Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 53

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Meine sehr Verehrten! Hier befinden wir uns meiner Meinung nach in einer Entwicklungsphase der Rechtsstaatlichkeit in Österreich und in Europa, die uns zu denken geben soll, sind wir doch, vor allem als Niederösterreicher, einige Wochen und Monate vor der Millenniumsfeier Österreichs, und wir sollten uns überlegen, was wir in Europa, was wir in Österreich und mit Europa und Österreich in der Welt eingebracht haben.

Vergessen wir auch nicht, daß der Vater des Entwurfes zum Bundes-Verfassungsgesetz 1920, Hans Kelsen, auch der Schöpfer eines bedeutenden Kommentars zur Charta der Vereinten Nationen gewesen ist. Als ich das erstemal in New Delhi war, 1979, hat mir der damalige indische Senatspräsident gesagt, Österreich ist mir geläufig von Kelsen, weil er bei der UNO war und dort den Kommentar zur Charta der Vereinten Nationen gelesen hatte. – Die Frau Staatssekretärin hat Bedeutendes bei der UNO geleistet und wird das, glaube ich, auch bestätigen können.

Meine sehr Verehrten! Daher ist der Beitrag zur Europäischen Integration, den wir in Turin leisten sollen und jetzt in der EU als Mitglied seit 1. Jänner 1995 schon zu erbringen suchen, nicht ein Beitrag, den man im nachhinein leistet als jemand, der auf einen schon fahrenden Zug aufgesprungen ist, sondern als jemand, der mitgestalten möchte. Ich habe die Ehre, mit meinen Kollegen aus der Österreichischen Volkspartei hier eine Partei repräsentieren zu können, die sich schon immer für die Europäische Integration ausgesprochen hat, die anderen haben sich hier dazugesellt. Denn es gibt ja auch Damen und Herren Bundesräte, die diesem Haus auf Seite der jetzigen Sozialdemokratischen Partei angehören, die, als sie der Sozialistischen Partei angehörten, dieses Bemühen um die Europäische Integration noch nicht an den Tag gelegt haben.

Sie haben einen kontradiktorischen anderen Gegensatz zum Tragen gebracht. Allerdings ist, wie Konrad Adenauer sagte, niemand daran gehindert, sich auch weiterzubilden und sich zu verbessern. Ich gratuliere Ihnen, daß Sie sich Konrad Adenauer angeschlossen haben. Nur: Wir von der ÖVP wollen nicht vergessen, daß wir Europapartei waren, sind und bleiben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Hohes Haus! Wir sind aber auch gerne bereit, die freiheitliche Partei, Kollegen Dr. Kapral, an diesem Werdensprozeß zu beteiligen. Ihr Vorsitzender – Sie merken, ich spreche nicht vom "Führer", weil ich andere Leute verbal nicht reizen möchte – und einige andere Leute sind durch die Länder gezogen und haben gegen die Europäische Integration gesprochen – mit nuancierter Lust, je nachdem, wo man sich aufgehalten hat und was man erwartet hat, während man jetzt, so nach dem Motto "Haltet den Dieb!", das monieren will, was die anderen schon getan haben oder wollten und man selbst zu verhindern suchte.

Hier, glaube ich, sollte man zur Glaubwürdigkeit zurückkehren, und man sollte auch diese gesamte Entwicklung vor Augen haben. Die Damen und Herren Vorredner haben das ja bereits angeschnitten; lassen Sie mich darauf näher eingehen.

Die Europäische Union, meine sehr Verehrten, geht zurück auf eine wirtschaftspolitische Zweckgemeinschaft, die sich ursprünglich auf Kohle und Stahl bezogen hat. Das ist eine Entwicklung, die in Maastricht eine Ausformung in einer Politischen Union gefunden hat, die einen wirtschaftspolitischen Binnenmarkt eingeschlossen hat und eine Sozial-, Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft geworden ist, nämlich die EU.

Es muß sich aber auch jeder fragen, meine Damen und Herren, was er mehr leisten kann zur Sicherheitsgemeinschaft oder zur Verteidigungsgemeinschaft. Als Jurist, der weiß, daß die österreichische Neutralität in einem Bundesverfassungsgesetz verankert ist – wobei man über Gesetze mehr oder weniger sprechen kann, aber solange ein Gesetz gilt, gilt’s –, weiß ich auch, wir werden gegenwärtig sicherlich mehr zur Sicherheitsgemeinschaft als zur Verteidigungsgemeinschaft beitragen können. Ich freue mich hier aber sehr über die Bundesregierung, und mein Respekt gilt hier auch der Landesverteidigung – ich habe jahrelang in der Landesverteidigungsakademie das Meine zur Ausbildung der Generalstabsoffiziere beigetragen –, daß wir jetzt beim Jugoslawien-Einsatz – unter Anführungszeichen – "auch unseren Anteil dazu leisten". Ich


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite