Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 46

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12.00.01

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat! Ich glaube, es ist eine gute Tradition in Österreich, dass sich manchmal Institutionen wie der Rech­nungshofpräsident, der Bundespräsident oder auch der Präsident des Verfassungs­gerichtshofes zu politischen Fragen äußern und auch ihre Meinung dazu kundtun. Und ich denke, dass das auch eine gute Tradition in Österreich ist, sich das anzuhören, das ernst zu nehmen, auch wenn man nicht dieselbe Meinung vertritt.

Das, was ich heute von der SPÖ gehört habe, nämlich den Präsidenten des Verfas­sungsgerichtshofes als inkompetent und anmaßend zu beschreiben, ist etwas, was mir nur aus der „besten“ schwarz-blauen Zeit – unter Anführungszeichen – bekannt ist (Zwischenrufe bei der ÖVP), wo man Kritiker diffamiert hat, Kritiker systematisch diffa­miert hat. Das ist wirklich etwas Neues. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Strache: Sie brechen Gesetze! Ihre Abgeordneten brechen Gesetze!)

Der Herr Präsident des Verfassungsgerichtshofes hat juristisch vielleicht etwas kom­plex formuliert. Er hat davon gesprochen, dass ein Grundrecht verletzt ist, dass die EMRK verletzt ist, dass das Rechtsstaatsprinzip verletzt ist. Aber eines ist er sicher nicht: Er ist sicher nicht inkompetent. Das ist wirklich eine Entgleisung gewesen, die ihresgleichen sucht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Parnigoni: Wenn er sich in dieser Art und Weise verhält, dann ist er es!)

Es ist im Übrigen keine neue Kritik. Sie als Sicherheitssprecher haben sich sicher schon mit den menschenrechtlichen Fragen des Asylgesetzes, des Asylrechtes, des Fremdenrechtes befasst. Der Verfassungsgerichtshof sagt das schon seit 2003, dass die Situation so, wie sie ist, nicht mit der Menschenrechtskonvention in Übereinstim­mung zu bringen ist und dass wir auch Probleme mit der Verfassung im Asylgesetz haben. Aber okay, das geht an Ihnen irgendwie vorbei – warum, weiß ich nicht. (Abg. Kößl: Wo haben Sie das her?) – Haben Sie dem Präsidenten Dr. Korinek zugehört oder nicht? (Abg. Kößl: Schon, aber er hat das in der Weise gar nicht gesagt! Das ist eine totale Falschauslegung, was Sie da machen!) Ich werde versuchen, es Ihnen noch einmal zu erklären.

Es ist etwas zutiefst Menschliches, dass Menschen untereinander Beziehungen ein­gehen, dass sie Familien gründen, dass sie sich in einer Gemeinschaft integrieren, dass die Kinder in der Schule Beziehungen knüpfen, dass sie ein Netz von Beziehun­gen aufbauen. Dieses Beziehungsnetzwerk ist von der Europäischen Menschenrechts­konvention geschützt, nämlich durch das Grundrecht auf Familie, das Grundrecht auf Familienzusammenleben. Das ist etwas, was Menschsein eigentlich ausmacht, dass man zu anderen Menschen in Beziehung tritt.

Dieses Grundrecht ist durch diesen Vorgang, wie Sie ihn im Asylrecht drinnen haben, nämlich dass es eine Ja- oder Nein-Entscheidung ist, ob jemand hier bleiben darf oder nicht, eindeutig verletzt. Es muss ein Verfahren her, es muss ein Recht her – und nicht nur ein Gnadenakt! Das ist das, was der Präsident zu erklären versucht hat, aber Sie sich offensichtlich nicht nahebringen lassen wollen, denn ich zweifle nicht, dass Sie intelligent genug sind, das zu verstehen. (Beifall bei den Grünen.)

So, jetzt schauen wir uns noch einmal die letzten zwei Jahre an, denn ich glaube, eines ist unbestritten: Österreich braucht faire Verfahren und Österreich braucht schnelle Verfahren. Sie haben heute im Ministerrat den „Asylgerichtshof“ – unter Anführungszei­chen, denn es ist eigentlich nur ein Asylgericht – als Allheilmittel beschlossen, dass die Verfahren schneller und besser werden. Und Sie sind nach wie vor der Meinung, dass das Fremdenrechtspaket von 2005 die Verfahren schneller gemacht hat. Das Gegen­teil ist wahr: Es ist weder schneller geworden, noch ist es fairer geworden.

 


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