Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 35

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In Sachen Demokratie und Bürgernähe meine ich, daß die Verwirklichung von Demokratie erfordert, daß es in der Union einen anderen Ansatz als im Nationalstaat gibt. So wie die Unionsbürgerschaft zur Staatsbürgerschaft hinzutritt und diese nicht verdrängen wird, bedarf es neben der direkten Vertretung der Unionsbürger im Europäischen Parlament künftig auch einer stärkeren Repräsentation der Mitgliedstaaten in der Gesetzgebung. Das föderale Prinzip erfordert, daß den kleinen und mittleren Mitgliedstaaten dabei weiterhin ein überproportionales Gewicht zukommt. Zudem erscheint es mir sehr wichtig, daß die Regionen, die Städte und die Gemeinden stärker dazu beitragen, als das bisher der Fall gewesen ist, und daß die Akzeptanz des Integrationsprozesses gerade in diesen Gebietskörperschaften sehr stark forciert wird. Ihnen kommt deshalb in Österreich eine sehr wichtige Rolle im Rahmen der Mitwirkung an der mitgliedsstaatlichen Europapolitik zu.

Der zweite Bereich, der für mich sehr wichtig ist, ist die gesamte Beschäftigungs-, Sozial- und Umweltproblematik. Wenn ich bedenke, daß in der Europäischen Union derzeit eine durchschnittliche Arbeitslosigkeit von fast 11 Prozent besteht, wenn ich ferner bedenke, daß der Bogen der einzelnen Mitgliedstaaten sehr breitgefächert ist – Österreich ist das Land, das mit knapp 3,8 Prozent die geringste Arbeitslosigkeit hat; Spanien ist das Land der höchsten Arbeitslosigkeit von 22 Prozent –, so muß ich sagen, bedarf es wirklich wirkungsvoller Maßnahmen, um gemeinsam Schritte zu setzen, um die Arbeitslosigkeit zu vermeiden, zu verhindern und zu beseitigen. Ich halte den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und eine aktive Beschäftigungspolitik für die größte Herausforderung, die dieses gemeinsame Europa in den nächsten Jahren haben wird.

Die dritte Aufgabe ist, daß die ökologische Ausrichtung der Gemeinschaftspolitik stärker als bisher vorangetrieben wird und daß die Länder, die in der Umweltpolitik eine Vorreiterrolle spielen – wie es gerade Österreich als kleines Land tut –, beziehungsweise daß die hohen Umweltstandards dieser Länder beziehungsweise Österreichs in der Europäischen Union Einzug halten und Einklang finden.

Wichtig und notwendig erscheint mir auch, daß wir kritisch darüber diskutieren, wie die Erweiterung der Union aussieht. Ich habe mit großem Interesse die Ausführungen von Herrn Bundesrat Mautner Markhof gehört. Ich persönlich glaube auch, daß dieser Erweiterungsprozeß ein notwendiger und wichtiger ist. Ich glaube aber auch, daß das ein sehr sensibler Prozeß ist und daß wir in unserem eigenen Interesse – aber auch im Interesse der Entwicklung der Union – diesen Prozeß sehr behutsam und vorsichtig einleiten sollten. Ich bin davon überzeugt, daß die Erweiterung notwendig ist und daß sie auch kommen wird. Sie sollte aber gerade im Interesse Österreichs in einer notwendigen Etappenplanung nicht das vorrangige Ziel sein, sondern es ist vorrangig viel wichtiger, daß die bisherigen Staaten stärker zusammenwachsen, als das bisher der Fall gewesen ist, und daß die Kriterien und Ziele von Maastricht vorrangig erfüllt werden. Erst danach steht die Erweiterung im Vordergrund. Ich glaube, wenn wir Österreicher in diesem Sinne vorgehen, dann werden wir wahrscheinlich sehr gut beraten sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zusammengefaßt: Wir sind seit 1995 Mitglied der Europäischen Union. Wir sind, ohne sehr euphorisch zu sein, bisher damit sehr gut gefahren. Ich glaube, daß auch wir in diese Europäische Union sehr viel eingebracht haben und daß wir daher sehr selbstbewußt auch in Zukunft als kleines Land in dieser Europäischen Union wirken sollten.

Wir waren in unserer Geschichte und durch unsere geographische Lage immer ein Kernland Europas. Wir sollten uns dazu bekennen und die Herausforderung, die dieses neue Europa für uns bietet, annehmen. Ich bin davon überzeugt, daß wir in Zukunft eine sehr aktive und eine sehr hervorragende Rolle in Europa spielen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.54

Vizepräsident Dr. Drs h.c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Dr. Reinhard Bösch. Ich erteile es ihm. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


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