Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 76

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widmet ist. Kein Gedanke zur Lehrlingsausbildung ist hier abgedruckt, eine halbe Seite genügt anscheinend.

Die Interessen, die Kommentare, die sozialen Grundlagen im Anhang lassen jedes Teil über die Lehrlingsausbildung vermissen, die Interessenvertretungen schreiben ein bißchen etwas, das alles ist aber doch sehr dünn.

Es hat also den Anschein, daß sich das Sozialministerium für Österreichs Lehrstellensuchende nicht besonders interessiert. Das ist natürlich bemerkenswert, besonders im Hinblick darauf, daß alle Zahlen rückläufig sind. So ist nach Ihrem Bericht die Zahl der Lehrlinge von 1994 auf 1995 um 5 Prozent gesunken, die Zahl der Lehrstellen um 10 Prozent und die Zahl der Lehrstellensuchenden um weitere 5 Prozent. 1996 hat die Zahl der Lehrlinge noch einmal um 6 Prozent abgenommen, und das ist sogar dem Vorsitzenden der Gewerkschaft, Herrn Verzetnitsch, aufgefallen, und er hat sich auf die Suche gemacht, wie das wohl so ist mit einer Lehrstelle. Er hat bei Gas- und Wasserleitungslehrlingen zu suchen begonnen und ist draufgekommen, daß 148 Lehrstellensuchende auf eine einzige Lehrstelle kommen. Da kann ja wohl etwas nicht stimmen.

Was wird da wohl nicht stimmen? – Eine Ursache ist ganz sicher der Rückgang von Betriebsgründungen. Das ist natürlich darauf zurückzuführen, daß die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen keine besonderen Anreize bieten, einen Betrieb neu zu gründen.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist Gott sei Dank in Österreich noch nicht so dramatisch hoch wie im EU-Durchschnitt. Im EU-Durchschnitt beträgt sie nämlich bereits mittlerweile 20 Prozent, in Österreich, glaube ich, sind es etwa 6 Prozent, aber wenn diese Tendenz, die ja fallend ist, weiter anhält, dann nähern wir uns in raschen Schritten eben diesem EU-Durchschnitt. Ich glaube nicht, daß wir danach trachten sollten, alles, was uns die EU vormacht, möglichst rasch nachzuvollziehen.

Das soziale Ansehen eines Lehrlings ist auch nicht gerade das beste, es rangiert nämlich auf einer imaginären Werteskala ganz unten. Die seinerzeitige Werbekampagne "Karriere mit Lehre" hat daran leider überhaupt nichts geändert.

Ursachen dafür gibt es genügend, und das beginnt schon bei einer völlig verfehlten Bildungspolitik. Noch immer schicken Eltern ihre Kinder weit lieber in eine AHS als in eine Hauptschule, denn das Image der Hauptschule ist natürlich auch völlig am Boden. Das hängt vor allem in Wien mit dem überproportional hohen Ausländeranteil zusammen, aber auch damit, daß die Hauptschule insgesamt zu einer Restschule verkommen ist.

Der Polytechnische Lehrgang kann beruhigt abgeschafft werden. Man bräuchte ihm keine Träne nachzuweinen. Ein Berufsbildungsjahr wäre wesentlich effizienter und sinnvoller.

Zu den Betrieben selbst muß gesagt werden, daß man zwar einerseits will, daß die Betriebe mehr Lehrlinge ausbilden, sie aber gleichzeitig dafür in Form von einer Kommunalabgabe und einer Lehrlingsbesteuerung bestraft werden, was natürlich dazu führt, daß die Bereitschaft der Betriebe, Lehrlinge auszubilden, natürlich sinkt, und das mit dem Wissen, daß die Ausbildung eines Lehrlings Zeit des Arbeitgebers, des Lehrherrn, in Anspruch nimmt und Arbeit ist.

Die teilweise restriktiven Jugendschutzbestimmungen, die oft geradezu grotesk anmuten, wie zum Beispiel der Malerlehrling, der nicht auf ein Gerüst steigen darf, ermuntern die Betriebe natürlich auch nicht gerade zur Aufnahme eines Lehrlings.

Herr Minister Hums! Gehen Sie einmal zu Klein- und Mittelbetrieben und fragen Sie dort die Unternehmer, warum sie immer weniger bereit sind, Lehrlinge auszubilden.

Ich kann Ihnen meine Erfahrungen aus dem Bezirk Neubau sagen, das ist mein Heimatbezirk. Der siebente Bezirk hat, auch wenn die Zahlen rückläufig sind, immer noch eine sehr große Anzahl von Klein- und Mittelbetrieben.


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