Bundesrat Stenographisches Protokoll 615. Sitzung / Seite 78

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Wenn alle Landtagspräsidenten und alle Landeshauptleute mit den föderalistisch denkenden Mitgliedern der Bundesregierung und den Damen und Herren Staatssekretären – Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner kommt aus Salzburg – zusammenarbeiten, dann werden wir, wie ich glaube, einen konstruktiven Beitrag leisten können.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen sagen: Es gibt viele, die für eine Europäische Integration nicht allein wegen der lachenden Engel von Reims, der Sainte Chapelle in Paris oder des Hradschin in Prag gewesen sind. Ich gebe aber zu, es ist eine Freude, daß man anstelle von Leningrad jetzt St. Petersburg sagen kann. Ich hoffe nur, daß die Leute in St. Petersburg auch etwas zu essen, zu trinken und zu wohnen haben und glücklich sind. Meine sehr Verehrten! Es ist schön, daß wir frei zur Basilius-Kathedrale in Moskau gehen können und nicht jeder Lenin aufsuchen muß, sondern nur derjenige, der das will. Meine sehr Verehrten! Wir können und sollen dieses Europa gemeinsam gestalten. Dafür sind auch Henri Spaak von eurer Seite, Robert Schuman, Josef Bech – nicht mit hartem "P", sondern mit weichem "B" geschrieben – eingetreten. Dafür waren auch Konrad Adenauer oder Alcide de Gasperi, der hier im alten österreichischen Reichsrat gesessen ist. Ich habe Fanfarni und Andreotti früher, wenn auch getrennt, hier auf ihre Plätze geführt.

Meine sehr Verehrten! Es ist ein großes Anliegen, daß wir diesen Weg gemeinsam beschreiten können. Ich würde Sie daher alle bitten – auch die Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei –, sich in Hinblick auf die Verantwortung für dieses Europathema so wenig polemisch wie möglich zu verhalten, sondern sachlich. Denn der einzelne Mensch soll mit Europa die Freude haben, die Beethoven in der Neunten Symphonie, die er in meiner Heimatstadt in Baden komponierte, beschrieben hat – ohne mein Zutun, denn ich war damals noch nicht einmal eine Ahnung –: "Freude, schöner Götterfunken". Wäre es nicht schön, wenn diese Europahymne: "Freude, schöner Götterfunken", eine Freude beschriebe, die in Österreich jeden Mann und jede Frau zwischen Neusiedler See und Bodensee begleitet, damit wir freudig und nicht ängstlich der europäischen Entwicklung entgegengehen. – Daher: Alles Engagement für das integrierte Europa! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.30

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Irene Crepaz. – Ich erteile es ihr.

14.30

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich nicht sehr einfach, nach den erschöpfenden Ausführungen des Vizepräsidenten zum selben Thema das Wort zu ergreifen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Aber ja!)

Wenn wir heute über den Stand der Beratungen der europäischen Regierungskonferenz debattieren, dann sollten wir nicht vergessen, daß wir deshalb darüber debattieren, weil Österreich der EU beigetreten ist. Nur wegen des Beitritts zur Europäischen Union sitzt die Republik Österreich als gleichberechtigter Partner am europäischen Verhandlungstisch. Und nur wegen unseres Beitritts zur EU können wir die europäische Zukunft direkt mitbestimmen und mitgestalten. Das ist eine Chance, um die man uns auch in vielen Nachbarstaaten beneidet, sicherlich auch in der Schweiz, die heute schon des öfteren zitiert wurde, etwa von meinem Vorredner, Kollegen Schambeck.

Ich fliege von Brüssel immer über Zürich und lese in der Swissair oft auch die renommierte "Zürcher Zeitung". Einmal las ich darin einen Beitrag darüber, daß die Schweiz seit dem Beitritt Österreichs und dem Nichtbeitritt der Schweiz zum EWR bereits 50 000 Arbeitsplätze verloren und zur Schaffung von 200 000 Arbeitsplätzen in der EU beigetragen hat. Ich weiß, daß es in der Schweiz heute bereits mehr als 50 Prozent Zustimmung für den Beitritt gäbe. Viele Schweizer bereuen es bereits, daß sie nicht zumindest Mitglieder des EWR sind.

Ich glaube, wir müssen unsere Chancen nützen und auch unsere Standpunkte selbstbewußt in die Beratungen einbringen. Wir müssen aber auch ein offenes Ohr für die Anliegen unserer europäischen Partner haben. Denn nur so können wir vernünftige, tragfähige und auch zu


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite