Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 99

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Die Konjunktur bricht jetzt dramatisch ein. Das ist letztlich die Schlußfolgerung, die das Wirtschaftsforschungsinstitut aus der Entwicklung des letzten halben Jahres zieht. Und darüber hinaus machen Sie mit Ihrem Belastungspaket etwas, was für die Wirtschaftsentwicklung extrem gefährlich ist. Sie zerstören das Vertrauen in die Kontinuität der Gesetzgebung, das Vertrauen des wirtschaftlichen Entscheidungsträgers, daß dann, wenn er eine wirtschaftliche Entscheidung für die Zukunft trifft, die Rahmenbedingungen die gleichen sein werden, wenn der Erfolg dieser Entscheidung eintreten soll. Sie schaffen jene Unsicherheit, die unternehmerische Entscheidungen hemmt, die unternehmungslustige Leute daran hindert, Unternehmer zu werden, und die Investitionen zurückhält, und da wird auch die Anhebung des Investitionsfreibetrages nichts helfen. Wie wollen Sie auf dieser Basis 50 000 neue Betriebe schaffen? Das sind zirka 20 Prozent des derzeitigen Betriebsstandes Österreichs überhaupt – zusätzlich wohlgemerkt. Das klingt sehr gut und schön, aber Sie haben österreichweit 250 000 bis 300 000 Betriebe, und jetzt sollen 50 000 neu dazukommen. Man muß sich vorstellen, welchen Umfang das hat, das heißt also, daß es sich hier nur um eine Worthülse handeln kann. Aber Sie haben es nicht einmal geschafft und waren nicht einmal in der Lage, durch entsprechende Rahmenbedingungen bestehende Betriebe am Absterben zu hindern beziehungsweise am Leben zu erhalten. Sie haben keine Möglichkeiten zur Eigenkapitalbildung gegeben – trotz der Lippenbekenntnisse der vergangenen Jahre. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. )

Da sagt dann der Herr Bundeskanzler jetzt in seiner Regierungserklärung, daß neue Möglichkeiten geschaffen werden müssen? Alles Maßnahmen, die bisher nicht gegriffen haben. Sie haben Ihre Hausaufgaben seinerzeit nicht gemacht, und Sie werden es auch diesmal nicht schaffen – leider für Österreich!

Darüber hinaus werden Sie mit dem Belastungspaket dafür sorgen, daß die Insolvenzwelle weiter anhalten wird. Einige Beispiele: Sie verschieben willkürlich die Verlustabzüge, Sie ziehen willkürlich die Nachversteuerung von Rückstellungen vor, Sie dehnen willkürlich den Abschreibungszeitraum für KFZ auf acht Jahre aus, Sie führen willkürlich eine Strom- und Gassteuer ein, Sie streichen willkürlich den Vorsteuerabzug für den Fiskal-LKW, was vor allem die Handelsvertreter stark trifft, und Sie erhöhen willkürlich die Mindestkörperschaftssteuer von 15 000 S auf 50 000 S, was vor allem die Klein- und Mittelbetriebe treffen wird. (Bundesrat Dr. Kaufmann: Das ist eine Vorauszahlung!) Wie wenn Sie es nicht selbst besser wüßten, Herr Dr. Kaufmann! Sie wissen es besser und sagen ganz bewußt etwas anderes.

Wo bleiben die Proteste der Wirtschaftsvertreter und der Politiker? O ja, die gibt es natürlich, denn der Präsident der Bundeswirtschaftskammer, Herr Maderthaner, in seinem Nebenberuf auch Abgeordneter zum Nationalrat, läßt sich öffentlich mit Photo feiern, daß er sich für die Interessen der Handelsvertreter einsetzen wird und sich stark machen wird dafür, daß der Fiskal-LKW wieder den Vorsteuerabzug bekommt.

Herr Landeshauptmann und Bürgermeister Dr. Häupl hat starke Auftritte hinsichtlich der Doppelmaut auf den Stadtautobahnen. Beide können das locker tun, wohl wissend, daß es keine Chance gibt, etwas zu verändern, weil beide diese Maßnahmen in den entscheidenden Gremien mitbeschlossen und mitgetragen haben. Das ist wohl der Gipfel an Scheinheiligkeit, hier etwas für die Galerie zu tun und genau zu wissen, daß man nichts mehr ändern kann. Und das fügt sich nahtlos in das Bild der mangelhaften Glaubwürdigkeit, welches derzeit Regierung und Sozialpartner verbreiten.

Wir gehen, sehr geehrte Damen und Herren, den falschen Weg. Das Wirtschaften wird kurzsichtig und phantasielos vor dem Hintergrund der anhaltend größten Insolvenzwelle der Nachkriegszeit mit Forderungsverlusten für die Wirtschaft und für die Banken in gigantischer Milliardenhöhe und einer sich rasant ins Negative bewegenden Zahlungs- und Leistungsbilanz und der bislang größten Arbeitslosenrate der Nachkriegszeit erschwert, denn nicht nur die einnahmenseitigen, sondern auch die ausgabenseitigen Maßnahmen sind großteils Belastungen.

Die Folgen sind absehbar. Schon jetzt ist die Auftragslage rückläufig, der Konsum geht zurück, die Umsätze fallen, Gewinne bleiben aus, und die Stimmungslage der Unternehmer, ein


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