Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung / Seite 111

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hat, in jeglicher Interpretation des Wortes in Besitz genommen hat. Da hat keine Phan­tasie eine Rolle dabei zu spielen.

Was der Aufruhr in diesem Haus, glaube ich, belegt, ist, wie heikel es selbst in diesem Haus ist, die tatsächlichen gesellschaftlichen Hintergründe, die Familienbilder, die im Mittelpunkt stehen, auch nur anzusprechen. Die Empörung, stelle ich fest, war ausschließlich bei den Männern der ÖVP und FPÖ zu bemerken.

Dieselbe Geringschätzung, die herauszulesen ist gegenüber Frauen und Kindern, ist in meinen Augen auch der Grund, warum es bei der Behörde zu so einem eher saloppen Umgang kommen konnte. Ich mache keinem einzelnen Menschen in einer der Behörden, die gearbeitet haben, einen Vorwurf, aber ich stelle mir dieselbe Frage, die sich viele, viele Menschen in Österreich zurzeit stellen: Wie kann es das geben? Da läuft ein Mädchen von zu Hause weg, verschwindet danach, und dann werden der Reihe nach drei Babys von dieser Tochter mit einem Begleitbrief vor die Schwelle des Elternhauses gelegt, von dem das Mädel weggelaufen ist. Und kein Mensch fragt sich irgendetwas, die Behörden tauschen sich nicht aus untereinander?

Dann geht Landeshauptmann Pröll her, bestellt einen Mann – natürlich – als Anwalt der Opfer. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist in dieser Angelegenheit ein Zeichen „besonderer Sensibilität“, für ein sexuelles Missbrauchsopfer sofort einen männlichen Anwalt aus dem Hut zu zaubern. Und das Erste, was dieser Anwalt zu tun hat, ist, medial zu verkünden: Die Behörden trifft sicher keine Schuld!

Das wissen Sie schon, auf Anhieb, sofort, am ersten Tag? – Mir kommt das befremd­lich vor. Ich glaube, dass jene Politiker und Politikerinnen, die die Behörden in Bezug auf Ressourcen, Infrastruktur und Ausbildung von Mitarbeitern so schlecht ausstatten, an einem allfälligen Behördenversagen – falls dieses vorliegt – eine Mitschuld tragen. Wenn alles weiter so bleibt wie bisher, dann schützt uns nichts davor, dass gerade heute ein anderer Fall dieser Art passiert. (Beifall bei den Grünen.)

13.20


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.20.58

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gleich zu Beginn meiner Ausführungen die Unterstellung der Vorrednerin zurückweisen: Wir Freiheitlichen haben während Ihrer Rede überhaupt keine Zwischenrufe gemacht! Wir haben Ihre Rede gar nicht kom­mentiert, Frau Kollegin! Ich weiß nicht, was Sie da annehmen, aber die Freiheitliche Partei denkt sich jedenfalls ihren Teil bei Ihren Ausführungen. Wir haben aber nicht dazwischengerufen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren, wenn man sich heute die Reden der Regierungsmitglieder, aber auch vieler Abgeordneter dieses Hauses in den vergangenen Stunden angehört hat, könnte man den Eindruck gewinnen, dass ein Kriminalfall diese Republik und ihre Verantwortlichen aufgerüttelt hat; dass man plötzlich zur Erkenntnis kommt, dass die österreichischen Gesetze die Kinder und Jugendlichen nicht so umfassend schützen, wie das bisher immer behauptet wurde; und dass der Gesetzgeber bisher bei Weitem nicht alles getan hat, um den Schutz der Schwächsten in dieser Gesellschaft – und das sind nun einmal Kinder und Jugendliche – nachdrücklich sicherzustellen.

Der Herr Innenminister hat zu Recht die österreichische Polizei gelobt, obwohl er – er weiß das ganz sicher – ja einer der Hauptverantwortlichen dafür ist, dass der Polizei­apparat ausgedünnt wird und die Polizeibeamten nur mehr unter Aufbietung aller Kräfte ihren Aufgaben nachkommen können. Die Frau Justizministerin spricht über


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