Bundesrat Stenographisches Protokoll 619. Sitzung / Seite 119

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Ein Lehrer eines Behinderten muß viel wissen, muß viel können und muß Erfahrung aus der Praxis haben. Er oder sie braucht eine ungeheure Geduld, darin stimmen wir wahrscheinlich alle überein. Was bei normalen Schülern ganz von selbst geht, ist bei Behinderten ein großer Erfolg, wie etwa den Zahlenraum bis 10 in einem Alter zu beherrschen, in dem andere schon viel weiter sind.

Ich bin überzeugt, daß die verbesserte Integration möglich ist, daß die Lehrer – es gibt ohne Zweifel Für und Wider – in ihrer Gesamtheit diese mit vielen Bemühungen erreichen werden. Ich glaube auch, daß nicht immer der Standpunkt der Lehrergewerkschaft der Standpunkt aller Lehrer ist, obwohl ich auch Gewerkschaftsmitglied mit. Ich fordere aber dennoch die Staatsbürger, die Öffentlichkeit, den Gesetzgeber und die Schulverwaltung auf, die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen – ich meine das nicht nur aus gewerkschaftlicher Sicht –, denn sonst ist das Ja zur Integration ein Lippenbekenntnis, das die Umsetzung nicht zur Gänze ermöglicht. Ich befürchte, daß diese 360 Millionen Schilling, die jetzt angegeben wurden, zu wenig sein werden. Man sollte das heute schon sagen, denn wir werden in den nächsten Jahren ohnehin draufkommen.

Ich schließe mich natürlich Frau Lukasser an, die aufgezählt hat, welche Integrationsformen es für behinderte Kinder gibt. Das sind nicht nur Integrationsklassen und ASO-Klassen, sondern natürlich auch Mischformen. Ich glaube aber, daß es einen Unterschied zwischen Stadt und Land gibt. In Wien wird es möglich sein, diese fünf Schüler, die man für eine Gruppe braucht, zu bekommen. Dabei spreche ich noch nicht vom Behinderungsgrad, das ist dabei aber auch ganz wichtig. Fünf Leichtbehinderte, leicht Mongoloide werden leichter zu integrieren sein als viel schwerer behinderte Kinder.

Was tun wir dann – das haben wir auch schon bei der Volksschulintegration gehabt –, wenn nur drei Kinder zusammenkommen? – Meine Damen und Herren! Die meisten Eltern, die ich kenne, streben diese Integration an und verstehen nicht, wenn man ihnen sagt, daß es diese fünf für eine Gruppe noch nicht gibt. Ich weiß, daß das nur eine Durchschnittszahl ist. Man könnte auch drei in einer Integrationsklasse führen, wenn es woanders sechs oder sieben gibt, aber in der Praxis ist das natürlich immer schwierig.

Ich habe schon vorhin im Zuge meines Beispiels von Maria Theresia angeschnitten, daß die Lehrer nicht gleich vorhanden sein werden, die wir brauchen. Der Transfer von der allgemeinen Sonderschule – von dort sollen Lehrer in die Sekundarstufe überwechseln – wird nicht so stattfinden, wie wir das gedacht haben, weil diese Sonderklassen auch noch bestehen werden. Wenn wir nicht fünf Kinder in einer Gruppe haben, sondern nur drei, dann können wir eine sehr hohe Klassenschülerzahl erreichen, auch wenn die Behinderten für zwei zählen. 22 Schüler und vier Behinderte wären also die Teilungszahl 30. Wenn das nur Schwerstbehinderte sind, haben wir Probleme, weil wir keinen Begleitlehrer haben, oder der Stützlehrer steht nur für einen Schüler für vier Stunden pro Woche zur Verfügung. Was ist dann mit den anderen?

Im Unterschied dazu haben wir in der Volksschule das Klassenlehrersystem, wonach der Lehrer, die Lehrerin mehr Zeit in dieser Klasse verbringt, wenn keine Leiterreststunden sind. Das Fachlehrersystem ist natürlich sowohl in der Hauptschule als auch in der AHS wiederum anders gestaltet, und es werden die verschiedensten Persönlichkeiten in eine Klasse kommen. Das müssen wir auch berücksichtigen.

In einem Punkt schließe ich mich schon den Forderungen der Gewerkschaft an, nämlich daß die Integration ohne geeignete Rahmenbedingungen nicht tauglich und zielführend ist und die ideellen Ziele, für die wir alle sind, abwertet. Trotzdem haben die Integrationsbemühungen an den Volksschulen entgegen der vorgebrachten Gegenargumente bedeutende positive Auswirkungen mit sich gebracht. Fragen Sie nach, trotz aller Probleme gibt es sehr viel Positives.

Wir sollten uns nicht entmutigen lassen, diese Bemühungen auch bei allen Schulpflichtigen fortzusetzen. Vielleicht aber erfahren wir dann auch, daß auch der vollständigen Integration Grenzen gesetzt sind und ganze Integration leider nicht in allen Fällen möglich sein wird. Das muß natürlich von jemandem beurteilt werden, aber nicht vom Direktor alleine. Es gibt für die


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