Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 78

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betroffenen Mitglieder geführt – genauer gesagt: 80 und 97,9 Prozent, damit das exakt der Wahrheit entspricht. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Pflichtmitgliedschaft bewirkt, daß in den betroffenen Kammern die Interessen aller Mitglieder – ich möchte das noch einmal festhalten – wahrgenommen werden, also auch jener, die sich eine Vertretung ihrer speziellen Interessen nicht leisten können. Die jeweilige Kammer spricht daher auch im Namen aller ihrer Mitglieder und kann sich Entscheidungen nicht leichtmachen. An den Entscheidungsprozessen nehmen alle gewählten Fraktionen – allerdings entsprechend ihrer Stärke – teil, im Fall der Kontrolle, wie ich erwähnt habe, sogar überproportional.

Ich glaube, daß die Kammern auch zu keiner Machtkonzentration, wie das manchmal behauptet wird, führen. Die Alternative dazu wäre nämlich die widerspruchslose Allmacht des Staates, in dem sich wieder nur einige Lobbys Gehör verschaffen können. Unsere Sozialpartnerschaft findet in West und Ost größtes Interesse und ist der Schlüssel zum sozialen Frieden. Gerade in den letzten Monaten hat die Sozialpartnerschaft wieder gezeigt, welcher Stabilisierungseffekt und welche Leistungsfähigkeit in Richtung gerechter Verteilung von Lasten oder Erträgen in ihr steckt.

Die Kontrolle des Rechnungshofes ist eine logische Folge der verfassungsrechtlichen Änderungen. Es ist sicher wichtig, daß die Prüfergebnisse den obersten Organen, nämlich den Vollversammlungen und Kontrolleinrichtungen der Selbstverwaltungskörper, übermittelt werden und nicht – wie das gefordert wird – auch dem Parlament. Ich glaube, damit soll auch sichergestellt sein, daß die Prüfergebnisse nicht für tagespolitisches Hickhack verwendet werden, sondern zur Optimierung der Arbeit in den Kammern selbst beitragen. Den einzelnen Fraktionen werden sie im übrigen bekanntgegeben. Hiebei ist festzuhalten, daß die Arbeiterkammer unter Bedachtnahme auf ihre Zuständigkeiten, Aufgaben und Beschlüsse zu prüfen ist.

Die Kammern und ihre Vollversammlungen müssen die Zweckmäßigkeit ihrer Beschlüsse selbst tragen. Es ist sicher nicht Aufgabe des Rechnungshofes, Wertungen über die Inhalte der Beschlüsse wahrzunehmen, insbesondere bei speziellen Agenden dieser gesetzlichen Interessenvertretungen. Ich sage dazu nur ein paar Stichworte: In bezug auf Steuerfragen könnte man sagen, es wäre für den Staat billiger, wenn die Interessenvertretungen in diesem Bereich nicht tätig werden. Das gleiche gilt für Einkommenspolitik, Preiserhebungen oder zum Beispiel für die heute schon erwähnte Frage der Weitergabe von EU-Preisermäßigungen bei Lebensmittel, PKWs, Produktionsmittel und so weiter, oder etwa Beschlüsse von Maßnahmen hinsichtlich des Umweltschutzes beziehungsweise die Vorbereitung und Begutachtung von Gesetzen.

Ich glaube, daß es richtig ist, daß die Prüfergebnisse den zuständigen Gremien zur Verfügung gestellt werden. Zu den Kosten möchte ich nur sagen: Ich glaube, daß man mit ihnen leben kann; wenn zwei Abteilungen damit beschäftigt sind, kann man das durchaus akzeptieren.

Ich möchte nur zum Schluß noch festhalten: Man kann zur Frage: "Vizepräsident – ja oder nein" verschiedener Meinung sein. Trotzdem glaube ich, daß in dem Gesetz jemand festgelegt sein soll, der befugt ist, Entscheidungen zu treffen. Auch die Beamten des Rechnungshofes unterliegen der Eidespflicht; das heißt, sie sind vereidigt auf Einhaltung der Gesetze und auf Unparteilichkeit. Wenn tatsächlich der Präsident einmal verhindert wäre und der ranghöchste Sektionschef in seinem Namen oder als sein Nachfolger in diesem Fall Entscheidungen trifft, dann trifft er sie nicht als Person oder als Mann, der vielleicht auch eine politische Einstellung hat, sondern in seiner Funktion als vereidigter höchster Beamter. Ich glaube, daß hier nicht die geringste Gefahr besteht, daß irgendwann einmal eine Entscheidungslücke gegeben wäre.

Also alles in allem glaube ich, dort, wo es Schwierigkeiten gegeben hat, hoffe ich, daß die Neuregelung Besserung bringt, und dort, wo es immer schon in Ordnung war, stellt sie eine zusätzliche Kontrolle dar, die niemandem schadet. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.30

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile es ihm.


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