Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 45

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Alle Appelle, die auch von ÖVP-Seite kommen, den Bundesrat zu stärken, müssen dann verhallen, ungehört verhallen, wenn aus Ihren eigenen Reihen Vorschläge kommen, die solche Ideen unterminieren und untergraben.

Auch Klubobmann Dr. Khol, Professor Dr. Khol hat mit keinem Wort auf den Föderalismus Bezug genommen, als er vor einigen Tagen in einem Presseinterview zu den Fragen, die sich aus der Regierungsbildung und aus dem Regierungsprogramm ergeben, Stellung genommen hat. Er hat nur wortreich den angeblich erkämpften koalitionsfreien Raum verteidigt, auf den ich noch zu sprechen kommen werde.

Neun Jahre sogenannte große Koalition sind ins Land gezogen, und ich glaube, es ist durchaus gerechtfertigt, daß man nach neun Jahren davon spricht, daß es sich um eine alte Koalition handelt und daß man durchaus auch schon von altkoalitionären Parteien sprechen kann; alt auch deswegen, weil Sie fast schon gebetsmühlenhaft immer wieder dieselben Vorhaben und Ansätze wiederholen und in Wirklichkeit in Ihrem Programm keine Zukunftsperspektiven aufzeigen.

Ich darf auf einen Satz zu sprechen kommen, der in der Regierungserklärung des Jahres 1987 aufscheint. Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie sprachen damals davon, daß die Budgetkonsolidierung als zentrales Anliegen dieser im Jahr 1987 gebildeten Bundesregierung zu bezeichnen ist. Das Budgetdefizit sollte bis zum Jahr 1991 auf unter 3 Prozent, 1992 auf 2,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes abgesenkt werden. Wo zwischen unter 3 Prozent und 2,9 Prozent der Unterschied liegt, das geht nicht daraus hervor, aber es ist bezeichnend, daß Sie diese Ansicht schon damals in den Mittelpunkt Ihrer Regierungserklärung gestellt haben. Unglückseligerweiser lag dann das Jahr 1993 dazwischen, in dem die Dinge völlig aus dem Ruder gelaufen sind.

Die Behauptung, die damals aus dem Kreis des Finanzministeriums, von Politikern an der Spitze dieses Ministeriums, vertreten wurde, daß diese Ausgaben zur Bekämpfung des Konjunktureinbruches notwendig sind, hat die OECD, die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, schon in ihrem Prüfbericht 1993 als nichtzutreffend bezeichnet, weil sie nämlich bescheinigt hat, daß der Konsolidierungsprozeß, den Sie 1987 wortstark angekündigt haben, schon vor Beginn der gegenwärtigen Rezession, also der Rezession des Jahres 1993, ins Stocken geraten war. Denn die sich während der Hochkonjunkturperiode bietende Gelegenheit, einen entscheidenden Schritt zu einer substantiellen Rückführung des Defizits zu unternehmen, wurde weitgehend ungenützt gelassen.

Im Jahr 1993 war das Defizit, also der Abgang im Bundeshaushalt, um 50 Prozent höher als im vorangegangenen Jahr, er ist von 66 Milliarden Schilling auf 98 Milliarden Schilling gestiegen; 1995 haben wir hoffentlich das Maximum des Abganges mit 118 Milliarden Schilling erreicht.

Die Staatsschuld des Bundes machte Ende 1995 nach den bisher vorliegenden Schätzungen die gigantische Höhe von 1 300 Milliarden Schilling aus, das sind 57 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Zusätzlich mit den Abgängen in den Länder- und Gemeindehaushalten, die laut EU auch in die Maastricht-Kriterien einzubeziehen sind, liegen wir weit über den dort festgelegten 60 Prozent.

Zuerst mußten auch die EU beziehungsweise die Maastricht-Kriterien als Begründung für die nunmehr den zentralen Punkt der Regierungserklärung bildenden Belastungsmaßnahmen herhalten. Die Erkenntnis, daß eine solche Begründung kontraproduktiv ist, beziehungsweise die Einsicht, daß eine solche Entwicklung auf keinen Fall, ob Maastricht oder nicht Maastricht, tolerierbar ist, hat sich letztendlich langsam durchgesetzt.

Österreich ist aber bedauerlicherweise das einzige Land, in dem die Staatsverschuldung steigende Tendenz aufweist und die Wirtschaftsforscher für das Jahr 1997 einen höheren Anteil der Staatsschuld am Bruttoinlandsprodukt prognostizieren als 1995. Professor Frisch, der ja der führenden Regierungspartei nicht ganz ferne steht, sagte in der "Presse" vom 21. Februar dieses Jahres: Die Expansion des Wohlfahrtsstaates in den vergangenen 20 Jahren hat Österreich in eine teuflische Schuldenfalle tappen lassen.


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