Bundesrat Stenographisches Protokoll 615. Sitzung / Seite 76

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bereiche auszuweiten. Ich könnte noch viele weitere Vorschläge hier unterbreiten und mich dabei mit vielen auf regionaler und föderaler Ebene eins wissen.

Ich möchte allerdings in diesem Augenblick auch nicht verschweigen, daß ich – wie Herr Staatssekretär Schlögl bereits gesagt hat – leider realistisch zur Kenntnis nehmen muß, daß nicht alle daran interessiert sind, daß der parlamentarische und demokratische Gehalt der EU erweitert wird. – Ich glaube, daß jene Möglichkeiten, die wir auch im Länderbeteiligungsverfahren, im Miteinander von Bundes- und Landesorganen, eröffnet haben, von größter Wichtigkeit sind. Ich nenne etwa die Verantwortung des Landeshauptmanns gegenüber dem Landtag und die Stellung der Landtagspräsidenten im Zusammenhang mit den EU-Kompetenzen. Der Herr Präsident hat heute auch schon treffend darauf hingewiesen, was die Geschäftsordnungsreform des Nationalrates für den Bundesrat bringt. Wir begrüßen all das selbstverständlich, es ist aber noch immer nicht ganz ausreichend. Wir nehmen es, wie gesagt, zur Kenntnis, wir sind ja schon bescheiden geworden.

Es hat hier ein neues Verfassungs- und ein neues Amts- und Funktionsverständnis Platz gegriffen. Meine Damen und Herren! Es wäre begrüßenswert, würde man auch nach dem Jubiläum des Bundes-Verfassungsgesetzes 1995 und dem heurigen Jubiläumsjahr nicht vergessen, daß es für das Europa-, Verfassungs- und Staatsbewußtsein Österreichs wichtig wäre, wenn es zu einer Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes käme, damit das österreichische Verfassungsrecht in seiner Geschlossenheit noch deutlicher wird.

Meine Damen und Herren! Wir sind auch sehr dankbar für die Bemühungen des Nationalrats und der Bundesregierung und für die Initiativen der Landeshauptleute und der Landtagspräsidenten, mit deren Hilfe Möglichkeiten im Rahmen des Länderbeteiligungsverfahrens im Hinblick auf die Stellung der Bundesregierung in europapolitischen Angelegenheiten geschaffen wurden. Ich verweise auch auf die demokratische Legitimation der Ratsmitglieder, durch die eine Parlamentsorientiertheit eröffnet wurde, wie es sie kaum in einem anderen Staat in Europa gibt. Es ist wirklich sehr wertvoll, Hoher Bundesrat, daß auch ein Spitzenvertreter der Landesregierung an den Konferenzen teilnehmen kann.

Daher bin ich dem Herrn Landeshauptmann von Vorarlberg Dr. Martin Purtscher sehr dankbar dafür, daß er am 17. Juni 1996 bei der Konferenz in Rom die Notwendigkeit betont hat, daß die Kluft zwischen den Bürgern und der EU durch eine volle Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips verringert wird, wobei regionale und kommunale Ebenen verstärkt einbezogen werden sollten. Ich bin auch Herrn Vizekanzler Dr. Schüssel und Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner sehr dankbar, daß sie sich in ständigem Einvernehmen auch mit den zuständigen Vertretern der Länder dafür einsetzen, daß das föderale und regionale Prinzip zum Tragen kommen kann und zum Tragen kommt.

Meine Damen und Herren! Zu welchen Ergebnissen die Turiner Konferenz auch immer führen wird: Man wird sich um eine größere Übersichtlichkeit und eine Verringerung der Verfahren bemühen müssen. Das ist von größter Wichtigkeit. Es wird begrüßenswert sein, wenn die Kompetenzen des Europaparlaments erweitert werden, wobei ich Ihnen sagen möchte: Wenn es im Zusammenhang mit der Wahl des Präsidenten der Kommission auch der Zustimmung des Europaparlaments bedarf, ist das noch nicht der größte Erfolg. Denn es kommt auch in diesem Bereich auf die Kompetenzen an. Es gilt das gleiche wie für die Bestellung der Bundesräte: Ob sie durch Volkswahl bestellt werden – da haben sie das Glück, ihre Namen auf den Litfaßsäulen wiederzufinden – oder ob sie von den Landtagen entsandt werden, beides ist beachtenswert, entscheidend sind jedoch die Kompetenzen, meine sehr Verehrten! Dasselbe gilt auch für das Europaparlament.

Nach jahrzehntelangen Erfahrungen im Bundesrat habe ich bisweilen den Eindruck, daß es uns Bundesräten besser geht als den Parlamentariern im Europaparlament, wenngleich diese beim Budget ein Mitwirkungsrecht haben und wir nicht. Hingegen gibt es hier eine Reihe anderer Kontrollmöglichkeiten, von denen das Europaparlament noch weit entfernt ist. Ich möchte allerdings allen Europaparlamentariern, auch Frau Kollegin Crepaz, die heute unter uns weilt, und Herrn Bundesrat Dr. Milan Linzer, herzlich für das Engagement danken, das sie selbst immer wieder


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