Bundesrat Stenographisches Protokoll 612. Sitzung / Seite 83

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Landeshauptmann Schausberger hat in seiner gestrigen Ansprache Salzburg als Musterschüler unter den Bundesländern hervorgehoben. So soll es bleiben. Mit dem Hinweis auf die geringsten Arbeitslosenraten in unserem Bundesland hat er oberflächlich natürlich vollinhaltlich recht. Ich glaube aber – das sage ich bei dieser Gelegenheit –, daß man vermeiden sollte, vor anderen Bundesländern besser scheinen zu wollen, ohne gleichzeitig auch auf die Struktur unseres Bundeslandes im Gegensatz zu anderen hinzuweisen. Wir wissen, daß es in Salzburg weniger Industrie, sondern vorrangig Dienstleistungsbetriebe gibt. Wenn ich aber die industriellen Standorte in unserem Bundesland mit anderen vergleiche, sind wir um nichts besser als andere Bundesländer. Ich nenne nur an Atomic, Blizzard, Emco, Solvay; Hallein Papier konnte gerettet werden; über Mühlbach sprechen wir heute schon nicht mehr. – Ich glaube, wenn man diesen Sachverhalt bei einem Vergleich nicht berücksichtigt, kann man des Populismus geziehen werden. "Populismus" sollte aber bei der Aufzählung der politischen Charakteristika eines Landeshauptmannes keinen Platz haben.

Populismus wäre es auch, wenn man in der Diskussion um Bezirksgerichte ohne eine eingehende Diskussion mit den Betroffenen nur Feststellungen berücksichtigte, die dem Willen einzelner entsprechen. Ich glaube, in der Diskussion um die Auflassung von Bezirksgerichten sind auch folgende Aspekte zu beachten: Generelles Ziel muß es sein, den Rechtszugang für alle sicherzustellen und Barrieren abzubauen sowie unser Rechtsschutzsystem zu erweitern. Niemand darf am Rechtszugang behindert werden, und jeder Betroffene muß in einer angemessenen Frist zu seinem Recht kommen. Gerade unter diesem Aspekt ist die mögliche Auflassung von Bezirksgerichten zu sehen.

Die Gerichtsorganisation, wie wir sie kennen, geht auf das 19. Jahrhundert zurück und geht dabei vom Gedanken aus, daß man zur Bestreitung einer Tagsatzung einen Tag benötigt. Wir wissen, daß man sich vor 150 Jahren teilweise zu Fuß, zu Pferd oder später eventuell mit dem Rad fortbewegte. Dann folgten als Fortbewegungsmittel die Bahn, sodann das Auto, und inzwischen gibt es auch Flugzeuge. Daher sollte man sich überlegen, ob nicht aufgrund der geänderten Voraussetzungen andere Grundsätze zu gelten haben.

In Bezirksgerichten ist insbesondere aufgrund der komplizierten Verfahren die Effizienz nicht gewahrt. Notwendig ist eine Spezialisierung der Richter, die es nur in Gerichten mit mehreren Richtern geben kann. Bei Bezirksgerichten arbeitet in der Regel jedoch nur ein Richter.

Über die Einsparung von zirka 50 Millionen Schilling kann man auch noch diskutieren. Ich bitte Sie nur, bei einer allfälligen Diskussion auch diese genannten Aspekte mit den Betroffenen zu erläutern und dann gemeinsam jene Entscheidungen zu fällen, die für die Region, für das Land oder für den Bund die für die Zukunft zu vertretenden sein werden.

Herr Landeshauptmann! Gestern hat mir in der Regierungserklärung auch der Bezug zum Bundesrat gefehlt. Der Bundesrat – er wurde von dir jetzt in deiner Ansprache ins rechte Licht gerückt – fristet in Salzburg ein Schattendasein, ich möchte fast sagen, er liegt im "Dornröschenschlaf", aber nicht, weil die Bundesräte nicht willens oder in der Lage wären, sich aktuell einzuschalten: Die Verfassung läßt es nicht zu. Auch die Situierung der Bundesräte in unserem Landtagssaal ist anders als in anderen Bundesländern. Wir gelten dort als Hinterbänkler. Ich habe keine Selbstbewußtseinsprobleme, das möchte ich unterstreichen, das liegt mir Gott sei Dank fern. (Zwischenbemerkung des Landeshauptmannes Dr. Schausberger. )

Danke, Herr Landeshauptmann! Aber wir wirken dort tatsächlich wie das letzte Bollwerk zwischen dem Landtag und – diesen Fall gab es oft – den aufgebrachten Bürgern. Wir haben dort nicht einmal die Möglichkeit, Beifall zu spenden, geschweige denn zu reden oder sonstiges zu tun.

Ich würde auch bitten, die Einfügung des Rederechts für Bundesräte im Landtag in die Überlegungen mit einzubeziehen. Auch dafür gibt es Präzedenzfälle. Es gibt Länder, in denen diese Möglichkeit besteht. Ich möchte vorschlagen, daß man die Landesamtsdirektion damit beauftragt, daß einmal überprüft wird, ob das für Salzburg in Betracht käme.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite