Bundesrat Stenographisches Protokoll 616. Sitzung / Seite 100

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Aus dieser Perspektive der Betroffenen gilt der Hauptverband auch nicht gerade als leuchtendes Beispiel für ausgeprägtes Kostenbewußtsein, zumal er an den Ursachen für die Abgänge der meisten Kassen insoweit beteiligt ist, als diese ja schon bisher kaum einen Schritt ohne Zustimmung des Hauptverbandes setzen konnten.

Umgekehrt ist uns nicht verständlich, warum die Tiroler und die Vorarlberger Gebietskrankenkassen vom Hauptverband so massiv bedrängt werden, dem bekannten Orthopädievertrag beizutreten, obwohl ihn die beiden betroffenen Kassen für finanziell nachteilig und zu großzügig halten. Daher besteht die Sorge, daß mit zusätzlichen Eingriffsmöglichkeiten für den Hauptverband – ich formuliere das jetzt ein bißchen pointiert – der Bock zum Gärtner gemacht wird. Das stellt – unter Anführungszeichen – "einen brutalen Würgegriff" dar. Unter Anführungszeichen setze ich das deshalb, weil das nicht meine Formulierung ist, sondern jene des Vorarlberger Gewerkschaftsvorsitzenden, eines führenden Funktionärs der SPÖ. Aber ich gebe das nur deshalb wieder, damit Sie ein bißchen einschätzen können, wie sehr auch bei den Sozialpartnern diese neue Regelung Betroffenheit ausgelöst hat.

Dazu kommt, daß die heute schon bestehende Zentralisierung des Dienstleistungssystems der Sozialversicherung die einzelnen Sozialversicherungsträger mehr oder weniger zu bloßen Anlauf- und Vollzugsstellen des Hauptverbandes reduziert. Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen, wie sehr Sozial- und Gesundheitswesen in den Ländern, auf regionaler Ebene mit den Zielen und Grundsätzen der Sozialversicherung übereinstimmen müssen, daß es gilt, das wesentlich stärker als früher zu vernetzen und aufeinander abzustimmen. Das ist zwangsläufig ein bißchen schwierig, wenn man das nicht im eigenen Land regeln kann, sondern auf Zustimmung aus Wien warten muß.

Wir glauben daher, daß unter dem harmlos klingenden Titel "Controlling" angesichts der Beibehaltung der bestehenden Strukturen – das möchte ich dick unterstreichen – ein Schritt in die falsche Richtung gesetzt wird. Die Harmlosigkeit dieses sehr positiv zu sehenden Controllings wird nun damit begründet, daß es im Rahmen der bestehenden Zuständigkeiten des Hauptverbandes einer ganz bestimmten Zielsetzung untergeordnet ist – es ist sozusagen final bestimmt –, nämlich den Aufgaben nach § 31 Abs. 1 Z. 2. Insoweit habe es lediglich eine dienende Funktion zur besseren Wahrnehmung bereits bestehender Aufgaben, die allerdings sehr weit gestreckt sind und von der ständigen Beobachtung der Entwicklung über die Ausarbeitung von Vorschlägen bis zur Durchführung von Maßnahmen, also einem sehr operativen Teil zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung, reichen.

Das Hauptproblem liegt nun allerdings darin, daß dieses Controlling inhaltlich völlig unbestimmt ist und es somit dem Hauptverband überlassen bleibt, welche Mittel er unter Berufung auf ein genau umschriebenes Ziel einsetzt. Weder das ASVG selbst noch irgendeine andere Rechtsvorschrift in Österreich erläutern, was Controlling ist. Es handelt sich dabei ganz zweifelsfrei um keinen Rechtsbegriff. Aber auch ein Rückgriff auf die Betriebswirtschaftslehre, der das Controlling entstammt, hilft in Wahrheit nicht weiter.

Ich kann dafür einen für den Bund wohl unverdächtigen Zeugen anführen. Das erst kürzlich im Verlag der Staatsdruckerei unter der Patronanz des Bundes herausgegebene Buch "Controlling für Politik und öffentliche Verwaltung" hält dazu fest – ich darf wörtlich zitieren –: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt existiert noch keine allgemein akzeptierte Definition des Begriffes "Controlling". Daher nimmt die Begriffsbildung noch einen relativ großen Raum in den wissenschaftlichen Publikationen ein. Die meisten Controlling-Definitionen sind auf die Rahmenbedingungen von Unternehmen abgestimmt und können nicht uneingeschränkt übernommen werden. – Soweit das Zitat aus dem erwähnten Buch.

Die meisten dieser Definitionen stimmen aber jedenfalls darin überein, daß es sich bei Controlling nicht nur um ein Informationsbeschaffungsinstrument handelt – das steht ohne Frage im Vordergrund –, sondern auch um Führungsunterstützung zur Steuerung von Prozessen, unter anderem auch zur Steuerung des Finanzmittelbedarfs. Damit schließt sich nun der Kreis zur ausdrücklichen Befugnis des Hauptverbandes, Maßnahmen durchzuführen, und zur Schlußfolgerung, daß dieses Controlling ganz offensichtlich nicht bloß strategisch, was begrüßenswert


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