Bundesrat Stenographisches Protokoll 619. Sitzung / Seite 118

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Ich möchte zuerst betonen, daß wir zu unterscheiden haben zwischen der Integration körperlich Behinderter, was in den meisten Fällen das viel kleinere Problem ist, und der Integration geistig Behinderter. Ich möchte auch voranstellen, daß ich für diese Integration im Schulwesen eintrete.

Was ist eigentlich die Integration? – Ich meine, es ist das Zusammenführen und das Zusammenarbeiten auf möglichst natürliche Weise, das zu einem Miteinander führt, zu einem Ganzen, unter Anerkennung bestehender Unterschiede und individueller Eigenheiten, damit aber ein gegenseitiges Verständnis in den einzelnen Teilen unserer Gesellschaft wächst und in unserer Gemeinschaft, die letztlich auch dadurch eine Bereicherung erfahren soll.

Frau Bundesrätin Moser! Meine Definition geht weiter. Das heißt aber nicht, daß es nicht beinhaltet, daß diese Integration auch im Freizeitbereich, also dort, wo der Mensch wohnt, in diesem Umfeld, natürlich auch am Spielplatz und wo immer, stattfinden sollte. Darin besteht überhaupt kein Gegensatz. Ich glaube nur, daß man es weiter definieren soll. In einem Nebensatz möchte ich sagen, diese Definition gilt für mich auch für die Europäische Integration – Gemeinsamkeit mit Vielfalt, die weiterhin bestehen soll und in all ihren Sparten gefördert werden soll.

Wir haben die Debatte über die Integration bereits vor vier Jahren hier geführt, als es darum ging, sie in der Volksschule, also in den ersten vier Schuljahren, einzuführen, und manche Argumente sind heute die gleichen wie damals. Natürlich hat jede Stufe von Integration ihre eigenen Probleme und anders gelagerte Schwierigkeiten, sonst hätten wir wahrscheinlich damals schon für alle acht Stufen die Integration beschließen können. Ich glaube aber, daß es gut war, das in Etappen zu machen, weil man heute schon auf die positiven Erfahrungen aus der Volksschule verweisen kann und in der Sekundarstufe I daran anknüpfen kann.

Das Schicksal Behinderter kann wahrscheinlich nur der Behinderte selbst fühlen und spüren, und die Probleme einer Familie mit einem behinderten Kind können auch nur die Betroffenen fühlen und bestätigen. Wir reden, auch wenn wir damit zu tun haben, nur von außen.

Ich meine aber, daß unsere Gesellschaft gegenüber früher – ich denke an meine Jugend -Fortschritte gemacht hat. Behinderte werden nicht mehr ausgestoßen, sie werden nicht mehr als minderwertig und nur zur Last fallend, abfällig und als lästige Unannehmlichkeit betrachtet. In manchen unserer Volksmundausdrücke gab es eigene Worte für diese armen, bemitleidenswerten Menschen.

Wir haben einen großen Schritt weiter getan. Ich glaube, daß auch heute niemand gegen die Integration ist oder sein kann, aber es gibt natürlich viele Wenn und Aber, und ich möchte solche aus der Praxis hier anführen.

Das betrifft nun natürlich auch diese Schulgesetze, dem einen gehen sie zu weit, dem anderen zuwenig weit. In diesem Spannungsfeld steht die Diskussion und auch die gesetzliche Regelung. Man sollte aber deshalb nicht pessimistisch sein, denn wir sollten nur an die Entwicklung des Schulwesens überhaupt zurückdenken.

Unter Maria Theresia wurde 1774 das allgemeine Schulordnungsgesetz beschlossen. Es gab damals das Trivium Lesen, Schreiben, Rechnen in einem beschränkten Rahmen. Als das eingeführt wurde, gab es zuwenig Lehrer – ganz klar. Natürlich konnte Maria Theresia nicht warten, bis es aus zu gründenden Akademien ausgebildete Lehrer gab, und wir wissen, daß damals Kriegsheimkehrer, auch Invalide, diesen Schuldienst so recht und schlecht, wahrscheinlich mit 60 oder 80 Schülern in einer Klasse betrieben haben und sich das Schulwesen verbessert hat.

Gott sei Dank sind wir viel weiter, insofern hinkt der Vergleich. Aber ich glaube, wir können nicht warten, bis wir soviel ausgebildete Lehrer, wie wir sie brauchen, haben, sondern wir müssen eben Lehrer weiter ausbilden und jene Lehrer, die keine Spezialausbildung gemacht haben, durch Seminare und Kurse so weit schulen, daß sie mitwirken können. Aber das braucht seine Zeit. Ich glaube doch, daß die Schulverwaltung daran geht, auch die Landesschulräte und Bezirksschulräte, solche Ausbildungen durchzuführen.


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