dort in den Parteien auch erkennen möge, daß es sich nicht um parteipolitische "Hintersassen" handelt, sondern um mit einem freien Mandat ausgestattete Ländervertreter, und daß die Bundesländer uns allen aufgetragen sind.
In dem Zusammenhang möchte ich noch etwas in den Raum stellen, und ich freue mich, daß ich das in Anwesenheit des Herrn Ministerialrats Dr. Berchtold sagen darf, der nicht Universitätsprofessor werden will, obwohl er sich das hochverdient hat, daher sage ich verehrter Herr Dozent. Ich apostrophiere ihn mit Absicht. Er ist aus dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes und hat Bedeutendes geschrieben und gesagt.
Meine Damen und Herren! Es ist bedauernswert, daß wir ein Jubiläum des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 hinter uns haben – Herr Präsident Universitätsprofessor Dr. Fischer hat in verdienstvoller Weise einen Jubiläumsband 1995 herausgegeben, ich habe das schon im Jahr 1980 getan – und daß wir heute im Jahre 1996 immer noch keine Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes haben. Ich hätte mir erwartet, daß vom Verfassungsdienst die Anregung an Ihr Kabinett gegeben wird, das auch zu behandeln. Ich verschweige das jetzt hier nicht.
Wir feiern in diesem Jahr das Millennium Österreich, und es wäre sehr wertvoll, wenn wir uns bei der Streulage des österreichischen Verfassungsrechtes aufraffen könnten zu einer umfassenden neuen – nicht Wiederverlautbarung, das wäre ein Versagen, eine Verzichtserklärung des Parlaments vor sich selbst – Kodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes. Dazu ist bereits von Herrn Professor Walter und anderen bedeutenden Staatsrechtslehrern, wie den Kollegen Professor Dr. Heinz Schäffer und Professor Dr. Richard Novak Vorarbeit in großartiger Art geleistet worden. Es wäre wertvoll, wenn wir die innere und äußere Zerrissenheit des österreichischen Staatsrechtes dadurch beseitigen könnten und nach Jahrzehnten das durchsetzen mit Elan, was die Väter der Republik im Jahre 1918 zustande gebracht haben.
Meine Damen und Herren! Thomas Jefferson ist alt geworden, er liegt in Montecello. Ich empfehle Ihnen, wenn Sie einmal in die USA fahren, dann fahren Sie nach Charlottsville. – Als Thomas Jefferson starb, hat man damals in der Zeitung geschrieben: Die Republik – gemeint ist Amerika – wird aufhören zu bestehen, wenn die Tugenden ihrer Gründer mißachtet werden.
Ich würde mich freuen, wenn derselbe Elan, der einen Karl Renner und einen Prälaten Seipl, einen Hans Kelsen und einen Walter Merkl und wie sie alle geheißen haben, im Jahr 1918 bewegt hat, innerhalb von zwei Jahren ein Bundes-Verfassungsgesetz zustande zu bringen, uns jetzt mit einer Erfahrung von Jahrzehnten nach einer EU-Mitgliedschaft Österreichs dazu bewegen würde, eine Neukodifikation des österreichischen Verfassungsrechtes zustande zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Glauben Sie es mir: Mit solch einer Streulage oder einem solchen Verfassungsdschungel werden Sie kein Staats- und kein Verfassungsbewußtsein erzeugen können, indem andere Leute opferwillig sind. Ich möchte Ihnen das als Jurist sagen.
Herr Bundeskanzler! Wir werden sicherlich in den kommenden Monaten noch Gelegenheit haben, uns auch parlamentarisch zu begegnen. Ich werde mich in meinem Leben immer mit diesem Thema auseinandersetzen, und ich habe das bisher laufend getan. Ich möchte Ihnen sagen, wir haben eine Verpflichtung gegenüber der kommenden Generation, ihnen kein Desaster – weder finanziell, politisch, kulturell noch politisch und staatsrechtlich – zu hinterlassen. Wir sollten jetzt dazu antreten, und zwar in einem Miteinander. Auch die freiheitliche Partei hat ja zum Bundesstaat gesagt. Wir haben auch schon eine Reihe von Beschlüssen zur Bundesstaats- und zur Bundesratsreform einstimmig gefaßt. Ich bin optimistisch, ich habe das auch in der letzten Sitzung hier zum Ausdruck gebracht, daß wir diesen Weg gemeinsam fortsetzen könnten.
Meine Damen und Herren! Wenn wir jetzt diesen kommenden Monaten entgegengehen, dann bitte ich Sie, nicht zu übersehen, daß wir uns nach der Verabschiedung dieses Budgets und der Begleitgesetze nicht in das Ruhekissen begeben können, weder als Koalitionspartner noch als Opposition, sondern daß wir antreten müssen, der Öffentlichkeit das zu erklären, daß wir uns
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