Bundesrat Stenographisches Protokoll 612. Sitzung / Seite 71

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ein vernünftiges verfassungsrechtliches Gerüst für solche Angelegenheiten schafft. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich würde mir unabhängig davon wünschen, daß es gelingt, in möglichst vielen Fällen mit den Ländern ins Einvernehmen zu kommen. Wir wissen ja aus einigen Bundesländern, in jüngster Zeit Niederösterreich, daß das durchaus möglich ist, sofern der gute Wille aller Beteiligten und eine sachgerechte Vorgangsweise vorhanden sind.

Hinsichtlich der Verfassungsbestimmungen wurde im Nationalrat mehrfach damit argumentiert, daß sie nur dazu dienen, ein kurzfristig rückwirkendes Inkrafttreten verschiedener Bestimmungen abzusichern und die damit verbundenen großen Risken des Einnahmenausfalles oder der Verkürzung von Ausgaben nicht auf das Bundesbudget rückschlagen zu lassen.

Diese Argumentation muß man ein bißchen relativieren, weil nicht alle Verfassungsbestimmungen, zugegebenermaßen aber die meisten, dieser Absicherung des rückwirkenden Inkrafttretens dienen. Das Erstaunliche ist, daß viele Bestimmungen des Strukturanpassungsgesetzes rückwirkend gelten, insbesondere im Sozialbereich. (Bundesminister Mag. Klima: Rückwirkend gelten müssen!) In diesem Bereich haben wir eine ganze Reihe von zwangsläufig technisch notwendigen Rückwirkungen, ohne daß in diesen Fällen die Notwendigkeit einer Verfassungsbestimmung gesehen wurde. Da haben wir meiner Meinung nach einen Klärungsbedarf, warum man sich in verschiedenen Fällen traut, die Rückwirkung vor dem Verfassungsgerichtshof zu argumentieren, und in anderen Fällen wiederum nicht.

Ich will jedoch anerkennen, daß man sich die Mühe genommen hat, diese große Zahl der ursprünglich vorgesehenen Verfassungsbestimmungen nicht durchzusetzen, sondern sich in der Regel dem rechtsstaatlichen Anspruch, daß die Rechtsunterworfenen auch ein Recht auf Rechtskontrolle haben, nicht verweigert hat.

Ich denke, wir sind diesbezüglich auch an einem Punkt angelangt, an dem von seiten des Gesetzgebers ein Schlußpunkt hinter die bisherige Praxis, den Verfassungsgerichtshof dadurch auszuschalten, daß man über eine einfach gesetzliche Regelung Verfassungsbestimmung schreibt, gesetzt werden sollte. Wenn wir nämlich auf diesem Weg, auf dem in großer Zahl die Rechtskontrolle ausgeschaltet würde, mit großer Intensität weitergingen, kämen wir bald zu einem Zustand, den man als parlamentarischen Absolutismus bezeichnen müßte.

Es fehlt auch nicht an mahnenden Stimmen aus dem Verfassungsgerichtshof selbst. Darüber könnte man lange referieren. Denn auch dort entwickelt es sich allmählich zu einer Gratwanderung, ob in der Summe dem Rechtsschutzbedürfnis der Bevölkerung noch ausreichend entsprochen wird. Ich meine, das sollte man für die weitere Entwicklung des Rechts – Haushaltsrecht und Budgetrecht sind mit den Strukturanpassungsgesetzen ja nicht abgeschlossen – bedenken und berücksichtigen.

Es ist von den freiheitlichen Bundesräten in einer Pressekonferenz argumentiert worden – bemerkenswerterweise wurde sie während der Sitzung abgehalten, was für eine besondere Wertschätzung der Diskussion hier spricht –, daß nur ein Einspruch gegen das Strukturanpassungsgesetz die Länderinteressen vertrete und alles andere ein Verrat an den Landesinteressen wäre. Ich behaupte, das Gegenteil ist richtig. Wir haben keinen einzigen Fall, in dem aus einem Land, sei es von einem Finanzreferenten, einem Sozialreferenten, einem Landeshauptmann oder einem Landtagspräsidenten, gefordert worden wäre, dieses Gesetz soll jetzt in dieser Form nicht in Kraft treten.

Ganz im Gegenteil: Es gibt unzählige Bekenntnisse zu dieser Sanierungspartnerschaft, die in guter Absicht angefangen wurde, indem nämlich maßgebliche Vertreter der Länder in die Verhandlungen, wie man nun diese Sanierungsziele konkret umsetzen könne, eingebunden waren. Die Länder waren also nicht nur von vornherein informiert – das blieb ja nicht exklusiv, das wissen zwei der dort stundenlang, tagelang Beteiligten –, sondern es hat ein intensiver Rückkoppelungsprozeß mit den anderen Ländern stattgefunden, sodaß man durchaus guten Gewissens sagen kann: Alles andere als eine Zustimmung zu diesem Sanierungspaket wäre ein Verrat an den Landesinteressen.


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