Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 113

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Einstimmigkeit, die zwangsweise im Ministerrat vorgeherrscht hat, war auch dieses Vorhaben im Jahr 1974 zum Scheitern verurteilt.

Die Wende zur heutigen Lösung wurde unserer Auffassung nach durch zwei Entwicklungen möglich: erstens durch die Vielzahl der vielen freiwilligen Gründungen von Europäischen Betriebsräten seit dem Jahr 1985 in ganz Europa und zweitens durch das soziale Protokoll des Vertrages von Maastricht.

Nach unseren Erhebungen werden in zirka 1 200 Unternehmen in Europa und in 30 europäischen Ländern diese Richtlinien greifen. Ein Europabetriebsrat ist einzurichten, wenn eine Firma europaweit mindestens 1 000 Arbeitnehmer beschäftigt und jeweils mindestens 150 Arbeitnehmer in mindestens zwei EU-Staaten beim gleichen Unternehmen beschäftigt sind. Die zentralen Unternehmensleitungen sind aufgefordert, die notwendigen Voraussetzungen für die Errichtung eines Europäischen Betriebsrates zu schaffen. Ist die Zentrale einer Unternehmensleitung nicht in einem EU-Land ansässig, ist das größte Tochterunternehmen in der EU für die Bereitstellung der Voraussetzungen zur Errichtung eines Europäischen Betriebsrates verpflichtet beziehungsweise verantwortlich.

Wie sieht das nun in Österreich aus? – In Österreich haben wir 30 Muttergesellschaften, die die Verpflichtung haben, einen Europäischen Betriebsrat zu errichten. Zählt man die Unternehmen mit den Unternehmenszentralen im Ausland dazu, haben wir die Möglichkeit, in rund 150 Betrieben Europäische Betriebsräte einzurichten.

Die Konzerne und die Unternehmen müssen natürlich auch für die Kosten dieser Europäischen Betriebsräte, die verhältnismäßig gering sind, aufkommen. Ich darf aber die Arbeitgeberseite beruhigen. Das ist sicherlich keine Einbahn, denn sie bekommen auch etwas dafür. Für den eher sehr bescheidenen Preis, meine Damen und Herren, bekommt das Unternehmensmanagement den Rat der besten Berater, die man sich vorstellen kann, nämlich die Informationen und Erfahrungen der Arbeitnehmer des eigenen Unternehmens und der eigenen Konzerne.

Europäische Betriebsräte sind nach unserer bisherigen Erfahrung und der Erfahrung jener Unternehmer, die sie bereits errichtet haben, weit davon entfernt, ein Wettbewerbshindernis zu sein. Meine Damen und Herren! Sie sind vielmehr eine Option auf ein neues Modell von Innovationen und Flexibilität, das auf einem sozialen Dialog basiert und auf lange Sicht – davon bin ich überzeugt – die besseren Resultate für Produktion und Arbeitszufriedenheit erbringen beziehungsweise produzieren wird.

Wir haben als Interessenvertreter auch keinen Grund, zu verschweigen, daß dieser Europäische Betriebsrat für uns der erste große Schritt nach vorne ist, um zu einer weiteren Demokratisierung der europäischen Wirtschaft zu kommen. Wir glauben, daß es vier Bereiche gibt, in denen sich das besonders bemerkbar machen wird: bei den Betriebsverlagerungen – ein sehr heikles Thema –, in der weltweiten globalen wirtschaftlichen Auseinandersetzung, auch bei der Informationspolitik und bei den künftigen intensiveren Kontakten zwischen Arbeitnehmern untereinander und mit den Unternehmensleitungen andererseits. Aber auch der soziale Dialog insgesamt in Europa wird nach unserer und nach meiner persönlichen Erfahrung davon profitieren.

Der Europäische Betriebsrat ist für uns sicherlich kein Stein der Weisen, um etwa Betriebsverlagerungen zu verhindern. Aber sie könnten und werden sehr wohl Betriebs- und Produktionsverlagerungen gemeinsam beraten und sicherstellen, daß Arbeitnehmer nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden und somit auch keine Zwietracht und kein Mißtrauen zwischen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Unternehmen entsteht.

Meine Damen und Herren! Information und Verantwortung sind die Grundlage jeder demokratischen Gesellschaft. Das gilt auch für die Betriebe, am Arbeitsplatz, in den Konzernen. Um die demokratischen Wünsche der Arbeitnehmerbelegschaftsvertreter zu verwirklichen, sind zumindest zwei Voraussetzungen unerläßlich. Die Europäischen Betriebsräte müssen in eine europäische Gewerkschaftsstrategie eingebettet sein – das ist eine Hausaufgabe für uns. Sie sind in die Branchengewerkschaften, aber auch in den Europäischen Gewerkschaftsbund


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