Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 75

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andersetzten, nicht nur Überschriften sagten und oberflächlich diskutierten, sondern sich mit den Ursachen der Armut beschäftigten und vielleicht nach einiger Zeit auch Vorschläge beziehungsweise Forderungen zur Abwendung oder Verringerung der Armut brächten.

Meine Damen und Herren! Armut ist und muß kein Schicksal sein, denn der Verarmung kann und muß man wirksam entgegensteuern. Armut ist nicht mehr allein eine Angelegenheit der zweiten oder dritten Welt, auch Bevölkerungsteile reicherer Länder können der Armut anheimfallen. Die Ursachen für Armut liegen auf verschiedenen Ebenen. Besonders gefährdet und betroffen sind Arbeitslose, alleinerziehende Frauen, Kinder und Jugendliche – besonders dann, wenn deren Eltern geschieden wurden –, aber auch ältere Menschen und Behinderte. Armut ist heute nicht mehr auf traditionelle Randschichten der Gesellschaft begrenzt. Gemessen am Erwerbsstatus sind in Österreich 46 Prozent der Arbeitslosenhaushalte, 25 Prozent der Hilfsarbeiterhaushalte und 14 Prozent der Arbeiterhaushalte betroffen; aber auch 8 Prozent der Angestelltenhaushalte sind von Armut bedroht.

Differenziert man nach Geschlechtern, zeigt sich sehr deutlich – und das hat gestern auch Frau Vizepräsidentin Schmidleithner sehr deutlich gesagt –, daß Armut weiblich war und immer noch ist.

Man kann die Verarmungsursachen näher analysieren und wird dabei feststellen, daß vor allem atypische Beschäftigungsverhältnisse wesentlich zur Verarmung beitragen. Dazu gehören Teilzeitbeschäftigung, befristete Dienstverhältnisse, Arbeit auf Abruf, Stundenarbeit und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Diese Beschäftigungsformen werden überwiegend von Frauen ausgeübt. Sie sind nicht nur instabil, sondern meist auch mit niedrigem Einkommen verbunden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf dazu ein typisches Beispiel bringen. Bei einem Teilzeiteinkommen von monatlich 8 000 S, was ungefähr 6 000 S netto entspricht, sind Sozialleistungen – netto berechnet nach 14 Jahreszehntel – in folgender Höhe zu erwarten: Krankengeld monatlich 4 800 S, Arbeitslosengeld 3 850 S, Notstandshilfe 3 650 S. Sollte eine Kollegin oder ein Kollege – meistens sind es ja Frauen, über 80 Prozent – das ganze Arbeitsleben, also in 35 Versicherungsjahren, niemals über 8 000 S hinausgekommen sein, so ist eine monatliche Rente oder Pension in der Höhe von 4 500 S zu erwarten.

Ich glaube, wir sollten dieser Entwicklung mit all unserer Kraft gegensteuern. Wir müssen uns bemühen um eine gerechtere Verteilung der Arbeit, mehr Vollarbeitsplätze, umfassende Maßnahmen wie Festlegung von Mindestlöhnen – es ist heute schon auch in anderen Zusammenhängen über Mindestlöhne gesprochen worden – und eine Prüfung und eine ausführliche Diskussion darüber, wie eigentlich Mindeststandards in Österreich aussehen sollen, und das sage ich, um nur einige Möglichkeiten hier anzuführen.

Verbreitung der Armut und damit Vertiefung der Spaltung unserer Gesellschaft darf zu keiner akzeptablen oder geduldeten Entwicklung unserer Gesellschaft werden. Wir haben heute in Europa und besonders in Österreich ein anerkanntes, bewährtes Sozialsystem, aber auch eine Gesellschaftsordnung, um die uns viele Länder beneiden. Sie werden daher verstehen, daß wir nicht zulassen werden, daß diese Gesellschaftsordnung und dieses bewährte Sozialsystem in Österreich zerschlagen wird.

Wir werden daher auch weiterhin die Bemühungen unseres Ministers Hums bei der Auseinandersetzung mit dieser Herausforderung tatkräftigst unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.40

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

18.40

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Auffallend an diesem Bericht über die soziale Lage betreffend den Lehrstellenmarkt ist, daß dem Lehrstellenmarkt gerade eine halbe Seite ge


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