Bundesrat Stenographisches Protokoll 611. Sitzung / Seite 42

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Wie sehr dieser letzte Punkt der Verdrängungseffekte ernstzunehmen ist, zeigen Umfragen, denenzufolge 20 Prozent der – vergleichsweise finanzkräftigen – Österreicher im Fall der Generalmaut ausweichen wollen – gerade bei Besuchern aus dem Osten ist, in Anbetracht der Erfahrungen mit der ungarischen Privatautobahn, wo eine Fahrt nur 65 S kostet, mit einem ungleich höheren Verdrängungseffekt zurück auf die Bundesstraße zu rechnen. Sogar das Kuratorium für Verkehrssicherheit hat hier schwere Bedenken geäußert.

Besondere Probleme verursacht auch die Tatsache, daß im Gegensatz zu praktisch allen anderen Ländern, die Autobahnmauten einheben, auch Stadtautobahnen einbezogen werden sollen. Natürlich ist es nicht einsichtig, daß man, um bloß von einem Bezirk in den anderen zu gelangen, Maut zahlen soll. Dies umso mehr, als gerade diese Stadtautobahnen sich ohnedies durch besondere Stauhäufigkeit und damit geringe Verkehrsqualität auszeichnen.

Auch die Frage der Doppelbemautung mancher Strecken, auf denen bereits jetzt und auch in Hinkunft Streckenmauten kassiert werden, stellt nach Meinung zahlreicher Experten eine überaus problematische Konstruktion dar – schließlich ist kaum einsichtig, warum man für dieselbe Leistung mehrfach bezahlen soll. Im Extremfall könnte es – angesichts der ohnedies massiven Widerstände im Ausland – zu Problemen mit der aus Gründen der Transiteindämmung unverzichtbaren Brennermaut kommen.

Jedenfalls ist aber ein Imageschaden für Österreichs Fremdenverkehr unvermeidbar, denn eine solche "Eintrittsgebühr" in ein Urlaubsland, die noch dazu die Streckenmauten nicht ersetzt und daher nicht zur generellen Benützung der Autobahnen berechtigt, ruft jedenfalls Unmut hervor, auch wenn es für die Touristen einen Rabatt gibt.

Zu allem Überdruß findet sich – im Gegensatz zu den diesbezüglichen Versprechungen in der Regierungsvorlage keinerlei Hinweis auf eine Zweckbindung für den Straßenbau, sodaß durchaus vorstellbar ist, daß die Maut zwar kassiert wird, die Gelder aber anderweitig für das Stopfen von Budgetlöchern verwendet werden und daher erst recht kein Geld für die notwendigen Bau- und Erhaltungsmaßnahmen vorhanden ist – ganz so, wie dies im Bereich der Mineralölsteuer, wo ebenfalls ein Vielfaches der Ausgaben für den Straßenbau kassiert wird, bereits seit Jahren geschieht.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten nachstehende

dringliche Anfrage:

1. Warum wurde die Höhe der "Pickerlmaut" entgegen den Diskussionen vor der Wahl mit 550 S um 50 Prozent höher als angekündigt festgelegt?

2. Welche zusätzlichen Einnahmen erwarten Sie, und für welche konkreten Maßnahmen sollen diese verwendet werden?

3. Wie hoch werden die Kosten für die Verwaltung und Überwachung der "Pickerlmaut" sein, und wie soll dies im Detail funktionieren?

4. Warum findet sich – im Gegensatz zu den Absichtserklärungen – in der Regierungsvorlage keine Zweckbindung für Straßenbau und -erhaltung?

5. Ist Ihnen bekannt, daß rund ein Fünftel der Österreicher beabsichtigt, kein Mautpickerl zu erwerben, und daher auf Bundesstraßen abwandern wird?

6. Ist Ihnen bewußt, daß eine Pickerlpflicht etwa auf der A4, die errichtet wurde, um die Ortschaften entlang der B10 vom Transitverkehr zu entlasten, durch eine Verdrängung der wenig finanzkräftigen Ost-Lenker – Beispiel ungarische Mautautobahn nach Raab – diesen teuer erkauften Vorteil mit einem Schlag wieder zunichte machen würde?


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