Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 79

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quote von 6,3 Prozent liegt Österreich international weit abgeschlagen. Deutschland hat 7,9 Prozent Selbständige, Schweden 8,7 Prozent, Frankreich 8,8 Prozent, Japan 10,3 Prozent, Großbritannien 11,9 Prozent und Italien – man staune! – 24,2 Prozent. Die Italiener haben diesbezüglich nicht nur die Nase vorn, sie sind sogar meilenweit voran!

Von praxisorientierten und renommierten Wirtschaftsforschern wird behauptet, daß das Abfangen der Arbeitslosigkeit am ehesten über eine Zunahme der Zahl an kleinen und mittleren selbständigen Unternehmen funktionieren könnte, und zwar nicht als Konkurrenz bestehender Betriebe, sondern in neuen Branchen, aber insbesondere auch auf neuen Märkten. Wenn der Durchbruch gelingen soll – und er kann gelingen! –, müssen aber die kammerstaatlichen Zugangsbedingungen zum sogenannten freien Unternehmertum gründlich entrümpelt und vereinfacht werden. Bei den heutigen bürokratischen Rahmenbedingungen muß sich ein Unternehmer alleine von den zeitlichen Rahmenbedingungen her gefoppt fühlen. Wenn er etwas tun will, ist es ein Hindernislauf quer durch die Instanzen, und das kostet Nerven, Zeit und Geld. (Bundesrätin Kainz: Sagen Sie das Ihrem Wirtschaftsminister! – Bundesrat Mag. Langer: Dem alten oder dem neuen?) Ja, das werden wir ihm auch sagen, und das weiß er auch. Er vertritt ja ebenfalls diese Meinung.

Meine sehr Verehrten! Für Betriebsgenehmigungsverfahren – ich möchte hier nur das Beispiel Steiermark zitieren – werden in Zukunft drei Monate verbindlich vorgegeben sein. Wenn es binnen drei Monaten nicht erledigt ist, so gilt es.

Noch etwas ist äußerst wichtig: der Arbeitsplatz Bauernhof und die flexible Gestaltung der Gewerbeordnung für Zuerwerbsmöglichkeiten. Wir wollen im Bereich der Landwirtschaft keine Vorteile haben, aber auch keine Nachteile hinnehmen. Und ich möchte auch klar festhalten: Es gibt für uns keine "groß"- und "klein"-Diskussion. Es gibt auch keinen Klassenkampf. Aber wenn wir den Arbeitsplatz Bauernhof nicht erhalten, wird es einen neuerlichen Druck auf den Arbeitsmarkt geben! Die Lehrlinge, die manuellen Berufe sind in den letzten Jahrzehnten systematisch diskreditiert worden.

Die Rechnung, meine sehr Verehrten, liegt nun vor. Wir haben gegenwärtig 210 000 Studenten – dem stehen 120 000 Lehrlinge gegenüber. In Wahrheit stehen wir vor einer Akademikermassenarbeitslosigkeit, und wir haben in Zukunft zuwenig Lehrlinge.

Allein in der Steiermark sind die Lehrlingszahlen in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent zurückgegangen. Es sind noch gerade 20 000. (Bundesrätin Crepaz: Warum? Weil die Wirtschaft keine anbietet! Deswegen!) Ich werde auch darauf zu sprechen kommen. Allein seit 1990 hat sich die Anzahl der ausbildenden Betriebe von 6 900 auf 5 900 reduziert. Vergessen wir in diesem Zusammenhang eines nicht: Österreich stand bei der Jugendarbeitslosigkeit bisher recht gut da. Europaweit sind 20 Prozent der jungen Leute in der Altersgruppe zwischen 15 und 24 Jahren ohne Job. In Österreich waren es in den letzten Jahren stets rund 5 Prozent. Jetzt nimmt die Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen dramatisch zu. 8 Prozent und damit 46 300 junge Menschen bekommen keine Stelle.

Es muß dem, meine sehr Verehrten, massiv gegengesteuert werden. Unternehmen sind zu ermutigen, wieder Lehrlinge auszubilden, anstatt nur Hilfskräfte einzustellen. Entscheidend dafür ist eine Steuerentlastung: Absetzbetrag pro Lehrling oder Übernahme der Lehrlingsentschädigung während der Berufsschulzeit. Wir müssen gegensteuern.

Für einen Lehrling ist der Staat bereit, 6 000 S zu leisten, für einen AHS-Schüler 60 000 S und für einen HTL-Absolventen 92 000 S pro Jahr. Meine sehr Verehrten! Diese Zahlen sagen alles! Wir müssen daher einen gemeinsamen Weg gehen und alles unternehmen, damit es wieder attraktiv wird, einen Beruf zu erlernen.

Die Einkommensunterschiede, meine sehr Verehrten, haben sich in den letzten drei Jahrzehnten vergrößert. Frau Kollegin Fischer hat in ihren Ausführungen hier die Situation bei den Pensionen dargelegt. Das Ungleichgewicht zwischen "oben" und "unten" ist dramatisch verschärft worden. Praktisch in allen Berufsgruppen tut sich die Kluft auf: zwischen jenen, die eine starke Lobby hinter sich haben, und jenen, die immer schwach waren.


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