Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 121

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Ich bitte Sie, meine Damen und Herren: Mäßigen wir uns auch in der Sprache! Sie bezeichnen diesen Selbstbehalt als "Krankenbestrafungssteuer". Ich appelliere wirklich an Sie: Hören Sie auf! Hören wir auf, den Menschen Angst zu machen. Angst war immer ein schlechter Wegbegleiter, vor allem im Sozialversicherungssystem. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Das wissen Sie, Frau Kollegin Silhavy. Hören wir auf, Angst zu machen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir – ich möchte das noch einmal mit allem Nachdruck zurückweisen – verfolgen keine kaltschnäuzige Sozialpolitik. Die Sozialpolitik dieser Bundesregierung ist sozial ausgewogen, sie ist zukunftsbezogen, und sie ist vor allem Folgendes: Sie ist vom Willen der Partner getragen, umgesetzt zu werden – das ist ein wesentlicher Punkt –, und sie wird erfolgreich sein. Und darauf sind wir sehr stolz. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist schon beim Rednerpult, bevor er aufgerufen wurde, aber es ist in der Tat Herr Dr. Grünewald. – Bitte.

16.59

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident, die Grünen sind schnell. – Frau Minister! Herr Minister! Ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Ich habe nicht Lust, weiter Kinderzeichnungen anzuschauen und über Hunde und Knackwürste zu sprechen, sondern würde mich gerne einem ernsteren Thema zuwenden, nämlich der Regierungserklärung. (Abg. Schwarzenberger: Nein, es ist noch die Dringliche!)

Ich versteige mich nicht dazu, zu sagen, dass alles in dem mich betreffenden Kapitel Gesundheit und auch im Sozialbereich eine Katastrophe ist, aber gelobt haben Sie sich selbst, daher möchte ich ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) – Herr Kukacka, ich habe einmal einen Gastkommentar über Sie geschrieben, und dieser hatte etwas mit dem Licht und dem Scheffel zu tun. Ich bitte Sie daher, mich nicht weiter zu provozieren. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Im Regierungsprogramm steht: keine Rationierung von Leistungen, und zwar keine Rationierung von Leistungen nach den Kriterien Alter, Geschlecht, Religion.

Und was steht dann da? – "Und so weiter". Über dieses "und so weiter" würde ich Ihnen gerne etwas erzählen. Ich sage Ihnen, dass Einkommen, Bildung, Wohnverhältnisse, Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitsplatzzufriedenheit und soziale Anerkennung mehr Einfluss auf Erkrankung und Sterben haben, als die ganzen technischen Fortschritte der Medizin in den letzten 40, 50 Jahren zustande gebracht haben. Das sind klare, wissenschaftlich erwiesene Tatsachen.

In Ihrem Programm für Soziales finde ich darüber sehr wenig. Denn nicht die absolute Höhe des Einkommens entscheidet darüber, ob jemand früh, häufig oder spät erkrankt, sondern das Ausmaß der Einkommensunterschiede. Es ist nicht zu hoch gegriffen, zu sagen, dass das Ausmaß der Einkommensunterschiede durch Ihr Programm nicht verringert wird. (Beifall bei den Grünen.)

Die Solidarität mit den Armen, Kranken und Sterbenden reduziert sich hier – ich sage es noch einmal – teilweise auf Überschriften und vage Stehsätze. Einzelne der Überschriften – und das kritisiere ich massiv – sind geltendes Recht. Sorgen Sie dafür, dass geltendes Recht umgesetzt wird!

Auch ich kenne die Gesetze des Marktes. Sie können mir glauben, teilweise ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Sie hört es nicht, aber ich gewinne heute ohnehin den Eindruck: Ob jemand hier sitzt oder nicht, ist egal. Sie hören es auch dann nicht, wenn sie hier sind, weil sie es nicht verstehen wollen. (Beifall bei den Grünen.)

Die Gesetze des Marktes erlauben es, dass reiche Personen sich zu Weihnachten Erdbeeren aus Israel einfliegen lassen. Okay, dagegen kann man nichts tun. Aber ich sage Ihnen, wenn diejenigen, die sich Urlaub in der Südsee und Erdbeeren zu Weihnachten aus Israel leisten können, jene Gesellschaftsschicht sind, die sich ein besseres Sterben und auch eine bessere


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