Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 156

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stattfindet. Im vorliegenden Fall ist aber auch eine politische und rechtliche Rehabilitie­rung in diesem Befreiungsamnestiegesetz 1946 enthalten, und das mögen Sie bitte endlich zur Kenntnis nehmen. Sie sind hier im Unrecht, wenn Sie so tun, als ob der Gesetzgeber hier einen Fehler gemacht hätte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und diesen Fehler macht auch Professor Moos, der einen Entwurf vorlegt, der an­geblich eine Lücke schließen will. Ihr Professor Moos legt einen Entwurf vor, und da schauen Sie jetzt einmal genau hin, Frau Abgeordnete Stoisits, der so tut, als ob es sich um eine Erstregelung handelte. Eine solche gesetzliche Beschlussfassung wäre keine Erstregelung. Wenn man in der Begründung seines Entwurfs nachliest, kann man das, wenn man es weiß, erkennen. Es ist der Entwurf des Professors Moos aber jedenfalls keine Erstregelung. Professor Moos negiert mit seinem Entwurf, in dem er übrigens die deutsche Regelung von 1998 abschreibt, dass schon 1946 der österrei­chische Gesetzgeber die Befreiungsamnestie beschlossen hat, und zwar mit der ex lege rückwirkenden Aufhebung der Urteile. Es ist schade, dass Herr Abgeordneter Schieder, der nicht mehr hier ist, um 16:06 Uhr – nur um die Recherche zu erleich­tern – gesagt hat: „Noch immer“ gibt es „keine öffentliche Anerkennung und Rehabilitie­rung“. Das stimmt eben nicht. Auch in Ihrer Antragsbegründung steht es unrichtig. Da steht drinnen: „Im Österreich der Zweiten Republik gibt es bis heute keine öffentliche Anerkennung für jene ungehorsamen Soldaten, die sich der mörderischen Kriegsfüh­rung des NS-Regimes verweigerten ...“ – Das stimmt nicht, Frau Abgeordnete, und es ist schade, dass der zentrale Satz Ihrer Begründung nicht richtig ist.

Wie ist das zu erklären? Am 14. Juli 1999 hat es eine Entschließung des Nationalrates gegeben, und das Institut für Staatswissenschaften hat festzustellen gehabt, wie viele Deserteure verurteilt wurden. Das ist geschehen. Diese Meldung ist in der Folge mit dem Auftrag an das Justizministerium gegangen, legistische Maßnahmen zu setzen. Bei Erfüllung dieses Auftrages ist hervorgekommen, dass ein in Vergessenheit gerate­nes Gesetz, nämlich das Befreiungsamnestiegesetz 1946 existiert und dieses ex lege mit einer politisch-moralischen Verurteilung alle Urteile gegen Deserteure aufgehoben hat. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

Nun zur Abwesenheit des Herrn Bundeskanzlers: Ich kann einfach nicht glauben, dass Sie meinen, dass er hier absichtlich fernbleibt, denn er hätte allen Grund gehabt, hier­her zu kommen, wenn er die Zeit gehabt hätte, denn er hat allen Grund, stolz zu sein auf diese Republik und diese Regierung, die alles in ihrer Macht Stehende tat und tut, um jedes Unrecht zu beseitigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.50


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Seine Wunschredezeit: 5 Minuten; die Restredezeit der Fraktion: 10 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


16.50.24

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es ist nicht leicht, über dieses Thema zu sprechen, weil es einfach Dinge gibt, die man außerordentlich schwer verstehen kann, und darunter fällt für mich auch diese Debatte. (Abg. Dr. Mitterlehner: Aber?) Nicht aber, sondern genau deswegen.

Es gibt auch Argumente, etwas nicht zu tun, die langsam ermüdend sind, die teilweise fadenscheinig sind und auch nicht sehr glaubwürdig sind. (Abg. Scheibner: Wenn etwas schon getan ist, ist es gar nicht möglich, es noch einmal zu tun!) Ich möchte jetzt auch nicht den Herrn Staatssekretär angreifen, das wäre kein Zeichen besonderen Mutes, aber was schon etwas nervt, ist, wenn man meint, man könne jetzt Moral in


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