Fachinfos - Fachdossiers 14.03.2024

Wie behandelt der Nationalrat Volksbegehren?

Das Fachdossier behandelt den Ablauf und die Umsetzung von Volksbegehren in Österreich.

Dieses Fachdossier wurde am 15.09.2020 erstveröffentlicht und seither mehrmals aktualisiert, zuletzt aus Anlass des Eintragungszeitraums von 11. bis 18. März 2024 für 14 neue Volksbegehren.

Wie behandelt der National­rat Volksbegehren?

Von 11. bis 18. März 2024 liegen 14 Volksbegehren zur Eintragung auf. Jene, die von mehr als 100.000 Wahlberechtigten Unterstützung erhalten, werden dem Nationalrat zur Behandlung vorgelegt. Das Fachdossier erläutert, wie der Nationalrat Volksbegehren behandelt.

Direkte Demokratie in Österreich

Die Bundesverfassung ist durch eine klare Entscheidung für die repräsentative Demokratie geprägt. Diese beruht auf zwei Elementen:

  • Das Volk wählt Parlamente (Nationalrat und Landtage). Diese beschließen die Gesetze.
  • Alle anderen staatlichen Organe (mit Ausnahme des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin) können nur auf Grundlage von Gesetzen tätig werden und unterliegen (in unterschiedlicher Intensität) einer Form der parlamentarischen Kontrolle.

Der Verfassungsgerichtshof hat auf dieser Grundlage mehrfach klargestellt, dass es im österreichischen System keine Form direkter Demokratie geben kann, die völlig losgelöst von den Parlamenten bzw. vom Willen der Abgeordneten funktioniert. Wähler:innen können nicht Gesetze initiieren und abschließend über diese entscheiden. Direkte Demokratie kann im österreichischen System nur eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie sein. Der Nationalrat bzw. ein Landtag muss immer Herr des Geschehens bleiben.

In der Bundesverfassung sind auf Bundesebene drei direktdemokratische Instrumente vorgesehen:

  • Volksbegehren: Eine politische Initiative oder Gesetzesinitiative in einer Bundesangelegenheit, die von mindestens 100.000 Wahlberechtigten unterstützt wird, wird dem Nationalrat vorgelegt.
  • Volksabstimmung: Das ist eine rechtlich verbindliche Abstimmung über einen Gesetzesbeschluss, den der Nationalrat gefasst hat.
  • Volksbefragung: Das ist eine rechtlich unverbindliche Befragung, die über eine Angelegenheit von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung durchgeführt wird.

Instrumente direkter Demokratie in Österreich

Nur das Volksbegehren kann unmittelbar von Bürger:innen eingeleitet werden. Volksabstimmungen und Volksbefragungen können nur auf Beschluss des Nationalrates durchgeführt werden (bei bestimmten Verfassungsänderungen kann dies auch ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates verlangen). Diese drei Instrumente sind auf Bundesangelegenheiten beschränkt. Das können aber auch Themen sein, die die Positionierung Österreichs in der EU und der internationalen Staatengemeinschaft zum Inhalt haben (z. B. Volksbegehren „Atomfreies Europa“ 2003 oder „Gegen TTIP/CETA“ 2017).

Die Grafik „Instrumente direkter Demokratie“ liefert einen Überblick über die Anzahl der erfolgreichen und gescheiterten Volksbegehren sowie die Volksabstimmungen und die Volksbefragung auf Bundesebene seit 1964. 

Wie läuft ein Volksbegehren ab?

Der Ablauf eines Volksbegehrens bis zur Einbringung im Nationalrat ist im Volksbegehrengesetz 2018 (VoBeG) genau geregelt. Es beginnt mit der Anmeldung einer Initiative beim bzw. bei der Bundesminister:in für Inneres (BMI). Dafür braucht es den Text des Begehrens (entweder ein Gesetzesantrag oder eine allgemeine Anregung), eine Kurzbezeichnung, die Bezeichnung eines bzw. einer Bevollmächtigten samt Stellvertreter:in und die Einzahlung eines Kostenbeitrags (EUR 622,--).

Mit der Zulassung der Anmeldung beginnt das Einleitungsverfahren. Bis zum Ende des Jahres, das der Einreichung folgt, können dann Unterstützungserklärungen gesammelt werden. Für die Einleitung braucht es die Unterstützung von mindestens so vielen Wahlberechtigten zum Nationalrat, wie sie einem Promille der Wohnbevölkerung entsprechen (mit Stand März 2024 laut Webseite des Bundesministerium für Inneres: 8.969 Personen). Unterstützungserklärungen können in jeder Gemeinde oder via Internet mit einer qualifizierten elektronischen Signatur ("ID Austria") abgegeben werden. Die Bevollmächtigten entscheiden selbst, wie viele Unterstützungen sie in dieser Phase sammeln wollen. Diese zählen bereits für das Eintragungsverfahren (und damit für das Gesamtergebnis) (VfSlg. 20.341/2019). Beim Volksbegehren „Don’t Smoke“ wurden 2018 in dieser Phase 591.400 Unterstützungen gesammelt. Im Unterschied zur Eintragungswoche (dazu unten) haben die Initiatoren und Initiatorinnen in der Unterstützungsphase mehr Zeit, um für ihr Volksbegehren zu werben.

Sind ausreichend Unterstützungserklärungen erreicht, können die Bevollmächtigten einen Einleitungsantrag beim bzw. bei der BMI einbringen. Erst jetzt müssen sie dem Text des Begehrens auch eine Begründung hinzufügen. Der bzw. die BMI hat innerhalb von drei Wochen über die Einleitung des Verfahrens zu entscheiden. Dann hat er bzw. sie den Eintragungszeitraum (acht Tage) terminlich festzusetzen und bekanntzugeben. Danach hat der bzw. die Bevollmächtigte innerhalb von zwei Wochen einen Druckkostenbeitrag von EUR 2.799,50,-- zu entrichten. Während des Eintragungszeitraums kann das Volksbegehren von Stimmberechtigten in jeder Gemeinde oder elektronisch unterstützt werden.

Die Leitung und Durchführung des Volksbegehrens wird durch die Bundeswahlbehörde vorgenommen, die auch für alle Bundeswahlen, Volksbefragungen und Volksabstimmungen auf Bundesebene zuständig ist. Sie besteht aus dem bzw. der Vorsitzenden (das ist immer der bzw. die BMI), den Stellvertreter:innen des bzw. der Vorsitzenden und Beisitzer:nnen, die von den Parteien im Nationalrat sowie von zwei Vertretern und Vertreterinnen des Richterstands nominiert werden. Die Bundeswahlbehörde stellt das Ergebnis eines Volksbegehrens fest und legt dieses, wenn es von 100.000 Wahlberechtigten unterstützt wurde (und keine Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof erfolgreich war), dem Nationalrat vor.

Wie geht es mit Volksbegehren im National­rat weiter?

Volksbegehren werden im Nationalrat grundsätzlich wie andere Gesetzesinitiativen oder Entschließungsanträge behandelt. Allerdings kommt ihnen gemäß § 24 Geschäftsordnungsgesetz 1975 (GOG-NR) eine zeitliche Vorrangstellung zu.

Der Nationalrat kann gemäß § 69 Abs. 3 GOG-NR beschließen, eine erste Lesung durchzuführen. Der bzw. die Präsident:in des Nationalrates weist das Volksbegehren einem bestehenden Ausschuss zur Vorberatung zu. Anlässlich der ersten Lesung kann der Nationalrat aber auch einen besonderen Ausschuss zur Vorberatung wählen. Das ist etwa beim Bildungsvolksbegehren 2012 oder dem Gentechnikvolksbegehren 1997 erfolgt, da die Themen mehr als einen Fachausschuss betrafen.

Die Ausschussberatungen müssen innerhalb eines Monats nach der Zuweisung beginnen. Spätestens vier Monate nach Beginn der Beratungen muss der Ausschuss Bericht an den Nationalrat erstatten (§ 24 Abs. 2 GOG-NR).

Der bzw. die Bevollmächtigte des Volksbegehrens und zwei StellvertreterInnen haben gemäß § 37 Abs. 4 GOG-NR das Recht, an den Ausschussberatungen über das Volksbegehren teilzunehmen. Die Generaldebatte über das Volksbegehren im Ausschuss und die Anhörung von Sachverständigen und Auskunftspersonen zu Volksbegehren sind öffentlich. Ton- und Bildaufnahmen sind in diesem Fall zulässig (§ 37a Abs. 1 Z 4 GOG-NR).

Eine weitere Besonderheit ist, dass Volksbegehren vom Diskontinuitätsprinzip ausgenommen sind (§ 21 Abs 1a GOG-NR): Wenn der Nationalrat die Behandlung eines Volksbegehrens vor Ende der Gesetzgebungsperiode nicht abschließt, muss die Behandlung darüber vom neu gewählten Nationalrat von Neuem wieder aufgenommen werden. Die Unterstützungserklärungen für das Volksbegehren müssen also nicht nochmals gesammelt werden.

Muss der National­rat Volksbegehren umsetzen?

Der Ausschuss kann dem Nationalrat in seinem Bericht die bloße Kenntnisnahme des Volksbegehrens empfehlen. Weder der Ausschuss noch der Nationalrat sind verpflichtet, weitere Beschlüsse zu fassen. Damit unterscheidet sich die Behandlung eines Volksbegehrens nicht von jener aller anderen Gesetzes- oder Entschließungsanträge. Eine Regelung, die den Gesetzgeber zur Fassung eines dem Volksbegehren inhaltlich entsprechenden Gesetzesbeschlusses verpflichtet, wäre nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes verfassungswidrig (VfGH, VfSlg 16.241/2001). Stimmt der Ausschuss dem Anliegen oder Teilen davon zu, kann er dem Nationalrat gemeinsam mit dem Bericht einen oder mehrere Gesetzes- bzw. Entschließungsanträge zur Abstimmung vorlegen.

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