Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 58

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tionen. Wie konservativ Ihre Einstellung zur Lebenssituation und den Bedürfnissen der Frauen ist, das haben wir ja hier eindrucksvoll erlebt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Inwiefern, Frau Kollegin? – Bundesrat Dr. Harring: Erklären Sie uns das!)

Meine Damen und Herren! Ich habe es streckenweise wirklich schon satt, mich damit auseinanderzusetzen, aber es ist nicht meine Art, die Flinte ins Korn zu werfen. Wir leben in einer Demokratie, und deshalb müssen wir uns auch mit Ihrer Meinung und Ihrer Einstellung zu Frauen befassen, auch wenn es noch so weh tut. Ich darf Ihnen nur ein paar Presseaussagen Ihres Parteivorsitzenden näherbringen, in denen seine Vorstellung von einer Frau zum Ausdruck kommen.

Wenn er im Zusammenhang mit der Frau Heide Schmidt feststellt, sie ist eine verhärmte Politikerin, er sich aber eine richtige Frau wünscht, dann, meine Damen und Herren, ist das sein persönlicher Wunsch, den er sich erfüllen kann, wo immer das angebracht ist. In der Politik ist eine richtige Frau eine Frau, die ihre Verantwortung wahrnimmt und die Aufgaben für ihr Klientel, das sie entsendet und mit diesen betraut hat, erfüllt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wenn Ihnen sonst nichts mehr einfällt, dann bedauere ich Sie wirklich! – Bundesrat Dr. Harring: Ist das Ihr Zugang zu Frauenfragen?)

Frau Dr. Riess! Ich weiß nicht, ob das Ihre Auffassung von Frauenarbeit oder von Ihrer persönlichen Arbeit ist, wenn ich hier folgende Aussage lese: Die heutige Form des Zusammenlebens ist denaturiert, das ist kein Ideal im nationalen Sinn. – Meine Damen und Herren, bitte, was heißt das? (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Woher haben Sie das? Das haben Sie geträumt!)

Oder: Partnerschaft besteht doch aus zwei Funktionen, dem dienenden und dem führenden Teil. (Bundesrat Dr. Harring: Wo haben Sie das gelesen?) Im "Kurier" vom 7. 10. 1984. Das ist nicht neu, aber Frauenpolitik ist keine kurzfristige Angelegenheit.

Wir haben in der Anfragebeantwortung der Frau Minister gehört, wie langlebig Vorurteile sind. Meine Damen und Herren! Ich bin seit 1957 in der Industrie tätig, ich erlebe tagtäglich Anliegen von Frauen, angefangen von Arbeiterinnen bis zu hochdekorierten Forscherinnen, und ich weiß es, welche Anliegen diese Frauen haben. Es geht ihnen nicht nur um die Schutzfunktion, sondern auch um die Vorstellung, sich nach ihrem Können, nach ihrer Ausbildung und nach ihren Fähigkeiten entwickeln zu können. Und ich schließe in dieses Entwickeln-Können sogar ein, daß eine Frau frei von moralischen Zwängen durch die Gesellschaft und frei von wirtschaftlichen Zwängen sich auch dafür entscheidet, zu Hause zu bleiben und ihre Familie zu betreuen. Nur: Es muß ihre freie Entscheidung sein. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Aber gerade diese Möglichkeit nehmen Sie den Frauen! Das ist ja das Problem! Das ist es, warum wir diese dringliche Anfrage stellen!)

Frau Dr. Riess! Diese Möglichkeiten nehmen den Frauen ihre Lebensumstände, und da sind wir hier im Parlament und die Frauenministerin ganz besonders gefordert. Ich habe das heute schon einmal gesagt: So traurig es ist, aber wir hier an dieser Stelle können nicht alle gesetzlichen Vorgaben so machen, daß sie in der Praxis dann auch funktionieren. Und gerade im Bereich der Frauenvertretung ist einfach ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Aber die eigenständige Pensionsvorsorge für Frauen ...!) Die muß aber erst finanziert werden. Stellen Sie sich doch nicht uninformierter hin, als Sie eigentlich sind! So etwas funktioniert ja nur, wenn man es finanzieren kann. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Dann verplempern Sie nicht Millionen für irgendeinen Unsinn!)

Meine Damen und Herren! Tatsache ist, daß Frauenpolitik über weite Strecken von Bewußtseinsbildung geprägt wird. Ich habe es heute hier auch schon einmal gesagt: Solange Frauen "gezwungen" werden – unter Anführungszeichen –, einerseits durch Wertvorstellungen, die ihnen andere Gruppierungen vorgeben, und andererseits durch wirtschaftliche Zwänge, werden Unternehmer diese Situation immer ausnützen und sich die Bedingungen für die Frauen nicht so positiv verändern, wie es notwendig wäre. Das muß sich auf der einen Seite in Schutzmaßnahmen, die in Form von Gesetzen, Vertragsbedingungen, Kollektivverträgen getroffen werden


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