Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 72

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programmen ersichtlich sein sollten.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluß möchte ich nur feststellen, daß der vorliegende Sozialbericht für mich persönlich nur ein Nachschlagewerk über Zahlen und Fakten ist, aber über die zukünftige Entwicklung kaum etwas aussagt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.49

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Pischl. Ich erteile dieses.

13.50

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn wir heute den Bericht zur sozialen Lage 1994 diskutieren, zeigt dies sehr deutlich, wie schnell sich politische Zukunftsperspektiven verändern.

So schreibt der Herr Bundesminister für Arbeit und Soziales im Geleitwort zum Sozialbericht 1994 unter anderem – darauf hat auch der Herr Berichterstatter hingewiesen; ich zitiere –: "Eine gute Wirtschaftsentwicklung mit hohem Beschäftigungsniveau ist die beste Voraussetzung für eine positive und zeitgemäße Weiterentwicklung unseres Sozialsystems." Weiters heißt es: "Der Beitritt zur Europäischen Union stellt für Österreich neue Herausforderungen und Chancen für eine zeitgemäße Weiterentwicklung des sozialen Systems dar."

Meine Damen und Herren! Dieser Bericht wurde – es wurde heute schon einige Male darauf hingewiesen – vor zirka eineinhalb Jahren geschrieben, in einer Zeit, in der man glaubte, der soziale Wohlfahrtsstaat könne auch in Zukunft in vollem Umfang gehalten oder sogar weiterentwickelt werden. Dies war meines Erachtens ein Trugschluß, denn wir haben anscheinend bereits zu dieser Zeit weit über unsere Verhältnisse gelebt.

Ich war und bin nach wie vor ein kritischer Befürworter des EU-Beitrittes. Es wäre jetzt auch falsch, den EU-Beitritt Österreichs dafür verantwortlich zu machen, daß wir hier eine veränderte Situation haben. Wir haben natürlich gerade auch im sozialen Bereich eine hausgemachte Entwicklung, und jetzt kommt die Stunde der Wahrheit, und zwar nicht nur für den Sozialbereich – hier aber tut es besonders weh –, sondern auch für die allgemeine politische Entwicklung unseres Landes. Da trifft es die Bevölkerung in ihrer bisherigen sozialen Sicherheit sehr empfindlich, denn dieses soziale Netz, wie es noch im Bericht 1994 geschildert wurde, zeigt heute unübersehbare Risse.

Dazu nur einige Beispiele: Die Sparbudgets, die dringend notwendig waren – und zwar in allen Gebietskörperschaften, vor allem aber im Bundesbereich –, haben dazu geführt, daß diesen Weg auch die freie Wirtschaft gegangen ist, und dies zeigt jetzt die entsprechenden Auswirkungen auch auf unser Sozialgefüge. Das heißt, es kommt zu einem Aufnahmestopp nicht nur durch die öffentliche Hand, sondern auch in der Privatwirtschaft. Dies ist ein Dilemma für unsere Jugend, und es hat meine Vorrednerin, Frau Bundesrat Haubner, darauf hingewiesen, wie schwierig es jetzt für junge Leute ist. Sie hat es aber damit begründet, daß es wahrscheinlich – so habe ich es verstanden – nur wegen der Lohnnebenkosten eine solche Entwicklung gibt.

Ich glaube, Frau Kollegin Haubner, so einfach können und dürfen wir uns die Situation nicht machen. Was mir fehlt, ist einfach das offene Gespräch, wie wir die jungen Leute in den Wirtschaftsprozeß integrieren können, das Gespräch darüber, ob wir den Weg des dualen Ausbildungssystems in Zukunft weitergehen wollen und wie dieser Weg ausschauen sollte. Es wird, hier glaube ich, noch vielzuviel verdeckt, man versucht da und dort, irgendwie etwas zu lösen, aber im breiten Anliegen, insbesondere was die Jugend anlangt, fürchte ich, werden wir gerade im heurigen Jahr nicht das geeignete Rezept haben, diese Leute unterzubringen.

Jeder von uns, der heute in der Politik tätig ist, weiß, was in den letzten Wochen an Nachfragen und auch an – unter Anführungszeichen – "Interventionen" gekommen ist, um junge Leute im Arbeitsprozeß unterzubringen. Das ist nicht nur eine Frage, die man parteipolitisch lösen kann oder nur dem Sozialminister, dem Wirtschaftsminister oder den Interessenvertretungen über


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