Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 95

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gleichen Zeitraum nämlich nur um 18 Prozent gestiegen. Eine Analyse der Arbeiterkammer führt dies auf die "exzessiven Steuergestaltungsmöglichkeiten" für die Unternehmen zurück. Doch Haider reicht das nicht. Der ehemalige "Anwalt des kleinen Mannes" will weitere Vergünstigungen für gewinnträchtige Kapitalgesellschaften.

Angeblich im Sinne der Beschäftigungssicherung fordert Haider mehr Zeitautonomie für Betriebe ohne Einkommensverlust für Mitarbeiter. Wie so oft bei der FPÖ handelt es sich auch dabei um einen Widerspruch: Denn mehr Zeitautonomie für Betriebe bedeutet weniger Überstundenzuschläge für die Arbeitnehmer und damit ein geringeres Einkommen. Dies könnte nur ausgeglichen werden, indem die Basislöhne erhöht würden. Doch davon will Haider nichts wissen. Ganz im Gegenteil! Er fordert von den Gewerkschaften Zurückhaltung bei den Lohnabschlüssen. Mit anderen Worten: Haiders Arbeitszeitflexibilisierung bringt unweigerlich Einkommensverluste für Arbeiter und Angestellte.

Meine Damen und Herren von der freiheitlichen Partei! Nicht jeder Arbeitnehmer kann durch Handerlaufhalten einige Millionen mehr lukrieren. Ich bitte, das auch bei Ihrer Politik in Zukunft zu bedenken. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wir sind aber keine Regierungspartei!) Sie wurden aber heute vom Bundeskanzler zur konstruktiven Mitarbeit eingeladen, Herr Kollege Tremmel!

Ein besonders bemerkenswerter Beitrag der freiheitlichen Partei war der Vorschlag, die Kollektivverträge um einige Prozentpunkte zu senken. Die Differenz, also den Lohnausgleich, sollte die öffentliche Hand bezahlen. – Ich frage mich, wie Sie sich das vorgestellt haben. Ich kann auf jeden Fall nicht goutieren, die Kollektivverträge zu kürzen und den Abgang aus der öffentlichen Hand zu finanzieren. Diese Art von "Selbständigkeit" für die Arbeitnehmer lehne ich ab! Und ich bitte auch, das noch einmal zu überdenken, die Absurdität zu erkennen und solche Vorschläge in Zukunft vielleicht nicht mehr so lautstark zu äußern.

Weitere Forderungen der FPÖ: "Schaffung von Arbeitsanreiz durch Erhöhung der Differenz zwischen Arbeitseinkommen und Arbeitslosengeldbezug". Mit anderen Worten ausgedrückt: Die FPÖ will eine generelle Reduktion des Arbeitslosengeldes. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Ja, sicher!) Genauso gut könnten Sie vorschlagen – das kritisiere ich in der Form nicht –, das Arbeitseinkommen zu erhöhen, damit die Differenz zur Arbeitslosenunterstützung größer wird. (Beifall bei der SPÖ.) Denn die Arbeitslosenunterstützung ist wahrlich kein Geldregen, sondern für den, der das erleben muß, eine fürchterliche Einschränkung des Familieneinkommens, besonders für einen Alleinerhalter. Wie das in der Zwischenkriegszeit mit den Ausgesteuerten war, das muß man erlebt haben oder von jenen, die es erlebt haben, erzählt bekommen haben, dann würde man solche "bemerkenswerte" Forderungen nicht in dieser Form stellen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Bemerkenswert ist auch Haiders Forderung nach einem "Bildungsscheck für alle und Eigenbeitrag für die Ausbildung". Dahinter verbergen sich generell Schul- und Studiengebühren für jedermann. Das sollten Sie sagen, wenn Sie sich mit den Studierenden, die heute auf die Straße gehen, solidarisch erklären! Das wäre vielleicht ein neuer Aspekt, und Ihre Politik würde in ein anderes Licht gesetzt werden.

Das FPÖ-Papier weist auch eine Reihe von Unstimmigkeiten auf. So soll sich laut FPÖ Österreich im internationalen Gleichklang Steuertarifsenkungen anschließen. – Den FPÖ-"Experten" ist dabei entgangen, daß rund um Österreich – egal, ob in der BRD, Belgien, Schweden, Frankreich und zahlreichen anderen Ländern – Steuererhöhungen vorgenommen worden sind beziehungsweise in nächster Zeit vorgenommen werden. Von internationalen Steuersenkungen ist also nicht die Rede. Bemerkenswert ist bei der FPÖ-Forderung, daß die Abgabenquote Österreichs auf 41 bis 43 Prozent "gesenkt" werden soll. Derzeit liegt in Österreich, man höre und staune, die Abgabenquote – alle Steuern und Abgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt – bei 41,7 Prozent! Offenbar fehlt den FPÖ-"Experten" jegliches Basiswissen. Die Unterlagen sprechen jedenfalls eine deutliche Sprache.

Der Mangel an FPÖ-Lösungskompetenz zeigt sich auch in der Forderung nach dem "Umbau der Berufsschulen zu Handwerksschulen". Die Lehrlinge sollen demnach zuerst ein paar Jahre die


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