Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 71

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Meine Damen und Herren! Wir sollten uns heute wirklich konkret fragen und konkret darüber reden, was besonders die Arbeitsmarktchancen der Frauen zusätzlich beeinträchtigt und mit welchen Angeboten gegengesteuert werden kann.

Nach wie vor vermindert die Doppelbelastung durch Familie und Beruf und die begrenzte Berufswahl die Chancen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Wie aus einer internationalen Studie hervorgeht – diese Studie wurde vorwiegend im städtischen Bereich, also in den EU-Städten erhoben –, will die Mehrheit der befragten Europäerinnen – es sind immerhin 5 000 Frauen befragt worden – eine bezahlte Beschäftigung ausüben. Außerdem ging aus dieser Umfrage hervor, daß Frauen entscheidend zum Haushaltseinkommen beitragen, ihr Beitrag jedoch von der Gesellschaft generell unterschätzt wird. Außerdem wünschen sich 40 Prozent der Frauen flexible, elterngerechte Arbeitszeiten. Das heißt, die Präferenz für die Mehrheit der berufstätigen Frauen wäre die Teilzeitarbeit. Daher, meine Damen und Herren, ist Flexibilisierung am Arbeitsmarkt ein wirtschaftspolitisches Gebot der Stunde.

In diesem Zusammenhang ist aber ein wichtiges Kriterium, daß die Arbeitnehmerinnen in ein System der sozialen Sicherheit, insbesondere auch der Alterssicherung, eingebaut sind. Bis jetzt war es ja so, daß gerade sogenannte atypische Arbeitsverhältnisse vorwiegend von Frauen ausgeübt wurden. Ich denke hier im besonderen an die Heimarbeit. Derzeit macht sich eine neue Form der Heimarbeit breit, die sogenannte Tele-Arbeit. Vor allem Frauen in ländlichen Gebieten, wo meist eine hohe Arbeitslosigkeit gegeben ist, greifen nach diesen Chancen. Wenn man bedenkt, daß 42 von 100 Österreichern ihren Arbeitsplatz nicht in ihrer Wohngemeinde haben und – eine Zahl aus Oberösterreich – daß zum Beispiel unsere Landeshauptstadt Linz bei 160 000 Arbeitsplätzen mit über 80 000 Einpendlern an der Spitze in ganz Österreich steht, kann man erahnen, wie wichtig es ist, daß flexible Arbeitsplätze geschaffen werden.

In diesem Zusammenhang sind natürlich die größten Vor-, aber zugleich auch die größten Nachteile die, daß durch die unscharfe Trennung zwischen Privat- und Arbeitsplatz Frauen einerseits Kinder besser betreuen können, aber andererseits auch des wichtigen Sozialkontaktes, wie er an einem herkömmlichen Arbeitsplatz besteht, verlustig gehen.

Trotzdem muß sich heute die Politik angesichts steigender Arbeitslosenraten fragen, inwieweit und unter welchen Bedingungen mit sogenannten atypischen Arbeitsverhältnissen positive Beschäftigungseffekte erzielt werden können. Die Senkung der Arbeitskosten ist sicher eine beschäftigungspolitische Maßnahme, es darf aber in Zukunft sicher nicht so sein, daß für männliche Arbeitnehmer sogenannte typische Arbeitsverhältnisse Geltung haben und für Frauen sogenannte atypische, denn die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft.

Wie ebenfalls aus dem Bericht 1994 hervorgeht, waren zirka 6,6 Prozent der Frauen damals geringfügig beschäftigt – bei den Männern waren es nur 2 Prozent –, und das zunehmend im Dienstleistungsgewerbe. Die Problematik für die Frauen ergibt sich einerseits aus der geringen Entlohnung und ihrer damit zusammenhängenden verstärkten Abhängigkeit und andererseits aus der bei geringfügig Beschäftigten fehlenden sozialrechtlichen Absicherung.

Daher sind Modelle, wie sie in den USA und in Frankreich bereits funktionieren, nämlich daß durch selbständige Kleinunternehmer haushaltsnahe Dienstleistungen angeboten werden, grundsätzlich zu befürworten. Der dabei zu verwendende Dienstleistungsscheck ist für die Arbeitnehmer zugleich Arbeitsvertrag, Lohnbescheinigung und auch die wichtige Erklärung gegenüber der Sozialversicherung. Man hätte hier eine Chance, auch den privaten Haushalt als Arbeitsmarkt der Zukunft zu installieren, allerdings – das möchte ich in diesem Zusammenhang betonen – nicht ausschließlich für die Frauen, sondern sowohl für Frauen als auch für Männer.

Meine Damen und Herren! Visionen und konkrete Daten für neue Arbeitsplätze und Arbeitszeitmodelle sind im Sozialbereich gefragt. Ich bezweifle daher auch sehr, ob das sogenannte 4. Aktionsprogramm zur Chancengleichheit von Männern und Frauen, so wie es im Sozialbericht 1994 angeführt ist, etwas bringt, vor allem, wenn man nicht weiß, wo die ersten drei Aktionsprogramme geblieben und wo die Erfolge sind, die aus diesen ersten drei Aktions

 


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