Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 74

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Selbstverständlich kann durchaus ein Beamter der Vertreter des Präsidenten sein – ich gebe das schon zu, denn ich habe nichts gegen Beamte und schon gar nichts gegen die Beamten des Rechnungshofes, denn diese liefern wirklich gute und unabhängige Arbeit, womit ich aber nicht sagen möchte, daß andere Beamte nicht auch gute und unabhängige Arbeit liefern –, da aber gesagt wurde, die Vertretung durch einen Beamten könnte auch auf längere Zeit erfolgen, stellt sich nach den Beratungen im Ausschuß doch eine Frage nach dem Grund: Es muß doch einen Grund dafür geben, daß man in der Verfassung niedergeschrieben hat, daß der Präsident, der die Leitung des Rechnungshofes innehat, über Vorschlagsrecht des Parlaments bestellt und dort gewählt wird. – Das muß einen besonderen Grund haben, denn wenn es egal wäre, ob das ein durch das Parlament Gewählter oder ein bestellter Beamter, der den Rechnungshof leitet, ist, hätte man gleich von vornherein bestimmen können, daß die Leitung des Rechnungshofes ein Beamter zu übernehmen hat. So hätte man sich auch die Position des Präsidenten erspart. Aber das, sehr geehrten Damen und Herren, war wohl nicht der Wille des Verfassungsgesetzgebers, und darum haben wir eben die bisher gültige Vorgangsweise.

Es gibt nun einen gewählten Präsidenten, aber es gibt keine gewählte Stellvertretung, sondern eine bestellte, dekretierte. Insofern ist daher die Argumentation nicht stimmig und nicht in sich schlüssig. Ich denke, man versucht, eine politische Entscheidung, die sich ursprünglich gegen die Opposition gerichtet hatte, zu vertuschen. Man tut dem Rechnungshof damit aber sicher keinen guten Dienst.

Ich komme noch einmal auf das Jahr 1994 zurück, auf die unmittelbaren Ereignisse vor Beschlußfassung der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1994. Es waren dies Ereignisse, die sich kurz vor der Nationalratswahl und auch danach abgespielt haben. Man hat versucht, der Stimmungslage in der Bevölkerung und dem Druck der öffentlichen Meinung auszuweichen.

Es wäre ganz gut, sich daran zu erinnern, was damals geschah: Die Kammern, die Zwangsmitgliedschaft, die Gebarung der Kammern, die Bezüge waren seit Jahren in Diskussion – dieses Thema ist ja bereits seit den achtziger Jahren auf dem Tapet. Dieses Thema hat im Zuge der Nationalratswahl 1994 besondere Aktualität, aber auch Brisanz erhalten. Es war Jörg Haider – Sie erinnern sich vielleicht noch daran –, der mit Hilfe eines Taferls die Bezüge eines Angestellten der Arbeiterkammer, des Kammerdirektors Zacharias, bekanntgegeben hat. Schon vorher hatten wir über den Fall Rechberger im Bereich der Arbeiterkammer einiges gehört.

Die Opposition hatte es also gewagt, in der Öffentlichkeit Mißstände in einem geschützten Bereich aufzuzeigen. Diese Mißstände haben in der Bevölkerung berechtigten Unmut und bei den Wählern Unruhe hervorgerufen und den Wunsch nach Kontrolle laut werden lassen. Der Druck wurde groß und ist noch gewachsen, als der völlig von der Basis abgehobene Arbeiterkammerpräsident Vogler nach einer vernichtenden Niederlage und einer blamablen Wahlbeteiligung versuchte, das Ergebnis der Arbeiterkammerwahlen als Sieg zu verkaufen. Vogler mußte gehen – ich glaube, er begreift bis heute nicht, warum –, aber die Organisationsstruktur der Kammer hat sich nicht geändert. Auch nicht die Stimmungslage, sonst hätte es dieselbe Arbeiterkammer nicht notwendig gehabt, sozusagen im Vorlauf zur sogenannten Urabstimmung mit einer Fragestellung, die am wesentlichen vorbeigeht, mit einem riesigen Werbeaufwand und mit Inseraten die sogenannten Sozialpartner, nämlich die Arbeitgeber und die Unternehmer, "kübelweise anzuschütten", um diesen wienerischen Ausdruck zu verwenden.

Aus welchen Gründen auch immer, aber die Fortsetzung der bisherigen Taktik – und ausnahmsweise wird mir da auch Kollege Dr. Kaufmann recht geben – ist so, daß die Arbeiterkammer immer dann die Sozialpartnerschaft aufs Tapet bringt, wenn es um Belastungen für die Wirtschaft geht, wenn es darum geht, die Unternehmer zu diffamieren – global oder branchenweise –, oder wenn sie eigene Profilierungsnöte und einen Existenznachweis notwendig hat.

Der Unmut der Bevölkerung des Herbstes 1994 führte auch bei der Regierungskoalition zur Erkenntnis, es gäbe – wie es so schön heißt – Handlungsbedarf. Es mußte also ein Zeichen gesetzt werden. Von den vielen Dingen, die man hätte tun können, hat man sich offensichtlich jenes ausgesucht, welches am wenigsten weh tat, noch dazu in der Form eines Feigenblattes – wie wir sehen werden: eines teuren Feigenblattes für die Größe dessen, was vorliegt.


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