Bundesrat Stenographisches Protokoll 619. Sitzung / Seite 35

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Die Proponenten der beiden entgegengesetzten Standpunkte, die Klubobmänner Kostelka und Khol, haben im Zuge dieser Diskussion irgendwann die Sache aus den Augen verloren und parteitaktisches Kalkül über die Anliegen der Betroffenen gestellt. Wenn man sich vor Augen hält, daß SPÖ und ÖVP einen gemeinsamen Antrag auf Herabsetzung des Schutzalters auf 16 Jahre nur deswegen nicht eingebracht haben, weil sie damit dem Kompromißvorschlag der Freiheitlichen zugestimmt hätten, dann muß man das als eine Niederlage der Vernunft ansehen, für die es überhaupt keine akzeptable Erklärung gibt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ihnen, Herr Kollege Rauchenberger, möchte ich sagen: Wenn Sie eine Totalliberalisierung in dieser Sache wollen, dann müssen Sie, wenn Sie damit keine Mehrheit erreichen, wenigstens für eine Teilliberalisierung eintreten. Denn es gibt überhaupt keinen vernünftigen Grund, gegen eine solche zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Demokratie, meine Damen und Herren, ist ein Prozeß der Auseinandersetzung von Gegensätzen und Meinungen, aus denen sich der staatliche Wille als Resultat ergibt. Demokratie ist Diskussion und nicht Ächtung der Diskussion und der politischen Gegner. Wäre es den Ampelparteien beim Schutzalter um die Sache gegangen, hätten sie sich auf einen Kompromiß eingelassen, statt mit hoch erhobener Nase glorreich zu scheitern, schreibt Andreas Koller in den "Salzburger Nachrichten". – Den Betroffenen, so darf ich sagen, meine Damen und Herren, haben Sie damit jedenfalls nicht geholfen. Das sage ich besonders an die Adresse jener, denen es angeblich um die Liberalisierung geht, die aber aus purem Parteikalkül lieber den Status quo zementieren, als einer Teilliberalisierung, die auch von den Betroffenen akzeptiert werden würde, zuzustimmen.

Wir bieten Ihnen daher nochmals einen für alle Seiten tragfähigen und vernünftigen Kompromiß an und stellen folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, dem Parlament ehestmöglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine Absenkung der Altersgrenze in § 209 StGB von 18 auf 16 Jahre beinhaltet.

*****

Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Lassen Sie Emotionen und Parteitaktik bei dieser Frage beiseite. Orientieren Sie sich an der Vernunft und Ihrem Gewissen, und tragen Sie diesen Kompromiß mit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.40

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Bevor ich die nächste Wortmeldung erteile, gebe ich bekannt: Der von Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Absenkung der Altersgrenze im § 209 StGB ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Ich bitte nun Herrn Bundesminister Dr. Michalek, das Wort zu ergreifen.

10.41

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ihnen heute zur Beschlußfassung vorliegende Strafrechtsänderungsgesetz 1996, dessen Vorlauf einige Jahre in Anspruch genommen hat und das in dieser Legislaturperiode – in den Abläufen entsprechend – etwas geänderter Form zum dritten Mal in den Nationalrat eingebracht wurde, stellt neben dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987 die umfangreichste Änderung des aus den siebziger Jahren stammenden neuen Strafrechts dar.


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