Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 93

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Hearing Gelegenheit hatten, sich mit ihr auseinanderzusetzen, oder die in die Bewerbungsunterlagen Einsicht genommen haben.

Frau Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann ist 1947 geboren, wird also dem Gerichtshof noch geraume Zeit ihre Dienste zur Verfügung stellen können. Sie ist in Wien geboren und wohnt in Wien. Sie hat Rechtswissenschaft studiert, zusätzlich auch das Lehramt an mittleren und höheren kaufmännischen Schulen. Nach jeweils mehrjähriger Tätigkeit als Universitätsassistentin und im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes ist sie seit 1982 als Rechtsanwältin in einer kleineren Kanzlei in Wien tätig, was durchaus typisch für den Anwaltsberuf in Österreich ist.

Die Gründe, die für diese Nominierung sprechen, sind nicht zugleich – wir legen Wert darauf, das zu betonen – Gründe gegen die Ernennung anderer Bewerberinnen und Bewerber. Ich konnte im Gespräch mit vielen Kolleginnen und Kollegen feststellen, daß es erfreulich ist, daß man mehr als eine Handvoll, vielleicht ein gutes Dutzend wirklich hervorragend qualifizierter Kandidaten vorschlagen könnte. In diesem Zusammenhang bedaure ich es, daß dem Bundesrat aufgrund der Bundesverfassung nur ein sehr kleines Vorschlagskontingent zusteht, was eigentlich für einen Bundesstaat untypisch ist: Sechs Mitglieder sowie den Präsidenten und den Vizepräsidenten nominiert die Bundesregierung, drei Mitglieder der Nationalrat und drei der Bundesrat. Wenn man das einander gegenüberstellt, ergibt sich ganz klar ein Kräfteungleichgewicht zugunsten des Bundes, während sonst in Bundesstaaten Gerichtshöfe dieser Art, die ja auch eine schiedsgerichtliche Funktion bei der Zuständigkeitsverteilung ausüben, gleichgewichtig besetzt werden. – Das möchte ich nur am Rande einfügen, damit man nicht denkt, der Bundesrat habe ohnedies für die Länder ein ganz gewichtiges Vorschlagsrecht wahrzunehmen.

Wenn man mehrere und sicherlich in gleicher Weise geeignete Kandidaten für eine Funktion zu benennen hat, dann muß man die Überlegung anstellen, bei welcher Person die meisten Gründe dafür sprechen, gerade denjenigen oder diejenige zu ernennen.

Ein maßgeblicher Gesichtspunkt für die Ernennung war für uns, daß ein Rechtsanwalt ausgeschieden ist und es gute Gründe gibt, dafür zu plädieren, daß ihm jemand aus diesem Berufsstand nachfolgt. Das ist bereits ansatzweise, wenngleich nicht ausdrücklich, in der Bundesverfassung grundgelegt, in der davon ausgegangen wird, daß die Vorschläge der Bundesregierung aus dem Kreise der Richter, Verwaltungsbeamten und Professoren eines rechtswissenschaftlichen Faches an einer Universität zu erfolgen haben. Daraus geht ganz offenkundig hervor, daß jene Personen, die aufgrund ihrer rechtswissenschaftlichen Ausbildung und Berufstätigkeit sonst in Frage kämen, in erster Linie von den gesetzgebenden Körperschaften namhaft zu machen sind.

Das hat auch eine innere Logik, weil Anwälte im Verfassungsgerichtshof gewissermaßen in zweifacher Hinsicht den Bürger repräsentieren. Sie nehmen diese Aufgabe einerseits in der Form wahr, daß sie als Rechtsanwälte ihre Klienten bei Gericht, bei Verwaltungsbehörden, aber letztlich auch beim Verfassungsgerichtshof individuell vertreten. Als Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes repräsentieren sie die Bürger kollektiv. Sie bilden praktisch stellvertretend ein gewisses Gegengewicht zu jenen Kräften im Verfassungsgerichtshof, die aus der Lehre und aus der Rechtsanwendung von der anderen Seite kommen. Ich halte einen solchen Ausgleich innerhalb des Gerichtshofes für außerordentlich wichtig. Daher plädierten wir dafür, sich bei der Auswahl in erster Linie auf jene Personen zu konzentrieren, die aus dem Stand der Rechtsanwälte kommen.

Wir bekennen uns auch als Volkspartei angesichts des nach wie vor sehr stark männerdominierten Verfassungsgerichtshofes ganz ausdrücklich dazu, eine qualifizierte Frau – ich lege Wert darauf, das zu betonen – nicht übergehen zu wollen. Ich halte nichts von Quoten, die um jeden Preis erfüllt werden müssen. Aber wenn wir guten Gewissens sagen können, daß in diesem Fall eine qualifizierte Frau zur Verfügung steht, dann sehe ich keinen Grund, warum wir die Zusammensetzung des Verfassungsgerichtshofes nicht auf diese Art und Weise langsam in eine Richtung lenken sollten, die der heutigen gesellschaftlichen Zusammensetzung entspricht, insbesondere als Organ der Gesetzgebung.


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