Bundesrat Stenographisches Protokoll 622. Sitzung / Seite 21

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

(Weitere Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Der Theoretiker der Französischen Revolution, Saint-Just, hat den Satz geprägt: Heimat ist nicht das Land, es ist die Gemeinschaft der Gefühle, und es geht in diesem Land darum, welche Gefühle es sind, die unser gemeinsames Bild der Zukunft prägen. Sowohl die Debatte im Nationalrat als auch die erste oppositionelle Wortmeldung heute haben mit nicht zu überbietender Deutlichkeit klar gemacht, worin wir uns unterscheiden. Die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers hat klargestellt, daß dieses Land mit all seinen Problemen, mit all seinen Notwendigkeiten, sich zu ändern, allen Grund hat, die Probleme der Zukunft mit Optimismus anzugehen, und die Opposition hat deutlich gemacht, daß sie diese Stimmung des Optimismus mit ihren politischen Zielen für unvereinbar hält und lieber einen langen beckmesserischen Katalog von Mäkeleien aufzählt, der der Regierungspolitik... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sagen Sie das den 300 000 Arbeitslosen!) Sie haben bereits gesprochen, Frau Kollegin! Sie können sich noch einmal zu Wort melden. Jetzt bin ich dran. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, das ist auch tatsächlich das Feld, auf dem wir einander politisch zu begegnen haben. Nicht, daß irgend jemand erwarten, behaupten oder fordern würde, daß reale Probleme durch schöne Worte weggeredet werden. O nein, darum geht es nicht. Aber dieses Land kann seine Probleme nur dann bewältigen, wenn wir in der Lage sind, jeden einzelnen Entscheidungsträger – und jeder ist für sich selbst Entscheidungsträger! – mit diesem Optimismus anzustecken und zur Mitarbeit zu gewinnen. Hilfe für Klein- und Mittelbetriebe, das ist angesprochen worden, aber Hilfe ist nur die eine Dimension. Die andere Dimension ist die optimistische Entscheidung für die eigene wirtschaftliche Chance und damit für die Beschäftigung neuer Mitarbeiter. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Reform der öffentlichen Verwaltung ist nicht nur etwas für Gesetze, Verordnungen und Richtlinien. Sie lebt davon, daß die Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung von ihr überzeugt sind und ein solches Konzept persönlich mittragen. In der Regierungserklärung, hier und im Nationalrat, sind viele solcher Ansatzpunkte genannt worden, und wir werden nicht müde werden, diese Ansatzpunkte zu wiederholen; nicht – ich sage es noch einmal – weil wir jemandem etwas aus- oder einreden wollten, sondern weil eine solche Politik die Mitarbeit eines Großteils der Bevölkerung einfach braucht, weil sie nicht nur verstanden – das ist eher eine Aufgabe des politischen Marketing –, sondern wirklich aktiv und bewußt mitgetragen werden muß.

Der Herr Bundeskanzler hat versucht, mit knappen Strichen jene Entwicklungen der Zukunft, die heute absehbar sind, nachzuzeichnen. – Nicht weil es die Aufgabe der Regierung wäre, sozusagen futurologische Studien anzustellen, sondern weil nur die Kenntnis des Hintergrundes, vor dem sich unsere politischen Entscheidungen abspielen, die Kenntnis der Konkurrenzverhältnisse und der künftigen Entwicklung richtige Entscheidungen möglich machen.

Diese Bundesregierung – das ist deutlich geworden – ist bereit und, wie ich hinzufügen möchte, auch in der Lage, diese Hintergründe realistisch zu kalkulieren, nüchtern einzuschätzen und darauf aufbauend eine Zukunftsstrategie zu entwickeln.

Ich sage es noch einmal: Es ist eine Zukunftsstrategie des Selbstbewußtseins und des Optimismus, aber ist keine Zukunftsstrategie des Kleinmuts und des Jammerns, denn diese Art von Zukunftsstrategie überlassen wir sehr gerne der F-Opposition.

Es ist ein entscheidender Punkt, daß gerade jene, die aus sehr verständlichen Gründen vor dieser Zukunft Angst haben, die mehr Angst als Hoffnung haben – das räume ich gerne ein –, hier miteinbezogen werden, und zwar voll miteinbezogen werden.

Wer einen bedrohten Arbeitsplatz oder keinen Arbeitsplatz hat, wer eine geringe materielle Absicherung vorfindet und sich in dieser bedroht fühlt, ist nicht notwendigerweise ein Träger von Optimismus. Aber die Politik – und darauf wurde hingewiesen – dieser Bundesregierung ist eben gerade darauf abgestellt, jenen, die um ihren Arbeitsplatz Sorge haben, einen – in vielen Fällen einen andersgearteten und neuen – Arbeitsplatz anzubieten; jenen, die sich auf eine bestimmte


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite