und ein Beweis mehr ... (Abg. Dietachmayr: Aber die rechtliche Voraussetzung ist damals geschaffen worden!) Mann, oh Mann, Sie haben keine Ahnung! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Daher ist es dieser Regierung vorbehalten, das in die Tat umzusetzen. Es wird auch weiterhin vieles auf diesem Gebiet geschehen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Nein, Entschuldigung, das war ein Missverständnis.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte. (Abg. Böhacker  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Kogler –: Machen wir es gemeinsam?)

19.46

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Ganz gemeinsam geht es nicht, Kollege Böhacker, ein paar kritische Punkte haben wir schon. Aber bei der Burgenland-Sache stimmen wir gerne zu. Diese Promotion-Rede war wirklich sehr interessant. (Abg. Böhacker: Vom Feinsten!) Sie haben so viel von der Sonne gesprochen: erstens, dass sie am Morgen aufgeht, und zweitens, dass sie sich im Frühjahr verstärkt zeigt. Ich sage Ihnen, bei uns in der Steiermark ist das auch so! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.) Aber vielleicht ist die wiederkehrende Förderung an das Burgenland ausschlaggebend dafür, dass sie dort regelmäßig ein paar Minuten früher aufgeht. (Heiterkeit. – Ruf bei den Freiheitlichen: Auch früher untergeht!)

Es gibt unserer Meinung nach einen wesentlichen Punkt, über den wir uns auch im Ausschuss länger unterhalten haben. (Abg. Mag. Schweitzer: ... darfst nicht mitspielen bei uns!)  – Karl Schweitzer, was soll man sagen? Du unterbietest dich doch immer noch selber.

Jedenfalls machen Sie es mir wirklich schwer, zum Ernst der Sache zu kommen, das sage ich Ihnen. – Tagesordnungspunkt 15 betrifft eine Versicherungsangelegenheit, zu der Frau Kollegin Hagenhofer anschließend einen Abänderungsantrag einbringen wird. Ich beziehe mich jetzt schon darauf, weil das Rederad nun einmal so ist; sonst müsste ich mich wieder zu Wort melden, das wäre auch nicht gut.

Dabei geht es unserer Meinung nach darum, die Marktmechanismen so weit im Auge zu haben, dass wir die richtigen Vergleiche herstellen. Mit dieser Gesetzesvorlage soll im Übrigen zunächst ein Punkt geregelt werden, der auch unsere Zustimmung finden würde, nämlich dass die Haftpflichtversicherten auch im Ausland – sozusagen europaweit – eine Zugangsstation haben. Das ist "gegessen".

Aber der wesentlichere Punkt ist die Aufhebung einer Verpflichtung für die Versicherungsgesellschaften, bestimmte Anpassungen nach oben an die Versicherten weiterzugeben. Diese Gesetzesvorlage ermöglicht einem Versicherungsunternehmen, noch dazu in einer kühnen Form, den Versicherten während eines Vertragszeitraums auf Grund von Umständen, die im Gesamtversicherungsbereich dieser Versicherung liegen – dieses einen Instituts, nicht aber der gesamten Branche –, die Beiträge zu erhöhen. Das heißt, wenn ich mit meinem Kfz irgendwo versichert bin, wo zum Beispiel auch eine entsprechend höhere Anzahl von Lastkraftwagen versichert ist und branchenspezifisch Mehrkosten wegen höherer Risikofälle auftauchen, dann kann das durchgerechnet werden. Und das kommt mir irgendwie sehr komisch vor.

Jetzt möchte man meinen, in Zeiten der Vertragsfreiheit muss sich ja niemand darauf einlassen, und damit komme ich zum nächsten Punkt. Deshalb wird auch, glaube ich, Frau Hagenhofer in ihrer Funktion als Konsumentenschützerin diesen Abänderungsantrag einbringen.

Erstens ist die Informationsgleichheit in diesem Bereich trotz aller Klauseln – das kann der normale Kunde so nicht lesen – sehr schwer herzustellen. Und es kommt noch etwas hinzu. Wir haben keinen vollständigen Markt, sondern wir haben – ich will nicht gerade sagen, ein Kartell – doch einen sehr beschränkten Anbieterkreis. Dadurch ist die ganze Sache sehr verzerrt, und diese Formel kann sich sehr nachteilig auf die Versicherungsnehmer auswirken.

Aber in die andere Richtung, nämlich dass Anpassungen nach unten weitergegeben werden sollen, wird es nicht vorgeschrieben. Dazu kommt es aber nicht ohne weiteres, wenn es nicht normiert wird, weil nämlich die Marktmacht bei dieser kleinen Anbieterzahl dazu führt, dass sich auf Grund des unvollständigen Wettbewerbs in diese Richtung weniger bewegen wird. Aber vielleicht wird ohnehin Frau Hagenhofer die Motive ihres Antrags näher erklären.


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84. Sitzung / Seite 185

Das ist unsere Begründung dafür, dass das nicht unsere Zustimmung finden kann, sofern die Regierungsfraktionen diesen Abänderungsantrag ablehnen. Im Ausschuss haben sie ja noch den Eindruck erweckt, dass sie über diese wichtigen Dinge meditieren werden. Ich bin auf das Ergebnis gespannt. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Böhacker: Ist im Konsumentenschutzgesetz geregelt! Brauchen wir nicht!)

19.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Böhacker, jetzt sind als nächster Redner Sie an der Reihe. – Bitte.

19.51

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Trotz der beiden Belangsendungen meiner männlichen Vorredner fürs Burgenland und für die Steiermark möchte ich mich jetzt nicht der Verlockung hingeben, hier eine Belangsendung über das Mozartjahr im Jahr 2006 für Salzburg zu machen. Dazu werden wir noch ausreichend Zeit haben, und sollte ich im Jahr 2006 noch hier in diesem Hause sein, dann werde ich auch eine Brandrede für das schöne Bundesland Salzburg halten. Ich möchte aber hinzufügen, dass mir sowohl die Steiermark als auch das Burgenland sehr, sehr gut gefallen und dass ich dort, wie man mir immer wieder versichert, auch ein gern gesehener und gut zahlender Gast bin. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber nun zum Ernst der Sache, zum Abgabenänderungsgesetz 2001. – Wir erinnern uns noch alle an die Äußerungen vor allem von Seiten der Oppositionsparteien in den letzten Wochen und Monaten: Diese Bundesregierung wird nie ein Nulldefizit zustande bringen, und wenn, dann geht das Ganze nur mit einer massiven Abgabenerhöhung (Abg. Dietachmayr: Ja, die haben wir!), einer Besteuerung des 13. und 14. Gehalts – das war eine der Drohungen von Seiten der Gewerkschaft – und vielem mehr. (Abg. Dietachmayr: Höchste Abgabenquote!) Ganz im Gegenteil – Frau Kollegin Cordula Frieser hat es bereits gesagt –: seit langem wieder ein Abgabenänderungsgesetz, in dem es keine Steuererhöhungen gibt.

Ich erinnere an die Belastungspakete. Kollege Haselsteiner hat es hier heraußen gehabt: 21,6 Kilo schwer war das Abgaben-Belastungspaket der SPÖ. – Hier gibt es jetzt keine Steuererhöhung! (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Ganz im Gegenteil, Herr Pelargoni, Entschuldigung, Herr Parnigoni: Es ist doch so, dass es durch entsprechende Abrundungen bei der Umrechnung von Schilling auf Euro sogar Senkungen gibt.

Zusammenfassend in aller Kürze: Dieses Abgabenänderungsgesetz bringt einen bedeutenden Abbau der Steuerbürokratie mit sich, mehr Steuergerechtigkeit etwa durch die Absetzung der im Ausland entrichteten Krankenversicherungsbeiträge im Inland; es verschafft Österreichern, die sich im Ausland die Zähne behandeln lassen, den Vorteil, dass sie nicht umsatzsteuerpflichtig sind – was wahrscheinlich den österreichischen Dentisten und Zahnärzten nicht ganz gefallen wird. Es bringt also im Gesamten gesehen keine Belastung für die österreichischen Bürger, sondern Erleichterungen mit sich.

Daher werden wir diesem schmalen Abgabenänderungsgesetz ohne Steuererhöhungen selbstverständlich gerne unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

19.54

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Böhacker, Mozart ist für vieles gut. Sie suchen und zitieren Mozart fürs "Mozart-Jahr", weil Sie Geld für die Stadt Salzburg zum Auffrischen des Festspielhauses bekommen. Der Bundeskanzler sagt, die Mozartkugeln, die ja quasi auch ein touristischer Bestandteil von Österreich sind, seien alte Hüte. Was also ist denn jetzt Mozart? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )


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84. Sitzung / Seite 186

Nun zur Regierungsvorlage. – Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich die Umsetzung dieser EU-Richtlinie, die, wie Kollege Kogler schon gesagt hat, für die Konsumenten eine Besonderheit, etwas Besonderes mit sich bringt, nämlich die Errichtung einer Entschädigungsstelle mit dem Ziel, dass Personen, die im Ausland durch ein Kraftfahrzeug einen Unfall erlitten haben, die Geltendmachung ihrer Ersatzansprüche gegen ausländische Haftpflichtversicherungen erleichtert werden soll.

Noch einmal: Wir begrüßen es, und wir würden dem auch gerne zustimmen. Aber es ist bei dieser Regierung so (Zwischenruf der Abg. Lentsch )  – genau, Frau Kollegin, Sie gehören dieser Regierung ja auch an –, dass Sie mit Zuckerbrot und Peitsche arbeiten. Das Zuckerbrot ist die Umsetzung der EU-Richtlinie, wozu Sie ja angehalten sind. Die Peitsche ist der § 14b Abs. 1, der da lautet ... (Abg. Böhacker: Von welchem Gesetz?) Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, Herr Kollege Böhacker. Er lautet: Die Prämie kann im gleichen Verhältnis erhöht werden, wie sich der jährliche Schadenbedarf beim einzelnen Versicherungsunternehmen erhöht.

Bisher wurden Prämienerhöhungen vom Statistischen Zentralamt – jetzt: Statistik Austria – durch einen Index vorgegeben. Dieser Paragraph stellt es nunmehr den Versicherungen im Einzelnen anheim, Prämien sozusagen bei Bedarf zu erhöhen. Es gilt ein so genannter Firmenindex. Die Konsequenz dieses Firmenindex ist, dass dann, wenn es einem Versicherungsunternehmen schlecht geht, weil hohe Schadensfälle auftreten, die Prämie angehoben wird; sie wird aber einzeln angehoben. Wir kritisieren das und werden daher auch einen Abänderungsantrag einbringen.

Wenn man etwas ändert und damit nichts Böses meint – aber Sie wollen ja eigentlich wieder eine Belastung hereinbringen (Abg. Böhacker: Nein, das ist unrichtig!)  –, dann sollte doch klar sein, dass auch die Verpflichtung zur Prämiensenkung in das Regelwerk aufgenommen wird. (Abg. Böhacker: Lesen Sie im Text den entsprechenden Absatz!) Nein, ich sage Ihnen das jetzt schon, das brauche ich gar nicht weiter zu lesen, Herr Kollege. (Abg. Böhacker: Lesen Sie vor!) Wenn Sie es klar formulieren, wenn Sie klar und deutlich ins Gesetz hineinschreiben, dass die Reduktion des Schadenaufwandes ebenfalls zu berücksichtigen ist, dann ist es gut. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Das ist ja selbstverständlich!) Nein, selbstverständlich ist gar nichts. Das muss festgeschrieben sein! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Da würde aber die Wiener Städtische protestieren!)

Herr Kollege! Wir sagen: Wenn nichts Böses gemeint ist, dann würde das auch einer Klarstellung dienen. Es wäre ein expliziter Hinweis für Gerichte und könnte dem Konsumenten im Einzelfall sicher nur nützen. Diese Klarstellung würde zudem auch sicherstellen, dass es nicht nur in eine Richtung geht, nämlich in Richtung Prämienerhöhung, sondern dass es auch in die Gegenrichtung zu gehen hat.

Daher bringe ich zu diesem Gesetz folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Marianne Hagenhofer, Dr. Heindl, Dr. Bauer und GenossInnen zum Gesetzentwurf im Bericht des Finanzausschusses 862 der Beilagen über die Regierungsvorlage 782 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Kraftfahrgesetz 1967 und das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Im Artikel III, 1. § 14b Abs. 1 wird als zweiter Satz eingefügt:

"Verminderungen des Schadenbedarfs sind ebenfalls entsprechend zu berücksichtigen."

*****


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84. Sitzung / Seite 187

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien! Stimmen Sie bitte im Sinne der Konsumenten dem Abänderungsantrag zu – wir haben im Ausschuss darüber gesprochen, und Sie haben gesagt, Sie werden sich das überlegen –, und wir werden Ihrem Antrag zustimmen. (Abg. Böhacker: Wir haben geprüft und sind fündig geworden!) Wenn Sie aber nicht zustimmen, können auch wir von der SPÖ-Fraktion dem Punkt 15 nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Die Wiener Städtische lehnt das explizit und vehement ab!)

19.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht mit zur Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fink. – Bitte.

19.59

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Eingangs gratuliere auch ich dem Burgenland zur 80-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich. Herrn Ing. Kaipel möchte ich sagen: Man wird wohl stolz auf sein Bundesland sein dürfen. Ich bin das als Steirer auf mein Bundesland ebenso. (Abg. Dietachmayr: Jeder ist stolz auf sein Bundesland!)  – Ich hoffe zumindest, dass es so ist.

Durch das Abgabenänderungsgesetz 2001 werden 16 Steuergesetze geändert. In dieser Änderung finden sich erstens keine Belastungen. Das alles wurde heute bereits gesagt. Zweitens wird die Steuerbürokratie abgebaut. Drittens werden die Stempelmarken abgeschafft; diesmal handelt es sich dabei nicht bloß um eine populistische Maßnahme. Viertens werden mit diesem Bundesgesetz die gesetzlichen Rahmenbedingungen für ein elektronisches Verfahren zur Selbstberechnung von Grunderwerbsteuer, Schenkungssteuer und Gesellschaftssteuer geschaffen.

Das bedeutet für den Bürger Folgendes: Für die Selbstberechner werden vor Ort sämtliche Erledigungen durchgeführt – One-Stop-Shop –, und es fallen sämtliche mit diesen Geschäftsfällen in Zusammenhang stehenden Amtswege weg. Für die Finanzverwaltung bedeutet das, dass die raschere Realisierung der Abgabenansprüche erfolgt.

Allerdings habe ich da als Finanzbeamter immer Bedenken, weil ich mein Finanzamt kenne. Wenn ich dort nur die Aufstellung der Werbungskosten mit der Erklärung vorlege, dann werden der ganze Akt und sämtliche Belege verlangt. (Abg. Böhacker: Aber nicht immer!) Da besteht meiner Ansicht nach Handlungsbedarf, Herr Staatssekretär, dass auch die Finanzämter angewiesen werden, dies wirklich durchzuführen. Wenn es so durchgeführt wird, wie das Gesetz es vorsieht, dann bedeutet das für den Bürger wirklich eine Entlastung. So wollen wir es alle! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Böhacker: Aber die Kontrolle muss schon gewährleistet bleiben! – Abg. Fink  – das Rednerpult verlassend –: Das ist selbstverständlich!)

20.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

20.02

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Angesichts der Rednerliste in aller gebotenen Kürze: Herr Kollege Böhacker, ich weiß nicht, ob Sie heute den ganzen Tag lang zugehört haben. Wenn Sie unserem Budgetsprecher zugehört haben, dann wissen Sie, wieso zurzeit ein Nulldefizit ausgewiesen werden kann. Die so genannten kleinen Leute, für die Sie in Opposition jahrelang eingetreten sind, zahlen überwiegend die Zeche, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.) Das ist eine Tatsache. (Abg. Böhacker: 20,6 Prozent ...!) Die Zahlen, die unser Sprecher vorgelegt hat,


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84. Sitzung / Seite 188

stammen aus Quellen im Finanzministerium. Mehr braucht man dazu, so glaube ich, nicht zu sagen. (Abg. Sodian: Das ist aber eine sehr einseitige Betrachtungsweise ...!)

Nulldefizit vergessen – danke! Aber gut, Zeitung lesen werden Sie hoffentlich auch selbst noch, das nehme ich doch an, auch wenn sie nicht gerade freundlich über Ihre Schandtaten berichten. (Beifall bei der SPÖ.) Wie gesagt, es gibt doch noch eine einigermaßen unabhängige und überparteilich Presse in unserem Lande – Gott sei Dank. (Abg. Böhacker: Ich gehe davon aus, dass die anderen auch Zeitung gelesen haben!) Ich glaube, auch Böhacker hat es gelesen. Aber er hat es nicht nur verdrängt, er hat es auch gleich vergessen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Meine Vorrednerin Kollegin Hagenhofer ist bereits auf einen Punkt eingegangen, bezüglich dessen es bereits im Ausschuss etwas kontroversiell zugegangen ist. Im Großen und Ganzen begrüßen wir natürlich diese Änderungen. Was mir dabei im Besonderen gefällt, ist, dass die Mitgliedstaaten nicht nur verpflichtet werden, eine Entschädigungsstelle einzurichten, ein direktes Klagerecht zu installieren – das übrigens bei uns bereits existiert – oder einen Schadenregulierungsbeauftragten zu bestellen, sondern besonders herausragend ist meiner Meinung nach, dass binnen drei Monaten auf alle Fälle geantwortet und reagiert werden muss, sodass es nicht auf die lange Bank geschoben werden kann.

Im Großen und Ganzen hätten wir damit kein Problem, allerdings gefällt uns die Regelung für den Aufwand überhaupt nicht. Es wäre mit der bisherigen Regelung durchaus möglich gewesen, dass, wenn es einen höheren Aufwand gibt, dieser angepasst wird; wenn dann, auf das Vorjahr zurückblickend, der Aufwand etwas geringer gewesen ist, dann geht es eben wieder hinunter. Aber wir haben Probleme damit, eine Regelung gesetzlich festzuhalten, wonach zwar erhöht werden kann, worin jedoch über eine Senkung nichts gesagt wird.

Wie gesagt, der Antrag ist bereits eingebracht. Ich kann wirklich nur hoffen, ihr werdet, wenn euch an unserer Zustimmung etwas liegt, diesem Abänderungsantrag zustimmen. Dann können wir das ganze Paket mitbeschließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

20.05

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf die Einwendungen und den Abänderungsantrag der Frau Kollegin Hagenhofer eingehen.

Frau Kollegin! Ich glaube, Ihr Abänderungsantrag ist entbehrlich. Das wurde Ihnen auch seitens des Finanzministeriums schriftlich mitgeteilt. Er ist deshalb entbehrlich, weil mit der vorgesehenen gesetzlichen Bestimmung im § 14b eigentlich nur beabsichtigt ist, die Voraussetzungen zu definieren – ohne dass dies heißt, dass es dadurch zwangsweise zu einer Erhöhung kommt – für eine rechtswirksame Erhöhung der Prämie, die in diesem Umfang spezifiziert wurde. Das ist also eine Grundlage, auf welcher dann vorgegangen wird, das heißt aber nicht, dass sie in Anspruch genommen wird.

Wenn man Ihren Mechanismus anwenden würde, dann gäbe es zwingend ein Hinauf und zwingend ein Herunter. Aber es gibt auch viele Versicherungsfälle derart – das beweist die Praxis –, dass bei kleinen Erhöhungen nicht sofort ein Index zur Anwendung kommt; und wenn dann der Aufwand heruntergeht, geht natürlich nicht gleich auch der Preis herunter. Im Prinzip geht es hier eigentlich nur darum, dass man den Spielraum der Versicherungswirtschaft ein wenig erhöht. Das wurde im Übrigen am stärksten von der Wiener Städtischen Versicherung befürwortet, und diese ist bei Gott keine freiheitliche oder schwarze Versicherung, sondern sie hat einen sehr prominenten Vertreter, der durchaus Ihrer Partei angehört. Er hat massiv dafür interveniert, dass es zu dieser Regelung gekommen ist. Sie müssen sich eben im Bedarfsfall entscheiden: hie Hagenhofer, dort Sellitsch. – Das möchte ich nur gesagt haben. (Abg. Dr. Kräuter: Immer parteipolitisch! Immer parteipolitisch!)


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Meine Damen und Herren! Ich möchte auch feststellen, dass im Konsumentenschutz eine ganz eindeutige Regelung verankert ist. Die Prämienerhöhung ist nämlich nur dann zulässig, wenn der Versicherungsvertrag auch eine Entgeltsenkung vorsieht. Das ist im § 6 Abs. 1 Z 5 Konsumentenschutzgesetz nachzulesen. Sie hätten eigentlich nur nachzuschauen brauchen, dann wären Sie von selbst draufgekommen, dass diese Regelung entbehrlich ist. Wir werden daher von Ihrem Abänderungsantrag keinen Gebrauch machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Lassen Sie mich noch zwei Sätze betreffend Änderungen im Pensionskassengesetz sagen! Das ist überwiegend eine technische Änderung, weil der weiter gefasste Begriff "Konzern" dann, wenn man diese Regelung nicht auch in das Gesetz einführen würde, dazu führen würde, dass man die Bundespensionskasse, die eine Betriebspensionskasse ist, in eine überbetriebliche Pensionskasse überführen müsste. Das wollen wir uns klarerweise ersparen. Sie ist und bleibt eine Betriebspensionskasse, und daher war diese gesetzliche Regelung notwendig.

Im Übrigen waren einige redaktionelle Änderungen deshalb erforderlich, weil man im Zuge des Gesetzes zur Einführung der Finanzmarktaufsicht nicht in jedem Punkt auf die Pensionskasse Bezug genommen hat. (Abg. Schwemlein: Das war bis jetzt ...!)  – Gib Ruhe, Schwemlein! – Es ist daher überwiegend eine Regelung, die der inhaltlichen Klarstellung dient.

Ich gehe davon aus, dass die Regierungsparteien in jedem Fall zustimmen werden, lade aber auch die Opposition ein, zumindest diese beiden Regierungsvorlagen anzunehmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lentsch. – Bitte.

20.10

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Mein Kollege aus dem Burgenland ist schon darauf eingegangen, dass das Burgenland heuer seine 80-jährige Zugehörigkeit zu Österreich feiert. Dass uns dieses Jubiläum mit einem außerordentlichen Bundeszuschuss versüßt wurde, freut mich als Burgenländerin natürlich ganz besonders. Ich möchte mich von dieser Stelle aus sowohl bei unserem Bundeskanzler als auch beim Finanzminister und bei allen Vertretern der Republik dafür recht herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Selbstverständlich haben uns die allgemeinen Ereignisse rund um dieses Jubiläum – nämlich die Anschläge am 11. September in den USA und die dadurch ausgelösten Folgen – sehr betroffen gemacht. Dabei hätten wir am 16. September ein riesengroßes Fest mit einem wunderschönen Rahmenprogramm feiern wollen, und wir hätten wirklich etwas zu feiern gehabt!

Die letzten Jahrzehnte waren eine Erfolgsgeschichte, besonders die letzten zehn Jahre. Als 1989 der Eiserne Vorhang gefallen ist, war das auch ein Anstoß für alle Burgenländerinnen und Burgenländer. Die Grenze ist aufgebrochen und mit ihr sehr vieles im Burgenland. Nach diesem Schub kam der Beitritt zur Europäischen Union, das Burgenland wurde zum Ziel 1-Gebiet erklärt, und wir haben diese Chance – das kann man heute wirklich sagen – hervorragend genützt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Den Grundstein haben natürlich Landeshauptleute wie Lorenz Karall, Josef Lentsch und Theodor Kery gelegt. Sie hatten damals allerdings nicht die Mittel, um ihre Ideen umzusetzen. Erst unsere Generation hat diese Möglichkeit erhalten, und ich glaube, wir haben sie wirklich gut genützt. Das Burgenland holt heute Schritt um Schritt im Bundesländervergleich auf, die Produktivität steigt stärker als in anderen Ländern, und die neue Infrastruktur verbindet uns mit allen Zentralräumen Europas.

Mit dem ökonomischen Erfolg ist auch das Selbstbewusstsein der Burgenländerinnen und Burgenländer gestiegen. Gute Schulen, High-Tech-Betriebe und ein reger Austausch mit unseren Nachbarländern haben sehr viel bewirkt.


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Sie können sicher sein, geschätzte Damen und Herren, dass wir diese 55 Millionen Schilling aus der Jubiläumsgabe sehr zielgerichtet für unsere Jugend, für unsere Volksgruppen und derlei Dinge mehr einsetzen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In diesem Sinne sage ich noch einmal ein Dankeschön für die Jubiläumsgabe der Republik. Glauben Sie mir, geschätzte Damen und Herren: Auch wenn wir das jüngste Bundesland sind, wir sind glühende Österreicher und begeisterte Europäer! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sodian. – Bitte.

20.13

Abgeordneter Andreas Sodian (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mit der heute zu beschließenden Regierungsvorlage zum Versicherungsaufsichtsgesetz sollen Vorschriften der EU-Richtlinie 2000 in österreichisches Recht umgesetzt werden. Die Realisierung dieser Richtlinie macht Änderungen im Versicherungsaufsichtsgesetz, im Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz, im Kraftfahrgesetz und im Verkehrsopferschutzgesetz notwendig.

Ziel dieses Entwurfes sind Verbesserungen der Rechtsstellung von Personen, die im Ausland Opfer eines Kraftfahrzeugunfalls geworden sind und ihre Ersatzansprüche gegen den ausländischen Haftpflichtversicherer geltend machen müssen. Diese neue Regelung soll Mitgliedstaaten dazu verpflichten, bis zum 20. Jänner 2002 Entschädigungsstellen einzurichten oder anzuerkennen. Die Anwendbarkeit dieser Richtlinie gilt allerdings nur bei Unfällen in Staaten, die das System der grünen Versicherungskarte eingeführt haben.

Als Verbesserung der Dienstleistung sind dazu folgende Maßnahmen notwendig: Die Versicherungsunternehmen werden verpflichtet, für jeden anderen EU-Mitgliedstaat einen eigenen Schadensregulierungsbeauftragten zu bestellen; auch sollen die Auskunftstellen gewährleisten, dass sich der Geschädigte rasch an die jeweiligen Haftpflichtversicherungen und den zuständigen Schadenregulierungsbeauftragten wenden kann. Weiters hat der Fachverband der Versicherungsunternehmen ein Register über die Haftpflichtversicherung für die im Inland zugelassenen Kraftfahrzeuge zu führen und den hiezu berechtigten Personen Auskunft aus diesem Register zu erteilen.

Abschließend ist zu sagen, dass Österreich in einigen Bereichen seine Hausaufgaben schon vor längerer Zeit erfüllt hat. Bereits seit dem Jahre 1968 gibt es in Österreich das in der EU-Richtlinie vorgesehene direkte Klagerecht auf dem Gebiet der Kfz-Haftpflicht. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehmen werde.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses an das Land Burgenland samt Titel und Eingang in 778 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Abgabenänderungsgesetz 2001 samt Titel und Eingang in 859 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich Einstimmigkeit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Sonderregelungen zur Mittelstandsfinanzierung auf dem Gebiet der Gebühren sowie Verkehrssteuern geändert wird, samt Titel und Eingang in 860 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist neuerlich die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Bundesgesetz über die Gründung einer Bundespensionskasse AG geändert werden, samt Titel und Eingang in 775 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle Einstimmigkeit und damit Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist neuerlich einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Ich lasse jetzt über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und weitere Gesetze geändert werden, in 862 der Beilagen abstimmen.

Hiezu haben die Abgeordneten Hagenhofer und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über diesen Abänderungsantrag und dann über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen lassen.

Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Hagenhofer und Genossen betrifft Art. III Z 1.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit ist der Antrag abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.


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Ich bitte jene Abgeordneten, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Gesetzentwurf angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls die Mehrheit, und damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

16. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Entschließungsantrag 512/A (E) der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Einführung eines Prognoseverfahrens für den Übertritt von der Volksschule in die Sekundarstufe I (882 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir kommen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. Ich erteile es ihm hiemit.

20.20

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich habe schon bei der Debatte zur Dringlichen Anfrage darauf hingewiesen, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die in Österreich eine höhere Bildung anstreben, das heißt, die Matura ablegen wollen, deutlich im Steigen begriffen ist.

Ich habe auch erwähnt, dass innerhalb der vergangenen 25 Jahre der Prozentsatz der Maturanten von etwa 15 auf über 32 Prozent gestiegen ist. Ich halte diese Tatsache für eine gute Entwicklung und begrüße sie auch, weil innerhalb der Europäischen Union der Abschluss einer Sekundarstufe II, also das Absolvieren einer Reifeprüfung, zunehmend als Minimalqualifikation für die Verwendung auf dem Arbeitsmarkt definiert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesminister! Ich gehe davon aus, da Sie regelmäßig am Tisch der europäischen Bildungsminister sitzen, dass Ihnen diese Entwicklung bekannt ist und Sie informiert sind. Deshalb verstehe ich nicht, dass Sie trotzdem in Österreich eine Entwicklung von Prognoseverfahren zulassen wollen, deren Ziel es ist – das ist ja unverkennbar –, den Zugang zur höheren Bildung einzuschränken beziehungsweise zu erschweren. Sie wollen – das steht auch in der Begründung des Entschließungsantrages – Schülerströme umlenken. Sie wollen Eltern, Erziehungsberechtigten, aber auch den Schülerinnen und Schülern das Recht nehmen, das chancenreichere Angebot der AHS-Unterstufe zu wählen, und damit den offenen Zugang zur höheren Bildung einschränken.

Sehr geehrte Damen und Herren! Da die Bundesregierung Entwicklungen im Bildungsbereich bedauerlicherweise ausschließlich unter dem Dogma des Nulldefizits betrachtet, wird die Einführung solcher Prognoseverfahren der Selektion von Schülerinnen und Schülern Tür und Tor öffnen. Außerdem werden Prognoseverfahren auch dazu führen, dass die Integration von SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die AHS zu Grabe getragen wird.

Frau Bundesminister! Wenn Ihnen ein Mehr an höherer Bildung wirklich ein Anliegen ist, so wie das auch bei den anderen Bildungsministern der Europäischen Union der Fall ist, dann müssten gerade Sie die jetzt geplante Entwicklung von Prognoseverfahren ablehnen. Als Bildungsministerin wissen Sie, dass 85 Prozent der Schülerinnen und Schüler der AHS-Unterstufen in der Folge Oberstufenschulen besuchen. Sie wissen aber auch, dass nur ein Drittel der Schülerinnen und Schüler, die die Hauptschule besuchen, sich in der Folge für Oberstufenschulen entscheiden.


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Eltern wissen das, und weil Eltern das wissen, wählen sie die Chance der höheren Bildung und bemühen sich, ihre Kinder im Einvernehmen mit den VolksschullehrerInnen in der AHS-Unterstufe unterzubringen. (Abg. Mag. Schweitzer: Wie ist die höhere Bildung möglich?) Ich frage mich: Warum wird den Eltern dieses Angebot weggenommen? Das hat mit der Qualität der Hauptschulen, die Sie immer ansprechen – und das bestätige ich –, überhaupt nichts zu tun!

Frau Bundesminister! Es gibt bislang kein Verfahren, weder ein standardisiertes noch ein informelles, mit dem es möglich wäre, für zehnjährige Kinder eine seriöse Prognose ihrer bildungsspezifischen Weiterentwicklung zu stellen. Ich habe mich in Europa umfassend erkundigt. Ich kenne keinen modernen Wirtschaftsstaat, der derartige Verfahren einsetzt, denn Erziehungswissenschafter haben längst erkannt, dass es sinnlos und falsch ist, Jugendliche ab dem zehnten Lebensjahr in zwei anscheinend unterschiedliche Gruppen aufzuteilen, in bessere und weniger gute. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch sind Sie uns bis heute eine Antwort schuldig geblieben: Ich habe Sie schon im Unterrichtsausschuss gefragt, was Sie denn mit diesen Prognoseverfahren wirklich vorhersagen wollen. Vielleicht ist es heute möglich, eine Antwort auf diese Frage zu bekommen! Wollen Sie, dass mit den Prognosen sichergestellt wird, dass die Schülerinnen und Schüler die erste beziehungsweise die zweite, dritte und vierte Klasse der AHS-Unterstufe bewältigen, oder wollen Sie, dass sie die allgemeine Schulpflicht mit der fünften AHS-Stufe bewältigen, oder wollen Sie vorhersagen können, dass eine Matura in der AHS oder in der BHS geschafft werden wird? – All das geht nicht!

Ich glaube, dass auch die Eltern und die Schüler all das nicht brauchen. Was wir brauchen, ist die erforderliche Anzahl von Schulplätzen, eine hohe qualitative schulische Ausbildung, ein hohes qualitatives Angebot und bei Bedarf die richtige Förderung. Nur so wird es möglich sein, einer möglichst hohen Anzahl von Schülerinnen und Schülern einen positiven Abschluss der Sekundarstufe II zu ermöglichen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

20.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

20.26

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Antoni, es geht bei diesem Thema nicht um Selektion in dem Sinne, wie Sie es darzustellen versuchen und wie es heute zum Teil auch schon bei der Dringlichen angesprochen worden ist.

Es geht keinesfalls um soziale Selektion, sondern es geht um die Frage einer gewissen Leistungsorientierung auch im Bildungssystem. Wir haben im Ausschuss, wie ich meine, eine sehr sachliche Debatte darüber geführt. Es ist nicht zu leugnen, dass wir in den städtischen Ballungszentren gravierende Probleme mit der Struktur der Hauptschulen und der allgemein bildenden höheren Schulen haben. Sie wissen, dass etwa in Städten wie Wien und Graz in den Hauptschulen keine ersten Leistungsgruppen mehr geführt werden und damit die Hauptschule in diesen städtischen Ballungszentren in der Tat zu einer Sackgasse wird. Ich war immer einer, der sich für die Durchlässigkeit im Bildungssystem ausgesprochen hat, habe ich doch selbst auch davon profitiert. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass diese Durchlässigkeit im Bildungssystem erhalten bleiben muss! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Eine Schätzung besagt, dass 52 Prozent der Maturantinnen und Maturanten über die Hauptschule kommen und die Matura machen, und das zeigt eigentlich sehr deutlich, dass dort, wo die Hauptschule funktioniert und wo wir gute beziehungsweise auch qualitativ sehr gute Hauptschulen haben – nämlich vor allem im ländlichen Raum –, diese Ausbildung alles andere als eine Sackgasse ist. Dort hingegen, wo es in den Hauptschulen nur noch zweite Leistungsgruppen gibt, weil erste Leistungsgruppen nicht mehr geführt werden, wird die Hauptschule tatsächlich zu einer Sackgasse. Darum ist es ganz einfach notwendig, darüber zu reden, ob das vielfach vorherrschende Prestigedenken nicht falsch ist, dass das Kind sozusagen um jeden


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Preis ins Gymnasium gehen muss, völlig unabhängig davon, ob es augenblicklich dazu imstande ist oder nicht.

Daher ist es sinnvoll und zweckmäßig, ein solches Prognose- oder Aufnahmeverfahren zu entwickeln. Wenn Sie sagen, dass es das heute nicht gibt, dann muss ich Ihnen sagen: Das stimmt nicht! Wie Sie wissen, stellen Volksschullehrer derzeit sehr wohl Prognosen. Wenn ein Kind etwa ein Befriedigend in einem Hauptfach hat, dann wird eine Prognose abgegeben, ob es den Lehrstoff in der allgemein bildenden höheren Schule erfüllen kann oder nicht. Die Volksschullehrer geben sehr wohl solche Prognosen ab. Leider Gottes stellen sie vielfach allerdings einen Freibrief aus. Sollten sie das aber nicht tun, dann würde auch die derzeitige Rechtslage eine Aufnahmeprüfung an der allgemein bildenden höheren Schule vorsehen.

Ich glaube, das Prognoseverfahren soll ein Hilfsmittel sein, das wir den Eltern an die Hand geben. Wie es im Detail aussehen soll, werden wir noch diskutieren. Wir diskutieren heute erst einen Entschließungsantrag zu diesem Thema, daher ist es auch zu viel verlangt, wenn man heute schon alle Details erfahren will. Darum geht es nicht! Wir stehen in Parteienverhandlungen über die Durchführung einer Parlamentarischen Enquete unter anderem auch zur Qualitätssicherung des Bildungssystems. Ich denke, das sollte uns allen ein Anliegen sein! Es geht nicht um das Errichten von Mauern, sondern es geht vielmehr darum, dass wir den Kindern jene Ausbildung anbieten, die sie auch tatsächlich bewältigen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

20.30

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kollege Amon hat es ja schon selbst angesprochen. – Ich möchte nicht wissen, wie Sie darauf reagiert hätten, wenn wir als Oppositionspartei einen Antrag eingebracht hätten, der dermaßen undefiniert und unklar ist wie jener, den Sie hier eingebracht haben. Mir ist auch nach der Diskussion im Ausschuss bislang überhaupt nichts klar geworden. Selbstverständlich muss nicht jedes Detail in einem Entschließungsantrag enthalten sein, aber wenn nicht einmal die Grundzüge klar sind, dann ist es doch etwas viel verlangt, wenn man dann auch noch die Zustimmung bekommen will!

Im Antrag heißt es, dass ein Prognoseverfahren eingerichtet werden soll. – Und jetzt komme ich schon zu einer Differenz. Es ist nämlich davon die Rede, dass es ein zusätzliches Entscheidungskriterium geben soll. So, wie Sie es jetzt formuliert haben, glaube ich herauszuhören, auch wenn Sie es nicht gesagt haben, dass es da um ein Kriterium geht, damit die Entscheidung außerhalb der Schule getroffen werden soll. Vermutlich sollen da nicht die Klassenlehrer eine Entscheidung per Noten schaffen, sondern es wird irgendein Gremium anhand eines psychologischen Tests oder Verfahrens feststellen sollen, ob Kinder geeignet sind, ein Gymnasium zu besuchen oder nicht.

Ich habe bereits vor zwei Monaten in einer Anfrage an die Frau Ministerin zu hinterfragen versucht, was denn das eigentlich sein soll. In der Beantwortung steht aber nichts von dem, was Sie jetzt, wie ich glaube, angedeutet haben. Dort heißt es, dass es darum geht, dass die Lehrer besser informiert werden sollen, wie sie zu einer Entscheidung kommen können. – Ich habe nach dem, wie die Diskussion gelaufen ist, jedenfalls den Eindruck, dass es zwischen Ihnen und der Frau Bundesminister heftige Meinungsdifferenzen gibt und dass zwischen den Regierungsparteien auch nicht klar ist, was das wirklich werden soll.

Daher ist einmal festzustellen, dass klar ist, warum Sie das beschließen, um nämlich eine mediale Diskussion inszenieren können! Das ist der einzige Grund für den Entschließungsantrag. Ich halte es allerdings für etwas gewagt, so etwas für eine parlamentarische Beschlussfassung vorzulegen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist heute auch mehrmals der Begriff "Niveauverlust" gefallen. – Ich wurde diesbezüglich heute schon einmal gefragt und stelle fest: Dieser Begriff stammt nicht von mir! Ich kann nur


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vorlesen, was Sie geschrieben haben: Sie haben in die Begründung Ihres Antrags geschrieben, dass durch die herrschende Situation besonders bei den betroffenen Schulen ein Niveauverlust droht. Daher kommt die Diskussion um den Niveauverlust. Das stammt aus dem Antrag, den Kollege Amon eingebracht hat.

Wenn man objektiv die Frage stellt, ob nach den bestehenden schulorganisationsrechtlichen Grundlagen genügend Kinder in die AHS und genügend Kinder in die Hauptschulen gehen, dann könnte ja in diesem Prüfverfahren genauso herauskommen, dass eigentlich mehr Kinder in die AHS gehen sollten. Das könnte der Fall sein, wenn Sie jetzt ein objektives Verfahren ankündigen.

Aus dem Antrag geht aber offenbar hervor, dass Sie wollen, dass weniger Kinder in die AHS gehen. Und da gibt es eine kleine Differenz zu dem, was Bundeskanzler Schüssel gesagt hat, dass er nämlich die Akademikerquote erhöhen will. Beim bestehenden österreichischen Schulsystem ist die Akademikerquote allerdings nun einmal an die Matura gebunden, und Kinder, die in AHS-Unterstufen gehen, sind tendenziell eher darauf ausgerichtet, zu maturieren als diejenigen, die in Hauptschulen gehen. Wenn man also die Erhöhung der Akademikerquote postuliert, dann ist es meiner Meinung eigentlich logisch zu sagen, dass man den Zugang zur AHS grundsätzlich stärken will. Ich verstehe daher Ihr Handeln von der Logik her nicht ganz.

In der Schulgesetzgebung ist es ja auch so definiert, dass der Unterschied zwischen AHS-Unterstufe und Hauptschulen – Kollege Schweitzer hat das auch im Ausschuss wieder betont – in der Vorbereitung der Studierfähigkeit besteht, die in der AHS-Unterstufe vorgesehen, in den Hauptschulen jedoch nicht vorgesehen ist.

Wenn es also eine Differenz gibt, dann muss man zunächst überhaupt darüber diskutieren, wo diese Trennung sinnvoll und zielführend ist, und diesbezüglich gibt es grundlegende Auffassungsunterschiede. Sie meinen offenbar, wenn ich das richtig interpretiere, dass es Sinn macht, möglichst früh begabtere Schüler – wie immer man das definiert – von weniger begabten zu trennen, sodass die begabteren Schüler die AHS und die weniger begabteren die Hauptschulen besuchen. Und das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob der Unterricht dort gut ist oder nicht, sondern es geht Ihnen darum, möglichst früh Begabungen zu trennen.

Ich kann Ihnen sagen: Erstens gibt es diesbezüglich äußerst große Unterschiede und sehr wohl auch ganz andere Meinungen in der pädagogischen Literatur, und zweitens ist das ein sehr eingeschränktes Bild von Unterricht, das extrem an Faktenwissen orientiert ist und das etwa das soziale Lernen sehr wenig berücksichtigt. (Beifall bei den Grünen.)

Viel mehr ist zu dem Antrag, so wie er vorliegt, nicht zu sagen. Sie haben Ihre Aussage in den Medien, dass nämlich 52 Prozent derjenigen, die aus Hauptschulen kommen, später maturieren, voriges Mal im Ausschuss wieder relativiert. Ich habe dann versucht zu hinterfragen, ob Sie eigentlich der Meinung sind, dass auch diese in falschen Schulen sind, denn meiner Ansicht wäre es, so wie ich das Gesetz lese, doch eigentlich sinnhaft, dass diejenigen, die später maturieren, vorher in die AHS-Unterstufe gehen. Vielleicht ist das auch falsch! Oder halten Sie es für besonders sinnvoll, dass ein Großteil zuerst in die Hauptschulen geht und nachher maturiert? – Ich verstehe Ihre Logik einfach nicht!

Ein Punkt dabei ist aber auch, dass Sie eine Verlagerung der Entscheidung weg von den Volksschullehrern, die eine längere Beobachtungsmöglichkeit haben, hin zu anderen Instanzen wollen. Das haben Sie selbst gesagt!

Über die Zulässigkeit eines Prognoseverfahrens hinsichtlich des weiteren Bildungserfolgs möchte ich nicht diskutieren, denn eine solche Absicht wäre unseriös. Wenn Sie aber glauben, für die Frage des Übertrittes nach der vierten Schulstufe eine andere, externe Institution einziehen zu können, dann möchte ich erwidern, dass das meines Erachtens sachlich überhaupt nur dann funktionieren kann, wenn kein punktueller Test vorgenommen wird, sondern es irgendein längeres Beobachtungsverfahren gibt.


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Sie sind mir auch noch jede Antwort schuldig geblieben, wie das angesichts der momentanen Bildungsdiskussion zu finanzieren sein soll; denn dass das aus dem Ärmel zu schütteln ist, wenn dann zum Beispiel Schulpsychologen in die Schulen kommen und die Schüler über einen längeren Zeitraum beobachten, das kann ich mir nicht vorstellen!

Faktum ist, dass mir wesentlich Besseres einfallen würde, wie man Geld in das Bildungssystem investieren könnte, als es in solche dubiose Verfahren zu stecken! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

20.37

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Brosz, ich finde es nicht wirklich gut, wenn Sie von "solchen dubiosen Verfahren" sprechen! – Das Verfahren ist nämlich überhaupt noch nicht bekannt, und daher kann man auch nicht wirklich darüber urteilen, ob es gut oder dubios ist! (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Ein guter Freund zumindest von Kollegem Antoni und auch von mir ist Professor Dr. Peter Posch. Ich kenne ihn auch sonst sehr gut, und bekanntlich ist er eher Ihrer Geisteshaltung zuzuordnen. Er hat festgestellt – Dieter, du wirst mir Recht geben –, dass es ein Problem ist, dass man in den AHS-Unterstufen speziell im urbanen Bereich mit einem sehr, sehr breiten Begabungsspektrum konfrontiert ist und dass man sich überlegen muss, wie man die Situation einigermaßen verbessern kann. Und er sagt, dass der Schlüssel dazu in einer Aufwertung der Hauptschule liegt, die insbesondere im urbanen Bereich bereits zur Restschule verkommen ist.

Er sagt, dass man, wenn es gelingt, die Hauptschule aufzuwerten – und man das Ganze noch mit einem Prognoseverfahren kombiniert, Kollege Brosz, das so aussehen soll, dass man sich bereits in der vierten Volksschulklasse sehr genau mit den einzelnen Schülern und ihrer weiteren Schullaufbahn beschäftigt –, keine zusätzlichen Psychologen braucht, denn es gibt ohnedies die Volksschullehrer, die die Schüler am besten kennen. Die Volksschullehrer sollen sich mit den Kindern ein Jahr lang auseinander setzen, und wenn man das mit mehreren standardisierten Tests zum Beispiel betreffend die Beherrschung von Kulturtechniken kombiniert und dann noch einen Beobachtungszeitraum in der ersten Sekundarstufe schafft und versucht, über diesen langen Zeitraum zu einer abschließenden Beurteilung zu kommen, dann ist das meiner Auffassung nach ein guter Ansatz, über den man diskutieren kann.

Vielleicht resultiert daraus ein Prognoseverfahren, auf das wir uns alle einigen können, das dazu führt, dass die Leute, die sich irgendwann einmal in Richtung Studierfähigkeit entwickeln wollen, im Gymnasium, das auch reformiert werden muss, in der Oberstufe landen und diejenigen, die sich mehr für einen Beruf entscheiden, der in Richtung Facharbeiter geht, sich in einer weiter entwickelten Hauptschule wieder finden, an die eine vernünftige neue Form der Berufsschule angeschlossen ist.

Ich meine, so könnten wir allen dienen. Darüber sollten wir diskutieren. Ich glaube, da könnte man einen gemeinsamen Nenner finden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste spricht Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte.

20.40

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Es wird immer wieder die Frage gestellt: Wozu brauchen wir ein Prognoseverfahren? – Ich möchte Ihnen das sehr einfach erklären. Ich habe hier die Vereinbarung, die damals mit der SPÖ im Bildungsbereich getroffen worden ist. Da steht zu lesen: "Erhalt und Ausbau des hohen Qualitätsstandards der Schulen durch Einführung von Schulprogramm- und


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Qualitätsevaluation, durch Festlegung von nationalen Leistungsstandards und Einführung von Pflichtenheften." – Das haben wir vereinbart.

Weiters steht zu lesen: "Flächendeckende Bildungsinformation und Beratung; Ausbau und verbesserte Umsetzung der Berufs- und Bildungswegorientierung in allen Schulformen." – Ich wiederhole: Bildungswegorientierung in allen Schulformen.

Darum geht es, genau darum geht es in diesem Bereich. Es wird an den gesetzlichen Grundlagen nichts geändert. Derzeit ist es so, dass ein Kind, wenn es in den Hauptgegenständen keine schlechtere Note als Zwei hat, die Berechtigung erhält, auf ein Gymnasium zu gehen. Und die Eltern entscheiden, nicht der Lehrer oder die Schule; die Eltern entscheiden, wohin sie ihr Kind schicken wollen.

Es gibt sehr gute Hauptschulen, zum Beispiel in Alpbach, da gehen 100 Prozent der Kinder in die Hauptschule und dann in weiterführende Schulen, in denen sie die Matura ablegen. Herr Brosz, wenn Sie mir genau zugehört haben, wissen Sie, dass ich gesagt habe, dass 52 Prozent der Maturanten über weiterführende Schulen zur Matura kommen. Wie viele davon aus der Hauptschule kommen, wie viele aus der Unterstufe eines Gymnasiums, das werden wir dann feststellen, wenn Sie heute dem Bildungsdokumentationsgesetz zustimmen, damit wir die Schülerverläufe anonymisiert verfolgen können.

Es geht also darum, die Eltern verbessert zu beraten, ihnen eine zusätzliche Hilfestellung zu geben. Neben der Schulnote, neben der Beratung durch die Klassenlehrerin wollen wir den Eltern mit einem Prognoseverfahren eine Hilfestellung anbieten. Dieses Prognoseverfahren wird am Privatgymnasium der Stadtgemeinde Wolkersdorf bereits seit zwei Jahren durchgeführt. Mit einem Universitätsinstitut zusammen werden kognitive Fähigkeiten und Aufmerksamkeit sowie Belastung getestet und ein Lese- und Rechtschreibtest durchgeführt.

Das ist eine Hilfestellung, die die Eltern, wenn sie wollen, in Anspruch nehmen können. Ich sage Ihnen ganz genau, worum es mir geht: Mir geht es in der ganzen Diskussion um das Kind. Mir geht es darum, dass wir das Kind in jene Schule schicken, in der es am besten gefördert wird. Mir geht es darum, dass wir keine Schulversager in großem Maße haben. Mir geht es darum, dass wir keine frustrierten Schüler in der Unterstufe des Gymnasiums haben, die eine Klasse wiederholen müssen, Fünfer bekommen und mit Nachhilfestunden "durchgepeitscht" werden. Mir geht es um das Wohl und um die Motivation des Kindes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die zusammen mit diesem Universitätsinstitut Möglichkeiten ausarbeitet, die wir den Eltern anbieten. Jene Eltern, die das in Anspruch nehmen wollen, die vielleicht sagen: Mein Kind ist noch nicht so weit, dass es einen eher kognitiven Unterricht haben kann!, diese können ein Prognoseverfahren in Anspruch nehmen. Die Entscheidung bleibt aber immer bei den Eltern, die gesetzlichen Voraussetzungen bleiben dieselben. Und es ist genau das, was wir gemeinsam besprochen haben: eine bessere Bildungswegorientierung in allen Schulformen.

Es tut mir persönlich weh, wenn hier gesagt wird, dass man das chancenreiche Angebot der Gynasiumunterstufe verunmöglicht, dass man ein Mehr an höherer Bildung verunmöglicht, dass man die Chancen zu höherer Bildung verunmöglicht, dass den Eltern etwas weggenommen wird, dass Zehnjährige in Gruppen aufgeteilt werden. Das ist doch alles nicht wahr! Wir haben denselben Lehrplan für die Hauptschule wie für die Unterstufe des Gymnasiums. Es wird mit unterschiedlichen Methoden unterrichtet. Wir haben eine hundertprozentige Durchlässigkeit. Nach der Gymnasiumunterstufe, nach der Hauptschule haben die Kinder alle Möglichkeiten zu weiterführender Bildung. Wir haben die Berufsreifeprüfung geschaffen, sodass wir eine hundertprozentige Durchlässigkeit haben.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie wirklich, das als das zu sehen, als was es gedacht ist: eine zusätzliche Hilfestellung für die Eltern, damit diese in ihrer Entscheidung noch sicherer werden, damit wir den Kindern Frustration ersparen, damit wir den Kindern die Freude am


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Lernen wieder geben, damit wir sie motivieren, in weiterführende Schulen zu gehen und zur Matura zu kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Das Gegenteil erfolgt!)

20.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schasching. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Wo habt ihr die Gabi? Warum lasst ihr die Gabi nicht reden?)

20.45

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Schön langsam, ganz langsam, wird vielleicht doch klar: Was im Sommerloch ursprünglich einmal "Aufnahmetest" geheißen und wozu sich Ihr Kollege Grollitsch sogar im Ausschuss noch ein paar Mal geäußert hat, dass er eigentlich ein Aufnahmetestverfahren für die AHS-Unterstufe möchte – was Sie ihm dann doch ausgeredet haben –, das soll jetzt "Prognoseverfahren" heißen. – Das ist der Punkt.

Schön langsam lichtet sich auch der Nebel, Herr Kollege Schweitzer, was Sie eigentlich mit Prognoseverfahren meinen. Das ist bisher im Dunkeln gewesen. Was soll das sein? Wer testet, wann testet er, wie wird getestet? – Das ist alles noch nicht heraußen. Eines aber ist völlig klar: Die, die am besten feststellen, wie sich ein Kind entwickelt, die das auch in unzähligen Tests abprüfen, sind die Volksschullehrer. Die machen das hervorragend! (Abg. Mag. Schweitzer: Die werden auch verantwortlich mit einbezogen! Da sind wir uns ja einig gewesen!) Denen wollen wir die Kompetenz nicht absprechen. Ganz sicher nicht! Wir haben hervorragende Volksschullehrer, die bestens dazu geeignet sind, diese Prognosen zu erstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein wenig klärt sich mittlerweile auch auf, wohin solche Prognoseverfahren führen sollen. Wenn ich mir den Entschließungsantrag und Ihre Analyse in diesem Entschließungsantrag ansehe, in dem steht, dass eben 70 Prozent der Volksschulabsolventen quer durch Österreich eine Hauptschule besuchen, aber in Ballungszentren weniger als 50 Prozent, und Sie diese umlenken wollen, wenn die Frau Ministerin Gehrer eben gesagt hat, dass ohnedies alles so durchlässig sei, dann frage ich mich: Ja warum wollen wir dann umlenken? – Offensichtlich haben wir hier ein Problem, einen Bedarf, und darum sollten wir uns kümmern: um das bildungspolitische Problem der AHS-Unterstufe beziehungsweise der Schülerinnen und Schüler zwischen zehn und 14 in den Ballungszentren. Das sollte bildungspolitisches Thema sein und nicht ein wie auch immer geartetes, noch nebulos erscheinendes Prognoseverfahren, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger . – Abg. Mag. Schweitzer: Was ist das bildungspolitische Problem in der Unterstufe?)

Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen. Wenn ich an meinen eigenen Sohn denke, der gerade die 3. Klasse der Volksschule besucht und bei dem sich die vielfältigsten Neigungen herausentwickeln, bei dem eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit festzustellen ist – einmal hat er mehr mathematische Fähigkeiten, sodass ich mir denke, da ist er ganz besonders tüchtig, dann ist das wieder einmal im sprachlichen Bereich der Fall –, so tue ich mich als beobachtende Mutter schon sehr schwer, herauszufinden, wohin sich das Kind entwickeln wird. Auch die Volksschullehrer arbeiten daran, das herauszufinden.

Wie soll aber jetzt jemand, der dieses Kind überhaupt nicht kennt, der mit dem Kind überhaupt nicht zusammenarbeitet, jemand, der von außen kommt und auch gewisse Entwicklungen gar nicht wahrnehmen kann, also ein völlig Fremder, feststellen, dass ein Kind für höhere Bildung geeignet ist oder nicht? – Ich kann es mir nicht vorstellen, dass es so einen Wunderwuzzi geben kann, der dann den Eltern sagt: Dieses Kind ist für die Mittelschule geeignet und macht dann einen Hochschulabschluss! Das kann ich mir nicht vorstellen, und das ist auch nicht nachvollziehbar.

Was aber völlig klar ist, das ist Ihr Grundsatz, Schülerströme von der AHS-Unterstufe in die Hauptschule umzuleiten. Und was auch immer der Hintergrund ist, für mich bleibt unter anderem ein Punkt stehen: Es muss für diese Überlegung wohl doch auch einen budgetpolitischen Ansatz geben, denn finanziell dafür zuständig sind allemal die Länder, wenn viele die Pflicht


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schule besuchen, und der Bund finanziert die Mittelschule. Auch das sollte man in die Überlegung miteinbeziehen, wenn man hinterfragt, was Sie hier planen. (Abg. Amon: Dann ist aber der Umkehrschluss auch zulässig!) Der Umkehrschluss? – Über Bildungsverläufe und die Durchlässigkeit, Kollege Amon, reden wir später, reden wir wirklich später. Jetzt nicht, Herr Kollege Amon! (Abg. Mag. Schweitzer: Es könnte ja sein, dass der Häupl gerne die Bundesschulen hätte!)

Für mich ist aber eines klar: Wenn wir wollen, dass wir möglichst viele bestausgebildete junge Österreicherinnen und Österreicher haben, wenn wir wollen, dass Chancengleichheit und -gerechtigkeit in der Bildung in diesem Land auch weiterhin für alle zugänglich bleibt, dann ist das Prognoseverfahren mit Sicherheit nicht das geeignete Mittel, da in irgendeiner Form etwas Essentielles zu verändern. Verändern müssen wir die Schule der 10- bis 14-Jährigen.

Wenn Sie, Frau Bildungsministerin, uns das Beispiel Alpbach bringen, dann kann ich dazu nur gratulieren. Das ist eine, wie Sie sagen, 100-prozentig von allen Schülerinnen und Schülern besuchte Schule, also eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen, die bestens funktioniert, und das ist durchaus ein sehr herzeigbares Modell. Ja was heißt das? – Das ist ein regional bestens funktionierendes Modell. (Abg. Amon: Frau Kollegin Schasching! Dort gibt es Leistungsgruppen!) Das ist ein gutes Beispiel, und das könnten wir uns auch für unsere bildungspolitische Arbeit durchaus als Ziel vornehmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.

20.51

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Vorrednerin! Natürlich ist die Frage des Kollegen Amon berechtigt. Wenn Sie jetzt dem Bund das Motiv unterstellen, abschieben zu wollen, damit Lasten abgeschoben werden, könnten man genauso fragen: Wollten andere Länder, das heißt Bundesländer, das auch schon dem Bund als Last in die Schuhe schieben? – Lassen wir Zuordnungen dieser Art, sie führen vom pädagogischen Weg weg!

Was ist die pädagogische Frage? – Sie haben gefragt: Wer braucht das? Oder die Vorredner haben gesagt: Das ist überhaupt nicht notwendig! – Jeder, der die heutige Ausgabe des "Kurier" gelesen hat, hat darin nur Beispiele und Belege dafür gefunden, dass es zumindest eine Nachdenkpflicht dazu gibt. Ob das dann – wie haben Sie so schön gesagt, Frau Ministerin? – Bildungswegorientierungsverfahren heißt oder Prognoseverfahren, darüber soll Professor Dr. Posch mit dem Institut streiten; daran werden wir uns sicher nicht festklammern.

Tatsache ist auch: Wenn man sich die AHS und die Hauptschule mit den jeweiligen Bildungszielen und die Schüler, die dort hingehen, ansieht, dann kommt man zu dem Schluss: Aus der gegenwärtigen Perspektive würde das heißen, dass es in Wien in hohem Maße geeignetere Schülerinnen und Schüler gibt, die schon die besseren Ausgangssituationen für Studierfähigkeit, Studienreife besitzen oder die Absicht haben, diese am Ende der AHS zu erreichen, was aber heißen würde, dass das aber für Landkinder nicht in dem Maße zutrifft. Da würde ich als Psychologin schon sagen: Das möchte ich mir gerne ansehen!

Dieses intendierte Untersuchen und Entwickeln eines solchen Verfahrens geht nämlich von einem sehr dynamischen Begabungsbegriff aus, wie das so schön heißt, und unterstützt nicht die These, dass es so laufen sollte, wie es jetzt ist. Wie sagt die Professorin da in der zitierten Tageszeitung? – Die Eltern sagen: Probieren wir es aus, es wird schon irgendetwas herauskommen! – Das ist nicht das, was ich mir als optimal vorstelle, sondern ich wünsche mir die geeignetste Förderung, damit es so etwas wie ein "Sich-begaben", ein "Begabt-werden", ein Hilfe- bekommen in der Selbstbegabung gibt. Und da kann es nur Beratung, mehr Aufklärung, mehr Hilfe darin geben, damit man schon die bessere, die geeignetere, die einem in diesem Alter nahe liegende Schule wählt – mit der absoluten Durchlässigkeit für weitere Bildungsentscheidungen.


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Ich glaube, ich verstehe das richtig, dass das auch durch einen Antrag der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter zur Bundesarbeiterkammer-Hauptversammlung für den 23. November unterstützt wird, wenn ich hier lese: "Antrag FSG: Die Hauptversammlung fordert, dass die Rate der Jugendlichen, die einen Hauptschulabschluss erlangen, erhöht werden soll." – Ja, das ist ein Motiv, das hier auch mit in Diskussion steht, aber wenn am Ende herauskommt, dass es nur geeignetere, treffendere und kindgemäßere Schulentscheidungen gibt, bin ich auch schon zufrieden.

Um dieses Nachdenken, dieses Entwickeln zu beginnen, haben wir diesen Antrag gestellt, und ich hoffe, dass sehr viele diesem Antrag zustimmen werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Faul. – Bitte.

20.54

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Ministerin! Frau Ministerin, ich bin ein bisschen enttäuscht von Ihnen, wenn Sie immer die Kinder so vor sich herschieben oder sich hinter den Kindern verschanzen, wenn es Ihnen darum geht, Ihre eigene Bildungsideologie durchzusetzen.

So war es auch letzte Woche im Unterrichtsauschuss. Ich muss sagen, da fand ein erbittertes oder ver bittertes Ringen der Bildungssprecher der beiden Regierungsparteien nach den Argumentationen für dieses Prognoseverfahren statt, das in letzter Konsequenz nur zu einem einzigen Ergebnis führen soll, und zwar zu einer Bildungsselektion nach einem FPÖ- und ÖVP-Muster – Kollege Grollitsch, wir haben es heute schon gehört, war ja so ungeschickt und hat es auch gesagt –, zur Wiedereinführung der Aufnahmeprüfungen in der AHS für alle Schüler. Das war selbst Ihnen, Frau Minister, ein bisschen zu viel, wie ich Ihrer Mimik entnehmen konnte. Und das ist auch uns zu viel: diese permanenten Versuche, die österreichische Bildungspolitik durch Maßnahmen wie die Studiengebühren, den Rohrstaberlerlass und dieses unsinnige Prognoseverfahren wieder zu reaktionieren (Abg. Amon: Darum geht es ja nicht!) und gute Bildung und Ausbildung nur denen zukommen zu lassen, Kollege Amon, die aus gutem Hause sind und deren Eltern es sich leisten können, diese Bildung für ihre Söhne und Töchter zu finanzieren. Das ist das, was wir nicht wollen! (Abg. Amon: Kollege Faul, darum geht es überhaupt nicht!)

Bezüglich dieser angestrebten Bildungsselektion im Volksschulalter, Frau Ministerin, ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass diese Bildungs- und Ausbildungsentscheidung auf alle Fälle zu früh getroffen würde. Dies hat wiederum auch nur eine Ursache, Kollege Amon: dass Sie die Urangst in sich tragen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Amon )  – hören Sie mir zu, Herr Kollege Amon! –, dass über die Schülerströme in die AHS, wie Sie es gesagt haben, die Gesamtschule über die Hintertür eingeführt werden könnte. Das ist das Einzige, was Sie beschäftigt! Um dagegen anzutreten, ist Ihnen wirklich nahezu jedes Mittel recht: Sie desavouieren die Volksschullehrer, die sich wirklich gewissenhaft Gedanken über die Einstufung ihrer Schüler gemacht haben, sie ignorieren deren Zeugnisse, die sie gewissenhaft ausgestellt haben, und mit gleicher Hochnäsigkeit ignorieren Sie auch deren Bemühungen, gemeinsam mit den Eltern einen Bildungsweg, den besten Bildungsweg für die Schüler, für die Kinder vorzubereiten.

Folgendes, Herr Kollege Amon, haben Sie bei Ihrem Prognoseverfahren, von dem Sie erstens einmal nicht wissen, wie es aussehen soll – das haben wir heute gehört –, von dem Sie auch nicht wissen, was es letztlich prognostizieren soll, und bei dem Sie auch nicht wissen, wer prognostizieren soll, sicherlich nicht bedacht: dass es die Eltern sein werden, die sich mit ihren Kindern und in der Sorge um ihre Kinder keinen Deut um Ihr Prognoseverfahren scheren und ihre Kinder dort unterbringen werden, wo sie sie auch bisher schon untergebracht haben.

Herr Kollege Amon! Das hat ja auch Ihre Mutter gemacht. Entgegen dem Rat der Lehrerin hat Ihre Mutter Sie in eine weiterbildende Schule geschickt. Sie sind heute der Nutznießer davon, und gerade weil Sie der Nutznießer sind, verstehe ich überhaupt nicht, dass Sie für die jetzige Generation die Schranken in einem System aufbauen, das Sie sehr wohl selbst ausgenützt


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haben. Das ist für mich unverständlich, Herr Kollege Amon! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Amon: Man muss nicht alles glauben, was Sie sagen!)

Herr Kollege Amon! Sie haben auch nicht genau nach den Ursachen der, wie Sie meinen, verfehlten Schülerströme in den Ballungsräumen geforscht. Reden Sie einmal mit den AHS-Lehrern, mit den Direktoren, die vor dem Hintergrund der Beschäftigungspolitik für Ihre Lehrerinnen und Lehrer die Eingangsstufen in die AHS erleichtert haben, die alle Unterrichtsformen der Hauptschulen übernommen haben und damit letztendlich den Hauptschulen das Wasser abgegraben haben! Im Unterschied zu Ihnen, Herr Kollege Amon, kenne ich die Praktiken der AHS-Lehrer – ich sehe sie jeden Tag –, um den Hauptschulen Schüler wegzunehmen.

Sehr verehrte Frau Bundesminister! Sie sind immer für einen freien Bildungszugang gestanden. Sprechen Sie sich gegen diesen unsinnigen Antrag der Bildungssprecher der Regierungsfraktionen aus und setzen Sie damit ein Zeichen gegen eine so frühe Bildungszensur und gegen eine Bildungszensur im Allgemeinen! (Beifall bei der SPÖ.)

20.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Jetzt kommt ein vernünftiger Mensch! – Abg. Dr. Grollitsch  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ein ungeschickter!)

20.58

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Es hat geheißen, die Nebel lichten sich, weil man bei diesem Prognoseverfahren etwas konkreter wird. Es haben sich am Ende der Ausschussarbeit auch die Nebel bei der Sozialdemokratie gelichtet: Die "Einheitsschule" – zwei Ihrer Genossen haben das Wort ja in den Mund genommen – ist also das ausgegrabene alte, neue Ziel der Sozialdemokratie. Und wenn man in einem Prognoseverfahren oder – wie ich mich ausgedrückt habe – in einem Aufnahmeverfahren – und auch das ist kein Schimpfwort – die Antwort sucht, dann sind das alles hehre Motive und sonst gar nichts.

Es ist sehr ungebührlich, Herr Kollege Faul, wenn Sie der Frau Bundesministerin unterstellen, sie schiebe die Kinde vor sich her. Das ist zumindest ungebührlich für eine engagierte Lehrerin, die sie war und im Herzen auch noch ist. Das habe jedenfalls ich in den Jahren der Zusammenarbeit, auch von der Oppositionsseite her, erleben dürfen. (Abg. Faul: Die Frau Bundesminister kann sich selber wehren!)  – Ob sich nun die Frau Bundesministerin selbst wehren kann oder nicht, ist ihre Sache, aber ich habe es als ungebührlich empfunden, und das wollte ich Ihnen auch sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ob Sie mich nun ungeschickt nennen oder nicht, das halte ich beides aus, wahr ist, dass hier zum Wohle der Schüler, zum Wohle ihrer Eltern ein Verfahren erstrebt wird, das inhaltlich in keiner Weise ausgeformt ist. Kollege Brosz schimpft tatsächlich gegen etwas, was gar nicht gegeben ist. Es ist nur eine Willenserklärung. Der Ausschuss ist zwar etwas weiter ins Detail gegangen, aber trotzdem ist es ein Projekt geblieben, das wir mit dieser Willenserklärung anstreben.

Wir Freiheitlichen stehen also wirklich voll dazu. Wir meinen, dass man überforderten Kindern – und deren gibt es leider immer mehr – zumindest so wehtut wie jenen, die Sie im Auge haben, die möglicherweise durch den Rost fallen. Aber auch da habe ich keine besonderen Sorgen: Nennen Sie mir einen einsehbaren Grund, warum auf dem Land bei den 10-Jährigen nur eine Minderheit geeignet sein soll, in die AHS zu gehen, und in der Großstadt mehr als die Hälfte! Die Lehrer der AHS gehen ja mit Werbetrommeln herum, um die Schüler zu sich zu holen – die Gründe dafür kennen wir auch –, und das ist nicht gut. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es gibt neue gesellschaftliche Situationen, es gibt andere Ansprüche an die Schüler, es gibt, wie wir aus der Arbeitszeitstudie der Lehrer erfahren haben, auch bei den Lehrern ganz andere Probleme. Frau Kollegin, Sie kennen sie ja selbst. Es sind soziale Probleme, nicht das Problem der Wissensvermittlung. Wir brauchen eine neue Didaktik in den Schulen, wir brauchen aber


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auch ein ungefähr vergleichbares intellektuelles Niveau, das man für das "Team-teaching" heranziehen kann. (Abg. Schasching: Habe ich Sie jetzt richtig verstanden?)  – Das ist gemeint, Sie haben schon recht verstanden. (Abg. Schasching: Haben Sie schon einmal mit solchen Kindern gearbeitet? Ich stehe in der Klasse und weiß, wovon ich rede!)

Wenn es ein Verfahren gibt, das hier mehr Klarheit – zum Wohle der Eltern, ihrer Kinder, aber auch der Lehrer selbst – bringen kann, dann, Frau Bundesministerin, unterstützen wir diesen Weg durch Zustimmung zu diesem Antrag. Und ich habe keine nachvollziehbaren Gegenargumente von Ihrer Seite (in Richtung SPÖ) gehört, außer den Willen zur Einheitsschule – und davon sollten Sie abgehen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. Er hat das Wort.

21.02

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich freue mich ja heute besonders, dass Herr Abgeordneter Amon von seiner Extremposition abweicht und von Mal zu Mal, von Diskussion zu Diskussion gemäßigter wird. Er stellt ein Prognoseverfahren vor, von dem er nicht weiß, wie es ausschauen soll – so frei nach dem Herrn Karl: Ich weiß zwar nicht wohin, aber dafür bin ich schneller dort.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das kann nicht wirklich seriöse Politik sein, und ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Bundesministerin, dass Sie diesen Feriengag mit Aufnahmetests und allem Möglichen in ein Prognoseverfahren geändert haben, in dem auch die Lehrer seriös dabei sind.

Auch ein Wort zu Ihnen, Frau Kollegin Brinek. Wenn Sie schon AHS-Lehrer zitieren, zitieren Sie vollständig! Sie haben den Schlusssatz Ihres Zitates vergessen, und ich darf ihn Ihnen ins Gedächtnis rufen: "In solchen Fällen nützt auch ein Prognoseverfahren nichts." – Das hat diese Lehrerin nämlich auch gesagt. Und ihr Kollege hat gesagt: Prognoseverfahren bringen überhaupt nichts, sondern wir brauchen "klare Richtlinien für Schüler, die nicht funktionieren". – Da meinen Sie wohl diese Verhaltensvereinbarungen. Das ist nämlich das, was wirklich in der heutigen Ausgabe des "Kurier" gestanden ist. (Abg. Dr. Brinek: Von "funktionieren" habe ich nicht geredet!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn heute wieder von Prognose und von Hilfe die Rede ist, so weise ich darauf hin – ich wiederhole, was ich im Unterrichtsausschuss gesagt habe –, dass eindeutig und klar definiert ist, wer Prognosen in einem Schulsystem abgibt: Das sind unsere Lehrerinnen und Lehrer. Das sind sie in der Volksschule, das sind sie in den weiterführenden Schulen bis hin letztendlich zur Universitätsreife. Ich habe Ihnen damals schon vorgelesen und gesagt, dass rein rechtlich ein Lehrer ein Gutachter ist. Und wer könnte denn besser ein Gutachten abgeben, als dies diese Lehrerinnen und Lehrer tun? – Wenn sie lauter "Sehr gut" und "Gut" geben, dann ist die Prognose klar und deutlich AHS-Reife, geben sie das nicht, ist die Prognose klar und deutlich und unwiderlegbar keine AHS-Reife. Das ist völlig klar und deutlich im Gesetz vorgegeben. (Abg. Amon: Warum gibt es dann zwischen Stadt- und Landkindern 20 Prozent Unterschied?)

Bis diese LehrerInnen die Prognose erstellen, dass Kinder nun in die Sekundarstufe I gehen können – ich darf es Ihnen noch einmal zur Kenntnis bringen –, haben sie vier Gutachten über die Halbjahresnachricht erstellt, sie haben vier Gutachten über das Jahreszeugnis erstellt, sie haben in dieser Zeit mehr als 3 000 Unterrichtsstunden gehalten, es gab Beobachtungsphasen, und sie haben mindestens acht persönliche Gespräche mit Eltern geführt. Wenn nun diese Lehrerinnen und Lehrer, diese Fachleute, diese Gutachter zu einem Urteil gekommen sind, dann kann es doch nach dieser Einschätzung keine bessere Prognose geben, die von außen hereingebracht wird.

Vergessen zu sagen haben Sie, ob Sie Schulpsychologen mit einladen wollen. – Wenn ja – und das unterstütze ich, das begrüße ich –, dann müssen Sie aber auch Sorge dafür tragen, dass


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wir genügend Schulpsychologen haben, und da darf ich Ihnen eine Ziffer nennen: Wir haben pro Schulbezirk, pro Gerichtsbezirk in Österreich einen Schulpsychologen zur Verfügung. Jetzt müssen Sie mir erklären, wie dieser eine Schulpsychologe mit allen anderen Lehrern und mit diesen vielen Volksschulkindern im Zusammenhang mit dem Übertritt ein gesondertes Prognoseverfahren durchführen soll.

Zum Abschluss darf ich Kollegem Amon einen Wunsch mitgeben, denn er ist noch sehr jung: Ich wünsche Ihnen sehr viele schulpflichtige Kinder, die von Lehrern, Schulleitern und Schulaufsichtsbeamten betreut werden, die Ihre Politik umsetzen. Dann werden Sie es schön haben zu Hause. (Beifall bei der SPÖ.)

21.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

21.07

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich hätte eine Bitte an Frau Kollegin Schasching: Wenn die Frau Bundesminister in ihren Ausführungen vom Positivbeispiel Hauptschule Alpbach spricht, dann möge sie, bitte, keinen Zusammenhang mit ihrem Uralt-Hut Gesamtschule herstellen! Das hat sich die Hauptschule Alpbach wirklich nicht verdient. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Bildungspolitik ist Zukunftspolitik! Die Auswahl des am besten geeigneten Schultyps ist für jeden Schüler, aber auch für alle verantwortungsbewussten Eltern und Lehrer eine sehr wichtige Frage und von höchster Bedeutung. Wir wollen mit dem Prognoseverfahren Schüler und Eltern bei der Wahl des richtigen Schultyps beim Umstieg von der Volksschule in die Sekundarstufe I unterstützen, beraten und ihnen helfen.

Im österreichischen Durchschnitt gehen 70 Prozent der Volksschulabsolventen in die Hauptschule, während es in Ballungsräumen – wie zum Beispiel in Wien – 50 Prozent sind. Wir wollen ein geeignetes Mittel für die Entscheidung über die Wahl der weiteren Schule anbieten.

Im Sinne einer optimalen Ressourcennutzung im Bildungsbereich stellt sich schon die Frage nach der Verteilung der Schüler in der Sekundarstufe I. (Abg. Schasching: Was haben Sie gegen Alpbach?) Die Durchlässigkeit unseres Schulsystems garantiert ja jedem Schüler weiterhin die Möglichkeit des Umstiegs, wenn sich das als erforderlich und sinnvoll erweist.

Dieses Modell eines Prognoseverfahrens ist ein modernes und integrierendes Modell mit besonderer Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten eines jeden einzelnen Schülers, das besser geeignet sein wird als bisher, die richtige Schulauswahl nach der Volksschule zu treffen. Wir von der ÖVP nehmen unsere Verantwortung sehr ernst und stimmen daher gerne zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

21.10

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sie haben gesagt: Bildungswegorientierung – und das in der Volksschule! Ich muss sagen: Ich bin fassungslos!

Ich bin dafür, dass es eine Bildungswegorientierung gibt, aber als langjährigen Prozess, und ich bin immer dafür eingetreten. Ich bin Bildungsberaterin an der HTL gewesen. Und wissen Sie, was meine KollegInnen und ich festgestellt haben? – Selbst die 14-Jährigen tun sich schwer, sich zu entscheiden, und auch da ist es manchmal noch zu früh, Entscheidungen zu fällen. Wissen Sie, wer in den meisten Fällen die Entscheidungen trifft? – Das sind die Eltern, und das ist die Clique, in der sich die Jugendlichen befinden. Und das ist auch das Glück, ob sie nämlich noch einen Platz in der Schule bekommen, in die sie gehen wollen. Frau Bundesministerin! Wie


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Sie selbst gesagt haben: Jeder kann eben nicht in jene Schule gehen, die er sich ausgesucht hat, weil es nicht genug Plätze gibt.

Ich verstehe dieses Prognoseverfahren wirklich nicht – es sei denn, es will etwas anderes, als es zu wollen vorgibt. Es richtet sich nämlich bewusst schlichtweg gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis. Was sagen die Experten dazu, sehr geehrte Damen und Herren? – Der renommierte Kinderpsychiater Max Friedrich spricht von Nonsens. Wissen Sie, was das übersetzt heißt? Es macht keinen Sinn, es ist einfach schlichtweg ein Blödsinn. Er sagt weiters, dass es so etwas nicht gebe, und er spricht sich für den Nobelpreis für den Erfinder oder die Erfinderin eines solchen Verfahrens aus.

Ich bin mir aber nicht ganz sicher, wem wir hier diesen Nobelpreis verleihen könnten, denn es ist nicht ganz klar, wer wen treibt. Ich denke, die Angstmacherei, das beliebte Mittel der FPÖ, soll jetzt auch bei Zehnjährigen und deren Eltern eingesetzt werden. Oder vielleicht ist es doch das erzkonservative Elitedenken der ÖVP, das hier zum Tragen kommt? (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Für ein Kind und seine soziale Entwicklung ist eine Prüfung, ein Auswahlverfahren oder ein Prognoseverfahren – oder wie immer Sie dieses Ding nennen – eine Katastrophe, meint Professor Friedrich. Das hat sich gezeigt und ist mehr als belegt in groß angelegten Bildungsforschungsprojekten in Schweden, in England und in Deutschland: Je früher eine schulische Auslese erfolgt, desto stärker ist sie sozial verzerrt, das heißt, sie ist schlecht für so genannte Unterschichtkinder, für Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, beziehungsweise sie begünstigt eben die andere Seite. Und es lässt sich im zarten Alter von neun beziehungsweise zehn Jahren nicht, wirklich überhaupt nicht voraussagen, ob eine AHS-Reife oder Maturaeignung oder was auch immer gegeben oder möglich ist. Es geht hier um soziale Ausgrenzung, vertuscht als Lenkung von Schülerströmen und dergleichen.

Meine Damen und Herren! Es könnte ganz anders sein. Es könnte nämlich eine Freude sein, es könnte als Erfolg angesehen werden, wenn sich mehr Kinder für eine höhere Ausbildung interessieren, und man könnte die Hauptschulen den AHS annähern, man könnte ihnen Schwerpunkte ermöglichen, man könnte ihnen Spezialisierungen ermöglichen und sie nicht aushungern. Dann würde man auch nicht von Versagen sprechen, sondern man würde vielleicht von Lernfeldern sprechen, ohne die Kinder dabei auszugrenzen. Statt auszugrenzen und zu strafen und abzuurteilen könnte man auch integrieren und unterstützen.

Es gibt eben unterschiedliche Weltbilder und ebenso unterschiedliche Haltungen den Menschen gegenüber. Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Ihr Weltbild hat nichts mit "entwickeln lassen" zu tun, sondern hat in der schlimmsten Bedeutung des Wortes etwas mit "Er-Ziehung" zu tun, das heißt am besten an den Ohren irgendwo hinziehen. Das ist sehr traurig, und ich kann nur sagen: Eltern auf die Barrikaden bei so viel Nonsens! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

21.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

21.14

Abgeordnete Mag. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Emotionen sind in diesem Haus heute schon ziemlich hoch gegangen, wenn ich an unsere Dringliche Anfrage denke.

Ich meine, um das hier noch einmal festzuhalten: Faktum ist, dass das Bildungs-Volksbegehren bei weitem ein Flop war, obwohl es von der linken Opposition einen massiven Einsatz gegeben hat. (Abg. Verzetnitsch: Wie die ORF-Abstimmung!) Meines Erachtens hat dieses Bildungs-Volksbegehren wieder einmal gezeigt, dass die Menschen nicht dumm sind, so wie Sie es eben gerne hätten, sondern dass die Menschen sehr wohl erkannt haben, dass wir gute Lehrer


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haben, dass wir gute Schulen haben. (Ruf bei der SPÖ: Genau das untergraben Sie!) Und das war uns wieder einmal eine Genugtuung.

Aber nun zu unserem Ziel, das die Frau Minister heute bereits angesprochen hat: Uns geht es um eine flächendeckende Beratung, um eine flächendeckende Bildungsinformation und vor allem um die verbesserte Umsetzung der Bildungswegorientierung in allen Schulformen. Wir alle wissen, dass es für die Eltern nicht immer leicht ist, nach der Volksschule zu entscheiden in der Frage: In welchen Schultyp gebe ich mein Kind? – Ich glaube, Frau Kollegin Schasching ist ein lebendes Beispiel dafür, denn sie hat in ihrer Rede gesagt, dass sie selbst als Lehrerin, selbst als Mutter die Neigungen ihres Kindes nicht immer feststellen kann. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Das ist unterste Lade!) Und da wollen wir ihr Unterstützung zukommen lassen, da wollen wir ihr auf alle Fälle Unterstützung angedeihen lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Jetzt wissen wir, warum das kommt!)

Ich glaube, das Wichtigste ist Information, und mit dieser Information muss frühzeitig begonnen werden. Ich weiß, Sie reden immer davon, dass wir mit dem Prognoseverfahren eine soziale Auslese betreiben wollen, und ich weiß, Sie sprechen heute noch immer von Ihrer Idee der Einheitsschule. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber verschließen wir uns doch nicht vor der Realität! Sie wissen, dass wir ein tolles System haben, dass wir stolz sein können auf die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems. (Abg. Faul: Dann lassen Sie es so!) Auch Sie wissen – die Frau Minister und Kollege Amon haben das heute bereits betont –, dass in etwa die Hälfte der Maturanten über die Hauptschule kommt, und ich glaube, dass gerade die Hauptschule auch die beste Voraussetzung dafür ist. (Abg. Dr. Lichtenberger: Schaffen wir die Gymnasien ab, wenn das wirklich so ist!)

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Ich habe, je länger wir hier in diesem Haus sind, immer mehr das Gefühl – von Plenarsitzung zu Plenarsitzung werde ich immer mehr darin bestätigt –, dass Sie sich immer mehr darin üben, einfach nur Panik zu machen, einfach nur Verunsicherung zu betreiben und einfach nur Ängste zu schüren. (Abg. Faul: Bei diesen Maßnahmen kein Wunder!) Uns geht es um etwas viel Wertvolleres, uns geht es um das Wohl der Kinder, um das Wohl des Kindes! Die Frau Bundesminister hat es heute ganz klar und deutlich gesagt: Uns geht es um ein adäquates Angebot für unsere Kinder. Uns geht es darum, die Kinder nach ihren Neigungen voll und ganz zu unterstützen.

Wir alle wissen – ich denke, da sind wir uns einig –: Lernen muss einfach Spaß machen. Es darf nicht sein, dass wir unsere Kinder permanent überfordern, denn Überforderung führt letztendlich dazu, dass unsere Kinder krank werden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Deswegen verstehe ich auch nicht, warum Sie noch immer der Idee von der Einheitsschule nachhängen, in der letztendlich viele der Kinder einfach überfordert werden. Das kann ich einfach nicht verstehen, das will einfach nicht in meinen Kopf hinein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir wollen mit dem Prognoseverfahren einfach Unterstützung geben – nicht nur den Eltern, sondern selbstverständlich auch den Lehrern, weil wir wissen, dass viele der Lehrer natürlich auch oft unter Druck kommen, wenn es darum geht, allen Kindern die Befähigung auszusprechen, ins Gymnasium zu gehen. Ich meine, daran sieht man, dass wir auch auf Seiten der Lehrer stehen. Uns geht es also mit diesem Prognoseverfahren darum, den Lehrern und den Eltern Unterstützung zu geben. Wir wollen aber vor allem zum Wohle unserer Kinder handeln, wir wollen einfach deren Neigungen voll und ganz unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich darf nur noch zusammenfassen: Uns geht es nicht darum, den Zugang zu den höheren Schulen zu verschärfen beziehungsweise zu erschweren. Uns geht es auch nicht darum, eine soziale Selektion vorzunehmen. Uns geht es auch nicht darum, den Eltern die Befähigung beziehungsweise das Recht zu nehmen, die richtige Schule für ihre Kinder auszusuchen. Uns geht es um das Wohl des Kindes – Ihnen geht es nur um billige Parteipolitik! (Beifall bei der ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ.)

21.19


Nationalrat, XXI.GP
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84. Sitzung / Seite 206

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

21.20

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Ankündigungen von den Regierungsparteien, dass es ihnen nur um das Wohl des Kindes gehe und das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehe – ich sage Ihnen etwas: Das glaubt Ihnen wirklich kein Mensch! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP.)

Regen Sie sich bitte nicht auf, ich werde Ihnen das gleich vorführen, warum das nicht stimmt. Wenn es Ihnen um das Wohl des Kindes ginge, dann müsste das völlig anders aussehen. (Abg. Steibl: Das ist vielleicht Ihre Meinung!) Dann müssten Sie nämlich einmal folgenden Denkansatz probieren: Was möchte das Kind? Nicht nur, was will der Lehrer, was wollen die Eltern, sondern auch was will das Kind? Und vor allem auch: Was möchte unter Umständen ein behindertes Kind? – Sie aber, Frau Ministerin, sagen, dieses Prognoseverfahren sei deshalb so wichtig, weil man praktisch dem Zehnjährigen schon vorgeben könne, was er später einmal wird. Kein Zehnjähriger weiß, was er werden wird; das wissen oft nicht einmal 50-Jährige. Bitte verlangen Sie das nicht von einem Zehnjährigen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Frau Ministerin! Wenn Sie dieses Prognoseverfahren machen wollen, nur zum Wohle des Kindes, wie Sie sagen, dann hat doch bitte kein einziges behindertes Kind mehr die Chance, dass es in die AHS-Unterstufe gehen kann. Wenn eine Mehrfachbehinderung vorliegt, dann ist völlig klar, dass das Prognoseverfahren natürlich gegen das Kind und nicht im Interesse des Kindes ausgehen wird. (Abg. Dr. Brinek: Wieso wissen Sie das?) Das wissen Sie ganz genau!

Sie, Frau Ministerin, haben es vielleicht vergessen, aber ich habe noch sehr gut das Bild von Anja in Reutte vor mir. Was wollte Anja denn? – Anja wollte in diese bestimmte Schule gehen, und Sie sagen, Sie hätten im Interesse des Kindes gehandelt, als Sie Anja ganz einfach nicht zur Schule zugelassen haben. Frau Ministerin! Da sind Sie sehr unglaubwürdig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Steibl: Das andere ist auch unglaubwürdig!)

Herr Amon und alle jene, die jetzt für das Wohl des Kindes geredet haben! Erklären Sie mir bitte, wie ein solches Prognoseverfahren für ein behindertes Kind ausgehen kann. Hat es überhaupt noch die Chance, in die AHS zu gehen, in die Unterstufe und in die Oberstufe? – Natürlich nicht! Sie haben doch jetzt schon das Tor verschlossen, dass Kinder mit Behinderung in die AHS-Oberstufe gehen können. Und mit dem Prognoseverfahren wollen Sie nichts anderes schaffen, als dass Sie die Auslese noch viel, viel früher und viel brutaler durchziehen, als es jetzt teilweise ohnehin schon der Fall ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Steibl: "Brutal", was heißt "brutal"?)

Herr Amon! Wenn Sie so schimpfen, dass die Hauptschulen so schlecht seien – natürlich, das steht ja auch bei Ihnen im Antrag –, dann machen Sie doch bitte etwas für die Hauptschulen, machen Sie die Hauptschulen besser! Ich sage Ihnen – Sie werden es vielleicht auch wissen –, dass es bei den Hauptschulen Schultypen wie die so genannten Computerhauptschulen gibt. (Ruf bei der SPÖ: Sporthauptschulen!) Als Beispiel! Diese hätten den dreifachen Andrang an Kindern, können sie aber nicht nehmen. Das heißt, Sie müssen etwas für die Hauptschulen tun, damit die Attraktivität der Hauptschulen gesteigert wird, aber nicht indem Sie Kindern von Haus aus verwehren, die Chance zu bekommen, in die AHS zu gehen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Nur dann, wenn Sie die Schule attraktivieren, die Ihres Erachtens so schlecht liegt, haben Kinder unter Umständen auch die Chance, zwischen AHS und Hauptschule zu wählen. Sie haben gesagt, gerade im ländlichen Bereich seien die Hauptschulen viel besser und deshalb gingen die Kinder auch hin. Wo Sie leben, das möchte ich jetzt nicht abfragen, denn Sie wissen ganz genau, dass gerade die Kinder, die im ländlichen Raum in die Hauptschule gehen, deshalb dort in die Hauptschule gehen, weil einfach der Weg in die AHS in der nächstgelegenen Stadt zu weit ist.


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(Abg. Großruck: So ein Blödsinn!) Deshalb bleiben sie im Ort, und deshalb besuchen sie die Hauptschule, aber nicht, weil sie nicht die Fähigkeiten hätten, in die AHS zu gehen. (Abg. Großruck: Mit Schulbussen werden sie hingekarrt, wohin sie wollen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist völlig absurd, das ist genauso absurd wie damals die Aussage Ihrer Kollegin Brinek, dass in den skandinavischen Ländern die Schulintegration nur deshalb so gut funktioniert, weil die Sonderschulen zu weit weg sind, und deshalb gibt man diese Kinder in die Regelschulen. Das ist genau derselbe Unfug, den Sie damals gesagt haben.

Wenn Sie im Interesse des Kindes handeln wollen, dann geben Sie jedem Kind die Freiheit, jene Schule zu wählen, in die es gehen will. Wenn es nicht Eltern sind, die ihren Kindern mehr abverlangen, als die Kinder von sich aus erbringen können, dann werden sie wohl auch nicht mehr oder weniger zu Tyrannen werden und ihr Kind vielleicht in eine AHS zwingen, wenn es das Kind unter Umständen gar nicht will.

Wenn die Interessen der Kinder im Vordergrund stehen, Frau Ministerin, dann gibt es diese frustrierten Kinder, von denen Sie immer sprechen, überhaupt nicht. Diese gibt es nur dann, wenn über die Interessen der Kinder hinweg entschieden wird, dann kommt der Frust! Und da sind Sie gefordert, einerseits das Angebot zu vergrößern und andererseits unter Umständen auch Eltern, die angeblich einen zu hohen Anspruch an ihre Kinder haben, davon zu überzeugen, dass sie aus dem Kind nicht mehr herausholen können und dürfen, als sie vielleicht selber intus haben. Wenn das durchgeht, Frau Ministerin, dann gibt es keine frustrierten Kinder. Die frustrierten Kinder gibt es nur dann, wenn spätestens im Alter von zehn Jahren folgendermaßen über sie entscheiden wird: Du darfst dorthin gehen, und du musst von dort wieder weg! Das bringt Frustration, weil Sie dadurch das Selbstbestimmungsrecht des Kindes beschränken. Das darf nicht passieren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht in 882 der Beilagen beigedruckte Entschließung des Nationalrats.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Entschließung des Nationalrats ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Die Entschließung ist mit Stimmenmehrheit angenommen. (E 109.)

17. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (832 der Beilagen): Bundesgesetz über die Dokumentation im Bildungswesen (Bildungsdokumentationsgesetz) (881 der Beilagen)

18. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (643 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 15. Dezember 1987, BGBl. Nr. 656, über die Abgeltung von bestimmten Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten im Bereich des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft geändert wird (883 der Beilagen)

19. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (644 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Ent


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schädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (884 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Punkten 17 bis 19, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Eine mündliche Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte.

21.27

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu diesem Bildungsdokumentationsgesetz ist zu sagen, dass es um die Schaffung einer rechtlichen Grundlage geht, damit verwaltungsintern im Bildungsbereich für Planung, Koordinierung, Steuerung, natürlich auch Evaluation und Aufsicht wirklich eine solide Grundlage von Daten zur Verfügung steht. Wir sind der Auffassung, dass die Initiative, die Sie hier setzen, an sich gut ist. Auch wir Sozialdemokraten vertreten die Auffassung, dass die Datenlage im Bildungswesen in Österreich nicht besonders gut ist und dass wir derartige Daten brauchen. Schulplatzsicherung, Schulraumsicherung, Personalplanung, Budgetplanung und diverse andere österreichische Besonderheiten bedürfen gewisser Zahlen.

Auch auf der internationalen Ebene erweist sich unser Zahlenmaterial in der Regel als nicht ausreichend. Wir haben beispielsweise in den diversen internationalen Statistiken keine Daten aus dem vorschulischen Bereich, wir verfügen über keine Daten im Bereich der Erwachsenenbildung, wir verfügen kaum über Daten bei der Schulausstattung. Das alles fehlt in internationalen Statistiken in der Spalte "Österreich".

Wir vertreten allerdings die Auffassung, dass, so wie diese Bundesregierung die Bildungsstatistik angeht, weit über das notwendige Ziel hinausgeschossen wird. Sie wollen ganz im Unterschied zur bisherigen Volkszählung – und derartige Datensammlungen sollen ja in Hinkunft auch die Volkszählung ersetzen – weit über die dort erhobenen Daten hinausgehen. War es bisher üblich, dass man in Bildungsfragen die Schullaufbahn, also Volksschule, Hauptschule, AHS und den höchsten Bildungsabschluss erfragt hat, so wird nun personenspezifisch die Sozialversicherungsnummer, das Religionsbekenntnis, der sonderpädagogische Förderbedarf und ob außerordentlicher oder ordentlicher Schüler abgefragt. Sogar die Inanspruchnahme von Transferleistungen aus dem Familienlastenausgleichsfonds wird erhoben.

Damit nicht genug, geht es darüber hinaus noch um die Bildungslaufbahn der Eltern, darum, den Beruf der Eltern, die Stellung der Eltern im Beruf zu hinterfragen. Ich meine, dass das weder sinnvoll noch erforderlich ist. Sie müssen doch zum Beispiel zur Kenntnis nehmen, dass in Österreich jährlich 800 000 Menschen ihren Arbeitsplatz wechseln. Wie wollen Sie nach vier oder fünf Jahren die Antwort auf die Frage nach dem Arbeitsplatz noch als relevant ansehen?

Meine Damen und Herren! Eine moderne Bildungsstatistik braucht personenorientierte Daten nicht, denn Bildungsplanung, Steuerungsfragen, Bildungsbudgetfragen, Schülerbewegungen oder Personalmanagement hängen nicht von personenbezogenen Daten ab. Das ist auch auf internationaler Ebene absolut untypisch! Lediglich bei diversen Tiefenuntersuchungen zu speziellen Fragen werden so solide und personenbezogene Daten erhoben. Das findet aber dann ausschließlich in beschränkten Stichprobenuntersuchungen statt.

Darüber hinaus sind wir uns beim vorliegenden Gesetzentwurf nicht sicher, ob Datenschutz ausreichend gewährleistet ist. Kritische Anmerkungen des Datenschutzrates und aus dem Bundeskanzleramt, insbesondere des Verfassungsdiensts weisen auch darauf hin, dass dem Datenschutz besonderes Augenmerk zu schenken ist. Im Entwurf gibt es vier, fünf Hinweise auf noch zu erlassende Verordnungen, die wir nicht kennen, aber gerade diese Verordnungen betreffen die unmittelbare Umsetzung des Gesetzes und damit die Verwendung von Daten und die Datensicherheit.


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Ich möchte abschließend noch darauf hinweisen, dass die SPÖ die Auffassung vertritt – weil auch die Privatschulen eingebunden sind, zwar in abgeänderter Form, aber trotzdem kann man in Stellungnahmen von Verfassungsexperten deutlich nachlesen –, dass dieses Gesetz absolut einer Zweidrittelmehrheit bedürfte. Sie lehnen das ab. Weil das extrem schwierig ist, haben wir im Unterrichtsausschuss vorgeschlagen, um eben diesen Dingen noch nachzugehen, um Bürgerrechte zu sichern, um Verfassungsgerechtigkeit zu sichern, einen Unterausschuss einzurichten, Experten einzuladen, sich etwas Zeit zu lassen, um dann doch ein absolut sicheres, gemeinsames Gesetz verabschieden zu können. Das wollen Sie nicht, Sie wollen mit uns über derartige Dinge nicht reden. Daher können Sie auch nicht erwarten, dass wir diesem Gesetz in der vorliegenden Form die Zustimmung geben. Den anderen beiden Vorlagen, das kann ich hier von dieser Stelle aus sagen, werden wir die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. Er hat das Wort.

21.33

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Das zur Debatte stehende Bildungsdokumentationsgesetz wird uns in Zukunft die Möglichkeit geben, über Bildungsverläufe genauere Daten zu bekommen, denn gerade die Debatte, die wir vorhin geführt haben, hat verdeutlicht, das wir etwa die Frage, wie viele, nachdem sie eine Hauptschule besucht haben, Matura machen, heute eigentlich nicht sehr detailliert beantworten können. Wir müssten bei allen Landesschulräten nachfragen, in mühsamer Kleinarbeit Daten zusammentragen, um dann wirklich eine ordentliche Statistik zu haben. Im Grunde genommen sind solche Daten aber für die Bildungspolitik von großer Bedeutung.

Mein Kollege Antoni hat ja selbst gesagt, die Datenlage im Bildungswesen sei nicht besonders gut. Ich würde aber auch empfehlen, hier nicht in eine Panik zu verfallen. Immer dann, wenn Daten gesammelt werden oder gar in ein Zentralregister kommen sollen, wird von vorneherein angenommen, dass es zu – was weiß ich – Datenmissbrauch, kriminellen Handlungen und dergleichen kommt. Im Grunde genommen gibt es ausreichend viele Bestimmungen, die Datenmissbrauch unter Strafe stellen. Natürlich ist Missbrauch nie ganz auszuschließen, das ist selbstverständlich. Auf der anderen Seite aber ist es eben einfach notwendig, dass man gewisse Daten hat, um eine solide und auf ordentlichen Daten basierende Politik machen zu können.

Im Übrigen sind die Parameter, die hier erfragt werden, nicht so neu, denn schon im Hochschul-Studiengesetz des Jahres 1966 finden sich exakt die gleichen Daten, die jetzt im Rahmen des Bildungsdokumentationsgesetzes erfragt werden, und seit 1966 ist das Hochschul-Studiengesetz doch x-mal reformiert worden, und dann ist es zum Universitäts-Studiengesetz geworden. Eine Reihe von auch sozialdemokratischen Ministern trug in der Zwischenzeit dafür die Verantwortung und hat genau die Erhebung dieser Daten, die Sie hier kritisieren, nie abgeändert. Gerade sozialdemokratische Minister wollten immer eben jene Daten für den Hochschulbereich haben.

Mit diesem Gesetz wird es nunmehr auch möglich, für den Bereich Schule dieselben Daten zu erheben. Meines Erachtens ist das wichtig, um international vergleichbare Kennzahlen zu erhalten, die auch wirklich einem Vergleich standhalten, gerade wenn es um OECD-Studien geht.

Zum Teil wird natürlich auch durch dieses Bildungsdokumentationsgesetz – auch das sollte man dazusagen – die Volkszählung ersetzt. Es war ja Konsens hier im Haus, dass die Art und Weise, wie die Volkszählung durchgeführt wird, eigentlich fast schon als Belästigung durch die Bürger empfunden wird. Heute haben wir durch die elektronische Datenverarbeitung die Möglichkeit, auch da Dinge zu vereinfachen.

Ich denke daher, dass dieses Gesetz auch ein Gesetz ist, das der Zeit Rechnung trägt. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir bei den Durchführungsverordnungen sicherlich sehr genau darauf achten werden müssen, welche Daten tatsächlich für den Bildungsbereich wichtig sind. Wenn wir daher von Transferleistungen reden, dann meinen wir selbstverständlich jene Daten,


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die den Bildungsbereich betreffen, insbesondere also etwa Schülerfreifahrt und Schulbuchaktion. Das halte ich für gut und richtig, und darum ersuche ich alle Fraktionen des Hauses um ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

21.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. Wie soll ich die Uhr einstellen? (Ruf bei den Freiheitlichen: Eine Minute! – Abg. Brosz  – auf dem Weg zum Rednerpult –: 8 Minuten!) 8 Minuten. – Bitte. (Unmutsäußerungen bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.37

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Es tut mir Leid, es wird nicht viel schneller gehen, denn es gibt einiges dazu zu sagen. Ich kann mich beiden Vorrednern nur anschließen: Es geht nicht um das grundsätzliche Problem, dass wir keine bessere Datenerfassung im österreichischen Schul- und Bildungssystem brauchen. – Ganz im Gegenteil: Viele OECD-Studien weisen bezüglich Österreich immer wieder Mängel in gewissen Bereichen auf. Das ist überhaupt nicht der Punkt, um den es geht.

Interessanter wird es schon, wenn man sich anschaut, welche Daten es sind, die fehlen. Ich habe mir die OECD-Studie noch einmal durchgeschaut, und da sind mir vor allem drei Bereiche aufgefallen, bei denen Datenmängel vorhanden sind. Das eine war der Bereich: Welcher Teil der Bildungsfinanzierung erfolgt aus privater Hand? Zweitens informieren wir über die Teilnahme an Weiterbildung datenmäßig sehr schlecht. Und der dritte Bereich war interessanterweise der Computereinsatz, zu dem österreichische Daten nicht vorgelegen sind.

Jetzt frage ich Sie, warum in all diesen drei Bereichen mit dem Bildungsdokumentationsgesetz Verbesserung stattfinden werden. All das, was ich hier aufgezählt habe und was massiv fehlt, wird auch weiterhin nicht vorhanden sein. Das ist der erste Punkt, also die Dinge, die fehlen, sind mit dem Gesetz nicht zu lösen.

Der zweite Punkt ist, dass natürlich eine rein quantitative Datenerfassung mit qualitativer Forschung nichts zu tun hat. Kollegin Brinek hat heute schon eine Studie vom Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung angesprochen, in der genau nachgefragt wird, wie Schüler Angebote erleben, wie zufrieden sie sind. All das werden wir – vielleicht stimmen Sie mir da zu – mit diesem Bildungsdokumentationsgesetz nicht bekommen, weil das eben nicht Teil der Datenerhebung ist.

Aus meiner Sicht: Dort, wo es darum ginge, weitere Daten zu bekommen, kann die Problemlage nur geringfügig verbessert werden. Interessant ist es – da würde ich mich auch durchaus etwas anders damit auseinander setzen als Kollege Antoni –, wenn es um Berufs- oder um Weiterbildungswege geht. Da, meine ich, kann man durchaus darüber diskutieren, ob es sinnvoll ist, zu schauen, wie der Sozialstatus Bildungswege beeinflusst. Das wäre gar nicht der Punkt, da wären wir gar nicht so dagegen gewesen. Mir geht es um einen anderen Punkt der Kritik, bei dem es wirklich schwierig wird. Ich komme später noch darauf zu sprechen.

Letzter Punkt, der völlig fehlt, ist die Weiterbildung. Zur Weiterbildung steht sogar explizit im Gesetz, dass es nicht darum geht, eine Grundlage für die Erfassung von Aus- und Weiterbildung zu schaffen, sondern das geht nur bis zum tertiären Sektor. Und das ist ja fast ein Hohn, wenn der große Kritikpunkt angeblich ist, dass wir keine Daten über Weiterbildung haben, und wenn dann ein Bildungsdokumentationsgesetz gemacht wird und wir nachher wieder keine Daten über Weiterbildung haben. Das kann es ja wohl nicht sein! (Beifall bei den Grünen.)

Es ist durchaus interessant, dass man bei der Volkszählung gemeint hat, man brauche keine Gesamtdatenerfassung mehr, es sei nicht mehr zeitgemäß, die Daten in Form einer Kompletterfassung zu bekommen. Beim Bildungsdokumentationsgesetz macht man jedoch genau das und stellt auf eine Kompletterfassung von Daten um. Herr Zeger von der ARGE Daten hat das, glaube ich, sehr trefflich beschrieben, indem er gemeint hat, es gehe da nicht um eine Bildungsstatistik, sondern um eine Bildungsbuchhaltung, die über jeden Bürger angelegt werden sollte. – Damit allein hat man allerdings noch keinerlei Aussagen darüber, was aus diesen


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Daten hervorgeht. Um auf interessante Aussagen zu kommen, bräuchte man noch ganz andere Kriterien.

Der zentrale Knackpunkt – das ist der eigentliche Grund für unsere Ablehnung – ist aber die Frage, dass es hier um personenbezogene Daten geht, die nach wie vor so bestehen bleiben. Das hat auch Kollege Amon gesagt. Diesbezüglich gibt es aus meiner Sicht einen Widerspruch, der nicht aufzulösen ist. Nach diesem Gesetz besteht die Möglichkeit der Auskunftserteilung, und zwar nicht nur in bildungspolitischen Fragen. Wenn darin steht, dass bei gerichtlichen Verfahren die Bildungsevidenz angefordert werden kann, dann können Sie mir schwer erklären, dass das etwas mit Bildungsfragen zu tun hat, außer Bildungsfragen werden zukünftig bei Gerichten geklärt! Und das wird es ja wohl nicht sein! Was der Hauptverband der Sozialversicherungsträger mit Bildungsplanung zu tun hat, ist für mich auch nicht ersichtlich.

Unsere Forderung wäre gewesen – ich habe das auch im Ausschuss klargestellt –, dass auf jeden Fall die Auskunftsrechte zum Beispiel für Gebietskörperschaften in personenbezogener Form aus dem Gesetz entfernt werden müssen. Das haben Sie nicht zugelassen, das wollten Sie nicht, und daher scheitert die Einigung – und nicht deshalb, weil wir nicht gewillt sind, die Erstellung von Statistiken zu ermöglichen. – Das war der Punkt, und ich fasse das dann noch einmal zusammen.

Im Gesetz steht, dass das Zwecken der Bildungsplanung dienen soll. Ich habe aber ganz einfach ein sehr ungutes Gefühl, wenn es möglich ist – und das ist damit möglich –, dass sich etwa jede Gemeinde über die Bürger, die in ihrer Gemeinde wohnen, über die Sozialversicherungsnummer, die selbstverständlich der Gemeinde bekannt ist, Informationen verschaffen kann. (Abg. Großruck: Das stimmt nicht! Das ist falsch!)  – Das ist nicht falsch, Herr Kollege Großruck! Sie haben es noch immer nicht gelesen! Ich lese es Ihnen noch einmal vor.

Der Anfragende steigt über die Sozialversicherungsnummer ein – auch die Gebietskörperschaften – und bekommt die Daten heraus. Wer die Sozialversicherungsnummer hat, weiß, um welche Personen es geht, und damit ist es personenbezogen. Das können Sie drehen und wenden, wie Sie wollen! Es geht um personenbezogene Auskunftserteilung.

Ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe ein schlechtes Gefühl, auch wenn es Schutzvorkehrungen gibt, wenn in jeder Gemeinde 60 Jahre lang der Bildungsweg jedes Bürgers abrufbar ist, für alle möglichen Dinge, für die das verwendet werden könnte. Das wäre schlicht und einfach nicht notwendig gewesen! Das hätte man anders handhaben können. Sie haben das verhindert! Sie wollten es offenbar so! Sie wollten diese Zugriffsrechte, und wenn Sie nicht für statistische Zwecke erheben wollen, sondern offenbar für etwas anderes, dann bekommen Sie eben unsere Zustimmung nicht. So einfach ist das. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordnete Sevignani. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

21.43

Abgeordneter Hans Sevignani (Freiheitliche): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Hohes Haus! Mit dem Bildungsdokumentationsgesetz soll die Schul- und Hochschulstatistik auf den neuesten Stand gebracht werden. Es sollen die rechtlichen Voraussetzungen für zentrale und dezentrale Register geschaffen werden, die als Grundlage für Planung, Steuerung, Gebarung der gesetzlichen Aufsichtspflichten sowie registergestützte Zählungen zum Bildungsstand der österreichischen Bevölkerung dienen. Die bisher erstellte Statistik "Schulen und Hochschulen" kann auf Grund des neuen Bundesstatistikgesetzes und der Ausgliederung des Statistischen Zentralamtes nur mehr bis 2002 fortgeführt werden.

Es ist kaum zu glauben, dass bei diesem ausschließlich von sachlichen Überlegungen getragenen Gesetz die Opposition nicht zustimmt – mit dem Argument, dass Zugriffsrechte anderer Stellen auf personenbezogene Daten bestehen, wird von der Opposition das Gespenst "gläserner Mensch" an die Wand gemalt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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84. Sitzung / Seite 212

Meine Damen und Herren! Das Gesetz ist mit dem Datenschutzrat abgestimmt. Wovor die Oppositionsparteien Angst haben, ist mir schleierhaft oder rätselhaft. (Abg. Dr. Khol: Mir auch!) Wir brauchen für die ernsthafte Erhebung von Bildungsverläufen und für eine entsprechende Planung genaue Daten. – Wir stimmen diesem Gesetz gerne zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte.

21.45

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist notwendig, eine Bildungsstatistik zu führen, um Bildungsplanung und Bildungsverläufe feststellen zu können. Eine Statistik ist immer etwas Quantitatives. Qualitative Fakten können nur durch eine Tiefenforschung erhoben werden. Dieses Gesetz dient der Verwaltungsvereinfachung, weil die gesamte Datenerfassung von den Schulen zur Statistik Austria automatisiert erfolgen wird.

Herr Abgeordneter Brosz! Ich möchte etwas klarstellen: Sie sagen immer wieder, dass sich eine Gemeinde betreffend den Bildungsverlauf jedes Bürgers informieren kann. Bitte lesen Sie doch den Text! Den Gebietskörperschaften kann lediglich in Angelegenheiten ihrer Schulerhalterschaft eine Auskunft gegeben werden, und zwar anonymisiert. (Abg. Brosz: Nicht anonymisiert!)  – Das wird umgewandelt und anonymisiert! Vom Datenschutzrat wurde uns seitens der Frau Ministerialrätin Dr. Kotschy bestätigt, dass erstmals eine umgesetzte, nicht rückführbare Verschlüsselung als Muster für künftige Verschlüsselungsregelungen dienen wird. Es werden also alle Daten verschlüsselt, und es werden keineswegs personenbezogene Daten weitergegeben werden. Es werden lediglich Auskünfte erteilt werden, die der Verwaltungsvereinfachung dienen.

Ich möchte Sie bitten, in diesem Zusammenhang auch zur Kenntnis zu nehmen, dass alle Anfragen, die an das Ministerium gestellt werden, bedeutend leichter beantwortet werden können, wenn wir eine umfangreiche Statistik haben. Ich möchte Sie nur informieren, dass seit dem Jahre 1996 561 Anfragen an das Bildungsministerium und 507 Anfragen an das Wissenschaftsministerium gestellt wurden, insgesamt also 1068 Anfragen, die in aller Ausführlichkeit mit allen Daten zu beantworten waren. Diesbezüglich wird uns dieses Gesetz und werden uns gerade diese umfangreichen Statistiken eine wesentliche Vereinfachung bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

21.47

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich stimme Ihnen zu – und zwar über sehr weite Strecken –, dass Dokumentation von Bildungsinhalten für die Erstellung einer Bildungsplanung und für politische Entscheidungen etwas Wesentliches sein kann. Wenn das die Motivation wäre, dann wäre das allerdings ein ganz neuer Gesichtspunkt in der jetzigen Regierungspolitik, in der Argumente, Daten und Fakten nicht sehr hoch gewertet werden, wobei ich gar nicht zentral Sie meine, sondern andere Ressorts. Für diesen Zweck wäre das sicherlich hundertprozentig sinnvoll, denn so kann leichter eine Evaluierung stattfinden.

Es gibt jedoch Bedenken, die aber, wie ich meine, auszuräumen wären, wenn man sich noch ausführlicher darüber unterhielte.

Der beste Beweis, dass bereits jetzt vorhandene Daten und Fakten nicht ausreichen, um richtige Argumente zu finden, ist das, was Kollegin Hakl heute erzählt hat – was ich sehr bedauere –, und jetzt nenne ich Ihnen einmal bildungspolitische Daten und Fakten: Kollegin Hakl hat gemeint, sie hätte eine Vorsitzende der ÖH Innsbruck vom VSStÖ schon fast zur ÖVP bekehrt, weil ihre Argumente so ungeheuerlich gut wären, zwei Drittel aller Studierenden aus


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84. Sitzung / Seite 213

Familien kämen, die dem obersten Einkommensdrittel zuzurechnen seien, und nahezu 60 Prozent aller Studierenden – das habe sie dieser Vorsitzenden gesagt –, vereinfacht gesagt, stipendienfähig wären. – Darauf sage ich: Wahr ist vielmehr, dass es keine Vorsitzende vom VSStÖ in Innsbruck gibt. Diese gehört einer anderen Fraktion an. Wahr ist vielmehr, dass ich mit ihr telefoniert habe und sie über diese Aussagen sehr verblüfft war, dass zwei Drittel der Studierenden aus dem obersten Einkommensdrittel kommen.

Ich nenne Ihnen jetzt die korrekten Daten: 40 Prozent der Studierenden kommen aus dem unteren Einkommensdrittel, wenn man Äquivalenzeinkommen bei Haushalten rechnet, und das ist international Usus und gängig. Das heißt, die Behauptung, dass es keine Umverteilung in den letzten Jahrzehnten der Bildungspolitik gegeben hätte, ist schwer unrichtig!

Wenn 40 Prozent aus dem unteren Einkommensdrittel, auf Äquivalenzeinkommen berechnet, kommen, dann können rein rechnerisch – Ihr Vater ist Raika-Direktor, der kann das vielleicht! – nicht zwei Drittel aus dem obersten kommen, weil sich das nicht ausgeht.

Weiters ist absolut bildungsdokumentiert, dass das obere Drittel mehr in Bildung einzahlt, als Studierende im oberen Drittel bekommen. Sie zahlen insgesamt 60 Prozent der Bildungskosten, sind aber nur zu 28 Prozent Nutzer, das untere Einkommensdrittel bekommt hingegen zwei Mal so viel an Transferleistungen, wie es einzahlt. Frau Kollegin Brinek! Wie kann man dann behaupten, dass es in den letzten 30 Jahren keine Umverteilung gegeben hätte? – Das ist unrichtig, und das kann man auch nicht mehr als Irrtum bezeichnen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. )

Der Anteil an Kindern aus Facharbeiterfamilien ist gestiegen. Es wurde ein überproportionaler Zuwachs an bildungsfernen Schichten verzeichnet. Die Frauen sind in den letzten 40 Jahren von etwas knapp über einem Drittel nunmehr bereits bei 51 bis 52 Prozent der Studierenden gelandet. Und dann wird behauptet, so etwas habe es nicht gegeben! – Das halte ich für mutig und auch für sehr stolz, das ist aber kein guter Stolz!

Das ärmste Dezil der Einkommen hat doppelt so viel Anteil am Bildungskonsum wie früher. Das ärmste Viertel hat seinen Bildungskonsumanteil nahezu verdoppelt. Daher wiederhole ich: Daten sind wichtig, je besser und je mehr, desto schöner! Aber auch wenn der Verfassungsdienst sagt, es sei alles gut, gibt es von EDV-Abteilungen an den Universitäten welche, etwa vom Land Salzburg und von anderen, die einige Kritikpunkte anbringen.

Erstens gibt es die Kritik, dass die Kosten – auch der Rechnungshof kritisiert das – massiv untertrieben wurden. – Aber das soll mir noch recht sein, denn wenn man dafür investiert, dann ist das auch etwas Geld wert.

Andererseits wage ich zu bezweifeln, ob es das wirkliche und wahre Argument ist, wenn der Justizminister hineinurgiert, dass er Zugriff auf einen richterlichen Beschluss hin auf diese Daten haben möchte und das damit begründet, dass man dann Unterhaltszahlungsverweigerer besser verfolgen könnte. Da sollte schon etwas getan werden!

Betreffend das Löschen von Daten nach erst 60 Jahren meine ich, dass dann schon Bücher geschrieben sein werden, Ihre Abgeordneten ihre Reden schon gehalten haben werden und die Statistiken hoffentlich schon gelesen und – wie ich hoffe – auch verstanden wurden. Daher frage ich mich, was der Zeitraum von 60 Jahren soll. Wollen Sie überprüfen, ob jemand auf dem Grabstein einen falschen Titel stehen hat? Wollen Sie dann versuchen, das über die Sozialversicherungsnummer herauszufinden? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Noch einmal: Ich verstehe Ihren Wunsch, und ich verstehe auch, dass Sie sich ärgern, wenn etwas gefragt wird, was Sie nicht erfassen dürfen. All das ist in Ordnung. Ich glaube, dass das mit gewissen Bemühungen und Gesprächen auch mit Böhmdorfer, ob man das wirklich haben will, und mit dem Datenschutzrat und den Experten der Universitäten – es gibt ja auch noch andere kluge Leute, nicht nur die, die in bestimmten Ämtern sitzen – zu machen sein wird. Darauf hoffe ich. An mir soll es wirklich nicht liegen! Ich habe auch mit Brosz diskutiert: Es wird


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84. Sitzung / Seite 214

auch nicht an ihm und damit nicht an uns liegen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.

21.53

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich darf bei Kollegem Grünewald anschließen, der gefragt hat: Wozu braucht man die Datenaufbewahrung 60 Jahre lang? Sein Fraktionskollege hat gesagt, dass er etwas vermisst, was mit ein Grund für die ablehnende Haltung sei, dass nämlich die Weiterbildung und Erwachsenenbildung nicht mit aufgenommen sei. – Dazu sage ich: Wenn man Life-long-learning-Aspekte mit berücksichtigen will, dann kann man die Daten nicht nach zehn Jahren wegschmeißen! Allein schon, um eine kontinuierliche Übersicht zu haben und Wanderungsbewegungen beziehungsweise die Frage "Entvölkerungsgefahr" berücksichtigen zu können, muss man Daten für längere Zeit aufbewahren! Sonst würde das viele Geld, das dafür aufgewendet werden muss, vielleicht doch nur bedingt sinnvoll eingesetzt werden. Das ist ein wichtiger Grund. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin Gehrer hat gesagt, dass sie in dieser GP über 500 Anfragen aus dem Bereich Unterricht und über 500 Anfragen aus dem Bereich Wissenschaft bekommen hat. – Ich frage Sie, Frau Bundesministerin: Wie oft müssen Sie in einem solchen Fall unter dem Druck von zwei Monaten Beantwortungsfrist erst Studien in Auftrag geben, Expertisen herbeischaffen und so weiter, die leichter und billiger zu haben wären, wenn man über ausreichendes statistisches Material verfügte?

So kreist etwa beim Bildungs-Volksbegehren die Diskussion um die Frage sozial gerechter Schüler- und Studienbeihilfen. – Wie kann man denn soziale Gerechtigkeit feststellen, wenn man zusätzlich zu den Bildungsdaten nicht auch Sozialdaten hat?

Frau Bundesministerin Gehrer hat – im Ausschuss ebenso wie hier – die Anonymisierungsmethode dargestellt. Der Datenschutzrat hatte dagegen keinen Einwand. – Meine Damen und Herren! Dazu haben wir den Datenschutzrat geschaffen. Ich will jetzt nicht das Wort vom Päpstlicher-sein-wollen-als-der-Papst für den Datenschutzrat verwenden, aber wenn schon entsprechende Institutionen geschaffen wurden, dann darf man ihnen wohl auch vertrauen,

Noch eine Perspektive will ich kurz ins Spiel bringen: Als wir an der Universität Wien über Autonomie, Vollrechtsfähigkeit und darüber, ob die Universität das überhaupt kann, diskutierten, hat der Rektor gesagt, dass mit dem verfügbaren statistischen Material eine nach Autonomie strebende Universität nicht arbeiten könne. Der Hochschulbericht, so wie er ist, sei nicht ausreichend. Man brauche bessere Daten über Studentenströme, Entwicklungen, Neigungen, "Wanderungen", auch um die Frage betreffend Stipendien- und Studienförderungsgesetz-Novelle in Richtung von mehr sozialer Gerechtigkeit mit Ja oder Nein beantworten zu können.

Wir brauchen diese Materialen höchst notwendig, spätestens zu Beginn nächsten Jahres, wenn es um das Bildungs-Volksbegehren geht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Hakl zu Wort gemeldet. Ich bitte, die Geschäftsordnungsbestimmungen zu beachten.

21.56

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Professor Grünewald hat in seinen soeben gemachten Ausführungen behauptet, es gebe keine VSStÖ-ÖH-Vorsitzende in Innsbruck.

Ich berichtige ihn tatsächlich, dass er mich insoweit anders zitiert hat, als ich gesagt habe, ich habe mit der VSStÖ-Vorsitzenden der ÖH Innsbruck gesprochen, als welche sie mir vorgestellt wurde.


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Zum Zweiten hat Herr Professor Grünewald soeben behauptet, ich habe gesagt, es habe innerhalb der gesamten Zeit des unentgeltlichen Bildungszuganges keinerlei Umverteilungseffekte gegeben.

Ich berichtige ihn tatsächlich: Ich habe gesagt, dass, wenn zwei Drittel der Studierenden Kinder von bildungsnahen Schichten und von Eltern aus dem höchsten Einkommensdrittel sind, das eine Umverteilung von unten nach oben hin zum höheren Einkommensdrittel ist. Das ist richtig, und in vielen – auch Ihnen vorliegenden – Studien so dargestellt. (Zwischenrufe bei den Grünen und bei der SPÖ.)

21.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! – In Ordnung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

21.58

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Abgeordnete Hakl! Wir werden trotz Ihrer Aufklärung wahrscheinlich am heutigen Abend bei der Suche nach der richtigen ÖH-Vorsitzenden in Innsbruck nicht weiterkommen. (Abg. Mag. Hakl: Sie hat sich mir so bekannt gegeben!) Ich denke allerdings, dass es sich doch so verhalten dürfte, dass sie nicht vom VSStÖ ist. Das scheint hiemit und trotz der gewundenen Ausrede beziehungsweise Berichtigung Ihrerseits doch einigermaßen klar zu sein. (Abg. Dr. Khol: Seid nicht so kleinlich!)

Ich werde mich jetzt nicht mit der Arithmetik der oberen und der unteren Drittel weiter beschäftigen, sondern auf das für mich viel wesentlichere und spannendere Thema des Datenschutzes eingehen, Frau Bundesministerin.

Ich muss ehrlich sagen: Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass eine derartige Bestimmung hier so formuliert wird. Ich habe sie jetzt selbst zwei bis drei Mal lesen müssen, um glauben zu können, dass die Formulierung, wie sie Kollege Brosz beschrieben hat, so darin enthalten ist.

Damit ich aber nicht mit dieser Formulierung beginne beziehungsweise beginnen muss, erzähle ich Ihnen ganz kurz – es dauert nicht lange – etwas aus der Geschichte: Im Jahre 1998 gab es nämlich schon Vorbesprechungen betreffend dieses jetzt zu beschließende Bildungsdokumentationsgesetz im Bundesministerium. Ich habe auch hier im Nationalrat darüber berichtet. Es haben sich einige Beamte des Bundesministeriums mit dem Hauptverband getroffen, und in diesem Gespräch haben die Vertreter des Hauptverbandes damals gesagt: Vorsicht! Das sind sensible Daten, die ihr angreifen wollt!

Daraufhin ist offensichtlich vom Bundesministerium gesagt worden: Das macht nichts! Wir wollen sie trotzdem! – Damals hat der Hauptverband, dem es im Wesentlichen darum gegangen ist, sein Projekt "Chipcard" durchzusetzen, dem Unterrichtsministerium zugesagt, sich für eine Änderung des Datenschutzgesetzes in der Hinsicht einzusetzen, dass auch sensible Daten verarbeitet werden dürfen.

Ich kann es noch einmal vorlesen: "Hauptverband warnt vor der Verwendung sensibler Daten. Diese dürfen nur bei Zustimmung der betroffenen Einzelperson weitergegeben werden." – Das ist auch jetzt im Datenschutzgesetz 2000 noch so. Was Sie aber im Bildungsdokumentationsgesetz machen, das ist eine Weitergabe sensibler Daten ohne Zustimmung der Betroffenen. – Ich komme dann noch dazu.

Weiters heißt es, dass Details der neuen Regelung mit dem Hauptverband abzuklären seien, der Hauptverband sichere aber Unterstützung auch bei Datenschutzgesetzänderung zu. – Wesentlich scheint mir, dass schon damals darüber als über sensible Daten, die verarbeitet werden sollen, geredet wurde, die tatsächlich mehr als sensibel sind, wie etwa Noten, Fünferlisten et cetera. Damals war klar, dass man diese Daten derzeit nicht angreifen darf, dass man sie aber sehr wohl angreifen darf, wenn entsprechende Änderungen durchgesetzt werden können.


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Herr Kollege Großruck! Das Bildungsdokumentationsgesetz erlaubt Ihnen als Bürgermeister der Gemeinde Grieskirchen, wenn Sie etwas über den Huber Pepi wissen wollen und die Sozialversicherungsnummer des Huber Pepi kennen, eine entsprechende Abfrage vorzunehmen. (Abg. Achatz: Warum soll ihn das interessieren?) Er kann das damit begründen, dass den Gebietskörperschaften Auskünfte zu erteilen und Zugang zu Daten in Angelegenheiten ihrer Schulerhalterschaft zu geben sind, und die Angelegenheiten der Schulerhalterschaft sind so zu verstehen, wie sie hier beschrieben sind, nämlich sehr breit. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kollege Großruck ist Bürgermeister, und wenn er sagt: In Angelegenheiten der Schulerhalterschaft will ich jetzt wissen, ob der Huber Pepi wirklich so ein Gfrast ist, wie er sich mir präsentiert, nämlich eine Krätze, und lauter Fünfer schreibt, dann kann er, wenn er die Sozialversicherungsnummer des Huber Pepi weiß, anfragen und alle Daten über den Huber Pepi erhalten.

Der Schmäh läuft nämlich so: Bei einer derartigen Anfrage hat der Anfragende die Sozialversicherungsnummer des Betroffenen einzugeben. Das ist die Voraussetzung. Das ist die kleine Hürde für den Bürgermeister von Grieskirchen und viele andere: Man muss die Sozialversicherungsnummer wissen!

Dann geht es weiter. Diese wird automatisiert in die BEKZ, in die Bildungsevidenzkennzahl, umgewandelt. Sodann wird – wie es weiter heißt – die BEKZ zur Suche in den Gesamtevidenzen eingesetzt. Schließlich heißt es wörtlich: "Dem Anfragenden" – und das ist jetzt ein furchtbares Verbot, das den Bürgermeister von Grieskirchen und alle anderen, die etwas wissen wollen, überhaupt nicht hindern wird! – "darf die BEKZ nicht zugänglich gemacht werden."

Dazu sage ich: Himmel, Herrgott! Die BEKZ interessiert ihn ja gar nicht! Wozu braucht er denn die BEKZ? Die interessiert ihn nicht, denn er hat ja ohnedies die Sozialversicherungsnummer! Letztere wird intern umgewandelt in die BEKZ. Das ist ein furchtbar "geheimer" Vorgang, den der Herr Bürgermeister nicht wissen darf! Aber das Ergebnis, das mit der BEKZ-Suche im System erreicht wird, nämlich die Noten und was weiß ich noch, was der Herr Bürgermeister gerne über den Huber Pepi wissen möchte, erfährt er. Und das Verbot, das ihm dieses Gesetz aufträgt, ist: Lieber Bürgermeister! Du wirst von uns nie die BEKZ hören! – Furchtbar! Das ist eine Einschränkung für den Bürgermeister von Grieskirchen, mit der er wahrscheinlich noch fertig werden wird! Aber er weiß alles aus dem System, er weiß die Fünfer, er weiß die Vierer, er weiß den Geburtsort, er weiß die Schullaufbahn und er weiß vielleicht auch noch die Betragensnote. Er kann alles erfahren, wenn er die Sozialversicherungsnummer eingibt. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )

Ich vermute, die Sozialversicherungsnummer ist einem Bürgermeister nicht fremd, denn in zahlreichen amtlichen – handschriftlichen – Evidenzen scheint die Sozialversicherungsnummer auf. Herr Kollege Großruck! Lassen wir jetzt den Bürgermeister von Grieskirchen weg! Aber nachdem Sie vorher gesagt haben, dass ein Zugriff nicht möglich ist, dass auf Teufel komm raus im System verschlüsselt wird und niemand die Geheimnisse erfährt, sage ich Ihnen: Ich habe Ihnen jetzt gezeigt, wie es möglich ist. Das Einzige, was Sie nicht erfahren – was Sie sehr grämen wird –, ist die BEKZ. Aber alles, was über die BEKZ innerhalb des Bildungsdokumentationssystems ermittelt werden kann, erfahren Sie, denn der Zugang erfolgt über die Sozialversicherungsnummer, und nicht einmal die Zustimmung des Betroffenen ist Voraussetzung!

Frau Bundesministerin! Ich sage Ihnen, nachdem ich das gelesen habe: Vielleicht sollten Sie das mit Ihren Juristen noch einmal genau besprechen, denn das ist mit Sicherheit verfassungswidrig! Wir haben morgen die ASVG-Novelle auf der Tagsordnung, und ich kenne zufällig die Stellungnahme des Verfassungsdienstes betreffend die Verwendung von Notfalldaten. Lesen Sie sich das durch! Ich kann Ihnen nur sagen: Sie beschließen hier mit gutem schlechtem Gewissen eine verfassungswidrige Bestimmung, und zwar eine, die den "Gustl" in sich hat: Das Einzige, was dieses Gesetz zur Geheimhaltung aufträgt, ist die BEKZ, nicht jedoch die Daten, die über die BEKZ übermittelt werden. Das muss man sich einmal vorstellen: Das ist ja Absurdistan zum Quadrat! (Beifall bei den Grünen.)

22.07


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Als Nächstes zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Wochesländer. – Bitte.

22.07

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich darf zuerst ganz kurz auf die Ausführungen des Herrn Öllinger eingehen – abgesehen davon, dass ich ihm gerne ein Zertifikat für Wanderpredigt ausstellen würde. Dazu bin ich leider nicht im Stande, aber ich muss ihm persönlich sagen, wie es vielleicht die Resi Huber vom Land sagen würde: Mein Gott, muss der Mensch aber viel Dreck am Stecken haben, dass er so viel Angst vor Datenerhebung hat! (Zwischenrufe bei den Grünen. – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ich habe gesagt: Die Resi Huber vom Land würde das sagen!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete, Herr Abgeordneter Haigermoser hat für diesen Vorwurf vor ein paar Wochen einen Ordnungsruf bekommen. – Ich bitte um eine Ausdrucksweise, wie wir es heute besprochen haben!

Abgeordnete Jutta Wochesländer (fortsetzend): Ich habe nicht gesagt, dass ich das sage, sondern ich habe gesagt, dass das die Resi Huber auf dem Land sagen würde! Definitionen kann man schon bringen! Ich habe das nicht zu Herrn Öllinger gesagt, das würde ich mir nicht erlauben! (Zwischenrufe bei den Grünen.) Natürlich!

Ich erlaube mir jetzt fortzusetzen: Beim Bildungsdokumentationsgesetz handelt es sich um eine Gesetzesmaterie, die eigentlich gar keiner Diskussion bedürfte, denn jedem muss eigentlich klar sein, dass es ohne Datenmaterial keine Beantwortung von Anfragen und ohne Datenevidenz keine ausgewogene bildungspolitische Planung geben kann. Diese Tatsache sollte man auch nicht aus dem Auge verlieren.

Meine Damen und Herren! Ehrlich gestanden: Die Bremserpolitik der Oppositionsparteien ist für mich nur das obligate Bemühen, sich gegen alles zu stellen, was von den Regierungsparteien geplant oder durchgeführt werden soll! Meine Damen und Herren! Faktum ist, dass die Statistik Österreich, nunmehr eine selbständige Anstalt, laut Gesetz nur mehr bis 31. Dezember 2002 die bislang erstellte Statistik Schulen und Hochschulen erbringen kann. Für das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur gibt es ab diesem Zeitpunkt keinen wirklichen Zugriffsanspruch auf relevante Daten, und somit ist eine neue Gesetzgebung unbedingt notwendig und unerlässlich.

Hinzu kommt noch, dass die traditionelle Volkszählung betreffend den Bildungsstand der österreichischen Bevölkerung nun nach dem letzten Zähltermin vom 15. Mai dieses Jahres durch eine Registerauswertung ersetzt werden soll, deren Vorteile so vielfältig sind, dass ich sie jetzt nicht im Detail anführen möchte. Ich möchte nur auf die Kostenersparnis von etwa 790 Millionen Schilling gegenüber der klassischen Volkszählung verweisen, die beim letzten Mal an die 800 Millionen Schilling gekostet hat.

Werte Bildungssprecher der Opposition! Sie beteuern zwar immer, dass Sie generell eine Bildungsstatistik befürworten, lehnen aber deren Kontinuität und Gesamtheit aus äußerst fragwürdigen Beweggründen und mit ebensolchen Argumenten ab.

Herr Dr. Antoni ist auch schon verschwunden, den interessiert dieses Gesetz wahrscheinlich gar nicht, denn gewehrt hat er sich aus Fraktionszwang ohnedies schon dagegen. (Ruf: Er ist eh da!)  – Ah, da ist er schon! (Abg. Dr. Antoni: Bin ich so klein?) Entschuldigung, ich habe nicht gesehen, dass Sie gerade groß Ihre Meinungen austauschen.

Sie nennen das Bundesstatistikgesetz einen Verstoß gegen Bürgerrechte. (Abg. Dr. Antoni: Ja!) Mehr noch, die einfache Datenerhebung muss wieder einmal dafür herhalten, dass Sie das Schreckgespenst "gläserner Mensch" propagieren können. Eine codierte Sozialversicherungsnummer, Angaben über das religiöse Bekenntnis, über Fördermaßnahmen, über Schulerfolg oder über die Inanspruchnahme von Transferleistungen sind für Sie bereits die Schnellstraße


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84. Sitzung / Seite 218

zum Überwachungsstaat. Ich muss sagen: Das ist schon ein bisschen weit hergeholt! Begründen konnten Sie diese düsteren Prophezeiungen aber noch nie wirklich.

Sie, Herr Brosz, darf ich auch noch kurz ansprechen. Als Bildungssprecher der Grünen fabulieren Sie genauso nebulos über die angebliche Sensibilität der Daten. Was bedeutet der Begriff "sensibel" für Sie? Ihr Geburtsdatum? Ihr Schulbeginn? (Abg. Brosz: Der Förderbedarf zum Beispiel!) Ihre Ausbildung? Aber ich bitte Sie: Tennislehrer ist doch ein leistungsintensiver Beruf, da kann man doch stolz darauf sein, das kann man doch zugeben, nicht? Das ist ja nichts Böses. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vielleicht kann ich Ihnen die Furcht nehmen, wenn ich Ihnen in Erinnerung rufe, dass die erhobenen Daten in Absprache mit dem Datenschutzrat festgelegt wurden, was auch die Frau Ministerin Ihnen schon mehrmals versichert hat. Aber anscheinend wollen Sie es nicht verstehen. Noch dazu gibt es die Verschlüsselung der Daten. Die ist garantiert.

Darum, meine Damen und Herren von der Opposition, wirklich ein aufrichtiger Appell an Sie: Befreien Sie sich doch endlich von Ihrer Datenschutzparanoia – so möchte ich das persönlich nennen –, denn es ist ja lächerlich, was Sie hier aufführen! Diese sehe ich nämlich eher als gefährlich an. Vor allem aber steht sie einer guten und ausgewogenen Information und Schulpolitik im Wege, und das, glaube ich, dürfte wohl auch nicht Ihr Anliegen sein. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dieter Brosz. – Bitte, Herr Kollege.

22.12

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Bevor ich auf Ihre Ausführungen zurückkomme, Frau Kollegin Wochesländer, noch ein formaler Antrag, den ich im Ausschuss bereits angekündigt habe. Es geht um ein anderes Gesetz, das hier mitbeschlossen wird, wo hinsichtlich der Euro-Umstellung eine interessante Vorstellung ins Gesetz aufgenommen wurde. Entgegen den Empfehlungen des Finanzministeriums, auf Cent genau zu runden, bringen Sie ein Gesetz ein, wonach auf 10 Cent genau gerundet wird und damit bei relativ kleinen Beträgen – da geht es um Prüfungstaxen – bis zu 5 Prozent Abweichung allein durch die Euro-Umstellung zustande kommen.

Ich bringe daher folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dieter Brosz, Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die (Regierungsvorlage 644 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (884 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der erste Satz im § 5 Abs. 2 des obigen Entwurfes lautet:

"(2) Ergeben sich bei der Ermittlung der Beträge gemäß Abs. 1 Beträge, die nicht durch 1 Cent teilbar sind, sind die Restbeträge auf 1 Cent aufzurunden."

*****

Ich habe mir die Mühe gemacht, das durchzurechnen. Wenn man diese Umrechnungsdaten auch für das Kilometergeld anwenden würde, dann würde sich alleine durch die Euro-Um


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rechnung das Kilometergeld von 4.90 S auf 5.50 S erhöhen, weil man nur auf eine Kommastelle genau rundet. Das kann es ja wohl nicht sein. Aber es wird Ihnen auch das wohl egal sein.

Zurückkommend zur Frau Kollegin Wochesländer: Diese Methode, zu sagen, wer nichts zu verbergen hat, soll es auf den Tisch legen, die kennen wir schon lange. Worum es etwa bei der Spitzelaffäre der FPÖ geht und was da alles getan wird, möchte ich jetzt gar nicht mehr näher ausführen, aber Faktum ist – Kollege Öllinger hat es jetzt noch einmal klar gemacht, aber es wird Ihnen auch egal sein –, wir werden uns das verfassungsrechtlich noch einmal ansehen.

Sie können jetzt beschließen, wie Sie wollen, aber wenn das so ist, wie es aussieht, scheint es bedenklich zu sein. Diese Stellungnahme des Datenschutzrates, dass das okay ist, haben Sie ja auch noch nicht vorgelegt. Ich weiß nicht, wo Sie die haben. Faktum ist, diese Stellungnahme gab es zum Entwurf, und die war negativ und nicht positiv. Ich kann Ihnen nur sagen, dass der Kollege Zeger von der Arge Daten hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Bedenken genau das Gleiche meint wie Kollege Öllinger. Sie können es hier beschließen, aber vielleicht sollten Sie überlegen, wie Sie damit umgehen. Die anderen Bedenken haben Sie auch gehört. Offenbar ist bis zum Ministerium nach wie vor noch nicht durchgedrungen, dass es hier selbstverständlich um personenbezogene Daten geht. Jetzt hätten Sie die Möglichkeit, noch etwas zu reparieren. Sie werden es wahrscheinlich nicht tun, aber es sei hier noch einmal festgestellt. (Beifall bei den Grünen.)

22.15

Präsident Dr. Heinz Fischer:  Nächster Redner ist Abgeordneter Großruck. Er hat das Wort.

22.15

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Was ich hier habe (der Redner hält einen Stoß Papier in die Höhe), das ist die Sammlung der Anfragen von Rot und Grün an die Frau Bundesminister in einem Jahr. Ich habe mir das gestern von meiner Mitarbeiterin ausdrucken lassen. Sie ist einen halben Tag dabeigesessen, aber die Mühe hat sich gelohnt. (Abg. Schwemlein: Hat die nichts Besseres zu tun?) Da sehen Sie einmal, mit welchen Fragen die Frau Bundesministerin überhäuft wird.

Ich habe wahllos einige herausgenommen. (Abg. Schieder: Ja, vielleicht sollten wir die Demokratie abschaffen!) Da wird von der Abgeordneten Lapp gefragt: Wie viele Kinder konnten in diesem Schuljahr nicht in ihren gewünschten Schultyp übertreten? Wie hoch ist die wöchentliche Lehrverpflichtung der österreichischen PflichtschullehrerInnen? Und so geht es weiter mit Fragen, die alle eines voraussetzen: dass auch die entsprechenden Daten da sind.

Jetzt ist natürlich das Fragerecht ein Recht der Abgeordneten, und es wird auch zu Recht gefragt, aber wenn man fragt, dann soll man auch die Voraussetzungen schaffen, meine Damen und Herren, dass die Daten vorhanden sind. Frau Bundesminister Gehrer muss bei vielen Fragen eine eigene Statistik haben, eigene Nachforschungen betreiben. Die meisten Fragen, die kommen, könnten mit dieser Maßnahme, die heute beschlossen wird, beantwortet werden.

Meine Damen und Herren! Es gibt hier einige Auffassungsschwierigkeiten, denn durch die Auslagerung des Statistischen Zentralamtes in die Statistik Austria sind wir gezwungen, das Gesetz zu adaptieren. Nur hat das einen Haken: Es sind bei diesem Gesetz die Privatschulen nicht dabei, denn um auch diese Daten erfassen zu können, bräuchten wir auch die Zustimmung der Opposition. Der Haken ist der, dass diese Datenerfassung bei den Privatschulen etwas kostet. Wir bekommen die Daten, nur müssen wir dafür etwas zahlen, und zwar entstünden dadurch 6 Millionen Schilling Mehrkosten.

Jetzt stelle ich die Frage an die Opposition – 6 Millionen Schilling sind angesichts der Zahlen, die wir heute diskutiert haben, nicht sehr viel, aber trotzdem –: Steht es dafür, durch Ihr Nein zu diesem Antrag um 6 Millionen Schilling höhere Kosten zu verursachen, weil die Statistik Austria ohnehin die Daten, die sie braucht, bekommt?


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84. Sitzung / Seite 220

Jetzt ein Wort zur Anonymisierung. Herr Kollege Öllinger, mich interessiert der Huber Pepi oder die Huber Mitzi wirklich nicht (Abg. Mag. Kogler: Was heißt das?), und ich glaube, keinen Bürgermeister interessiert das. Ich bin froh, wenn ich mit Daten nichts zu tun habe, außer ich brauche sie für Planungen. Wenn eine Gemeinde Schulen baut, muss sie wissen, wie viele Klassen gebraucht werden, welche Lehrgänge abgehalten werden sollen. Weil die Gemeinden Schulerhalter sind, ist es auch recht und billig, wenn ihnen anonymisierte Daten zur Verfügung gestellt werden, damit sie auch besser planen können. Für andere Dinge brauchen wir wirklich keine Daten.

Jetzt noch etwas: Sowohl der Datenschutzrat hat uns gesagt, dass er mit dieser Vorgangsweise einverstanden ist, dass es keine Bedenken gibt, dass damit das Datenschutzgesetz untergraben werden könnte, als auch der Leiter der Statistik Austria, Herr Direktor Dr. Kutzenberger, hat uns plausibel erklärt, dass diese Daten anonymisiert werden, in einen Trichter kommen, codiert werden und dann nicht mehr zugänglich sind. Sie können die Daten nicht mehr herausholen. (Abg. Öllinger: O ja!) Nur noch die Statistik Austria kann die Daten, wenn sie gewünscht werden, wieder anonymisiert ausdrucken.

Das ist der Grund, warum wir auch zustimmen können, warum der Datenschutzrat sein Okay gegeben hat. (Abg. Öllinger – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Sie haben das nicht gelesen!) Jetzt wollen wir nicht päpstlicher als der Papst sein, sondern ich fordere die Opposition auf: Stimmen Sie zu und ersparen Sie dem österreichischen Steuerzahler damit 6 Millionen Schilling! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kuntzl. – Bitte.

22.19

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte hat jetzt meiner Meinung nach sehr klar und deutlich die Problematik dieses Entwurfes, dieses Antrages ans Tageslicht gebracht. Kein Mensch verschließt sich dem Vorhaben, eine Bildungsstatistik zum besseren Planen der Bildungspolitik durchzuführen. Selbstverständlich halten wir das auch für sinnvoll.

Aber in dieser Debatte sind Sie uns eine Antwort schuldig geblieben auf folgende Fragen: Wofür brauchen Sie, um planen zu können, personenbezogene Daten? Wofür brauchen Sie die Sozialversicherungsnummer? Warum wollen Sie alle diese Daten, die Sie erheben, den konkreten Personen wieder zuordnen können? Um Bildungspolitik planen zu können, kommen Sie mit den summarischen Daten aus, daher muss es einen anderen Grund geben. Oder es ist ein Irrtum. Dann hätten Sie noch die Gelegenheit, das zu reparieren, und die sollten Sie wahrnehmen.

Weil Kollegin Wochesländer sozusagen von der weißen Weste gesprochen hat: Das ist natürlich ein Killerargument, und da würde ich Sie als verantwortungsvolle Politikerin schon bitten, wirklich anders, nämlich sensibler umzugehen mit Bürgerrechten, die wir zu sichern haben. Und der Datenschutz ist ein derartiges Grundrecht und Bürgerrecht. (Beifall bei der SPÖ.)

Weil Sie immer den Datenschutzrat zitieren: Der Datenschutzrat hat schon eine Kritik angebracht. Der Datenschutzrat bemerkt, dass es sich hier um personenbezogene Daten handelt, und knüpft an bei der Vorgangsweise, dass diese personenbezogenen Daten zuerst im Bildungsministerium gesammelt und dann in einer Kopie an die Statistik Austria weitergegeben werden, um dort erst verschlüsselt zu werden. Das heißt, die Daten werden weiter personenbezogen zuordenbar im Bildungsministerium aufliegen, und selbst der Datenschutzrat sagt, dass diese Verschlüsselung bereits vorher stattfinden soll. Also berufen Sie sich nicht in falscher Weise auf den Datenschutzrat! Es ist durchaus auch von dieser Seite Kritik angebracht worden.

Man muss sich auch vorstellen, welches Gesamtbild hier entsteht: der "gläserne" Schüler, die "gläsernen" Eltern. Ich weiß nicht: Wird man sich auch vornehmen, dass man die Ergebnisse des Prognoseverfahrens, das Sie heute beschlossen haben, mit sich herumschleppt, wird man


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84. Sitzung / Seite 221

diese Punze am Hirn auch mit sich herumschleppen und wird das auch einsichtig gemacht – 60 Jahre hindurch?

Es gibt viele Punkte, die hier wirklich überlegenswert sind, kritikwürdig sind. Nehmen Sie die Bedenken ernst. Datenschutz ist ein wichtiges Anliegen. Ich würde Sie nochmals auffordern, dem Antrag, den Kollege Antoni eingebracht hat, zuzustimmen, dass wir diese schwerwiegende Thematik einem Unterausschuss zuweisen, dort ein Hearing mit Datenschutzexperten machen (Abg. Großruck: Die sind eh schon gefragt worden! Wie lange sollen die noch gefragt werden!) und ein wirklich brauchbares, sinnvolles Bildungsevidenzgesetz beschließen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Wolfmayr. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

22.23

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Dass diese gesetzliche Regelung notwendig, wichtig und erwünscht ist, damit stimme ich nicht nur mit den Kollegen der Regierungsfraktionen überein, sondern anscheinend, aber in zu kleinen Teilen, auch mit Kollegen der Opposition, die da leider nicht mitgehen können.

Warum die Regelung notwendig ist, das wurde jetzt in den Beiträgen ausführlich erläutert; das möchte ich nicht mehr wiederholen. Nur kurz zusammengefasst noch einmal zum Thema Datenschutz: Anregungen des Datenschutzrates werden umgesetzt, in der Bildungsevidenz ist eine nicht rückführbare Verschlüsselung in Form der Bildungsevidenzkennzahl vorgesehen. Es erfolgt eine Beauftragung der STATISTIK AUSTRIA, die besonderen Verschwiegenheitsverpflichtungen unterliegt, es sind Vorsichtsmaßnahmen sind getroffen, für Verfolgung von Missbrauch ist das Strafrecht zuständig.

Meine Damen und Herren! Dem gewissen Risiko, das ich nicht leugne, stehen allerdings wirklich große, eminente Vorteile gegenüber. Für den Bildungsbereich erforderliche Daten können endlich an einer Stelle vorgelegt und von einer Stelle abgefragt werden. Zusätzliche Vorlagen können entfallen, ebenso wie erneute direkte Befragung. Es erfolgt also die Nutzung einmal gemeldeter und eingespeicherter Daten, wie in einigen anderen Ländern bereits auch schon. Es gibt keine Abfrage von einzelnen Bereichen mehr, Daten können durch statistische Auswertungen gewonnen werden, und zwar ohne Formulare und umfangreiche neue Erhebungsbögen. Für Planungszwecke gibt es automationsunterstützte Auswertungen, umfangreiche händische Auswertungen entfallen. Mit einem Wort: Verwaltungsvereinfachung.

Für uns alle heißt das, es gibt vollständige statistische Daten, wie sie teilweise gerade auch von uns, also vom Parlament, immer wieder gewünscht und angefragt werden, über Bildungsbeteiligung, Bildungsverlauf, Schülerströme – wir haben all das bereits gehört –, es bedeutet Zugang zu Grundlagen für mittel- und langfristige Analysen, es bedeutet Optimierung von Planungen durch Daten von hoher Qualität, die als Planungsgrundlagen dienen können.

Meine Damen und Herren! Das Gesetz leistet einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der von Parlament und Rechnungshof immer wieder eingeforderten Datenmaterialien. Es ersetzt Doppel- und Dreifacherhebungen durch einheitliche Standards für den Bildungsbereich. Es ermöglicht optimalen Einsatz der Ressourcen, es ersetzt Papier durch moderne Elektronik. Dadurch leistet dieses Gesetz einen wichtigen Beitrag zum effizienten Umgang mit den Geldern der Steuerzahler und für die Verwaltungsvereinfachung. Es ist der adäquate und dem 21. Jahrhundert angemessene Umgang mit Datenmaterial. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich teile mit, dass der Abänderungsantrag des Abgeordneten Brosz ordnungsgemäß eingebracht und unterstützt ist und daher mit zur Verhandlung steht.


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84. Sitzung / Seite 222

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. (Abg. Dr. Khol: Gott sei Dank!) Maximale Redezeit: 20 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Gott sei Dank kommt jetzt die Kollegin Petrovic!)

22.26

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Das gespenstische Schweigen der Frau Bundesministerin und der Verfassungsexperten und -expertinnen in den Regierungsfraktionen veranlasst mich zu dieser Wortmeldung, nämlich das gespenstische Schweigen auf die sehr fundierten und eigentlich erschreckenden Vorwürfe von Karl Öllinger.

In der Sache ergibt sich die Berechtigung seiner Vorwürfe gegenüber diesem Gesetz wirklich eindeutig, Frau Bundesministerin. Die Kenntnis der Sozialversicherungsnummer berechtigt die Personen, die ein Anfragerecht haben, mit Ausnahme dieser einen Zahl tatsächlich alles abzufragen. Dass Sie das eigentlich auch so sehen, hat etwa das Argument des Abgeordneten Großruck bewiesen, der sagt: Mich interessiert das ja überhaupt nicht!, und Frau Abgeordnete Wochesländer sagt mit etwas ruppigeren Worten: Warum sollen wir etwas dagegen haben, wenn sich jemand die Schulerfolge und das schulische Weiterkommen einer Person anschaut? (Abg. Wochesländer: Ist Ihr Geburtsdatum ein Geheimnis?)

Meine Damen und Herren! Ich bin schockiert. (Abg. Dr. Martin Graf: Wir nicht!) Es gelingt Ihnen immer noch, mich wirklich zu schockieren. Herr Dr. Khol, was ist das für ein Verfassungsverständnis? (Abg. Dr. Khol: Das ist weitgehend abgesichert!) Frau Bundesministerin, brauchen wir wieder diese Blamage, dass ein Gesetz nicht hält – gerade im Bildungsbereich? (Abg. Dr. Khol: Ist irgendein Gesetz im Bildungsbereich aufgehoben worden?) Und vor allem Sie müssten eigentlich – und das würde ich gerade von einer Unterrichts-, von einer Bildungsministerin verlangen – aufschreien: Ein Grundrecht ist ein Grundrecht – ist ein Grundrecht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Was war das jetzt für ein Grundrecht?)

Ein Grundrecht ist zu schützen und darf nicht eingeschränkt werden, auch wenn es im Einzelfall völlig banal ist, was hinter diesem Recht steht. Es ist völlig egal, ob das Privatleben, der Schulerfolg oder sonst irgendetwas einer Person absolut unauffällig, unbedeutend, vielleicht für die gesamte Umgebung fad und langweilig ist. Ein Grundrecht sagt: Das hat – außer in gesetzlich festgelegt Fällen, Artikel 18 der Verfassung – niemanden anzugehen.

Ein Verfassungsexperte, eine -expertin, eine Bildungsministerin, die nicht aufschreien, wenn wieder einmal dieses fürchterliche Argument kommt: Ja, wer nichts zu verbergen hat, der kann ja alles offen legen! oder: Die anderen werden schon etwas zu verbergen haben!, die kommen eigentlich an den Rand des Verfassungsbruchs. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Na bitte!)

Jede Einschränkung eines Grundrechts ist beweispflichtig. Jede Einschränkung bedarf guter, überprüfbarer, gesetzlicher Gründe. Alles andere ist mit dieser unserer Verfassung nicht vereinbar.

Dazu kommt, dass Sie in der Sache außerdem auch noch inkonsequent sind bis zum Gehtnichtmehr. Ich denke mir, da gäbe es andere Daten, nämlich nicht höchstpersönliche Daten, an denen es ein öffentliches Interesse gäbe, wo aber kein Grundrecht vorliegt. Ich denke da an gewisse Finanzdaten, ich denke an die Parteikassen, ich denke an den FPÖ-Sozialfonds. Da hat das Prinzip, wer nichts zu verbergen hat, kann doch alles offen legen, nicht gegolten. Das heißt, Sie schützen letztlich politische Interessen.

Deswegen habe ich auch ein grundsätzliches Misstrauen, dass es tatsächlich so ist, dass es möglich ist – vielleicht nicht durch Sie, aber Sie werden nicht immer in dieser Regierung sein, es können andere Personen sein, es können Veränderungen stattfinden –, dass mit diesen Daten auf dieser unzulässigen Basis wirklich Schindluder getrieben wird.

Frau Bundesministerin! Nicht, dass ich das jetzt hier bei diesem Gesetz unterstelle, ich grenze das schon deutlich ab, aber ich bitte Sie: Äußern Sie sich dazu! Dieses Prinzip: Wer nichts zu


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verbergen hat, der braucht nicht auf die Grundrechte zu pochen!, das ist letztlich genau die Argumentation, die, in einer schrecklichen Konsequenz zu Ende gedacht, das System der Blockwarte rechtfertigt. Und das, glaube ich, kann niemand wollen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

22.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich die Debatte.

Wir gelangen zu den Abstimmungen , die über die einzelnen Ausschussanträge getrennt durchgeführt werden.

Als Erstes kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend das Bildungsdokumentationsgesetz samt Titel und Eingang in 881 der Beilagen. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist eine Schande, dieses Gesetz! – Abg. Ing. Westenthaler: Geh, "Eurolim"! – Weitere "Eurolim"-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Wir stimmen ab, und ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist unerträglich!)

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist in dritter Lesung ebenfalls mit Mehrheit angenommen . (Abg. Ing. Westenthaler: "Eurolim", geh lieber schlafen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Als Nächstes kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein ... (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Mag. Trattner: Der "Eurolim" redet immer dazwischen!) Meine Damen und Herren! Ich halte es für sinnlos, bei der Abstimmung nicht konzentriert zu sein! (Abg. Mag. Trattner: Das müssen Sie dem "Eurolim" sagen, Herr Präsident!)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über die Abgeltung von bestimmten Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten im Bereich des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft geändert wird. Das ist die Vorlage 643 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Na also, es geht ja!)

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass diese Vorlage in dritter Lesung einstimmig beschlossen wurde.

Ich lasse über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens, mit Ausnahme des Hochschulwesens, und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen nach § 15 Schulunterrichtsgesetz abgeändert wird, abstimmen. Es handelt sich um die Vorlage 644 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Brosz und Fraktion einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den Abänderungsantrag und dann über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen lassen. Der Abänderungsantrag des Kollegen Brosz betrifft den § 5 Abs. 2.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag Brosz zum § 5 Abs. 2 des Gesetzes ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das wird sich nicht ausgehen!)  – Das ist nicht die erforderliche Mehrheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Fassung der Regierungsvorlage samt Titel und Eingang.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf in dritter Lesung einstimmig angenommen ist.

20. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 528/A der Abgeordneten Dr. Andrea Wolfmayr, Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz neu erlassen sowie das Forschungsorganisationsgesetz, das Bundesgesetz zur Errichtung einer Museumsquartier-Errichtungs- und Betriebsgesellschaft und das Bundesgesetz betreffend die Finanzierung des Erwerbs der "Sammlung Leopold" geändert wird (850 der Beilagen)

21. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (830 der Beilagen): Bundesgesetz über die Österreichische Bibliothekenverbund und Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung (851 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nun kommen wir zu den Punkten 20 und 21 der heutigen Tagesordnung.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Muttonen. – Bitte.

22.36

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Gleich einmal vorweg:

"In Einzelfällen können Ausgliederungen zweckmäßig sein, doch sei das von Fall zu Fall zu überprüfen. Eine Generallösung dürfe man sich nicht erwarten."

Und: "Eine sorgfältigere Vorbereitung bei der Ausgliederung sei zu wünschen. Bei den bisherigen Ausgliederungen sei man konzeptlos vorgegangen. Es seien keine Alternativen evaluiert und keine Kosten-Nutzen-Analysen erstellt worden."

Das, meine geehrte Damen und Herren, stammt aus einer APA-Meldung des Präsidenten des Rechnungshofes Franz Fiedler vom 11. Juni dieses Jahres, und das ist auch schon der erste Punkt, den ich kritisieren möchte bei diesem Antrag auf Entlassung der Österreichischen Nationalbibliothek in die Vollrechtsfähigkeit ab 1. Jänner 2002, nämlich die Konzeptlosigkeit.

Es werden Konzepte und Überlegungen für die Museen auf die Nationalbibliothek übertragen, ohne sich die Situation genauer anzuschauen oder vielleicht sogar eine Studie dazu zu ma


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chen. Die Situation der Nationalbibliothek ist jedoch eine andere, und der Schritt in die Vollrechtsfähigkeit muss gründlich überlegt werden.

Meine Damen und Herren! Sie sprechen immer von Flexibilität. Ja, ich bin für diese Flexibilität. Ich frage mich nur: Hat es in der Teilrechtsfähigkeit nicht schon genug Flexibilität gegeben? Oder was ist das nächste Ziel? Welche Vorteile, welche Nachteile bringt eine Vollrechtsfähigkeit gegenüber einer Teilrechtsfähigkeit? Welche Vorteile sind das genau, bezogen auf die Nationalbibliothek und nicht vermischt mit den Museen? Und warum, Frau Ministerin, gibt es keine offizielle Begutachtung dieses Gesetzentwurfes?

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, dass es nicht wieder die Geschwindigkeit ist, die an erster Stelle steht, denn Sie wissen doch – ich glaube, Sie haben das bereits gelernt –: Speed kills.

Ich denke, es handelt sich hier um eine grundsätzliche gesellschaftspolitische Frage. – Die Frau Ministerin ist beschäftigt. (Bundesministerin Gehrer ist im Gespräch mit zwei Beamten.)  – Ich glaube, es ist eine grundsätzliche gesellschaftspolitische Frage: Orientieren wir uns nur mehr an wirtschaftlichen Aspekten, oder ist Kultur ein schützenswertes Gut? Wir haben das gestern gehört und diskutiert, und alle waren der Meinung, Kulturgüter seien schützenswert und zu verteidigen.

Ich denke, die Österreichische Nationalbibliothek ist ein wichtiger Bestandteil der österreichischen Kultur und unseres kulturellen Erbes. Als Gedächtnis Österreichs sollte die Nationalbibliothek sehr wohl ein Anliegen des österreichischen Staates bleiben, und der Staat sollte sich nicht vollständig verabschieden. (Abg. Parnigoni: Es ist ja völlig egal, was Sie sagen, die Ministerin hört nicht zu!) Vielleicht kann die Frau Minister jetzt meinen Ausführungen zuhören. (Bundesministerin Gehrer: Ich werde sehr genau zuhören!)

Die Nationalbibliothek mit über 6 Millionen Bestandsobjekten ist die größte und bedeutendste Bibliothek des Landes, daher kommt ihr auch besondere Bedeutung zu. Schützenswert heißt aber auch, dass die Nationalbibliothek nicht unter dem Sparkurs der Regierung zu leiden hat und finanziell ausgehungert wird. Das beinahe lächerlich niedrige Ankaufsbudget der Österreichischen Nationalbibliothek beträgt 10 Millionen Schilling, und sie gerät durch diese niedrige Summe international immer mehr ins Hintertreffen. Die Leiterin der Nationalbibliothek, Frau Johanna Rachinger, hat dieses Problem auch schon des Öfteren thematisiert.

Die Gefahr, dass die Bibliothek ihrem kulturpolitischen Auftrag nicht mehr wird nachkommen können, ist also durchaus real und ist ernst zu nehmen, und das macht mir Sorgen, meine Damen und Herren. Nur kurz ein Vergleich dazu: Die Bayerische StaatsBibliothek hat ein Literaturankaufsbudget von 133 Millionen Schilling. Die Gefahr, dass Lücken im Bestand zustande kommen, ist sehr groß. Ich meine, da beginnt ein Teufelskreis, der unserer Kultur wahrlich nicht gut tut.

Meine Damen und Herren! Daher können wir der vorliegenden Vorlage nicht zustimmen, denn sie ist uns einfach zu wenig durchdacht und überlegt, und wir sind einfach in Sorge um die Nationalbibliothek und in Sorge um den kulturpolitischen Auftrag dieser Institution.

Daher möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossinnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, durch eine zweckgewidmete Sonderfinanzierung das Ankaufsbudget der Österreichischen Nationalbibliothek auf ein dem internationalen Vergleich angemessenes Niveau anzuheben.

*****


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Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie, stimmen Sie diesem Antrag zu, denn Sie sind, wie Sie immer betonen, ja auch der Meinung, dass die Nationalbibliothek ein wichtiges Kulturgut darstellt. Ich denke, damit könnten wir der Bibliothek helfen, über die finanziellen Probleme zumindest ein wenig hinwegzukommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag der Frau Abgeordneten Mag. Muttonen ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit zur Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr. – Bitte.

22.42

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Das Tätigkeitsfeld der Österreichischen Nationalbibliothek ähnelt sehr wohl weitgehend dem der Bundesmuseen. Ich widerspreche hiermit selbstverständlich meiner Vorrednerin, und ich will auf die schon gebetsmühlenartig vorgebrachten Einwände hier gar nicht eingehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die neue Organisationsform hat sich nämlich mehr als bewährt, und selbstverständlich liegt es nahe, die Nationalbibliothek ebenfalls in die Vollrechtsfähigkeit überzuleiten. Die Vorteile liegen auf der Hand. Ich fasse sie kurz zusammen: Durch das Globalbudget wird der Umgang mit den finanziellen Ressourcen für Bund und Bibliothek gestaltbar. Es gibt mehr Beweglichkeit bei Personalentscheidungen und im Sachaufwand, mehr Zielsicherheit und Berechenbarkeit für die nächsten Jahre. Vor allem aber führt der Anreiz zur Eigeninitiative zu einer enormen Verbesserung des Arbeitsklimas, wovon ich mich persönlich in Gesprächen vor Ort überzeugen konnte. Weitgehende Zustimmung der Betroffenen und eine ganz neue Identifikation sind die Folge.

Ich wollte eigentlich auf diesen Punkt und darauf, wie das durch Einsetzung von Arbeitsgruppen und interner Kommunikation erreicht wurde, näher eingehen, werde auf Grund der zeitlichen Beschränkung jedoch darauf verzichten. Ich möchte Sie nur bitten, dass Sie sich selbst einmal davon überzeugen, dass Sie die Nationalbibliothek besuchen, mit der Generaldirektorin sprechen und sich vom frischen Wind in den alten Hallen selbst überzeugen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der kulturpolitische Auftrag der traditionsreichen Institution Nationalbibliothek, ihr Bildungsauftrag wird voll und ganz wahrgenommen. Alle Gelder werden für Sammlungen, EDV-Investitionen, Bibliothekserfordernisse eingesetzt. Aber noch viel mehr und Zusätzliches soll in Zukunft geschehen. Junge Menschen, Schüler, Studierende und Wissenschafter sollen stärker an die Nationalbibliothek gebunden werden, denn sie soll hinter ihrer alten, schönen, traditionsreichen Fassade vor allem ein modernes Dienstleistungszentrum für ihre NutzerInnen werden. Serviceleistungen wie längere Öffnungszeiten, Computerarbeitsplätze, CD-ROM-Leseplätze oder per Internet abrufbare Kataloge sollen das Unternehmen auf modernen, zeitgemäßen Stand bringen, und zwar so rasch wie möglich.

Meine Damen und Herren! Das Globalbudget für die Österreichische Nationalbibliothek wurde gegenüber dem derzeitigen Budget um 53 Millionen Schilling erhöht, und dieses Budget ist fix, es unterliegt keinen Kürzungen. Das bedeutet besseren, weil zielgerichteten Ressourceneinsatz. Das allein schon müsste Sie davon überzeugen, dass wir nicht "aushungern" oder "in Grund und Boden arbeiten", wie Sie das so gerne darstellen, sondern, ganz im Gegenteil, endlich die schon längst überfälligen Reformen durchführen. Das bedeutet neue Chancen für die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zum Schluss noch ein Wort zur Umwandlung der bisher als "Arbeitsgruppe Bibliotheksautomation" bezeichneten, aber schon längst als Serviceinstitution arbeitenden Gruppe. Sie soll die volle Geschäftsfähigkeit erhalten, und das hat vor allem den Zweck, dass ihre Dienste auch anderen großen Bibliotheken zugänglich gemacht werden können – eine sinnvolle Maßnahme, gegen die wohl kaum jemand etwas einzuwenden hat. Lückenlose Dokumentation des Bestandes aller wissenschaftlichen Bibliotheken, deren Entlehnung, Zugänglichkeit über das Internet: Das nenne ich moderne Bibliotheksverwaltung.


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Meine Damen und Herren! Umfassende Digitalisierung, um Österreichs Kunstschätze und Kulturgüter einer breiten weltweiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist wichtig, und dafür braucht es ein zeitgemäßes Management. Nur dieses Management wird uns eine moderne, von vielen problemlos benutzbare und gern benutzte Nationalbibliothek bringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Zweytick: Sehr richtig! Gratuliere!)

22.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. (Abg. Zweytick: Temelin! – Abg. Dr. Glawischnig  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Nein, jetzt kommt nicht Temelin, sondern einmal etwas anderes!)

22.47

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wolfmayr, ich kann es Ihnen nicht ersparen, auch wenn Sie sagen, es seien gebetsmühlenartig wiederholte Kritikpunkte: Mit gewissen Fragen muss man sich schon auseinander setzen!

Wenn die ÖVP/FPÖ-Regierung in ihrem Regierungsübereinkommen schreibt, dass die Ausgliederung in allen Bereichen vorangetrieben werden soll, welche nicht unmittelbare staatliche Kernaufgaben sind, dann würde ich darum bitten, dass man statt eines spiegelverkehrten Vulgärmarxismus, nämlich Ausgliedern, Privatisieren überall und zu jedem unpassenden und passenden Zeitpunkt, einmal eine Kernkritik, eine Aufgabenkritik macht, um dann einmal wirklich unterscheiden zu können, wo Ausgliederungen sinnvoll sind und wo nicht. Und ich denke, gerade der kulturpolitische Bereich ist einer, wo man sehr, sehr aufpassen muss. (Beifall bei den Grünen.)

In einem Punkt stimme ich mit Ihnen überein: dass nämlich zwischen der Nationalbibliothek und den Museen nicht so ein großer Unterschied ist, dass man diese anders behandeln sollte. Ich komme nur zu einem anderen Ergebnis. Wir haben auch eine recht große Skepsis gegenüber der Ausgliederung der Bundesmuseen gehabt. Das ist auch der Grund, warum wir dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen können.

Ich bin der Auffassung, dass mit der Umstrukturierung der Rechtsform nicht nur die gesetzliche und die rechtliche Form geändert, sondern auch die gesellschaftliche Funktion geändert wird, und dass es bei vielen Funktionen – und das sieht man jetzt – durch Konzentrationstendenzen und durch nach wie vor großen politischen Einfluss eher eine Negativentwicklung gibt. Ich halte es zum Beispiel für sehr, sehr negativ – eine sehr plakative Auswirkung –, dass Schülerinnen und Schüler jetzt in den Museen Eintrittspreise zu zahlen haben.

Es gibt also einige Punkte, die man diskutieren muss, um herauszufinden, wo Ausgliederungen Sinn machen und wo nicht.

Sie sagen, dass die Nationalbibliothek in einem sehr guten Zustand sei. Mir dagegen sind Fälle bekannt, dass es unmöglich ist, im Archiv zu arbeiten, weil kein Personal da ist, das die Aufsicht ausübt. Also sogar die wissenschaftliche, die Forschungsseite ist bedroht beziehungsweise nicht garantiert. (Abg. Zweytick: Reine Managementsache – man muss nur die Leute gut einsetzen!) Mit der Ausgliederung darüber hinwegtäuschen, dass es hier ein massives Ressourcenproblem gibt, das kann man einfach nicht.

Was ich noch als Kritik an der derzeitigen Form anbringen wollte: Ausgliederungen können nur dann gut funktionieren, wenn man die Inhalte, Ziele und Aufgaben dieser Institutionen sehr genau formuliert. Das ist in allen Ausgliederungsdiskussionen unumstritten: Je klarer und präziser der Auftrag formuliert ist, umso besser können solche Sachen funktionieren. In diesem Punkt ist aber leider im Gesetz und auch in der Debatte eine große Leerstelle geblieben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)


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84. Sitzung / Seite 228

22.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Povysil gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

22.50

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ein Highlight der österreichischen Kulturdarbietung gibt es derzeit in der Österreichischen Nationalbibliothek, nämlich die Ausstellung "Welt im Buch". Mit zirka 8 000 Drucken aus der Zeit der Erfindung des Buchdrucks, aus der Zeit von 1450 bis 1500 besitzt die Nationalbibliothek eine der wertvollsten Inkunabeln-Sammlungen der Welt. Was mir besonders gefällt, ist, dass der Erlös dieser Ausstellung dazu verwendet wird, dass die Werke eine maßgefertigte Hülle aus alterungsbeständigem, säurefestem Material erhalten. Das heißt, durch diese Ausstellung gelingt es, unwiederbringliches Kulturerbe auch wirklich adäquat zu erhalten, und das halte ich für einen sehr kreativen Ansatz zur Aufbringung finanzieller Ressourcen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Seit 1999 befinden sich die österreichischen Bundesmuseen in einer neuen Ära, seit 1999 ist eine Strukturreform, eine Verwaltungsreform, die Ausgliederung im Gange. Begonnen hat sie mit dem Kunsthistorischen Museum, jetzt ist die Nationalbibliothek dran, vorher waren Völkerkunde- und Theatermuseum an der Reihe. Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt nicht nur diese berühmte Inkunabeln-Sammlung, sondern sie wurde auch wegen ihrer wirklich weltberühmten Papyrus-Sammlung in die "Memory of the World"-Liste der UNESCO aufgenommen. Sie ist also wirklich eine österreichische kulturelle Einmaligkeit.

Jetzt stellt sich die Frage: Was heißt diese Ausgliederung der Bundesmuseen? Bedeutet das, wie von der Sozialdemokratie und den Grünen immer wieder argumentiert, die Verabschiedung des Staates – der Staat sind wir –, die Verabschiedung der Öffentlichkeit aus dem Kulturbereich? Wie jede Strukturreform birgt auch diese natürlich Chancen und Risken. Mehr Selbständigkeit bedeutet mehr Eigenverantwortung. Grundlage jedes erfolgreichen Unternehmens ist natürlich eine klar definierte Aufgabenstellung. Daher ist natürlich auch zusätzlich zur Ausgliederung eine neue Bibliotheks- und eine neue Museumsordnung zur Begutachtung ausgesandt worden.

Meine Damen und Herren! Strukturänderungen sind langfristige Programme, die kann man nicht kurzfristig durchziehen – wobei der wissenschaftliche Auftrag natürlich gewährleistet sein muss, wobei der Bildungsauftrag, der für unsere Museen, so werden Sie mir zugeben, Herr Abgeordneter Cap, ein ganz wichtiger ist, nicht zu vernachlässigen und auch nicht hintanzuhalten ist. Wenn wir das erste Halbjahr 2000 und das erste Halbjahr 2001 vergleichen, fällt uns auf: Gerade die vollrechtsfähigen Museen haben eine Besuchersteigerung von 12,11 Prozent zu verzeichnen. Das kann wohl für die vollrechtsfähigen Museen nicht negativ sein. (Abg. Dr. Jarolim: Wer sagt das?) Nachlesen! Literatur, Unterlagen, die besagen das.

Dabei ist gerade auch die Zahl der zahlenden Besucher von 69 auf 74 Prozent gestiegen. Dass die zahlenden Besucher mehr werden, ist auch nicht wirklich ein Nachteil für unsere Museen. Das ist natürlich auf die hervorragenden Sonderausstellungen zurückzuführen, wie "7 000 Jahre persische Kunst", El Greco, "Klimt und die Frauen". Weitere Highlights sind geplant, und das heißt, es sind natürlich weitere Steigerungen zu erwarten.

Aber wenn wir das genau überdenken, dann wird uns klar, dass die Bundesmuseen aufgrund der gedeckelten Bundeszuschüsse weitere Einnahmenzuwächse nur durch Eigenerwirtschaftung, und zwar durch gesteigerte Eigenerwirtschaftung von Mitteln erreichen werden, und hier müssen von beiden Seiten, von den Museen und von uns, ernsthafte Überlegungen angestellt werden, wie wir diesen bis jetzt erfolgreichen Weg, der klar dokumentiert ist, auch weiter fortsetzen können.

Meine Damen und Herren! Ein wichtiges Stichwort dabei ist die Synergie. Ausstellungen wurden bereits synergetisch durchgeführt, wie zum Beispiel das Ausstellungsprojekt "Entdeckung der Welt", eine Kooperation von Kunsthistorischem Museum, Naturhistorischem Museum, Heeresgeschichtlichem und Völkerkundemuseum. Mir als Oberösterreicherin ist es natürlich ein ganz besonderes Anliegen, dass diese Synergien, Frau Minister, nicht nur auf Bundesebene Platz greifen, sondern auch in rotierenden Ausstellungen zwischen Bundes- und Landesmuseen genutzt werden, denn wie der bayerische Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst,


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84. Sitzung / Seite 229

Zehetmair, sagte: Unserer Jugend soll nicht nur Dow Jones, sondern auch James Joyce – man könnte sagen: auch Gustav Klimt – ein Begriff sein.

Meine Damen und Herren! Unsere Museen und somit auch unsere Kultur wird nur dann bestehen können, wenn die Menschen motiviert sind, sie überhaupt zu kennen, hineinzugehen, sie zu erlernen, sie zu verstehen. Kultur schadet uns auch hier im Parlament im Umgang miteinander, Frau Abgeordnete Heinisch, mit Sicherheit nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auch der viel zitierte "Kampf der Kulturen" kann nur durch gegenseitiges Kennenlernen, durch gegenseitige Achtung und durch gegenseitigen Respekt vermieden werden. (Abg. Edlinger: Ich stimme Ihnen zu!) Dafür spielt die Wissensvermittlung durch unsere Museen – jawohl, Herr Finanzminister: die Wissensvermittlung durch unsere Museen! – eine große Rolle. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Zweytick: Ja, das stimmt!)

22.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte.

22.56

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Wie aus dem Kulturbericht, den wir im Ausschuss behandelt haben, zu ersehen ist, sind die Museen als wissenschaftliche Anstalten einen sehr erfolgreichen Weg gegangen. Die Museen haben enorm viele Initiativen entwickelt, es gab interessante Ausstellungen. Es konnten vor allem Synergieeffekte lukriert werden, womit wieder Ausstellung und Ankäufe getätigt werden konnten.

Es war von vornherein immer vorgesehen, dass auch die Nationalbibliothek diesen erfolgreichen Weg gehen soll, dass wir die Nationalbibliothek auch in eine wissenschaftliche Anstalt überführen. Ich stelle fest: Es wird damit keine kulturpolitische Verantwortung abgegeben, denn es ist, wie Sie dem Gesetz entnehmen können, eine Basisabgeltung vorgesehen, und zwar eine Basisabgeltung in der Höhe von 283 Millionen Schilling – das sind um 53 Millionen Schilling mehr als im Vorjahr –, um die Umstellungskosten bewältigen, EDV-Investitionen vornehmen und zusätzliche Sammlungsankäufe tätigen zu können.

Meine Damen und Herren! Die gesamte Umstellung wurde zusammen mit den Personalvertretern geplant, es wurden Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Wenn die Personalvertretung zustimmt, das Budget erhöht wird, der erfolgreiche Weg von den Museen vorgezeichnet worden ist, so fehlt es mir wirklich an Verständnis, wenn die Opposition diesem sinnvollen Gesetz nicht ihre Zustimmung gibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Jäger. – Bitte sehr.

22.58

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Povysil, Sie haben sehr umfassend von den Museen gesprochen. Ich bedaure, dass wir den Kulturbericht bereits im Ausschuss enderledigt haben, denn das wäre eine Möglichkeit gewesen, uns hier wirklich umfassend mit dieser Thematik zu beschäftigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Unsere Sorgen bezüglich der Ausgliederung beziehungsweise der Erlangung der Vollrechtsfähigkeit der Nationalbibliothek hat meine Kollegin Muttonen schon angesprochen. Was mir wirklich eigentlich erst im Zuge der Behandlung dieser Materie bewusst geworden ist, das ist das Problem der finanziellen Aushungerung der Nationalbibliothek, und ich denke, dass man sich mit diesem Thema tatsächlich auseinander setzen muss, denn wenn man die Zahlen zum Beispiel mit den Ausgaben vergleicht, die allein in Bayern für die Anschaffung wichtiger Kulturgüter eingesetzt werden, dann ist festzustellen: Wir müssen in Österreich wirklich ein größeres Budget für diesen wichtigen Bereich aufbringen! (Beifall bei der SPÖ.)


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84. Sitzung / Seite 230

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz begründen, warum wir dem neuen Bundesgesetz über die Österreichische Bibliothekenverbund und Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung zustimmen und das auch als sinnvolles, gutes Gesetz sehen. Hier wird in sinnvoller Weise auf die Anforderungen eines modernen Bibliothekenverbunds eingegangen. Einerseits können mit der nun geplanten GesmbH die notwendigen Ausweitungs- und Konsolidierungsschritte gesetzt werden, auf der anderen Seite geht es aber vor allem darum, die EDV-unterstützte Vernetzung der Unibibliotheken voranzutreiben. Mit dieser GesmbH ist es in Zukunft möglich, dass zum Beispiel Studenten österreichweit über das Internet Zugriff auf alle Uni-Bibliotheken haben, darüber hinaus aber auch einen Zugriff auf Landesbibliotheken. Das ist sehr kundenfreundlich und zukunftsorientiert. Ich denke, so wie diese GesmbH angelegt ist – ihre Vertreter knüpfen zurzeit auch internationale Kontakte im deutschsprachigen Raum, nach Deutschland und auch in die Schweiz –, wird unseren Studenten oder Menschen, die einfach Zugriff auf wichtige Bücher, auf das wichtige Wissen, das dort aufbewahrt und gelagert ist, haben wollen, der Zugang erleichtert. Mit diesem Gesetz wird also ein weiterer Schritt zur Modernisierung in Bezug auf Wissenszugriff und Wissensvermittlung gesetzt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Mikl-Leitner. Die Uhr ist auf 2 Minuten gestellt. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Mein Gott, ist die flink!)

23.01

Abgeordnete Mag. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesminister! Meine Kollegin Andrea Wolfmayr hat das Wichtigste zum Thema Ausgliederung der Nationalbibliothek bereits gesagt. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Ich würde Sie darum bitten: Sehen Sie die Vollrechtsfähigkeit, sehen Sie die Umgestaltung der Nationalbibliothek in Richtung mehr Flexibilität und Beweglichkeit als Chance an und nicht als Horrorszenario, wie es von Ihrer Seite bereits geschildert worden ist. Selbstverständlich wissen wir, dass wir hierbei mit Augenmaß und auch mit einer sehr hohen Sensibilität vorgehen müssen, denn wir wissen, dass es hier nicht nur um Vermögenswerte geht, sondern dass es hier vor allem um Identität geht, dass es vor allem um immaterielle Werte geht.

Nun zum Antrag von Frau Kollegin Muttonen: Ich darf Sie daran erinnern, dass es geschriebenes Gesetz ist, dass an die Nationalbibliothek von jeder Publikation ein Belegexemplar zu liefern ist, auch von den elektronischen Medien, und ich darf Sie auch daran erinnern, dass die Basisabgeltung um 53 Millionen Schilling aufgestockt worden ist. Was damit aber letztendlich geschieht, ist in Zukunft allein Sache der Geschäftsführung. Das heißt, Ihr Antrag geht somit voll und ganz ins Leere, und aus diesem Grund werden wir auch Ihrem Entschließungsantrag nicht zustimmen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Ich ersuche Sie: Bitte, reduzieren wir dieses wichtige Thema nicht rein auf Panikmache, wie Sie sie betreiben! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Haben wir heute schon einmal gehört!)

23.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. – Bitte.

23.03

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Dr. Brigitte Povysil und Dr. Andrea Wolfmayr haben schon eingehend auf die bildungs- und kulturpolitische Bedeutung der Nationalbibliothek hingewiesen. Die Österreichische Nationalbibliothek ist eine Stätte geistig-kultureller Identität Österreichs. Durch das Bundesmuseen-Gesetz 2002 wird die Österreichische Nationalbibliothek nach dem Vorbild der ausgegliederten Bundesmuseen zu einer wissenschaftlichen Anstalt öffentlichen Rechts. Mit der Geschäftsführerin Dr. Johanna Rachinger wird eine erfolgreiche Geschäfts- und Fachfrau die Österreichische Nationalbibliothek in die Vollrechtsfähigkeit führen.

Neben der wissenschaftlichen Erfassung, Bewahrung und Präsentation des anvertrauten Kulturgutes wird es in Zukunft auch Ziel sein, effizient zu wirtschaften und einen besseren


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84. Sitzung / Seite 231

Zugang für die Kunden zu schaffen, um dem Bildungsauftrag gerecht zu werden. Es wurde schon auf das aktive Herangehen an Schulen, an Universitäten hingewiesen, denn zwei Drittel der Benutzer der Österreichischen Nationalbibliothek kommen aus dem wissenschaftlichen, dem akademischen Bereich.

Die Schaffung eines besseren Zugangs zur Österreichischen Nationalbibliothek wurde schon durch die Einrichtung von 20 zusätzlichen Computerplätzen begonnen. In den nächsten fünf Jahren werden alle Kataloge digitalisiert werden, was auch die Voraussetzung für die inhaltliche Digitalisierung der über sechs Millionen Bestandsobjekte ist. Erwerbung und Bestandsaufbau werden auch beschleunigt. Derzeit dauert es fünf Monate, bis ein neues Buch zum Leser kommt; dies wird in Zukunft in vier Wochen möglich sein.

Der bessere Zugang zur Österreichischen Nationalbibliothek wird in Zukunft auch durch längere Öffnungszeiten gewährleistet. Derzeit kann man das letzte Buch um 15 Uhr entlehnen, in Zukunft wird dies bis 19 Uhr möglich sein. Geöffnet wird die Bibliothek für Besucher bis 21 Uhr sein. Auch die Herabsetzung des Zugangsalters von 16 auf 15 Jahre wird vielen Schülern bei Projektarbeiten helfen.

Basisabgeltung mit wirtschaftlicher Flexibilität sowie flexiblerer, wirtschaftlicher Personaleinsatz mit leistungsbezogener Entlohung sind die Voraussetzungen für wirtschaftliche Eigenverantwortung der Österreichischen Nationalbibliothek. Die Mitarbeiter stehen voll hinter der Ausgliederung, und entgegen hier versuchter Legendenbildung ist auch Frau Dr. Rachinger mit der finanziellen Situation zufrieden.

Zum Beispiel auch die im Internet angebotene Vermietung der Räumlichkeiten schafft zusätzliche Einnahmequellen, und ein Sponsorenkonzept, das in Auftrag gegeben wurde und bis Ende Dezember fertig gestellt sein wird, wird zusätzliche finanzielle Möglichkeiten erschließen. Effizientes und gutes Wirtschaften schafft größere finanzielle Spielräume auch für die Ankäufe neuer Bestände, und auch die von Frau Mag. Muttonen genannten Beträge sind ja nicht richtig. Dies alles kommt dem Kunden zugute.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Österreichische Nationalbibliothek, das österreichische Bundesmuseen-Gesetz 2002 – das geht uns alle an. Ich hatte gehofft, dass Frau Mag. Muttonen sich seit dem letzten Kulturausschuss besser informieren konnte, sodass auch die Damen und Herren der Opposition geschlossen das Bundesmuseen-Gesetz 2002 mittragen würden. Es wird dennoch beschlossen werden – schade, dass es nicht alle gemeinsam tun. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

23.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. Die Uhr ist auf 3 Minuten gestellt. – Bitte.

23.08

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Neuerlassung des Bundesmuseen-Gesetzes führt mich zur Graphischen Sammlung Albertina, und die führt mich weiter zu einem gewissen Herrn Klaus Albrecht Schröder. Und dieser Herr Klaus Albrecht Schröder führt mich wieder zurück nach Salzburg, dem Bundesland, aus dem ich komme und in dem die Wählerinnen und Wähler uns so viele Stimmen gegeben haben, dass wir hier im Parlament sitzen, meine Damen und Herren.

Seit nunmehr zwei Jahren ist Herr Klaus Albrecht Schröder auch so genannter Museumsberater des Salzburger Landeshauptmannes Schausberger. Für ein Jahreshonorar von rund einer Dreiviertel-Million Schilling geschieht Sonderbares in Salzburg, und das möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten. (Abg. Großruck: Weißt schon noch, dass du mit uns in einer Koalition bist?!) Das, was im Zusammenhang mit der Albertina in Wien schon alles geschehen ist, das ist die eine Sache, wie zum Beispiel Mehrkosten, die völlig unüberschaubar geworden sind, oder das Versprechen von Sponsorgeldern, die noch gar nicht geflossen sind, oder vielleicht auch das Thema des Zugangs zur Albertina, der höchst umstritten ist. Das ist die eine Sache.


Nationalrat, XXI.GP
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Die zweite Sache, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist Salzburg. Was in Salzburg geschehen ist, ist die Erarbeitung eines Museumskonzepts, das Herr Klaus Albrecht Schröder erstellt hat und von dem letztendlich nur mehr ein Museum am Mönchsberg übrig geblieben ist. Wer Salzburg kennt, wird wahrscheinlich die Einzigartigkeit der Lage dieses Mönchsbergs auch kennen.

Das so genannte Museum der Moderne am Mönchsberg, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird ein totaler Flop, das sagt jeder Fachmann. (Abg. Dr. Jarolim: Das sagen Sie!) Ich nenne nur einen Beleg dafür: Die Raumhöhen dieses Museums der Moderne betragen zwischen 3,66 Meter und 4 Meter. (Abg. Dr. Mertel  – in Richtung ÖVP weisend –: Schauen Sie doch in die Richtung!) Ich frage mich nur, wie in einem Museum der Moderne dann Exponate von Roy Lichtenstein oder Baselitsch ausgestellt werden sollen? (Abg. Schieder: Der heißt Baselitz und nicht Baselitsch ! Außerdem ist das nur ein Künstlername, und er heißt Hans Georg Kern!)

Mit diesem Museumskonzept, meine Damen und Herren, passiert aber noch etwas ganz anderes. Was Herr Schröder plant, ist der aktuelle Versuch, Salzburg durch seine Architektur zu zerstören. Meine Damen und Herren! Vor 60 Jahren hat in Salzburg schon einmal jemand versucht, eine Gauburg am Kapuzinerberg zu errichten. Dazu ist es Gott sei Dank nicht gekommen.

Der erste tatsächliche Sündenfall, meine Damen und Herren von den Grünen, war der des grünen Stadtrats Voggenhuber, der nämlich zugelassen hat, dass am Kapuzinerberg ein Casino Café Winkler entsteht. Und jetzt ist es der Schröder-Plan, meine Damen und Herren, der uns große Sorge bereitet. Salzburg hat Weltkulturerbe-Status, und die Zerstörung historischen Kulturgutes wäre unwiederbringlich. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schröders Pläne sollen in Salzburg politisch durchgedrückt werden! Unser Kulturgut – ich wiederhole mich – ist unwiederbringlich, und eine Zerstörung unseres Kulturgutes dürfen wir nicht zulassen! In diesem Sinne werden wir kämpfen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sevignani. – Bitte.

23.11

Abgeordneter Hans Sevignani (Freiheitliche): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Wir Freiheitlichen begrüßen die Überleitung der Österreichischen Nationalbibliothek in die Vollrechtsfähigkeit mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2002. (Zwischenruf des Abg. Dr. Einem. )

Schade, dass die Opposition, aus welchen Gründen auch immer, wieder einmal dagegen ist! Wir unterstützen dieses Gesetz. Alles Gute! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit gelangen wir zu den einzelnen Abstimmungen, und zwar stimmen wir zunächst ab über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz neu erlassen sowie das Forschungsorganisationsgesetz, das Bundesgesetz zur Errichtung einer Museumsquartier-Errichtungs- und Betriebsgesellschaft und das Gesetz betreffend die Finanzierung des Erwerbs der "Sammlung Leopold" geändert wird. Es handelt sich um die Vorlage 850 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit in zweiter Lesung beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich darf bitten, dass jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, dies bekunden. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Muttonen und Genossen betreffend die Erhöhung des Ankaufsbudgets der Österreichischen Nationalbibliothek.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag der Kollegin Muttonen eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag hat keine Mehrheit gefunden und ist daher abgelehnt.

Wir kommen als Nächstes zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Österreichischen Bibliothekenverbund und Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Regierungsvorlage 830 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Beschlussfassung erfolgt in zweiter Lesung einstimmig.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Dieser ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

 22. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9aE Vr 5754/01, Hv 3146/01) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler (841 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch nach Berichterstattung liegt nicht vor; eine Wortmeldung liegt auch nicht vor.

Daher kommen wir gleich zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 841 der Beilagen, der wie folgt lautet:

1. In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. September 2001 um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der von den Privatanklägern behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler besteht.

2. Einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler wird zugestimmt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen zwei Punkten dieses Antrags zustimmen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Stimmenmehrheit beschlossen.

*****

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Abstimmung über Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nun zu weiteren Abstimmungen , die noch durchzuführen sind.


Nationalrat, XXI.GP
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Zuerst stimmen wir ab über den Antrag, dem Umweltausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 400/A (E) der Frau Abgeordneten Dr. Glawischnig betreffend Umstellung der Stromversorgung der Bundesgebäude auf Ökostrom eine Frist bis zum 11. Dezember 2001 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag der Frau Abgeordneten Dr. Glawischnig zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

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Als Nächstes stimmen wir ab über den Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Glawischnig, dem Umweltausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 446/A (E) der Abgeordneten Dr. Glawischnig betreffend Änderung der EU-Atompolitik eine Frist bis zum 11. Dezember 2001 zu setzen.

Eine Debatte ist nicht beantragt worden. Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 545/A bis 551/A und die Anfragen 3116/J bis 3131/J eingebracht wurden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, den 23. November 2001, 9 Uhr, ein.

Die Tagesordnung ist verteilt worden. Die morgige Sitzung beginnt mit einer Fragestunde.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 23.18 Uhr