Bundesrat Stenographisches Protokoll 620. Sitzung / Seite 161

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teidigung verlorengehen dürfen, um die Zahl von 32 000 zu halten. Es sollte also die Zahl der Zivildienstleistenden die 15-Prozent-Marke nicht überschreiten.

Meine Damen und Herren! Es waren aber in den letzten Jahren schon 30 Prozent! Die mangelnde Attraktivität des österreichischen Bundesheeres allein kann dafür wohl nicht verantwortlich gemacht werden. Nur 6 bis 9 Prozent der Zivildienstantragsteller machen bei Befragungen Gewissensgründe geltend. 21 Prozent der zukünftigen Zivildiener geben andere Gründe für ihre Entscheidung an, die, unter dem Stichwort "Attraktivität" zusammengefaßt, großteils außerhalb des Einflußbereiches des Bundesheeres liegen. Am häufigsten wird in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, zu Hause wohnen zu können, angeführt. Der freien Wohnungswahl des Zivildieners steht derzeit der Zapfenstreich des Soldaten gegenüber.

Weiters ist die Ausbildung zum Soldaten, der sich auch in einer Kriegssituation behaupten können muß, selbstverständlich zwangsläufig mit körperlicher und geistiger Belastung verbunden, was subjektiv als nicht besonders attraktiv empfunden wird. Von allen österreichischen Soldaten wird der Einsatz für Demokratie, Frieden und Freiheit bis hin zur Aufgabe des eigenen Lebens verlangt. Ein Zivildiener steht unter keinem derartigen Lebensrisiko.

Als dritter Punkt wird das ansprechendere Arbeitsklima angeführt. Die meisten Zivildiener arbeiten selbständig beziehungsweise in kleinen Teams, sodaß zur Koordination ein gutes persönliches Verhältnis genügt. Eine große einsatzbezogene Organisation, wie es das österreichische Bundesheer ist, deren kleinstes, selbständig arbeitendes Element bereits bis zu 200 Mann beinhaltet, benötigt aber eine hierarchische Führung zur Koordinierung, was weithin als unattraktiv empfunden wird.

Da eine Attraktivitätssteigerung des Grundwehrdienstes aus erklärlichen Gründen nur sehr beschränkt möglich ist, wird es notwendig sein, auf andere Weise sicherzustellen, daß auch weiterhin die für Österreichs Sicherheit notwendige Anzahl von Grundwehrdienern zur Verfügung steht. Bei einer Zivildienstlänge von 16 bis 18 Monaten, meine Damen und Herren, würden immer noch 10 Prozent der Tauglichen den Antrag auf Zivildienst stellen, bei einer Dauer von zwölf Monaten sogar noch 20 Prozent. Es ist also fraglich, ob eine Verlängerung des Zivildienstes auf zwölf Monate überhaupt genügt, um 32 000 Grundwehrdiener pro Jahr zu garantieren.

Das Erreichen dieser Grundwehrdienerzahl wird durch dieses Gesetz nicht sichergestellt. Sowohl die Möglichkeit, bis zu zwei Tagen vor der Einberufung den Antrag auf Zivildienst zu stellen, als auch die Verpflichtung für das Bundesheer, beim Stellungsverfahren und bei der Tauglichkeitsbescheinigung geradezu Werbung für den Zivildienst machen zu müssen, dienen der Sicherstellung dieser Zahl nicht.

Zum anderen trägt dieses Gesetz nicht dazu bei, den Zivildienst grundsätzlich zu reformieren und ihn als einen Teil der umfassenden Landesverteidigung zu installieren. Die Erweiterung der Dienstleistungsgebiete für Zivildiener wie zum Beispiel der Dienst in Justizanstalten dient nach unserer Auffassung diesem Ziele nicht. Katastrophenhilfe und Zivilschutz werden nur am Rande erwähnt. Aber gerade in diesen Bereichen sollten nach unserer Auffassung neben der Alten-, Kranken- und Behindertenbetreuung die Schwergewichte liegen.

Ich fasse zusammen: Das Zivildienstgesetz bringt zu wenig Verbesserung, Sie drücken sich vor der Verantwortung, der Armee für ihre Aufgabenerfüllung auch das notwendige Personal zur Verfügung zu stellen, und Sie drücken sich vor der Verantwortung, im Sinne des Belastungsausgleiches den Zivildienst straff zu organisieren und neben dem sozialen auch einen Katastrophen- und Zivilschutzdienst aufzubauen, für den es echten Bedarf gäbe. Sie halten an der Fiktion der allgemeinen Wehrpflicht fest, obwohl Sie diese de facto längst abgeschafft haben. Sie weichen einer grundsätzlichen Debatte über unser Wehrsystem aus oder beziehen derart widersprüchliche Positionen innerhalb der Regierung, daß eine einheitliche Linie nicht erkennbar ist.


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