Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 28

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fähig sind –, eine solche Integration positive wirtschaftliche Auswirkungen auf Wachstum und damit indirekt natürlich auch auf die Beschäftigung hat.

Andere Länder sollte man sowieso nicht aufnehmen, weil dadurch der umgekehrte Effekt eintreten würde: daß sie mit ihrer Industrie und gewerblichen Produktion dem beinharten Wettbewerb, der dann von den europäischen Ländern käme, nicht standhalten könnten. Ich glaube, daß man das eher von dieser Seite sehen sollte.

Für Österreich hat die Erweiterung aber auch einen Wettbewerbsaspekt, der in der Öffentlichkeit bisher kaum diskutiert wurde, aber aus meiner Überzeugung wichtig ist, nämlich: Wer beitritt, muß die gemeinsamen Standards in der Umweltpolitik akzeptieren. Das bedeutet, es hört sich Umweltdumping in Mittel- und Osteuropa auf. Jeder, der beitreten will, hat zum Beispiel die gleichen Luftgütevorschriften, die Abwasservorschriften zu akzeptieren, und die sind zum Teil sehr brutal. Das ist auch einer der Gründe dafür, daß auch wir in manchen Bereichen nachziehen mußten, als wir der Europäischen Union beigetreten sind.

Ich glaube, daß dieser Aspekt, daß man dann gleiche soziale Mindeststandards laut Sozialcharta hat, daß man gleiche Umweltstandards hat, auch für unsere Beschäftigungslage besser ist, als wenn man diese Länder draußen vor der Tür läßt, wo sie dann Sozial- und Ökodumping – oder was weiß ich alles – machen können.

Ich möchte die Schwierigkeiten, die es bei Erweiterungsverhandlungen selbstverständlich immer geben wird und geben kann, nicht ignorieren, aber ich glaube, daß man auch die positiven Aspekte hier sehen sollte – aber nur jene Länder aufnimmt, die einigermaßen mit uns vergleichbare Standards und ein vergleichbares Niveau aufweisen können.

Präsident Josef Pfeifer: Eine zweite Zusatzfrage. – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter: Herr Bundesminister! Könnten Sie jene Länder, die Ihrer Meinung nach für einen Beitritt als erste in Frage kommen, nennen? Und halten Sie neben den Umweltstandards und anderen Standards auch die sozialen Standards für gleichwertig? – Sie haben sie in Ihrer Beantwortung der Frage nicht erwähnt.

Präsident Josef Pfeifer: Bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: O ja, ich habe schon gesagt, daß die Sozialcharta, die von 14 EU-Mitgliedstaaten festgelegt ist, so etwas enthält. Etwas wird es bei künftigen Erweiterungsverhandlungen sicher nicht geben, nämlich daß sich Quasibeitrittskandidaten Rosinen herauspicken. Sie müssen natürlich alles akzeptieren, auch die Sozialcharta, auch die Binnenmarktregeln, et cetera. Ich habe das aber sehr wohl erwähnt.

Ich möchte die Namen der Länder erst dann nennen – jeder von uns hat gewisse Vorstellungen, das ist klar; sie sind auch öffentlich bekannt –, wenn die Kommission ihren Bericht, den sogenannten Avis, zu den Beitrittsanträgen vorgelegt hat.

Die Kommission hat ja voriges Jahr 2 000 Seiten an ganz konkreten Erhebungen an alle zwölf assoziierten Mitgliedstaaten ausgesandt, um die Erweiterung gut und professionell vorzubereiten. Ich glaube, es hängt sehr von der Beantwortung dieser Frage ab, wer in der ersten Runde der Verhandlungen dabeisein wird, ob man mit einer Gruppe von Ländern zu verhandeln beginnt oder mit allen – Startlinien-Modell –, wobei sich dann sehr schnell die schnelleren und besseren herauskristallisieren.

Aber ich bitte um Verständnis dafür: Klugerweise sollte man zuerst das Urteil der Kommission, die Bewertung der Experten abwarten, und erst dann sagen, wer dabeisein kann.

Präsident Josef Pfeifer: Danke.


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