Bundesrat Stenographisches Protokoll 620. Sitzung / Seite 98

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Herr Kollege Kaufmann! Ich will nicht bestreiten, daß es in Baden positive Aspekte gibt. (Ruf bei der ÖVP: Nicht nur in Baden!) Aber Sie wissen ganz genau, daß auch Ihre Vertretungen zugeben, daß das im Durchschnitt nur eine Umsatzverlagerung ist. Die Tatsache, daß trotz liberaler Öffnungszeiten in Deutschland Umsatzrückgänge zu verzeichnen sind, zeigt, daß da doch irgendein anderer Zusammenhang bestehen muß. (Bundesrat Ing. Penz: Im Interesse der Konsumenten!)

Ich möchte jetzt das persönliche Verhalten von Konsumenten hier nicht kritisieren, aber so am Rande ist mein persönlicher Eindruck, daß ein gewisser Tourismus zu den großen Handelsketten entsteht, die dann natürlich ein berechtigtes Interesse an längeren Öffnungszeiten haben. Das geht in die Richtung, daß Familien nicht mehr spazierengehen können. Aber ich bitte, das richtig zu verstehen: Das ist mein persönlicher Eindruck. Es liegt nicht an mir, das Lebensverhalten von anderen Menschen zu bestimmen. Aber die Tendenz, sich mit Kindern am Wochenende spazierenderweise in Einkaufszentren statt in der freien Natur zu bewegen, würde mir auch ein bißchen zu denken geben. Ich gebe jedoch zu, daß das nur ein kleiner Touch am Rande ist. Sagen Sie mir nicht, das sei ein unqualifiziertes Argument. (Bundesrat Ing. Penz: Das ist etwas Subjektives! – Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das hat natürlich etwas mit den Ladenöffnungszeiten zu tun. Es ist ja recht reizvoll, in einem gedeckten Areal Window-shopping zu betreiben, einen Kaffee zu trinken und dann nichts auszugeben.

Die Argumente der Umsatzsteigerung sind also zu hinterfragen. Ich glaube, das wissen Sie aus den Zahlen am allerbesten. Ich gebe zu, daß die Umfrage des "Regal" in Oberösterreich nicht mehr brandneu ist. Sie wissen, das "Regal" ist eine Zeitung des Handels in Oberösterreich, die unter ihren Lesern eine Umfrage gemacht hat. Demnach haben sich über 80 Prozent dagegen ausgesprochen, daß es weitere Ausweitungen der Öffnungszeiten gibt. Und unsere Landstraße-Kaufleute bestätigen, daß der Umsatz halt heute am Samstag gemacht wird, während er früher am Donnerstag und am Freitag vormittag erfolgt ist.

In Summe dieser Argumente bin ich nicht bereit, einer Tendenz näherzutreten, die mir in ihrer Gesamtheit nicht erstrebenswert erscheint. Aus diesem Grund werde ich persönlich diesem Nationalratsbeschluß nicht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei einzelnen Bundesräten.)

15.30

Präsident Josef Pfeifer: Weiters gelangt Herr Bundesrat Karl Drochter zu Wort. – Bitte.

15.30

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Kollege Kaufmann hat Kollegen Prasch gesagt, daß er ihn bei der Freien Wirtschaft vernadern werde. Ich kann Kollegen Prasch versprechen: Obwohl er den Spagat zwischen Handelsketten und Arbeitnehmern nicht überzeugend geschafft hat, werde ich ihn nicht beim Kollegen Gaugg bei der "AUF" in Kärnten vernadern.

Das heute vorliegende Öffnungszeitengesetz ist von meinen Vorrednern schon sehr ausführlich besprochen worden. Es ist jahrzehntelang, wie das Kollegin Kainz angedeutet hat, in Kreisen der Belegschaftsvertreter, der Gewerkschaften, aber auch der Konsumenten beraten worden. Auch nach dieser 30jährigen leidvollen Erfahrung nehmen wir zur Kenntnis, daß Kollegin Kainz dem Öffnungszeitengesetz nicht die Zustimmung geben wird, die sozialdemokratische Bundesfraktion hingegen sehr wohl, weil es nach der Diskussion über die Öffnungszeiten, von denen ja 250 000 Kolleginnen und Kollegen und 25 000 Lehrlinge betroffen sind, durch die parallele Verwirklichung des Kollektivvertrages doch möglich war, erträgliche Arbeitszeiten, Freizeitregelungen und Zuschläge für Mehrarbeit durchzusetzen.

Ich mache mir aber große Sorgen, vielleicht mehr Sorgen als die Vertreter der Wirtschaft, über den Umstand, daß seit dem Jahre 1990 über 5 000 Nahversorger ihre Betriebe geschlossen haben, daß es in 10 Prozent der Gemeinden in Österreich keine Nahversorgung mehr gibt, daß es in 44 Prozent der Gemeinden keinen Bäcker mehr gibt, Herr Bundesminister, daß es in 47 Prozent der Gemeinden keinen Fleischhauer mehr gibt. Man muß davon ausgehen, daß nicht alle Konsumenten so mobil sind und regelmäßig zu großen Einkaufszentren fahren können. Wir


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