Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 80

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Es ist an der Zeit, meine sehr Verehrten, auch die Einkommenspolitik zu ändern – nicht radikal und mit Brachialgewalt, sondern behutsam und beharrlich. Wenn in einer aufsehenerregenden Studie erst vor wenigen Tagen dezidiert nachgewiesen wird, daß die Lebenseinkommen zwischen einzelnen Berufsgruppen um Millionenbeträge differieren, dann sollten wir ernsthaft unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit darangehen, langfristig das System merkbar zu ändern.

Konkrete Vorschläge sind: Fixbeträge bei den Lohnerhöhungen in den nächsten drei Jahren. (Bundesrätin Kainz: Die KV-Politik überlassen Sie jenen, die es können!) Die Lebensverdienstkurve ist neu anzulegen: am Anfang besser bezahlen und nach der Mitte abflachen. Auch Einkommenseinbußen im Bereich der Landwirtschaft sind auszugleichen. Die Ausgleichszahlungen, die unsere Bauern bekommen, sind kein Geschenk dieses Staates und auch kein Geschenk Gottes, sondern das ist ein Beitrag, der vereinbart wurde.

Meine sehr Verehrten! Das klassische Bild des Normalarbeitnehmers trifft in Wirklichkeit immer weniger zu. Wir treten für eine Flexibilisierung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen ein. Wir bekennen uns aber auch gleichzeitig zum Schutz des Arbeitnehmers gegen Willkür in der Zeitverwendung.

Ein wichtiger Punkt – man muß ihn ansprechen, weil damit auch Arbeitsplätze in Verbindung zu bringen sind – ist meiner Meinung nach die Teilzeit. Obwohl die Nachfrage vieler Arbeitnehmer, vor allem von Frauen und Kindern, aber zunehmend auch von älteren Personen, nach besser qualifizierten Teilzeitarbeitsplätzen steigt, ist das Angebot dafür in Österreich nach wie vor sehr gering. Die Teilzeitquote liegt bei 10 Prozent der Erwerbstätigen – im Gegensatz etwa zu den Niederlanden, wo es 36 Prozent sind. Die Erhöhung der Teilzeitquote von 10 auf 15 Prozent innerhalb von vier Jahren ist anzustreben. Das würde bedeuten laut Berechnung der Wirtschaft, daß 150 000 neue Arbeitsplätze entstehen könnten.

Meine sehr Verehrten! Abschließend möchte ich auch zur Teilung von Arbeit etwas sagen. Arbeitsteilung ist für viele undenkbar, und sie ist in vielen Bereichen tatsächlich nicht machbar. Aber es ist nicht wahr, daß gar nichts geht. Im Gegenteil: Es gibt für wichtige Bereiche seriöse Berechnungen für einen behutsamen Weg der Arbeitsteilung. Man könnte Überstunden in Arbeitsplätze umbauen – 30 000 könnten damit geschaffen werden – und Mehrfachbesetzungen in bestimmten Branchen vornehmen, zum Beispiel acht Lehrerjobs mit neun besetzen.

Diese zwei Beispiele sind ein Solidarmodell einer tatsächlich realisierbaren Arbeitsteilung. Es ist ein Schritt auf dem Weg vom Lohnpakt zum Solidaritätspakt, der dringend geboten erscheint.

Wer den Wirtschaftsstandort Österreich als einen herausragenden Platz in die Zukunft führen will, wird flexibel, unternehmerisch denkend und risikobereit ans Werk gehen müssen. Es gilt, von liebgewordenen Traditionen Abschied zu nehmen und bereit zu sein, ein Leben lang zu lernen und sich auch weiterzuentwickeln.

Trotz aller Probleme gibt es in Österreich einen noch nie dagewesenen Wohlstand. Das Selbstbewußtsein ist angebracht, daß der Kuchen, den es zu verteilen gibt, für alle reicht. Die Problemstellung für die nächsten Jahrzehnte ist eine gerechte Verteilung des Wohlstandes. Wir sind in unserer täglichen Arbeit nahezu ausschließlich mit Soll und Haben konfrontiert. Doch geht es nicht um viel mehr? Nämlich um Sein und Sinn? Und es ist für mich eine Überlebensfrage unseres Gesellschaftssystems. – Glück auf! (Beifall bei der ÖVP.)

14.38

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile dieses.

14.38

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Hohes Haus! An und für sich habe ich mir vorgenommen, Kollegen Eisl ein paar Worte zu seinen Ausführungen über die Landarbeiterkammern mitzugeben. Ich würde die F-Fraktion bitten, ihn vielleicht hereinzuholen,


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