Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 98

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dann geschah, hat mein Kollege Dr. Kapral schon eingehend dargelegt. Die Staatsfinanzen sind aus dem Ruder gelaufen, die Defizite haben sich erhöht, und jetzt bemüht sich die Bundesregierung, uns klarzumachen, daß sie es plötzlich schaffen wird, das Defizit bis 1997 auf 2,7 Prozent des BIP abzusenken.

Man kann nicht oft genug auf diese Tatsache hinweisen, daß Sie alle Warnungen in der Vergangenheit, alle Warnungen der Experten, der Wissenschafter, aber auch der Opposition in den Wind geschlagen haben. Doch so, wie Sie sich heute darstellen, sind Sie offenbar nicht schuld daran. Das ist ein Akt der verantwortungslosen Kindesweglegung, und darüber hinaus haben Sie vor den Wahlen 1994 und 1995 und vor der EU-Abstimmung den Wählern Dinge versprochen, die Sie hinterher nicht halten konnten.

Herr Vizepräsident Schambeck hat in seinen heutigen Ausführungen eindringlich darauf hingewiesen, daß Versprechungen, die gegeben wurden, auch einzuhalten sind. Sie führen damit Ihren Anspruch auf Glaubwürdigkeit selbst ad absurdum. Beispiele gefällig? – Vor der EU-Abstimmung sind dem österreichischen Durchschnittshaushalt von Frau Staatssekretärin Ederer 1 000 S Ersparnis im Haushaltsbudget pro Monat versprochen worden. Ich glaube, bei diesen 1 000 S Ersparnis ist es so wie beim Bühnenstück "Warten auf Godot", sie kommen nämlich nicht. (Bundesrat Prähauser: 800 S sind es schon!) Dagegen ist aufgrund des Belastungspaketes höchstwahrscheinlich eine Belastung des Durchschnittshaushaltes von 2 000 S monatlich zu erwarten. Plus und minus gerechnet ergibt das 3 000 S, die der Österreicher eigentlich aufgrund der Versprechungen nicht bekommt.

Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld bleibt unangetastet, auch das war ein Versprechen, das wir erhalten haben. Denken Sie nur daran – Sie haben es vergessen, zu erwähnen –, daß im neuen Sparpaket jetzt begonnen wird, am Weihnachts- und Urlaubsgeld zu "drehen" und bereits die ersten Einbußen, weil diese Bestimmung mit 1. Juni in Kraft treten soll, bereits mit dem Urlaubsgeld Juni 1996 zu spüren sein werden.

Keine Steuererhöhungen wird es geben, so hat es noch vor der Wahl 1994 geheißen, und schon gleich danach war es so weit, daß die Mineralölsteuer erhöht wurde. Das alte Sparpaket hat die Belastungen gebracht, und das neue Sparpaket bringt noch größere.

Mit dem EU-Beitritt wird es Tausende von neuen Arbeitsplätzen geben. Tatsache ist doch, meine Damen und Herren, daß wir momentan die höchste Arbeitslosenrate der Zweiten Republik momentan haben, verbunden mit der anhaltend größten Pleitenwelle. Weitere Beispiele sind möglich.

Sie haben Versprechungen gemacht, und Sie haben diese nicht gehalten. Entweder haben Sie es nicht besser gewußt, dann hat die Regierung damit ihre Unfähigkeit demonstriert, oder Sie haben es wissentlich anders gesagt, als Sie es wußten. Wie das zu beurteilen ist, überlasse ich den zukünftigen Wählern.

Sie haben zehn Jahre lang Unfähigkeit bewiesen und Österreich in die jetzige Situation gebracht, und dieselben handelnden Personen sollen jetzt plötzlich in der Lage und fähig sein, den sogenannten sprichwörtlichen Karren aus dem Dreck zu ziehen?! Das ist so, wie wenn man einem Bankrotteur die Sanierung seiner Firma in Auftrag gibt, oder als ob Herr Generaldirektor Gerharter damit beauftragt worden wäre, den "Konsum" zu sanieren.

Der Herr Bundeskanzler hat in seiner leider dürftigen Regierungserklärung nichts dazu getan, das Vertrauen in die Problemlösungskapazität dieser Bundesregierung zu stärken. Die Probleme wurden unter seiner Regierung in den letzten Jahren noch durch eine antizyklische Sozialpolitik verstärkt, von der er selbst zugegeben hat, daß er deren Auswirkungen nicht absehen konnte; eine antizyklische Sozialpolitik, die hier im Bundesrat sogar noch sehr gelobt wurde. Und jetzt ist diese Regierung dabei, die Wirtschaft und damit den Erfolg einer angestrebten oder behaupteten Sanierung zu gefährden, weil es eben keine antizyklische Wirtschaftspolitik gibt.


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