Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 29

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Ich glaube, die Union selbst sollte mehr Zuständigkeiten, mehr Instrumente, aber auch mehr Mittel zur Verfügung haben. Es muß auch möglich sein, eine europaweit koordinierte Wirtschaftspolitik zu konzipieren und die notwendigen Strategien zu entwickeln, um damit den sozialen Zusammenhalt in Europa verstärken zu können. Dazu trägt sicher die Schaffung zukunftsorientierter Arbeitsplätze bei.

Daher sollten wir uns stärker als bisher dem Ziel der Vollbeschäftigung, dem Ziel der hochqualitativen und hochwertigen Arbeit in der Produktion und im Dienstleistungsbereich widmen. Es ist auch zu überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, in der Europäischen Union auch einen Beschäftigungsausschuß einzurichten, der dem Währungsausschuß gleichgestellt wird.

Der europäische Gipfel in Essen definierte beschäftigungspolitische Ziele. Ich glaube, daß die Ziele, die dort definiert worden sind, stark erweitert werden müssen und daß es auch möglich sein sollte, Kontrollverfahren einzurichten, die die Umsetzung dieser Maßnahmen begleiten und überprüfen können.

Wenn man insgesamt – ich glaube, das ist notwendig – die europäischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für das gemeinsame Europa gewinnen will, ist das bestehende Gefälle zwischen wirtschaftlicher und sozialer Dimension in eine Parität, eine Ausgeglichenheit zu bringen. Das ist momentan – ich habe es schon vorhin gesagt – umso dringlicher, weil die Bürger und vor allem auch die Arbeitnehmer den Eindruck haben, daß der Europäischen Union und den meisten ihrer Mitgliedsländer Währungsfragen wichtiger sind als Beschäftigungsfragen. Ich glaube, daß es unbedingt notwendig ist, dieses verzerrte Bild durch Aktivitäten, die auch spürbar sind, wieder ins Lot zu bringen.

Ich habe schon eingangs gesagt – die Frau Staatssekretärin hat es auch angedeutet –, daß sich die österreichische Regierungsdelegation dafür einsetzen wird, daß die Gemeinschaftscharta für soziale Grundrechte in den Vertrag aufgenommen wird.

Ich glaube, daß diese Forderung unabdingbar ist, um der Union ein erkennbares stärkeres soziales Profil zu geben.

Ich möchte aber auch hier darauf aufmerksam machen und zumindest erwähnen, daß im Vertrag Anmerkungen zu treffen sind, daß auch grenzüberschreitende Rechte, wie zum Beispiel das Recht auf freien Zusammenschluß, auf Vereinbarung von gewerkschaftlichen Aktionen einschließlich von Solidaritätsaktionen, anerkannt werden sollten. Das sollte auch kurzfristig geschehen können.

Ein soziales Europa ist auch ein Europa, das sowohl wirtschaftliche als auch soziale Demokratie weiterentwickeln kann und auch muß. Dazu ist es aber notwendig – so wie ich vorhin gesagt habe –, daß es den sozialen Handlungsträgern möglich gemacht wird, tatsächlich Aktivitäten zu setzen. Daher sollten wir, glaube ich, sehr bestimmt die Aufnahme des Protokolls über die Sozialpolitik in den Vertrag verlangen, wodurch es möglich werden würde, den bisherigen Alleingang Großbritanniens zu beenden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die erst vor kurzem erzielte Einigung der Sozialpartner über den Elternurlaub hat sehr deutlich vor Augen geführt, daß auch die europäischen Sozialpartner in der Lage sind, das soziale Protokoll konkret anzuwenden. Es ist von allen meinen Vorrednern darauf hingewiesen worden, daß am 29. März in Turin das Thema "weitere Öffnung", "Osterweiterung" behandelt werden soll. Ich möchte es heute, vor dieser Regierungskonferenz in Turin, nicht verabsäumen, auch hierzu einige Anmerkungen zu machen und darauf hinzuweisen, daß in den beitrittswilligen ost- und mitteleuropäischen Ländern bezüglich der wirtschaftlichen Lage noch immer sehr große Unterschiede bestehen, was eher dafür spricht, daß es auch unterschiedliche Beitrittstermine geben sollte, die sich aber an der Erfüllung der wirtschaftlichen, politischen, aber auch sozialen Rahmenbedingungen in diesen Ländern zu orientieren haben.


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