Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 74

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Gelegenheit nützen, die Arbeitgeber darauf hinzuweisen, daß sie doch mehr Lehrlinge einstellen sollten, als es derzeit der Fall ist. Es wird nämlich unter vorgehaltener Hand behauptet, daß es eine Übereinkunft zwischen den Arbeitgebern gibt, die Lehrlingszahlen von Burschen und Mädchen so gering als möglich zu halten. Ich glaube nicht, daß das tatsächlich stimmt, aber ganz ohne einer diesbezüglichen Diskussion in den dortigen Reihen kann man sich die doch beträchtlich geringeren Lehrlingseinstellungen im Jahr 1996 und zu Beginn des Jahres 1997 nicht erklären. (Bundesrat Ing. Penz: Hätten Sie den "Konsum" noch, könnten Sie die Lehrlinge einstellen!)

Würde es die Firma Maculan noch geben, könnten wir noch mehr Lehrlinge einstellen. Wenn es nicht den Konkurs der Schelling in Vorarlberg gegeben hätte, wo wir heute die Kosten des Privatkonkurses zu zahlen haben – mit über 340 Millionen Schilling der höchste in Österreich –, und die Raiffeisenbüros, -banken und -werkstätten mehr Lehrlinge einstellten, Kollege Penz, dann würden sie sicherlich einen sinnvollen Beitrag zur Entspannung der Lehrlingssituation leisten. (Bundesrat Ing. Penz: Würde man den Bauern ein gutes Einkommen ermöglichen, dann wäre das kein Problem!) Ich glaube, daß die öffentliche Hand immer ihren Beitrag leistet, um die schwierige Situation der Bauern aufgrund von Dürre, zuviel Regen oder Heuschreckenschwärmen zu entspannen.

Wir sollten uns ernsthaft mit der Lehrlingsausbildung auseinandersetzen und Anreize schaffen, wie zum Beispiel einen Lastenausgleich zwischen ausbildenden Betrieben und Betrieben, die nicht ausbilden. Ich glaube auch, daß es sinnvoll wäre, die derzeit zirka 230 Lehrberufe in Flächenberufe zusammenzufassen. Geichzeitig ist im Auge zu behalten, daß wir zukunftsorientierte Berufe gestalten. Ich glaube, daß das wirklich sinnvoll wäre, weil auch bei einer weiteren Internationalisierung der Wirtschaft auf hochqualifizierte Facharbeiterinnen und Facharbeiter nicht verzichtet werden kann. Bernhard Felderer vom Institut für Höhere Studien formulierte vor wenigen Wochen meiner Meinung nach sehr treffend – ich zitiere –: Zum Unterschied vom reichlich vorhandenen Finanzkapital beziehungsweise physischen Kapital qualifizierter Arbeitnehmer einer Bevölkerung ist es jene Gruppe, die der wirklich knappe Faktor in der Wirtschaft ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Arbeitgeber und ihre Interessenvertretungen verwenden Schlagwörter wie "Globalisierung", "Flexibilisierung", "Deregulierung", "Redimensionierung" immer öfter in ihren politischen Äußerungen. Ich habe den Eindruck, daß sie dies als Druckmittel und zur Verunsicherung der Arbeitnehmer einsetzen. Es ist daher meiner Meinung nach höchste Zeit, daß der bewußt lancierten negativen Panikmache entgegengetreten wird und viel mehr zusätzliche Aktionen zu setzen sind, um die Arbeitslosigkeit in Österreich, aber auch in ganz Europa künftig stark zu verringern. Viele, die über Globalisierung und Flexibilisierung reden, reduzieren den Menschen, insbesondere den Arbeitnehmer, bewußt auf eine ökonomische Position in ihren wirtschaftlichen Überlegungen. Sie reduzieren die Arbeitnehmer ausschließlich auf einen Kostenfaktor bei ihren Wirtschaftskonzepten, was wir sicher nicht zur Kenntnis nehmen können.

Ich möchte aber auch betonen, daß wir grundsätzlich nicht gegen die Ausweitung, sprich Internationalisierung des Welthandels sind. Wir wollen ihn nicht verhindern oder behindern. Er muß nach unserer Vorstellung nur dringend sozialer und ökologisch verträglicher gestaltet werden.

Wir haben in Österreich die Situation, daß Arbeitnehmer täglich mit Forderungen nach Lohnreduzierung, Abbau von Sozialleistungen und weiteren Minimierungsvorschlägen staatlicher Aufgaben verunsichert werden. Wir als Gewerkschafter treten dafür ein, daß endlich weltweit Sozialklauseln gegen Sozialdumping in internationalen Vereinbarungen verankert werden, denn weltweite Unterdrückung, Ausbeutung von Frauen, wachsende Armut und Kinderarbeit dürfen nicht noch weltweit mit Wettbewerbsvorteilen belohnt werden.

Frau Kollegin Moser von den freiheitlichen Bundesräten hat sich in ihrem Diskussionsbeitrag zur Armut geäußert. Ich muß leider sagen, ich hätte mir eigentlich mehr erwartet, es war sehr oberflächlich. Sie hat aber – und das ist ihr anzurechnen – auf die sehr informierte und bezüglich dieser Herausforderung sehr aktive Vizepräsidentin Kollegin Schmidleithner verwiesen. Ich glaube, daß das der erste Schritt sein könnte, daß sie sich einmal wirklich mit der Armut ausein


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