Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 117

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der Präsident nicht durch den Vizepräsidenten derselben Fraktion vertreten werden soll, sondern von jenem Vizepräsidenten, den die andere der beiden stärksten Fraktionen stellt.

Weiters sieht § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, daß diesbezügliche Wahlvorschläge zu ihrer Gültigkeit der Unterstützung von mehr als der Hälfte der Bundesräte, denen ein Vorschlagsrecht zukommt, unterfertigt werden müssen.

Aus all dem Gesagten ergibt sich, daß der Wahlvorschlag der ÖVP-Fraktion für den ersten Vizepräsidenten für das zweite Halbjahr 1996 sowie jener der SPÖ-Fraktion für den zweiten Vizepräsidenten für das zweite Halbjahr 1996 den Bestimmungen der Geschäftsordnung genügen und daher zur Wahl zu stellen sind.

Der Wahlvorschlag der freiheitlichen Fraktion – diese ist die drittstärkste Fraktion des Bundesrates – ist daher nach meiner Rechtsauffassung unzulässig. Er genügt nicht den Bestimmungen der Geschäftsordnung und ist daher zurückzuweisen.

Ich stelle daher die Frage, ob sich gegen die Zurückweisung dieses Wahlvorschlages Einwendungen erheben. – Es ist dies der Fall.

Herr Bundesrat Dr. Tremmel hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.12

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsordnung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Wortmeldung zur Geschäftsordnung bezieht sich auf § 49 Abs. 3: Ich verlange eine Debatte über die Geschäftsordnung des Bundesrates.

Dieses Begehren darf ich, wie folgt, begründen: Der Herr Präsident hat in seinen Erläuterungen unter anderem § 6 der Geschäftsordnung des Bundesrates zitiert: Der Bundesrat hat anläßlich jedes Wechsels im Vorsitz gemäß Abs. 1 aus seiner Mitte zwei Vizepräsidenten sowie mindestens zwei Schriftführer und mindestens zwei Ordner zu wählen. Die Wahlen sind nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes – das d’Hondtsche Verfahren ist in Klammer angeführt – durchzuführen.

Dieses Verhältniswahlrecht hat eine sehr starke Tradition im Parlamentarismus, ich werde darauf noch zu sprechen kommen. Grundsätzlich steht fest und ist völlig unbestritten, daß das Präsidium unter anderem aus dem Präsidenten und den beiden Vizepräsidenten besteht.

Ich bitte Sie, meine Erläuterungen zur Kenntnis nehmen, die sich mit dem d’Hondtschen Verfahren, also der Inkarnation des Verhältniswahlrechtes, befassen. Dieses Verfahren wurde bereits 1918 angewendet. Wenn wir dieses auf den Bereich des Bundesrates umlegen, meine Damen und Herren, dann ergibt sich folgendes Bild (Der Redner präsentiert eine Tabelle, die die für die einzelnen Fraktionen gültigen Teilungszahlen ausweist.):

Das ist die Darlegung des d’Hondtschen Verfahrens, meine Damen und Herren! Sie teilen die Summe je nachdem durch zwei, durch drei oder durch vier. Der Präsident steht aufgrund ganz eindeutiger Bestimmungen der SPÖ zu. Die ÖVP stellt daher den ersten Vizepräsidenten. Wenn Sie nun die Teilungszahl der FPÖ anschauen, werden Sie erkennen, daß der Freiheitlichen Partei der zweite Vizepräsident zusteht, weil die ÖVP den ersten Vizepräsidenten stellt (Bundesrat Dr. Prasch: So ist es!) und weil, meine Damen und Herren, in der Geschäftsordnung ganz eindeutig ausgeführt ist, daß die Fraktion, die den Präsidenten stellt, keinen Vizepräsidenten stellen kann. (Bundesrat Mag. Tusek: Nicht den ersten!) – Nicht den ersten Vizepräsidenten, ich danke, das ist ein richtiger Einwand.

Wenn nun, wie der Herr Präsident in seinen Darlegungen gesagt hat, in der Praxis die zwei stärksten Fraktionen Anspruch auf den Vizepräsidenten haben, dann frage ich Sie, meine Damen und Herren – ich gebe Ihnen ein sehr einfaches Beispiel –: Was ist – in der Folge wird das sicherlich eintreten –, wenn die derzeit hier noch drittstärkste Fraktion in einem Landtag die stärkste Fraktion sein wird? – Dann wird der dort Erstgenannte und Erstgereihte im Landtag


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