Bundesrat Stenographisches Protokoll 619. Sitzung / Seite 124

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erkenne ich, daß sich Probleme zum Beispiel in Kleinstädten ergeben werden. Ich bin Leiter einer Hauptschule in einer Stadt mit etwas über 2 000 Einwohnern. Dort gibt es eine Hauptschule und eine AHS an einem Schulstandort. In der Hauptschule kämpfen wir eigentlich um Schüler, und ich befürchte, daß die Integration, zu der ich mich bekenne, nicht in der benachbarten AHS stattfinden wird, sondern nur bei mir in der Hauptschule. Das dürfte nicht passieren!

Frau Kollegin Moser! Ich habe anfangs auf Ihre Rede Bezug genommen. Sie haben vor der Gefahr der gemeinsamen Schule gewarnt, haben gesagt, daß durch die Integration der Gesamtschule jetzt ein Hintertürl geöffnet wird. Ich sage dazu: Durch die Zweiteilung der Schulen für die 10- bis 14jährigen in Hauptschule mit drei Leistungsgruppen und AHS – bei denen es meiner Meinung nach auch schon Leistungsgruppen geben sollte – und die Integration sind wir jetzt weit weg von dieser gemeinsamen Schule, die ein Großteil der österreichischen Bevölkerung über Parteigrenzen hinaus wünscht.

Aber wie gesagt: Ich sage ja zur Integration, trotz dieser kritischen Anmerkung, die ich gebracht habe. Ich sage – auch namens meiner Fraktion – ja zu all diesen reformatorischen Schulgesetzen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Rieser. – Bitte.

17.21

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es haben jetzt viele Lehrer zu diesem Thema gesprochen. Ich möchte nun auch aus der Sicht der Gemeinde zu dieser Schulunterrichtsgesetz-Novelle Stellung beziehen, nachdem ich 15 Jahre lang Bürgermeister einer Landgemeinde gewesen bin und ständig auch mit dieser Problematik zu tun hatte.

Unsere Frau Bundesministerin hat vor kurzem folgende Aussage gemacht: Leistung fördern, Versagen vermeiden. – Bildung eröffnet dem Menschen Chancen für ein Leben in Freiheit, Selbstentfaltung und Verantwortung in der Gemeinschaft. Bildung eröffnet Berufswege, Aufstiegschancen und einen sozialen Ausgleich. Bildung ermöglicht Orientierung, Urteilskraft und Verantwortungsbewußtsein.

Dieses Schulpaket enthält viele Schritte in Richtung Dezentralisierung, Regionalisierung und Entscheidungsfindung vor Ort. Das ist ein Weg, dessen Beschreitung für viele, und besonders für die Gemeinden, immer ein großes Anliegen war. Die Verlagerung der Kompetenzen vom Unterrichtsministerium zum Landesschulrat und vom Landesschulrat in die Bezirke und direkt in die Schulen vor Ort wird auch draußen im Land sehr positiv bewertet, ebenso die Sicherstellung des Mitspracherechtes der Eltern und Schüler.

Der Stellenwert einer sogenannten "Dorfschule" darf gesellschaftspolitisch nicht unterbewertet werden. Als langjähriger Bürgermeister und Mitglied des Bezirksschulrates habe ich mich sehr oft mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Die Abwanderung in ländlich strukturierten Gebieten hat sehr oft eine Schließung der Schule mit sich gebracht. Eine Schule wird oft sehr schnell geschlossen. Das Öffnen einer Schule ist jedoch viel schwieriger.

Ein Beispiel: In meiner Heimatgemeinde besuchten noch im Jahre 1968 61 Kinder eine zweiklassige Schule. Heuer, 1996, ist die Schule nicht lediglich nur mehr einklassig, sondern wir können nur mit viel Mühe den Unterricht für fünf Kinder aufrechterhalten. Ein Dorf ohne Lehrer ist jedoch bald auch ein Dorf ohne Pfarrer, und – ich erlaube mir, das zu sagen – dann stirbt ein Dorf.

Der Lehrer und die Lehrerin sind sehr oft auch jene Persönlichkeiten, die zu den Vorbildern im Ort gehören, und ein guter Pädagoge sieht seine Lehrtätigkeit nicht als Job, sondern als Berufung. Man konnte in der letzten Zeit sehr oft lesen, daß die Kinder in unseren einklassigen Schulen in den Alpenregionen schlechter ausgebildet werden. – Das stimmt nicht! Ich bin der Auffassung, daß vielmehr das Gegenteil der Fall ist: Denn der Lehrer kann sich aufgrund der


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