Bundesrat Stenographisches Protokoll 620. Sitzung / Seite 76

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Einen Haupteinwand kann ich allerdings nicht übergehen. Er zielt auf das völlig kriterienlose richterliche Mäßigungsrecht bei der Haftung eines Bürgen oder Garanten ab. In der Begutachtung hat ein Kritiker diesbezüglich davon gesprochen, daß man das wohl nur mehr als undifferenziertes Mitleid mit dem Schuldner erklären kann. Zu einem so weitreichenden Eingriff bestand meines Erachtens kein gerechtfertigter Grund.

Warum nicht? – Ich verweise diesbezüglich auf ein grundlegendes Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes, der erfreulich klar ausgesprochen hat, daß Bürgschaften, die von einkommens- oder vermögenslosen Personen eingegangen wurden, jedenfalls als sittenwidrig anzusehen und daher nichtig, das heißt ungültig, sind.

Das ist sehr zu begrüßen, weil man ja sehen muß, daß es sehr häufig den haushaltsführenden, aber nichtverdienenden Ehegatten getroffen hat, mit der weiteren, sehr negativen Konsequenz, die Sie alle kennen, daß dann, wenn es zum sogenannten Privatkonkurs des verdienenden, aber völlig überschuldeten Haushaltsmitgliedes kommt, der andere, der haushaltsführende Teil dieser Begünstigungen ja nicht teilhaftig wird, sodaß das bekannte, proklamierte Ziel des Privatkonkurses, nämlich die Entschuldung privater Haushalte, nicht erreicht werden kann. Dem hat der Oberste Gerichtshof erfreulicherweise einen Riegel vorgeschoben.

Zudem ist in dieser bevorstehenden Novellierung zu Recht eine erweiterte Informationspflicht des Gläubigers gegenüber dem Bürgen und Kreditnehmer vorgesehen.

Am Bauträgervertragsrechtsgesetz möchte ich nur in einem einzigen Punkt Kritik üben. Ich bedauere, daß eine große Schutzlücke insofern zurückgeblieben ist, als – soferne ich das richtig beurteile – der Wohnungseigentums-Organisator leider nicht einbezogen wurde.

Aber zurück zum Konsumentenschutz. Alles in allem handelt es sich dabei gewiß um ein wichtiges und ein richtiges Gesetz, aber richtig eben nur unter den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen. Aber eben diese sind das Problem und sollten uns auch kurz Anlaß zur Nachdenklichkeit geben.

Was meine ich damit? – Ich will nicht moralisierend beklagen – das wäre ja auch völlig nutzlos –, daß es offenbar die eingerissenen, fest verwurzelten, unseriösen Geschäftspraktiken sind – ich denke insbesondere an aggressive Werbung und allzu leichtfertige Kreditvergaben –, die zu vorliegenden und auch schon früheren Korrekturen gezwungen haben.

Ich will auch nicht primär die zweifellos sehr starken Eingriffe in die Vertragsfreiheit kritisieren. Warum nicht? – Freiheit ist ja nicht Freiheitsmißbrauch. Freiheit ist nicht schrankenlos, sie bedarf stets ihrer Ergänzung durch soziale Verantwortlichkeit.

Meine echte Sorge hingegen ist folgendes – ich sage vorweg dazu, daß dabei nicht das Justizressort angesprochen ist –: Wir alle im Hohen Haus teilen doch letztlich ein Leitbild, das gerade im freiheitlichen Denken besonders wesentlich und vorrangig ist. Es geht um das Leitbild vom mündigen Bürger. Wir sind aber zunehmend auf dem besten Weg, den betreuten Bürger, um nicht zu sagen, den entmündigten Bürger, an seine Stelle zu setzen.

Was ist der tiefere gesellschaftspolitische Grund dafür? – Meines Erachtens ist es das enorme Informationsdefizit der Bevölkerung und die daraus resultierende große Rechtsferne. Natürlich ist klar, daß in einer hochkomplexen, modernen Gesellschaft mit ihrem immer schwieriger werdenden, technischen, ausdifferenzierten Recht klarerweise keine weitverbreiteten Rechtskenntnisse des Bürgers als juristischem Laien denkbar sind.

Natürlich kennt sich der Bürger im Liegenschaftsverkehr, im Grundbuchrecht nicht aus. Das ist aber nicht das Problem. In diesem Bereich geht es aber um grundlegendste Vertragsstrukturen. Wie kann einem solchen Informationsdefizit begegnet werden? – Ich betone noch einmal: In dieser Frage ist nicht das Justizressort angesprochen, sondern da müßte auch das Bildungssystem, und zwar insbesondere die Schule, seinen Beitrag leisten.

Es müßte in Zukunft eine Art elementaren Rechtsunterricht geben. Ich weiß, das ist in Zeiten, in

 


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