Bundesrat Stenographisches Protokoll 618. Sitzung / Seite 96

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Herbst 1992 auch eine neue Partei in Südtirol, eine neue Partei mit dem Namen "Die Freiheitlichen".

In der politischen Diskussion wurde seit 1991 auch von der Führung der Südtiroler Volkspartei die Forderung nach einer Europaregion Tirol erhoben. Bis heute wurde dieser Begriff noch nicht mit Inhalt gefüllt. Es werden daher ganz unterschiedliche Vorstellungen damit verknüpft. Die SVP vermeidet es geflissentlich, eine politische Einheit zu fördern, und beschränkt sich – allen voran der seit 1989 amtierende Südtiroler Landeshauptmann Durnwalder – auf die Förderung einer verstärkten wirtschaftlichen, kulturellen und verkehrspolitischen Zusammenarbeit der Tiroler Landesteile.

Darin zeigt sich deutlich das politische Vakuum, in das die SVP nach dem Paketabschluß gestürzt ist. Ihr fehlt die Kraft und die Fähigkeit, ein neues politisches Ziel im Interesse Tirols und des Tiroler Volkes zu formulieren. Es wurde nach dem Abtritt von Magnago und Riz zwar ein biologischer, jedoch kein politischer Generationswechsel in der SVP vollzogen. Die jüngeren Politiker haben Angst vor der eigenen Courage, schließlich sind sie in der Ära Magnago politisch geformt worden. Ihnen wurde das Credo Magnagos von der Unmöglichkeit, das Selbstbestimmungsrecht durchzusetzen, eingeimpft. Allerdings hat Magnago seinem Nachwuchs keine Ratschläge für eine Zeit nach dem Paketabschluß auf den Weg mitgegeben. Daraus resultiert die Unfähigkeit, zu neuen Ufern aufzubrechen.

Bei den Südtiroler Landtagswahlen vom November 1993 fand in der italienischen Sprachgruppe eine weitere Verschiebung nach rechts statt. Von den zehn italienischen Landtagsabgeordneten gehören sechs dem rechten Spektrum an. Damit könnte dieser Block gemäß Autonomiestatut zum Schutz der Italiener eine Reihe von wichtigen Entscheidungen blockieren und dadurch den Landtag lahmlegen. Zudem war die SVP durch das Wahlergebnis gezwungen, die Reformkommunisten und die Grün-Alternativen in die Mehrheit und in die Regierung miteinzubinden.

Ein neuer Aspekt jedoch könnte die Südtirol-Frage wieder neu beleben und aufwerfen, nämlich der EU-Beitritt Österreichs. Zunächst ist Südtirol unter die Räder gekommen. Die von Südtiroler Seite geforderte und in Österreich allein von uns Freiheitlichen vertretene Verankerung der Südtiroler Autonomie im Beitrittsvertrag wurde von der österreichischen Koalitionsregierung fallengelassen. Für die im Eiltempo geführten Verhandlungen hätte diese Südtirol betreffende Forderung nur zu einer – vielleicht so empfundenen – lästigen Verzögerung geführt.

Dennoch kann der EU-Beitritt Österreichs ein Impuls für das geteilte Land Tirol werden. Die EU-Volksabstimmung hat in Nordtirol eine intensive Diskussion ausgelöst – bei Befürwortern wie Gegnern. Dabei geht es in erster Linie um die Frage, welche Rolle das Bundesland Tirol innerhalb der EU spielen wird, ob die spezifischen Landesinteressen weiter Berücksichtigung finden, welche wirtschaftlichen Veränderungen bevorstehen, ob der Landescharakter erhalten bleiben wird und vieles mehr.

Da Südtirol auch der EU angehört und sich verstärkt gleiche oder ähnliche Fragestellungen ergeben, gibt es in beiden Landesteilen nur noch Betroffene und Beteiligte. Bisher waren die Südtiroler Betroffene und die Nordtiroler mangels Interesse vielfach Unbeteiligte, was sich negativ auf die Umsetzung der Landeseinheit auswirkte. Jetzt stehen Nord- und Südtiroler vor gleichen Fragestellungen und müssen irgendwo auch ihre Antworten suchen. Damit wurde 1995 aus der Südtirol-Frage endlich eine Tirolfrage.

Viele aber erkennen die Entwicklung noch nicht und versuchen wie bereits in den letzten Jahren, jede grenzüberschreitende Diskussion, die sich nicht nur auf eine wirtschaftlich-kulturelle Ebene beschränkt, zu minimieren. Daher wird der EU-Beitritt Österreichs von den Status-quo-Politikern diesseits wie jenseits des Brenners in oft bewußt falscher Einschätzung gerne mit einer völligen Abschaffung der Brennergrenze verwechselt. Im gleichen Atemzug erklären die Vertreter dieses Standpunktes, daß damit die Anrufung des Selbstbestimmungsrechtes ohnehin überflüssig würde.

Einer solchen Behauptung muß natürlich mit Entschiedenheit widersprochen werden, da sie keineswegs den Tatsachen entspricht. Trotz der Überwindung mancher Barrieren bleiben die Ver


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