hieß damals "die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder". Wir können daher von Österreich und seiner Geschichte sehr viel mit einbringen in die Regierungskonferenz von Turin und in die Ausführung von Maastricht I, was eigentlich bisher immer zu wenig betont wurde.
Meine Damen und Herren! Die Grundrechte, die wir in der europäischen Verfassung erwarten, wurden hier bereits 1867 in der Dezemberverfassung beschlossen. Ich wünsche der heutigen Staatenpluralität, daß sie das Nationalitätenrecht und den Minderheitenschutz haben möge, den es schon damals gegeben hat und den wir – ich darf einem qualifizierten Minderheitenvertreter, Herrn Bundesrat Dr. Milan Linzer, gegenüberstehen – im Staatsvertrag von Saint Germain 1919 und im Staatsvertrag von Wien/Belvedere 1955 zu erreichen versucht haben. Ich möchte heute nicht an einer Europadebatte im Hohen Haus teilnehmen, ohne einen großen Kämpfer für das Nationalitätenrecht und den Minderheitenschutz zu nennen, der auf dem Weg dazu sein Leben gelassen hat, nämlich Herrn Professor Dr. Felix Ermacora.
Meine sehr Verehrten! Auf dem Gebiet des Minderheitenschutzes besitzt Österreich personell und von der Sache her ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, daß es eine Vielzahl von Rechtslehrern in Österreich gegeben hat, die schon vorbereitend zu diesem Rechtsdenken, zu dieser Einheit des rechtlichen Weltbildes das Ihre beigetragen haben. Ich möchte die Namen Alfred Verdross und Stefan Verosta nennen, meine sehr Verehrten, die auch Mitglied der Law-Commission der Vereinten Nationen gewesen sind und die bis heute – hier möchte ich auch den Kollegen Franz Matscher nennen – auf europäischer Ebene Bedeutendes auf dem Weg zur europäischen Verfassung beitragen, wenngleich ich Ihnen als Staatsrechtslehrer sagen möchte, der Weg wird noch ein sehr weiter sein. Ich darf Ihnen ehrlich sagen, wir in Österreich sind jetzt, vier Jahre vor dem Jahr 2000, noch nicht imstande, trotz aller Bemühungen, für die der Herr Bundeskanzler Dr. Klaus schon eine Grundrechtekommission eingesetzt hat, jetzt die Grundrechte neu zu kodifizieren, sodaß praktisch heute noch die Grundlage der Rechtsprechung, und zwar einer höchst beachtenswerten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, das darstellt, was die damaligen Liberalen einem seinerzeit absolutistisch denkenden Monarchen abgetrotzt haben, als unsere politischen Parteien noch auf dem Weg zur parlamentarisch-demokratischen Staatswillensbildung waren, denn 1867 hat es noch kein Parlament im heutigen Sinn gegeben!
So sind die Damen, Frau Staatssekretärin, ja erst als "Morgengabe der Republik" nach Ausrufung der Republik in der Wahlordnung zur Wahl der konstituierenden Nationalversammlung aktiv und passiv wahlberechtigt geworden.
Die erste Frau, die Bundesminister wurde – wir wollen sie nie vergessen –, war die Frau Bundesminister Grete Rehor in einem Kabinett Dr. Josef Klaus. Die Sozialisten sind uns darin dann später, im Jahre 1970, mit Frau Dr. Hertha Firnberg gefolgt.
Hier möchte ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren, sind wir mit ein Teil einer europäischen Entwicklung, und diese europäische Entwicklung ist gerade für Österreich von Wichtigkeit, weil wir, geopolitisch im Herzen Europas gelegen, gegenüber Mittel- und Osteuropa eine enorme Schaufensterfunktion zu erfüllen haben.
Ich bedauere es außerordentlich, daß es 1995, obwohl die Österreichische Volkspartei das unentwegt – wie eine tibetanischen Gebetsmühle – wiederholt hat, nicht zu einer Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes kommen konnte, sodaß aufgrund dieser Streulage, die sich in unserem Verfassungsrecht findet – Kollege Klecatsky spricht nicht zu Unrecht in einem von mir 1980 herausgegebenen Buch über "Das Bundes-Verfassungsgesetz und seine Entwicklung" von der "Ruinenhaftigkeit" des österreichischen Verfassungsrechtes –, auch kaum ein Verfassungsbewußtsein zustande kommt.
Daher spielen sich auch die politischen Parteien, auch die, die wir hier zu vertreten haben, indem sie auch Verfassungsbestimmungen in einfache Gesetze aufnehmen, sie auf Zeit in Geltung setzen und manches der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs entziehen, weil sie es gleich in den Verfassungsrang erheben, damit es unkontrollierbar bleibt. Die Wähler honorieren ihnen das nicht und die Juristen noch weniger.
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