Bundesrat Stenographisches Protokoll 619. Sitzung / Seite 116

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Die Heftigkeit der geführten Diskussion übertrifft jene vor der 15. Schulorganisationsgesetz-Novelle. Von den sechs vorhin genannten Möglichkeiten, die individuell angeboten und angenommen werden sollen, wird nur von der Problematik der Integration im AHS-Bereich geredet und geschrieben.

Frau Präsidentin! Hohes Haus! Warum sich die gesellschaftliche Diskussion um die Integration ausschließlich auf die Schule konzentriert, mag vielleicht darin liegen, daß die Schule eine öffentliche Institution ist. Sie hat klare Strukturen und ist damit viel greifbarer. Alle anderen gesellschaftlichen Formen können zwar andiskutiert werden, sind aber nicht so in den Griff zu bekommen.

Besonders die Lehrer müssen sich dieser Diskussion stellen, schließlich ist mit dem Prinzip der Integration auch immer die Frage nach der bestmöglichen Förderung verbunden. Man muß ihre Sorgen und ihre Vorbehalte verstehen. Lehrer sind, sofern sie nicht ein sonder- und heilpädagogisches Studium absolviert haben, aufgrund ihrer Ausbildung nur ungenügend auf kranke und behinderte Kinder eingestellt. Sie sind es vielfach gewohnt, ihren Unterricht an eine möglichst homogene Gruppe zu richten. Tatsächlich aber – ich glaube, das ist auch einer der zentralen Punkte – erfordert die Integration geistig behinderter Kinder in Normalklassen, daß schulische Tradition und bewährte Verhaltensmuster abgeändert oder gar aufgegeben werden müssen.

Es werden Lernformen angestrebt, die in der pädagogischen Literatur bisher schon bekannt sind, die jedoch wesentlich konkreter umgesetzt werden müssen, wie etwa zielerreichendes Lernen, bei dem den Schülern individuelle Lernzeit gewährt wird, oder adaptiver Unterricht, bei dem die Lernangebote an die Schülervoraussetzungen angepaßt werden, oder selbstgesteuertes Lernen, bei dem der Schüler eigene Lernkompetenzen erwirbt, oder förderliche Lernumwelten, in denen Materialien und Handlungsmöglichkeiten bereitgestellt werden müssen.

Gerade die in den letzten Jahren pädagogisch forcierten Lernformen – es wurde schon genannt – wie Projektunterricht, offenes Lernen oder Team-teaching belegen, daß die Charakteristika eines integrativen Unterrichtes in weiten Teilen den Vorstellungen von kindgemäßem Unterricht entsprechen.

Erlauben Sie mir nun bitte ein offenes Wort zu den Sonderschulen. In der bisherigen Entwicklung kommt den Sonderschulen unzweifelhaft das Verdienst zu, ein spezifisches methodisch-didaktisches Repertoire für den Unterricht verschieden behinderter Kinder entwickelt zu haben. Die Verunsicherung unter den Sonderschullehrern nimmt zu. Sie fragen sich, was sie falsch gemacht haben, stand doch Erziehung und Unterricht von Anfang an unter dem Leitbild der sozialen Eingliederung.

Die vorgesehene Reform wird den Eltern nun eine weitere Wahlmöglichkeit zwischen einem integrativen Schulbesuch in der Hauptschule oder AHS und einem Sonderschulbesuch einräumen. Eine Bildungs- und Schullaufbahnberatung wird die vorhandenen Fördermöglichkeiten und Alternativen für behinderte Kinder offen aufzeigen. Für die Sonderschule ist es nun notwendig, die eigene Erziehungsarbeit offensiv zu präsentieren und die Eltern von ihrem Bildungskonzept zu überzeugen. Voraussetzung dafür ist aber, daß auch materielle und personelle Möglichkeiten geschaffen werden und die Kosten der integrativen Betreuungsmaßnahmen nicht zu Lasten der Sonderschulen und der Sonderschullehrer gehen.

Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Leider geht eine Reihe von Neuerungen, die im Entwurf zu einer Novelle des Schulunterrichtsgesetzes festgelegt ist, in der öffentlichen Diskussion unter. Herr Kollege Platzer hat sie bereits genannt, ich brauche sie nicht zu wiederholen.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist mir – zusammenfassend – ein Bedürfnis, allen zu danken, die es möglich gemacht haben, daß dieses umfassende Schulreformpaket heute zur Beschlußfassung vorliegt – allen voran, verehrte Frau Bundesministerin, natürlich Ihnen. Trotz heftigstem Gegenwind haben Sie Ihre Vorstellungen mit Augenmaß, Rückgrat und Stand


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