Dezentralisierungsprozesse können aus einer juristischen, historischen, politischen oder wirtschaftlichen Perspektive betrachtet werden. In Österreich wird Dezentralisierung meist im Zusammenhang mit den Begriffen „Föderalismus“ und „Bundesstaat“ diskutiert. Die aktuelle politische Debatte fokussiert sich dabei in erster Linie auf Fragen der Verwaltungsorganisation. Dabei geht es vorrangig um die Verteilung der Verwaltungsbehörden über das Bundesgebiet, um öffentliche Dienstleistungen und Infrastruktur für alle BürgerInnen in vergleichbarem Ausmaß zugänglich zu machen. Die Kluft zwischen ländlichem Raum und urbanen Zentren soll so minimiert werden.
Die Organisationsform als Bundesstaat zeichnet sich durch eine dezentrale Aufteilung der staatlichen Institutionen aus, weil Landesbehörden in den Bundesländern angesiedelt sind. Hinzu kommt, dass ein maßgeblicher Anteil der staatlichen Verwaltung Österreichs im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung – und somit durch Landesbehörden – erfolgt. Seit der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform findet sich auch in jeder Landeshauptstadt ein Landesverwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht hat drei Außenstellen und das Bundesfinanzgericht sechs Außenstellen in den Bundesländern.
Eine scheinbare Gegenentwicklung, die dezentral gelegene Behörden im Ergebnis jedoch begünstigt, sind die in den Bundesländern verbreiteten Formen von Verwaltungskooperationen. Die Verwaltungsgemeinschaften sind in Vorarlberg im Gemeindegesetz (LGBl 62/2019) geregelt. In NÖ ist vor allem die NÖ Bau-Übertragungsverordnung 2017 (LGBl 5/2019) relevant. Insbesondere in Materien, die hohe Sachkenntnisse erfordern, bilden sich verstärkt Formen der Zusammenarbeit auf Gemeinde-, Bezirks- und Regionalebene (z.B. die unterschiedlich gestalteten „Baurechtsverwaltungen“ in Vorarlberg oder Niederösterreich). Effekte sind eine gesteigerte Professionalisierung, Kostenersparnis und Kundenorientierung.
Die rechtliche Grundlage für eine sprengelübergreifende Zusammenarbeit in der Bezirksverwaltung bildet Art. 15 Abs. 10 B-VG. Die Möglichkeit der sprengelübergreifenden Zusammenarbeit wurde mit der B-VG Novelle BGBl I 60/2011 aufgrund eines Gesetzesantrags des Bundesrates eingeführt. In Landesgesetzen kann eine Zusammenarbeit von Bezirkshauptmannschaften und der Organe der Städte mit eigenem Statut vorgesehen werden. Auf diese Weise können insbesondere auch behördliche Zuständigkeiten übertragen werden. Mit der B-VG-Novelle BGBl I 14/2019 ist das Erfordernis der Zustimmung der Bundesregierung entfallen.
Unter dem entgegengesetzten Schlagwort der Zentralisierung verlief die Strukturreform der Bezirksgerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit: 2012 gab es noch 141 Bezirksgerichte bundesweit, derzeit sind es 116.