Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 93

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Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Lassen Sie ich noch einmal Chicago erwähnen. Wäre Wien Chicago, dann hätten wir einen nationalen "Denktank". Das Wort gefällt mir nicht allzu gut, aber mir ist nichts Besseres eingefallen. Er würde wirtschaftspolitische Entscheidungen vorbereiten und könnte völlig unabhängig von der Tagespolitik agieren. In dieser Einrichtung könnte dann in aller Ruhe und ohne medialen Zeitdruck über Werkverträge nachgedacht werden oder an einem Steuersystem für die Jahre nach dem Jahr 2000 gearbeitet werden. Politische Entscheidungen können in solchen Einrichtungen vorbereitet und auf ihre Verträglichkeit für den Wohlstand in unserem Staat geprüft werden.

Leider, so muß ich sagen, haben die Sozialpartner in der jüngsten Vergangenheit bewiesen, daß sie auch dafür eine ungeeignete Einrichtung sind. Jede Gruppe der Sozialpartner kämpft nur für den sehr engen Bereich ihrer Klientel. Dabei verlieren sie den Überblick über die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge, denn sonst wäre es nicht möglich gewesen, daß verschiedene Gesetze, vor allem die Werkvertragsregelung, von den Sozialpartnern Zustimmung bekommen haben. (Bundesrat Dr. Bösch: Bravo!) Die unmittelbaren Auswirkungen von mehr Wirtschaftsfreiheit sind relativ gering, aber über eine längere Periode betrachtet erzielen liberale Länder ein wesentlich höheres Wohlstandsniveau.

Für mich ist deshalb ganz klar: Je freier sich die Wirtschaft entfalten kann, desto mehr Schubkraft kann sie entwickeln. Dies bedeutet aber wiederum mehr Arbeitsplätze und höheres Einkommen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte an Sie appellieren, hier und heute ein Zeichen für mehr Wirtschaftlichkeit in Österreich zu setzen und diesem Gesetz betreffend Werkverträge die Zustimmung zu verweigern – als Signal. Wenn schon der Nationalrat nicht bereit ist, mit den Deregulierungen in unserem Lande zu beginnen, dann sollten wenigstens wir im Bundesrat ein Zeichen setzen, ein Zeichen dafür, daß in der Zukunft nicht mehr neue Gesetze, neue Reglementierungen, neue Ketten für die Wirtschaft beschlossen werden, sondern endlich mit der Abschaffung von überholten, nicht mehr benötigten Gesetzen begonnen wird.

Die Verfassung hat uns, wie ich glaube, in sehr kluger Weise eine besondere Stellung hier im Parlament gegeben. Wir sind etwas außerhalb der unmittelbaren Gesetzesmaschinerie, damit haben wir die Möglichkeit, etwas über den Dingen zu stehen. Wir sind auch keine reinen Ländervertreter, wenngleich wir diese Interessen besonders im Auge behalten müssen. Wir haben das freie Mandat und damit eine ungeheure Verantwortung, jeder von uns persönlich für sich. Nützen wir diese Verantwortung, nützen wir die Möglichkeiten des Bundesrates, und beginnen wir damit, die Fesseln für die freie Wirtschaftsentwicklung zu sprengen! Bitte stimmen Sie gegen dieses Gesetz – als Zeichen dafür, daß wir in Zukunft neue Wege gehen wollen! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Bösch: Sie können hier Platz nehmen, Herr Kollege!)

15.39

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Franz Hums. Ich erteile dem Herrn Bundesminister das Wort.

15.39

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! In der Frage des besseren sozialen Schutzes in diesem Bereich der freien Dienstverträge, der dienstnehmerähnlichen Verträge hat es sich wahrlich niemand leicht gemacht. Ich habe bereits beim letzten Mal im Bundesrat erklärt, daß in dieser Sache sicher noch nicht die große Reform, die notwendig ist, die von mir angestrebt wird, erreicht worden ist. Das habe ich, lange bevor die Neuregelung im Nationalrat beschlossen wurde, auch hier erklärt.

Aber darauf zu warten, wäre nicht möglich gewesen, weil gerade in den letzten Jahren die gesetzlichen Umgehungsmöglichkeiten der Sozialversicherung immer mehr und mehr in Anspruch genommen und genützt wurden. Daher war es dringend notwendig, daß wir zur sozialen Sicherheit für den einzelnen und durch Beitragsgerechtigkeit zur Finanzierung der gesamten Gesund


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