Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 64

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tatsächlich eine Form der Einsparung, die Belastungen so aufzuteilen, daß die kleinen Leute dieses Landes, die Menschen, die sozial schwächer sind, in geringerem Maße, das ihnen zuzumuten ist, betroffen sind, während sozial Stärkere und die sozial Stärksten in ebenfalls jenem Ausmaß betroffen sind, das ihnen sozial zuzumuten ist, und dieses Ausmaß ist eben tatsächlich ein höheres. (Präsident Payer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich bin sicher, daß es dieser Regierung gelingen wird, eine Stimmung des Aufbruches zu verbreiten, daß es ihr gelingen wird, mit ihren Maßnahmen jene Umorientierung, die heute auch von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen wird, einzuleiten und sich letztlich durchzusetzen gegen diese Stimmung des Zweifels, des Zurückhaltens und des Pessimismus, die gar nicht so sehr eine politische Dimension hat, sondern von der wir wissen, daß sie auch der Interessenlage oder der Haltung einer Reihe von Medien entspricht.

Dieser neue Aufbruch, dieses Hinorientieren auf ein Ziel bedeutet nicht – ich hielte es für falsch, das aus einer Regierungserklärung herauslesen zu wollen –, daß die Probleme, die vor uns liegen und die wir uns zu lösen vorgenommen haben, jetzt auch tatsächlich schon gelöst sind. Eine Regierungserklärung ist kein Kochbuch. Die Deka-Menge vieler wichtiger Zutaten wird noch in einer vielleicht auch sehr kontroversen Auseinandersetzung zwischen den Partnern dieser Regierung zu formulieren sein. Aber bevor man über den richtigen Weg miteinander ehrlich und fair streiten kann, muß man wissen, wo es hingehen soll.

Ich habe immer meine Probleme damit, wenn politische Zusammenarbeit mit Metaphern beschrieben wird, die ihren Ursprung im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen und der Erotik haben. Ich glaube, das sollte man aus guten Gründen für getrennte Bereiche erachten. Weder die Liebes- noch die Vernunftheirat beschreibt sinnfällig und zielführend, was in der Politik stattfinden kann. (Bundesrat Ing. Penz: Das muß beides nichts mit Erotik zu tun haben!) Wie meinen Sie? – Also bei der Vernunftehe würde ich das unterschreiben, im anderen Fall würde ich es bezweifeln. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer .) – Nein, bei der Liebesheirat würde ich es nicht bezweifeln, Herr Kollege!

Tatsache ist aber, daß das gemeinsame politische Vorgehen in einer Bundesregierung bedeutet, daß sich zwei Parteien mit einem unterschiedlichen geistigen und politischen Hintergrund mit zum Teil auch heute noch unterschiedlichen sozialen Gruppen, für deren Interessen sie sich vorwiegend einsetzen, für eine Wegstrecke der Entwicklung ein gemeinsames Programm erarbeiten können. Das stellt beiden Seiten gerade angesichts des Ausgangspunktes ein gutes Zeugnis aus.

Ich habe im Gegensatz zu Professor Schambeck – ich sage das nicht, weil er nicht da ist; Sie werden es ihm ausrichten – nicht die Absicht, die schlechte Tradition, den Wahlkampf noch ein paar Wochen fortzusetzen, hier aufzugreifen. Es hat uns das schon die Aufnahme der Regierungsverhandlungen ganz schön erschwert. Aber eines ist sicherlich richtig: Wir müssen in dieser Regierung, wir müssen in dieser Zusammenarbeit neben den großen nationalen Fragen, neben den Fragen, um die es heute vorwiegend auch in der Regierungserklärung ging, gerade aufgrund unserer Aufgabenstellung und unserer Interessenlage als Ländervertretung, als zweite Kammer dieses Parlaments gegenüber der Regierung, gegenüber den Ländern, gegenüber den Parteien einklagen, daß es eine Entwicklung in Richtung eines modernen, funktionsfähigen Föderalismus gibt.

Ich halte es für wichtig, daß der Herr Bundeskanzler auf diese neue Basis für eine Partnerschaft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden in der Regierungserklärung hingewiesen hat. Und ich halte es für ganz entscheidend, daß hier nicht formale Kriterien, sondern die Grundsätze von Effizienz, Bürgernähe, sinnvoller und zeitgemäßer Aufgabenteilung im Vordergrund stehen.

Es ist natürlich wichtig, daß der Konsultationsmechanismus, wie auch immer bestimmte Regelungen im Detail getroffen werden, jeder Gebietskörperschaft die Sicherheit gibt, nicht durch die Entscheidung einer anderen vor unvorhergesehene Finanzierungsprobleme gestellt zu werden.

Wenn wir uns an die heute schon ein paarmal zitierte nicht erfolgte Bundesstaatsreform erinnern, dann läßt sich trefflich darüber streiten, wer woran die Schuld gehabt hat. Aber die


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