Bundesrat Stenographisches Protokoll 622. Sitzung / Seite 19

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Müssen Sie heute die Rolle des Lorbeerkränzers beim Herrn Bundeskanzler spielen, da kein Regierungsmitglied der ÖVP offensichtlich mehr bereit ist, das zu tun, so wie im Nationalrat? Aber ich bin sicher, Herr Kollege Hüttmayr, Sie werden diese Ihnen übertragene Aufgabe zur allgemeinen Zufriedenheit Ihrer Parteikollegen erledigen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Welche Maßnahmen werden Sie und Ihre Regierung setzen, und welchen Zeitrahmen haben Sie sich dafür gesetzt, denn mit Ankündigungen allein ist es ja auch nicht getan. Man muß sich ja auch ein Ziel stecken und einen Rahmen setzen, innerhalb dessen man dieses Ziel erreichen will, und auf diese Fragen erhoffen sich die Bürger in diesem Land zu Recht eine Antwort.

Herr Bundeskanzler! Sie haben im Zusammenhang mit der Frauenpolitik gesagt, die Frauen haben eine größere Belastung, nämlich eine doppelte Belastung durch Beruf und Familie. Es ist schön, daß Sie das festgestellt haben. Und Sie haben auch gesagt, wir brauchen Arbeits- und Lebensformen, die es Frauen erlauben, sich voll zu entfalten. Das ist richtig. Aber was Frauen vor allem brauchen und viel mehr brauchen als schöne Worte, das sind Arbeitsplätze, Kindergartenplätze, eine eigenständige sozial- und pensionsrechtliche Absicherung, Chancengleichheit und vieles andere mehr. Sie brauchen aber ganz sicher kein Gesetz für halbe/halbe, sie brauchen auch keine Werbekampagnen um Millionen Schilling, sondern konkrete Hilfe.

Herr Bundeskanzler! Wie die Tatsache, daß, wie Sie gesagt haben, dem Frauenministerium weitere bedeutende Verantwortungsbereiche wie zum Beispiel der Tierschutz und die Gentechnologie übertragen werden, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Gleichstellung der Frauen fördern soll, das müssen Sie mir auch einmal erklären. Da ist der Zusammenhang wirklich nicht zu sehen, hat doch die Frauenministerin in den entscheidenden Fragen keine Durchsetzungskompetenz – nämlich in den Fragen, die für die Frauen wirklich relevant sind.

Überhaupt ist die von Ihnen geschaffene Ressortverteilung mehr als fragwürdig und wird vor allem täglich fragwürdiger. Gestern wurde zum Beispiel zum allgemeinen Erstaunen der Öffentlichkeit bekannt, daß Herr Einem als Verkehrsminister doch weiterhin für die Ausländerpolitik zuständig sein soll. Das ist eine ganz neue Variante, von der bisher überhaupt nie die Rede war, und das ist nicht nur eine kräftige Ohrfeige für den neuen Innenminister, sondern vor allem auch eine gefährliche Drohung für die Österreicher. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Die Bürger dieses Landes haben auch ein Recht darauf, zu erfahren, wie Sie die Rolle Österreichs in der Europäischen Union sehen und zu gestalten gedenken. Es sollte Ihnen eigentlich zu denken geben, wenn der "Spiegel" in seiner jüngsten Ausgabe schreibt – übrigens in dem Artikel, in dem Sie so freundlich mit dem amerikanischen Präsidenten Clinton verglichen wurden, man sollte aber ein bißchen mehr lesen als die Überschrift, denn wenn man weiterliest, steht da zum Beispiel, ich zitiere –, daß Österreich in den EU-Ministerräten als Mitgliedstaat mit dem geringsten Eigenprofil gilt. Das ist eine Frage, die nicht nur Ihren Vorgänger betrifft, sondern in ganz entscheidendem Maße auch Sie selbst, Herr Bundeskanzler, da Sie als Finanzminister einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung dieses Profils hätten leisten sollen. Daß Sie das nicht getan haben, ist ein Faktum, und zwar ein Faktum, das nicht nur von der Opposition, sondern auch von Experten und internationalen Beobachtern so gesehen wird.

So schreibt zum Beispiel die "Weltwoche", die eine sehr ausführliche EU-Berichterstattung hat, erst vergangene Woche: "Entgegen großspurigen Ankündigungen vermochte Österreich die Brüsseler Beschlüsse in keiner einzigen Problematik initiativ mitzugestalten. Weder in Sachen Währungsunion noch bei der Osterweiterung noch zur Reform des Maastricht-Vertrages äußerten die Wiener Vertreter konstruktive Ideen. Sie standen immer daneben." – Das ist in höchstem Maße verantwortungslos.

Da Sie, Herr Bundeskanzler, heute in die Niederlande reisen, wo es auch – wie ich annehme – um Fragen im Zusammenhang mit der Regierungskonferenz und der Revision des Maastricht-Vertrages geht, wäre es interessant, zu erfahren, welche Position Sie dort vertreten werden. Wenn Sie sagen, Sie werden dafür eintreten, daß die Stellung der kleinen Mitgliedsstaaten in


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