Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 90

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Betreffend die Krankenscheingebühr selbst, die damals in diesem Kompromiß enthalten war: Ich wäre froh, wenn es gemeinsam mit dem Koalitionspartner gelänge, diese Krankenscheingebühr wieder zu beseitigen. Aber ich kann den Versicherungen jetzt nicht zumuten, daß sie dann auch wieder die damit verbundenen Finanzmittel verlieren. – Daher mein Vorschlag: Die Krankenscheingebühr wird beseitigt, gleichzeitig wird aber eine ganz geringe, im Hundertstelbereich liegende Beitragssatzanhebung vorgenommen. Gleichzeitig soll jenen Unternehmungen, die Lehrlinge ausbilden, Kosten erspart werden. Denn das, was von den Dienstgebern hereinkommt, könnten wir dazu verwenden, um einen Ausgleich zu schaffen, damit wir in den ersten beiden Lehrjahren von den Lehrlingen keine Krankenversicherungsbeiträge einheben müssen.

Dieses Angebot habe ich mehrfach gemacht. Allein kann der Sozialminister das nicht umsetzen, sehr wohl aber mit dem Koalitionspartner. Es soll fair verhandelt werden, ohne daß jemandem etwas ohne sachliche Begründung zugemutet wird.

Zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, die Sie angesprochen haben: Erstens haben wir in Österreich bedeutende Wirtschaftsstandortvorteile. Das zeigt sich daran, daß viele Unternehmungen in Österreich Filialen eröffnen und hier investieren. Die Qualität der Arbeitnehmer ist hoch, und es herrscht sozialer Friede.

Daher richte ich immer wieder den Appell an die Sozialpartnerschaft: Schaffen Sie bitte ein faires Ausgleichssystem! Denn dieses faire Ausgleichssystem in der Sozialpartnerschaft ist die Grundlage des sozialen Friedens und damit die Grundlage für die Qualität des Wirtschaftsstandortes.

Im Hinblick auf das Thema Flexibilisierung der Arbeitszeit ist von meinem Ressort im Sommer ein Impuls ausgegangen, mit dem Bewegung in die Situation gekommen ist. Es wurde ein Vorentwurf erstellt, und dieser Entwurf für eine Novelle des Arbeitszeitgesetzes sieht sehr weite Möglichkeiten der Flexibilisierung vor. Innerhalb des in Österreich bestehenden Systems aber, mit dem unsere Sozialpartnerschaft sehr viel zum Fortschritt beigetragen hat, soll der Gesetzesrahmen branchenorientiert von den Kollektivvertragspartnern genützt werden. Und sie nützen diesen Rahmen, glauben Sie mir das! Die Sozialpartner haben den gesetzlichen Rahmen in allen Bereichen genützt, manchmal im Vertrauen auf die Novellierung sogar schon überschritten.

Geben wir den Sozialpartnern doch endlich die Möglichkeit, neue, flexiblere Arbeitszeitregelungen ohne Übervorteilung der Arbeitnehmer zu beschließen! Daher richte ich den Appell an den Koalitionspartner, dieses Gesetz mit sehr weiten Spielräumen für die Flexibilisierung endlich zu beschließen und nicht deshalb liegenzulassen, weil man gleichzeitig ein gutes System, das System der Sozialpartnerschaft, das System der branchenorientierten Kollektivverträge über Bord werfen will. Das ist mein Appell an Sie, und ich hoffe auf die Unterstützung der Unternehmungen in Gewerbe und Industrie! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.54

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

19.54

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Erlauben Sie mir, auf einige Bemerkungen des Kollegen Drochter etwas zu erwidern. Seine Ausführungen haben so geklungen, als wäre die Wirtschaft nicht bereit, Lehrlinge aufzunehmen. (Bundesrätin Kainz: So ist es ja!)

Glauben Sie mir: Auch für uns ist es sehr bedauerlich, wenn wir nicht alle Lehrlinge beschäftigen können. Mich selbst hat im Herbst ein junger Mann angerufen und um eine Lehrstelle gefragt. Ich mußte ihm jedoch absagen. – Glauben Sie mir: Das ist sehr bedauerlich!

Wir würden gerne alle, die sich um Lehrstellen bewerben, beschäftigen. Wir könnten dies auch, wenn die Wirtschaft ein entsprechende Dynamik hat. Die Wirtschaft muß laufen. Man kann


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